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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

 Hält man daran fest, dass es sich im Abendmahl um eine solche Gegenwart Christi handelt, so wird man nicht zu der albernen Frage kommen, welcher Art die Einigung des Leibes Christi mit dem Brode sei, denn mit uns handelt Christus, und nicht mit den Elementen von Brod und Wein hat er es zu thun. Ueber den Sinn der Ausdrücke: „das ist mein Leib, der Kelch ist das neue Testament in dem Blute Christi“ war auch die alte Kirche nie zweifelhaft, und immer legte sie dieselben so aus, dass Christus durch diesen Genuss uns bezeuge, dass uns Vergebung der Sünden und ewiges Leben gegeben werden solle. Sehr viele Güter (nicht umbrae, typi, ornamenta disciplinae externae aut politiae, qualia sunt bona legis) werden uns da zu Theil. Eine Synecdoche und Metonymie muss man freilich in diesen Ausdrücken annehmen. Die letztere nimmt auch Luther an, und es lässt sich an dem Beispiel, das er selbst beibringt, am deutlichsten zeigen, wie der Ausdruck: „der Kelch ist das neue Testament“ gemeint ist. Er sagt: die Taube ist der heilige Geist. Damit kann nicht gemeint sein, dass der heilige Geist mit der Taube mehr gegenwärtig war, als an anderen Orten, denn bei Gott kann man keine locale Gegenwart annehmen, der Sinn ist also nur der: mit dieser sichtbaren Gestalt einer Taube wurde der heilige Geist Christo infundirt, die Gegenwart des heiligen Geistes bezieht sich aber nicht auf die Taube, sondern auf Christum, von einem Gebundensein des heiligen Geistes an die Taube ist also hier so wenig die Rede, wie dort von einem Gebundensein Christi an die Elemente, hier wie dort ist nur von einer Gegenwart der Wirksamkeit die Rede. Entgegnet man nun aber darauf, das sei gegen die buchstäbliche Auslegung, (τὸ ῥητόν abjici), so sagt die Exegesis dagegen: die Auslegung ist gemäss der Absicht Christi, der einen Ritus einführen wollte, durch den die Mittheilung seiner Wohlthaten bezeugt werden sollte. Die Exegesis fragt, ob diejenigen nicht buchstäblicher auslegen, welche den Ausdruck sacramental verstehen und einfach glauben, dass wir durch den Genuss im Abendmahl des Leibes Christi theilhaftig werden. Eben darum haben auch die Jünger keinen Zweifel gehabt, wie sie die Rede Christi im Abendmahl aufzufassen hätten: denn sie haben sich erinnert, dass der Herr in einer längeren Rede schon von

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/297&oldid=- (Version vom 1.10.2017)