Seite:Ein berüchtigtes Duell.pdf/5

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Walther Kabel: Ein berüchtigtes Duell. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 12, S. 206–212

um so hoffnungsfroher entgegen, als er das gute Recht auf seiner Seite wußte.

Zur festgesetzten Stunde trafen sich die Parteien in dem kleinen Wäldchen. Longrevilles Sekundanten wußten es so einzurichten, daß der Italiener neben ein undurchdringliches Gebüsch gestellt wurde. Auf das Kommando knallten zwei Schüsse. Beide Gegner sanken um. Der Baron hatte einen Streifschuß an der rechten Schulter, der jedoch nicht lebensgefährlich war. Dem Herzog dagegen war eine Kugel mitten durch das Herz gegangen.

Etienne Pelterelle, untröstlich über den Verlust des Geliebten, zog sich nach dessen Beerdigung vorläufig in dasselbe Kloster zurück, wo sie ihre Jugendjahre verlebt hatte. Trotzdem wollte ihr Vetter Longreville die Hoffnung, sie für sich zu erringen, noch nicht aufgeben. Er schrieb ihr heuchlerische Briefe, in denen er sein tiefes Bedauern darüber aussprach, daß seine Kugel eine so verhängnisvolle, von ihm selbst nicht beabsichtigte Richtung genommen hätte. Etienne würdigte ihn keiner Antwort, veranlaßte vielmehr den Pariser Arzt Dr. Duchanelle, den Leichnam des Herzogs, der in einer Gruft beigesetzt war, genau zu untersuchen, die tödliche Kugel aus der Brust herauszunehmen und sie ihr als schmerzlichstes Andenken an den Verlobten zuzusenden. Duchanelle tat, was von ihm verlangt wurde, und als er das verderbliche Bleigeschoß, welches nur ein wenig plattgedrückt war, in der Hand hielt, erstaunte er nicht wenig, da es ihm eine für eine Pistolenkugel ganz außergewöhnliche Größe zu haben schien.

Nachdem er sich die Sache noch einen halben Tag hatte durch den Kopf gehen lassen, begab er sich zu dem ihm befreundeten Richter Lanteste und zeigte diesem die Kugel. Lanteste wollte es gar nicht glauben, daß das Geschoß wirklich aus der Brust des Herzogs von Treveso herausgeschnitten worden sei. Als der Arzt ihm dies jedoch nochmals hoch und heilig versicherte, wurde er sehr ernst und bat Duchanelle, von der ganzen Angelegenheit vorläufig niemand etwas mitzuteilen.

Am 14. Mai 1732 wurde der Baron v. Longreville urplötzlich unter der Beschuldigung verhaftet, den Tod des Herzogs von

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Ein berüchtigtes Duell. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 12, S. 206–212. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_ber%C3%BCchtigtes_Duell.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)