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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

käme, allen Einzahlern zu Gute. Es ist dann eben nur eine kleine Genossenschaftsbank. Für Einrichtung einer selbstständigen Baugenossenschaft läßt sich wohl ein sachverständiger, ehrlicher Mann gewinnen, der genaue Statuten entwerfen mag. Nöthigenfalls kann man sich an den Central-Bauverein (Dr. E. Wiß) in Charlottenburg wenden, der mit Statuten, Rath und That aushelfen wird. Kurz, es gilt zunächst wirklich und praktisch, wenn auch noch so klein, anzufangen und für den schönen praktisch und sittlich edlen Zweck Jahr aus, Jahr ein zu sparen.

Das Bau-Genossenschaftswesen, in England und Amerika in Tausenden verschiedener Gesellschaften bewährt und erprobt, zieht die gebotenen Vortheile aus der Kraft der Vereinigung, wie ja auch die kleinsten, schwächlichsten Rinnsale und Bäche, die sich von Thautropfen hoher Gebirge nähren, durch Zusammenfluß zu den mächtigsten, wohlthätig befruchtendsten Strömen werden. Man merke sich deshalb zuletzt, daß der Einzelne sich auch unter den günstigsten Verhältnissen nie so billig und unmerklich ein Ein- bis Zehntausendthalerhaus, wie sie der Central-Bauverein in zehn Abstufungen bietet und baut, herstellen lassen kann, wie andererseits es keiner Baugesellschaft möglich ist, dem Einzelnen, der nicht genossenschaftlich einzahlt, die Vortheile, welche nur aus fortwährend zusammenwirkender Vereinigung fließen, zu gewähren.

Schließlich noch einen Wink. Frauen oder Männer, Jünglinge oder Jungfrauen, welche sich etwa zur Bildung einer künftigen Genossenschaft zusammenfinden mögen, werden gut thun, auch gleich im Anfange unvermerkt an den Erwerb eines wohlfeilen Baugrundes zu denken; dieser kann an verschiedenen Stellen stückweise inner- oder außerhalb der Stadt liegen. Unter Umständen kann die trockenste Sandwüste dazu geeignet sein. Die Westend-Gesellschaft hinter Charlottenburg hat binnen wenig Jahren die trost- und werthloseste Sandanhöhe bereits in ein Paradies von Villas, Gärten, Baumalleen, kleinen Parks, immergrünen Rasenflächen und lachenden Blumenbeeten verwandelt. Mit Dampf- und Pferdekräften, mit Gartenerde und Gärtnerkunst, Wasserleitung oder wenigstens abessinischen Brunnen läßt sich jede Wüste und Oede für die schönste Cultur gewinnen und namentlich besonders billig mit baugenossenschaftlichen Mitteln für baugenossenschaftliche Zwecke.

Möge nun die durch den Gartenlauben-Artikel weit und breit angeregte Bewegung für die Erwerbung schuldenfreien Grund- und Hausbesitzes mit ihren wirthschaftlich und sittlich segensreichen Folgen erstarken und mit richtigem Verständniß zum Heile für uns, für Kinder und Kindeskinder möglichst vielfach in Angriff genommen werden. Dann finden sich auch bald Asyle aus dem Drange und Zwange der Theurung und Noth unserer Großstädte, und das deutsche Reich wird wieder wie einst vor Barbarossa’s Zeiten zahlreiche Blüthentrauben eigener Herde und Häuser umfassen und seine beste Kraft aus diesem Grund und Boden aller wahren Cultur, alles Patriotismus, alles Selbst- und Freiheitsgefühls schöpfen können.

H. B.

Das Grab von Meulan. Der zu Meulan begrabene August von Crayen, dessen die „Gartenlaube“ in Nr. 25 erwähnte, kann Niemand anders sein als der Sohn jener schönen und witzigen Frau von Crayen, welche eine Freundin des Herzogs Karl August von Weimar, des Fürsten von Ligne und des Grafen von Tilly war und die oft in Varnhagen’s Schriften und Rahel’s Briefen erwähnt wurde.

Varnhagen von Ense schreibt in hinterlassenen Aufzeichnungen wie folgt über sie:

„Frau von Crayen, geb. Levaux, war geboren zu Berlin im November 1755, lebte längere Zeit in Leipzig, kehrte aber dann wieder nach Berlin zurück, wo sie 1832 starb. Der Prinz von Preußen, nachheriger König Friedrich Wilhelm der Zweite, war heftig in Fräulein Levaux verliebt, und als diese den Kammerrath Crayen aus Leipzig heirathen sollte, konnte er sich gar nicht zufrieden geben. Die Hochzeit wurde in dem Hause am Lustgarten, welches früher Corsica’s Kaffeehaus, dann Parlament d’Angleterre hieß, sehr glänzend gefeiert; der Prinz aber hatte sich vorher ein Nebenzimmer gemiethet, und bei dem Gastmahle erschien er verkleidet als Aufwärter und wechselte der Neuvermählten ein paarmal die Teller, ohne daß sie es merkte. Bald aber wurde er von dem Bruder, dem Banquier Levaux erkannt, worauf er sich zurückzog. Levaux sagte spöttisch zu Crayen: ‚Mon cher beau-frère, vous jouez lá un beau rôle, vous avez un diable de laquai auprès de votre femme.‘ (Mein lieber Schwager, Sie spielen da eine schöne Rolle, Sie haben einen verteufelten Lakaien bei Ihrer Frau.) Man zog die Sache nun in’s Zufällige und suchte Alles mit Höflichkeiten zu bedecken. Crayen lud den Prinzen ein, einige Erfrischungen zu nehmen, und als das Strumpfband vertheilt wurde, bot man auch ihm ein Stück desselben. Die wirkliche Geliebte des Prinzen, Mademoiselle Encke, spätere Gräfin von Lichtenau, nahm die Verehrung für ihre Nebenbuhlerin so übel, daß sie dieser, als sie mit ihrem Gatten unter den Fenstern des Englischen Hauses – in der Mohrenstraße, wo Mademoiselle Encke damals wohnte – vorüberging, eine schwere Brieftasche nachwarf, in der Absicht, sie zu treffen. – Dies Alles war im Jahre 1777.“

Der Sohn der Frau von Crayen, August, fiel im Felde; ihre Tochter, Victoire, die auch ihrerseits einen originellen Witz besaß, starb erst vor wenigen Jahren in hohem Alter in Berlin.

Auch die folgenden beiden Züge hat Varnhagen über Frau von Crayen aufgeschrieben:

„Der Capellmeister Reichardt führte einst in Leipzig die schöne Frau von Crayen aus einer Gesellschaft nach Hause, und sie sprach mit dem alten Bekannten sehr vertraulich. Sie stellte ihm vor, was ihr in der Jugend für glänzende Aussichten eröffnet waren, welche vornehme Heirathen, und schloß dann: ‚Was ist aus allen meinen Schwärmereien geworden, lieber Reichardt, aus so glänzenden Hoffnungen? Nichts – als Crayen und Compagnie!‘ So hieß die Handelsfirma ihres Mannes.“

„Frau von Crayen fuhr im Jahre 1820 mit einem Thorwagen nach Charlottenburg. ‚Hör’ Er mal,‘ redete sie den Kutscher an – dieser dreht sich rasch um, sieht sie eine lange Weile starr an, so daß sie verwundert schweigt, und dann sagt er frisch: ‚Er ist lange todt, Sie lebt noch!‘“

Ludmilla Assing.

Berliner Einzugsfeierlichkeiten. Wir eröffnen die Reihe unserer Darstellungen aus den Berliner Einzugsfeierlichkeiten heute billigerweise mit einer Abbildung der stolzen, schönen Kaiserstadt selbst, durch deren kranz- und fahnengeschmückte Siegesbogen das deutsche Heer seinen triumphirenden Einzug gehalten hat. Das Bild erklärt sich durch die unten beigesetzten, detaillirten Angaben von selbst und es wird bei der Sorgfältigkeit der Zeichnung jedem unserer Leser leicht fallen, sich in diesem scheinbaren Labyrinth von Straßen und Häusern, welches die so staunenswerth rasch zu ihrem gegenwärtigen Riesenumfang entwickelte Residenz des deutschen Kaisers bietet, zurecht zu finden. Was unserem Bilde einen besonderen Werth verleihen dürfte, ist der Umstand, daß es die ganze zweite Hälfte der via triumphalis darstellt, von dem Ausgange der Linden an dem kaiserlichen Palais vorbei bis zu dem Platze, auf welchem das neuerrichtete Denkmal Friedrich Wilhelm’s des Dritten steht.

Von den übrigen Illustrationen, deren erste wir bereits in nächster Nummer folgen lassen, machen wir unsere Leser heute schon auf eine in großem Maßstab gehaltene Composition des Professor Camphausen aufmerksam; dieselbe wird die Hauptgruppen des Festzuges darstellen und zwar in jener meisterhaften Weise, welche der berühmte Name des Malers verbürgt und welche unsern Lesern selbst schon auf den mit so großem Beifall aufgenommenen Skizzen „Der Sieger von Rezonville“ und „Erste Begegnung Bismarck’s mit Kaiser Napoleon“ hinlänglich bekannt ist. Daß wir in unserm Texte keine Wiederholung der schon tausendmal aufgetischten Festlichkeitsbeschreibungen geben, versteht sich von selbst. Wir werden uns auf die Wiedergabe persönlicher Erinnerungen beschränken, die auch heute noch allgemein das Interesse anregen dürften.



Kleiner Briefkasten.

F. B. Daß Werner’s „Ein Held der Feder“ bereits in’s Holländische übersetzt ist, haben wir aus der buchhändlerischen Anzeige erfahren. Aber auch eine italienische Uebertragung ist schon in Vorbereitung und zwar durch Antonietta Sacchi-Parravicini, die geistvolle Verfasserin von „La Macchiavelliana“. Jedenfalls dürfen wir darin einen Beweis sehen, daß „Ein Held der Feder“ auch über die Grenzen Deutschlands hinaus die Aufmerksamkeit erregt und Beifall gefunden hat.

R. in Mgdbg. Wie bereits in Nr. 26 mitgetheilt wurde, kann die Marlitt’sche Erzählung, „Das Haideprinzeßchen“ erst mit Anfang August beginnen – bis dahin also Geduld!


An das deutsche Volk!

Einem Künstler gerecht zu werden, der wie Wenige in dieser Zeit zur geistigen Einigung der deutschen Nation beigetragen hat, ist sicherlich eine der neuen, an die deutsche Nation herantretenden Ehrenpflichten.

Lorenz Clasen

war es, der in seiner „Germania auf der Wacht am Rhein“ und in seiner „Germania auf dem Meere“ schon vor Jahren Deutschland den Weg zu Ruhm und Sieg vorzeichnete. In diesen Kunstwerken, welche sowohl die Wände des deutschen Fürstenpalastes, als die der Farmerhütte im fernen Westen schmücken, hat Clasen prophetisch unserem Volke sein Vaterland verkörpert in vereinter Kraft und Herrlichkeit vor Augen geführt.

Diesem leuchtenden Vorbilde ist unser Deutschland aber nicht nur ähnlich, sondern gleich geworden. So wie Clasen’s Germania steht jetzt unser Volk auf der Wacht am Rhein, nicht nach Eroberungen lüstern, nein, nur zum Schutze des heimischen Herdes.

Und da nun Deutschland den Werth seiner Macht und Größe fühlen gelernt hat, möge es auch den alten Erbfehler, seine Geisteshelden erst nach dem Tode zu ehren, auf immer verbannen. In vollem, frischem Leben sollen sie den Dank ihres Vaterlandes genießen, und auch unser Clasen soll nicht sagen können: „Das deutsche Volk hat meiner vergessen!“ Nicht um eine Unterstützung handelt es sich hier, sondern um einen Ehrensold, den wir dem Künstler schon allzulange schulden.

Um diesen Ehrensold aber zu einem des deutschen Volkes würdigen zu machen, haben sich die Unterzeichneten zur Sammlung von Beiträgen vereinigt und bitten, durch allseitige Betheiligung zu beweisen, daß die Liebe für des Vaterlandes beste Söhne nicht erkaltete.

Beiträge nehmen entgegen: Die Redaction der Gartenlaube zu Leipzig, das Bankhaus Hammer u. Schmidt zu Leipzig. Für Amerika: Das Handelshaus Richard Ranft, Washington Place 7 zu New-York.

Das Comité zur Beschaffung einer National-Belohnung für den Maler der „Germania auf der Wacht am Rhein“. Hofrath Dr. Rudolf Gottschall in Leipzig. – Julius Häckel (Firma Häckel u. Comp.) in Leipzig. – Franz v. Holstein in Leipzig. – Professor Karl Hübner in Düsseldorf. – Ernst Jerusalem in Leipzig. – Ernst Keil (Gartenlaube) in Leipzig. – Paul Lindau in Berlin. – C. Lipsius (Architekt) in Leipzig. – Professor F. Martersteig in Weimar. – Gust. Müller (Architekt) in Leipzig. – Richard Ranft in New-York. – Professor Fr. Preller in Weimar. – Emil Rittershaus in Barmen. – Alex. Herm. Schmidt (Firma Hammer u. Schmidt) in Leipzig. – Professor P. Thumann in Weimar. – J. J. Weber (Illustr. Zeitung) in Leipzig.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_480.jpg&oldid=- (Version vom 6.9.2019)