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Friedrich Wilhelm Carové: Ein Tag auf dem Stadtthurm zu Andernach. In: Moosblüthen, zum Christgeschenk, S. 175-222

Dort über jenen Hügeln nach Sonnenuntergang hin, drei Stunden von hier steht noch die Kapelle, wo die Hindin mit dem Kruzifix auf dem Kopfe den Grafen an die Höhle führte, in der die fromme Genovefa mit ihrem Söhnlein seit sieben schmerzenreichen Jahren von Wurzeln und Beeren lebte, und sich und ihr Kind mit ihrem langen Haupthaar vor der Kälte beschützte. Da ging dem Grafen gleichsam das Schwerdt durch die Seele, mit dem er sein vermeintlich untreues Gemahl und ihr Söhnlein in der Wildniß hatte tödten lassen wollen, und die gewiß jämmerlich umgekommen wären, wenn nicht unter dem groben Kittel des Knechtes oft ein menschlicher Herz schlüge, als unter dem Talar und dem Purpur ihrer Herren. Und Siegfried sank nieder in tiefer Zerknirschung, und wäre noch lieber in die Tiefen der Erde versunken. Er umfaßte die Kniee der Verstoßenen, benetzte sie mit heißen Thränen und stand nicht eher wieder auf, bis sein edles Gemahl ihm verziehen und

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Friedrich Wilhelm Carové: Ein Tag auf dem Stadtthurm zu Andernach. In: Moosblüthen, zum Christgeschenk, S. 175-222. Brönner, Frankfurt a.M. 1830, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_Tag_auf_dem_Stadtthurm_zu_Andernach.pdf/25&oldid=- (Version vom 31.7.2018)