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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

Weg zur Annahme des consensus Tigurinus. Calvin hatte in seinem Entwurf behauptet, Luther würde gewiss, wenn er noch lebte, der Schweizerischen Lehre, so wie sie nun von ihm erklärt sei, seinen vollen Beifall schenken. Darauf bemerkte Bullinger[1]: „Gerade hier würden Dich die Lutheraner der Unredlichkeit zeihen und zeigen, Du seiest der, von welchem Luther prophezeite, dass er kommen werde, der nemlich trachten werde mit Luthers Worten die Schwärmerei zu erhärten. Vielleicht ist Dir nicht einmal bekannt, wie krass und roh Luther von diesem geistlichen Mahle dachte und schrieb. Du warst eben nicht im Falle, seine Schriften zu lesen und zu verstehen, da er das meiste der Art nur deutsch schrieb. Du glaubst vielleicht, er habe so gedacht, wie jene guten und friedlichen Leute seine Worte auslegten, die behaupteten, sie hätten ihn ganz gefasst. Es ist aber nur zu gewiss, dass Luther weit krasser geschrieben und geredet hat als jene ihm andichten, und dass er diese seine krasse Lehre in Druckschriften so heftig verfochten hat, dass eine milde Erklärung nun nicht einmal möglich bleibt. So schrieb er im Anfang des Streites, so in der Mitte, so am Ende. Es thut uns wehe, dass wir diess sagen müssen. Immer haben wir ihm ein besseres Loos gewünscht, denn wir anerkennen seine grossen Verdienste um die Kirche wohl... Lieber Calvin, nach der Art, wie Du das Abendmahl erklärst, würde Dir Luther nur gar nicht brüderlich die Hand reichen. Das Alles, was Du vorbringst, hat ihm schon Zwingli und Oekolampad im Jahr 1529 zugegeben, und sie haben das selbst bekannt, aber vom Handbieten wollte er doch gar nichts wissen.“

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 Bullinger kennzeichnet damit sehr richtig den falschen Standpunkt, den Calvin in dem Streit mit Westphal einnahm, den nemlich, als sei kein wesentlicher Unterschied zwischen seiner und Luthers Lehre, und es ist erfreulich, einen reformirten Theologen selbst Zeugniss dafür ablegen zu sehen. Während Calvin diesen Standpunkt einnahm, ging Bullingers Absicht dahin, die lutherischen Theologen erst mit Geduld und Freundlichkeit zu überzeugen, dass man sich an den im consensus Tigurinus


  1. Ibid.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/186&oldid=- (Version vom 1.10.2017)