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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

 Nach der Ueberzeugung des Kurfürsten und der lutherischen Geschichtschreiber dieser Zeit sind es die, dass seit geraumer Zeit der Plan bestanden habe, die Lehre Luthers vom Abendmahl zu verdrängen und die calvinische Lehre im Lande zur Geltung zu bringen[1]. Der Geheime-Rath Cracau, die Theologen Stössel und Schütz, der Leibarzt Peucer, nahm er als bewiesen an, waren die Häupter dieser Verschwörung, und trieben an den Wittenberger und Leipziger Theologen, mit ihrem Bekenntniss nicht länger zurückzuhalten. Dieses hatten sie nun abgelegt in der Exegesis perspicua, in der Hoffnung, der Kurfürst, der von jenen Führern bearbeitet worden war, werde sich dasselbe gefallen lassen. Das alles haben aber die Angeklagten in Abrede gestellt. Sie wollten von keinem Plan wissen, der geschmiedet worden sei, sie läugneten es, dass die Exegesis aus ihrer Mitte hervorgegangen sei, und sie behaupteten, nie hätten sie eine andere Lehre zur Geltung zu bringen gesucht als die melanchthonische, welche in dem im Land geltenden Corpus doctrinae Misnicum zum Ausdruck gekommen sei.

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 Hat die Untersuchung das Gegentheil von dem allem erwiesen? Die Untersuchung führte doch zu einem anderen Resultat. Das zwar haben wir schon anerkannt, dass der positive Beweis dafür, dass die Exegesis von den Wittenbergern ausgegangen sei, fehlt. Darauf hin ist in Torgau auch gar nicht mehr inquirirt worden, wahrscheinlich weil der Kurfürst den Ständen in Torgau diesen Punkt gar nicht als Gegenstand der Untersuchung bezeichnet hatte, aber die übrigen Anklagepunkte sind doch von den zur Untersuchung bestellten Ständen auf Grund der ihnen vorgelegten Dokumente als begründet anerkannt worden. Schon die in Dresden niedergesetzte Landescommission hatte anerkannt, dass aller Grund zu dem Verdacht vorläge, welcher gegen die vier verhafteten


  1. Der Kurfürst formulirte in dem Schreiben an die Stände vom 24. Mai 1574 die Klage ging dahin: „derselbigen Leute Gedanken sind dahin gestanden, Lutheri Meinung und Lehre in diesem Artikel vom heiligen Abendmahl aus der Leute Gemüther und Herzen zu bringen, und dagegen eine andere allmählich und gemachsam in das gemeine Volk zu streuen, und Sr. Kurfürst. Gnaden Schulen und Kirchen damit zu vergiften und anzuzünden. Hutter l. c. p. 177.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/306&oldid=- (Version vom 1.10.2017)