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verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Nur edler Liebe huldigt’s frei
Und was es liebt, das liebt es treu,
Und hält es werth!

Mein Leib – er zeigt vielleicht dem Blick
Kein Stümper- und kein Meisterstück
Der bildenden Natur. –
Ich bin nicht arm, ich bin nicht reich,
Mein Stand hält meinen Gütern gleich
Die Mittelspur.

Die bin ich, die – und liebe Dich –
Im schönen St – find’st Du mich,
Du trauter Wittwersmann.
Umschlänge wohl nach langem Harm
Ein liebevolles Weib Dein Arm?
So komm heran.

Denn träten tausend Freier her
Und hätten Säcke Geldes schwer,
Und Du begehrtest mein; –
Dir weigert’ ich nicht Herz und Hand,
Selbst um mein liebes Vaterland
Tauscht’ ich Dich ein.

Steht Schwaben-Lieb’ und Treu Dir an,
So komm, Geliebter, komm heran!
Und wirb, o wirb um mich.
Nimm oder nimm mich nicht, so ist
Und bleibt mein Lied zu jeder Frist:
Dich lieb’ ich – Dich –!

Der arme Bürger ließ sich durch punica fides verleiten, und was aus ihm ward, zeigt sein hörnerschweres Dichterhaupt“ etc.

In der That, welcher Unterschied ist zwischen diesem Schwabenmädchen des vorigen Jahrhunderts und den Schönen unserer Gegenwart, die sich – ihr verschmähtes, korbreiches liebes „Ich“ – in Zeitungsannoncen auf den Markt bringen und ausbieten?

Wir schlagen in unserm Album wenige Blätter um, und finden folgende Zeilen mit blasser Tinte niedergeschrieben, und so zwar, daß die Buchstaben steil, fast von der Rechten zur Linken übergebogen, auf dem Papiere stehen:

 „Ehr’, Ueberfluß und Pracht ist Tand,
 Ein ruhig Herz ist unser Theil! – Kleist.
Zum Denkmal der Freundschaft von L. C. H. Hölty[WS 1] aus dem Hannöverschen,
J. G. G. L. – Göttingen den 8. Februar 1772.“

Wie charakteristisch sind diese Zeilen des Sängers von „Ueb’ immer Treu’ und Redlichkeit!“ Seine Anspruchslosigkeit, welche auch aus allen seinen schönen Gedichten, die voller Innigkeit und Wahrheit des Gefühls, uns anweht, ließ ihn nicht nach jenem „Tand“ streben; ihm war’s genug, durch Uebung von Treu’ und Redlichkeit und durch Wandlung der Wege Gottes, von denen er „keinen Finger breit“ abzuweichen empfahl, sich ein ruhig Herz zu erwerben. – Auch Hölty’s kurzer Lebensweg war voller Dornen; in materieller Beziehung litt er meist an den allernothwendigsten Bedürfnissen Mangel. So konnte er denn auch dem Keime der Krankheit, die er in sich trug, im Entstehen nicht kräftig genug entgegen wirken, und starb viel zu früh für uns – kaum 28 Jahre alt – zu Hannover, wo er sein „kühles Grab“ auf dem St. Nicolai-Kirchhofe gefunden hat. Wahrlich, auf unsern Hölty paßten die Worte der Schrift: „Du hast das bessere Theil erwählt, das soll nicht von Dir genommen werden!“

Weiterhin finden wir die Worte niedergeschrieben:

 „Sie ists nicht werth, so eine Welt wie diese,
 Daß man ihr eine Thräne weint!
Denke Deines Freundes J. M. Miller aus Ulm in Schwaben,
 Göttingen, den 1. October 1772.“

Kennzeichnen nicht auch diese wenigen Zeilen die überspannt empfindsame, weltschmerzliche Richtung, deren Schöpfer Miller in seinen später erschienenen Romanen ward? – Seine Klostergeschichte „Siegwart“ ist wohl das non plus ultra jener schwärmerischen, weinerlich weichlichen Empfindsamkeit. Sein schönes lyrisches Talent entfaltete sich übrigens in Göttingen, wo er dem Hainbunde angehörte, in reichem Maße, und viele seiner Lieder sind ja volksthümlich geworden. Zu Ulm 1750 geb., starb er daselbst als Decan und geistlicher Rath 1814.

Von größerem Interesse – gerade in diesem Augenblick – sind auf einem folgenden Blatte die Zeilen des Grafen Stolberg, nach seinem Uebertritte zur katholischen Religion niedergeschrieben: „Die Gründe meiner Ueberzeugung bedarf ich nicht darzulegen, das ist eine Sache zwischen Gott und mir.“ – Stolberg opferte durch die Kundwerdung dieser seiner Ueberzeugung nicht allein die wichtigsten äußern Vortheile, sondern auch die Freundschaft vieler seiner alten Freunde. – Stolberg wurde in dem holsteinischen Flecken Bramstedt geboren, stand auch später als Gesandter in Berlin in dänischen Diensten; war also ein Landsmann des kürzlich zur katholischen Religion übergetretenen Grafen Hahn, dem man – wenn ich nicht irre – vor Kurzem in einem Blatte nachsagte, er sei der Erste von der hohen Aristokratie Holsteins, der diesen Schritt thäte, was hiernach zu berichtigen sein würde.

Noch fällte uns auf einem Blatte ein mächtiges „G“ in die Augen, das, mit stumpfer, breiter Feder geschrieben, beinahe ein Drittel der ganzen Höhe des Blattes in Anspruch nimmt; es stammt vom „Vater Gleim“ und sein eben nicht sehr geistreicher Spruch lautet:

„Thue recht, scheue Niemand. – Gleim, zu Göttingen den 29. Juni 1771.“

Er war zu jener Zeit schon Domsecretair in Halberstadt und hatte der Musenstadt wohl nur einen Besuch abgestattet.

Viele Namen, die sich einen weit über die Grenzen Deutschlands reichenden, berühmten Klang erworben haben, treten uns auf den vergilbten Blättern noch entgegen. – Jene Männer, die durch ihr segensreiches Wirken als Lehrer der Georgia Augusta jenen unvergänglichen Glanz verliehen, der bis in die fernsten, dunkelsten Theile der Erde seine lichtvollen Strahlen senkte – ein Glanz, den auch die Stürme der dreißiger und vierziger Jahre doch nicht haben vernichten können – jene Männer verschmähten es nicht, dem damaligen Bruder Studio ein Blatt der Erinnerung zu weihen. – Da finden wir die Namen eines Schlözer, Heyne, Kästner etc.; auch Herder, der einmal eine Professur in Göttingen annehmen wollte, schreibt „vor der Abreise von Göttingen den 20. Febr. 1772“ die Worte Klopstock’s auf ein Gedenkblatt:

 „– Das edelste
     Verdienst ist Tugend. Meisterwerke
 Werden unsterblich; die Tugend selten!
Allein sie soll auch dieser Unsterblichkeit
Nur wenig achten!“ –




Blätter und Blüthen.

Wie man in Paris Größen macht. Ziemlich sicher vertraut mit den Anstalten, die dem hiesigen Volke Quellen einer geistigen Strömung sind, unternehme ich es heute am Spätabende, aus meinem Stübchen in der Rue Rivoli Ihnen einen Bericht über die saubere Wirthschaft zu senden, welche in den meisten und achtbarsten Theatern der Kaiserstadt herrscht. Hier rauschen die Tage unter Speculationen dahin, von denen eine immer geschraubter als die andere ist. Eine Theatergesellschaft spielt, um ihren Director frei zu haben, der nebst achtzehn Geranten verschiedener Actiengesellschaften festgenommen worden ist. In einem anderen kleinen Theater sind die Decorationen von den Gläubigern belegt worden. Ein Fünftheil aller Billets in sämmtlichen Pariser Theatern sind Freibillets für Ehrengäste, Kritiker und Lobhudler, die sogenannten „Amateurs“, und vor Allem für die berüchtigte „Claque“, von denen ich ausführlicher erzähle, soweit es für Ihre Leser interessant ist. Ein einziges Theater mit 500,000–600,000 Francs Jahreseinnahme gab an 100,000 Freibillets aus, und die meisten verschlang die heulende Charybdis der „Claque“, indeß der kleinere Theil als Honorar für Billeteurs, Entrepreneurs, Journalexpeditionen und Beamte des Theaters verfluthete.

Sonderbar ist’s, wie in dieser Theaterwelt Größen geschaffen werden. Bei Euch ist’s doch nicht wohl möglich, das Gute schlecht und Schlechtes gut zu heißen. Hier geht’s; und selbst Männer wie Roger, die, bei Licht besehen, gar nicht so bedeutende Helden sind, verdanken dem mächtigen Institut der Claque ihren Glorienschein. – Es mag bei Ihnen auch wohl vorkommen, daß eine welkende Coulissenrose oder ein laues Talent, um seines äußeren Erfolges sicherer zu sein, zwanzig oder dreißig Billets an gute Freunde, „Amateurs“, austheilt, welche nun bei Effectstellen, oder wohl gar schon beim Auftreten tapfer klatschen. Dies Manöver aber zu einem förmlichen Geschäft, zu einem Ding der Speculation, des Gelderwerbs auszubilden, das will in Deutschland nicht gut angehen, vielleicht am ehesten noch in Berlin, der „Stadt der Intelligenz“ – In Paris heißt die große Gesammtheit der miethbaren Klatscher mit einem Worte la claque, und wenn sie auch den Kenner nicht besticht, die Menge wird oft hingerissen. Seit zwanzig Jahren etwa besteht dies einträgliche Gewerbe mit all seinen Gesetzen und seinen Vortheilen, dem sich sogar fremde Gesellschaften fügen müssen. So litt im Sommer 1857 das damals hier spielende „deutsche Theater“, unter dessen Mitgliedern Frau Schuselka-Brünning glänzte, gar sehr unter solchen Einflüssen.

Da die meisten Pariser Theater eine gesellschaftliche Speculation sind und keinerlei Selbstständigkeit durchdringen kann, so liegt es auf der Hand, daß man alle Mittel in Bewegung setzt, sich Kundschaft zu machen und sich diese, wenn sie errungen, zu erhalten. Erst wurde aus Vorliebe applaudirt, dann „aus Freibillets.“ Endlich gab man den Klatschern stehendes

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: C. C. H. Hölty
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1858, Seite 595. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_595.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)