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Edmund Husserl, Die Krisis der europäischen Wissenschaften...

Dabei verkannte man völlig das Verhältnis beider und den Sinn des eigenen Verfahrens. Es bildete sich der moderne Begriff der Natur als bloßer, in sich geschlossener Körperwelt aus; alles Seelische ist davon ausgeschlossen und wird als eine davon getrennte zweite Natur angesehen, die man sodann, gleich der Körperwelt, nach naturwissenschaftlicher Methode untersuchen will.

Diese Auffassung übernimmt Descartes. Er hält auch noch an dem Ideal einer alles umfassenden rationalen Philosophie fest, sucht aber als Erster für sie eine unanfechtbare Grundlage durch Rückgang auf das erkennende Ego, das er freilich alsbald naturalistisch mißdeutet.

Radikaler als er gehen die englischen Empiristen auf die Subjektivität zurück und lösen schließlich die Körperwelt in Bündel von Ideen auf. Bei Hume findet sich schließlich das radikale Problem (das von seiner skeptischen Theorie zu trennen ist): „das Rätsel einer Welt, deren Sein Sein aus subjektiver Leistung ist, und das in der Evidenz, daß eine andere überhaupt nicht denkbar sein kann ...“ (S. 172).

So weit geht Kant nicht. Er baut wohl eine Transzendentalphilosophie auf, indem er die Erfahrungswelt wie die Naturwissenschaft als Leistung der reinen Anschauung und des reinen Denkens deutet. Aber er glaubt darüber hinaus noch Wege in eine „Welt an sich“ zeigen zu können.

In der radikalen Durchführung der transzendentalen Phänomenologie wird das Transzendentale (d.i. das reine, weltkonstituierende Bewußtsein) zu direkter Erfahrung gebracht als Ackerfeld einer methodischen Arbeitsphilosophie, und zwar in der Evidenz, daß von diesem Boden aus alle erdenklichen philosophischen Probleme der Vergangenheit zu stellen und zu entscheiden sind[1] (S. 176).

Der vorbereitende geschichtliche Rückblick sollte die Notwendigkeit einer radikal durchgeführten Transzendentalphilosophie erweisen. Erst die folgenden Abhandlungen werden uns das verheißene „Ackerfeld“ erschließen. Der tiefe Ernst, mit dem das Scheitern der modernen Philosophie durch einen ihrer führenden Geister anerkannt wird, und die eindringende Schärfe, mit der er den Grund dieser Tatsache aufzudecken sucht, sind geeignet, jeden Beteiligten zu gründlicher Selbstprüfung aufzurütteln. Die Untersuchung des Ursprungs des modernen Naturbegriffs und der Nachweis seiner sachlichen

Anmerkungen

  1. Vorlage:
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Edith Stein: Zwei Betrachtungen zu Edmund Husserl. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)