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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

Sache zum Austrag brächten. Den Calvin fand er dazu mehr geneigt als den Bullinger.[1]

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  1. Wir wollen an diesem Ort aus Bullingers Leben von Pestalozzi beibringen, wie Bullinger über die Einigungsversuche und über der Schweizer Verhältniss zur Augustana urtheilt, viel richtiger und einsichtiger als Calvin. Er schreibt (p. 393) am 29. April 1556 an Calvin: Lasco hat auch an Euch geschrieben in Betreff der Hoffnung, die er auf ein Religionsgespräch setzt. Ich hoffe davon, gleich wie Du, wenig oder nichts, ja ich fürchte, aus einem mässigen Brand werde dadurch eine weit um sich greifende Feuersbrunst werden. Jene, mit denen man ein solches Gespräch zu halten hätte, sind ja entweder von heftigerer, völlig lutherischer Gemüthsart, wie Brenz, Schnepf, Westphal und unzählige Andere von dieser Sorte, oder gemässigt, wie Melanchthon, Paceus und einige Wenige sonst noch. Diese aber wollen ihrer weicheren und sanfteren Gemüthsart nach jene nicht vor den Kopf stossen. Jene aber werden nicht einen Halm breit weichen, vielmehr ihrer Roheit gemäss Haufen von Scheltworten auf uns werfen; ja auch nach dem Gespräche (was, wie wir sehen, auch nach dem Marburger Gespräch geschah) in ihren Briefen und auf den Kanzeln ein Triumphgeschrei erheben. Wir können uns durchaus nichts Anderes und Besseres versprechen; diesen oder jenen süssen Einbildungen dürfen wir uns nicht hingeben. Zu gut sind uns die Lutheraner bekannt, schon seit dreissig Jahren. Doch es hoffen Manche, diese Sache lasse sich mildern durch die Einwirkung der Fürsten; durch ihre friedfertige Stimmung könne die rohe und wilde Art der Prediger leicht besänftigt werden. Aber höre, was ich da hoffe. Wofern wir unsere Ansicht aufgeben oder das, was wir bis dahin klar und deutlich gelehrt haben, künstlich verhüllen, werden wir die Fürsten holdselig finden und man wird die Augsburgische Confession zur Vereinigungsformel machen. Verstehen wir uns dazu nicht, so wird man uns entlassen als stolze und hartnäckige Menschen. Aufrichtig muss ich aber sagen, die Augsburgische Confession kann ich dermalen nicht annehmen und anerkennen, aus manchen Gründen, namentlich wegen der damit verbundenen Apologie und weil Du nun eben aus Westphals Schrift erfahren hast, was jene von ihrer Augsburgischen Confession halten. Und Du würdest erfahren, dass nicht einmal Melanchthon Deiner Hoffnung entspräche. Warum ich aber von den Fürsten so denke, will ich Dir sagen. Die meisten Fürsten sind nun einmal ihrem Bekenntniss nach lutherisch. Sie hängen alle vom Kaiser ab. Ihm haben sie die A. C. überreicht und auf dem nämlichen Reichstag die Zwinglische verworfen. Wir dürfen nicht meinen, sie haben es auf den späteren Reichstagen besser gemacht. Denn noch auf dem letzten Reichstage sind die Zwinglianer (vom Religionsfrieden) ausgeschlossen worden. Und wie? Hat nicht der Herzog von Würtemberg, der nun die Hauptrolle spielt und völlig von Brenz abhängt, auf das Concil zu Trient eine Confession geschickt, die gut lutherisch ist in [181]
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/204&oldid=- (Version vom 1.10.2017)