Seite:Eine Null zu wenig.pdf/6

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Anton Oskar Klaußmann: Eine Null zu wenig (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 7)

heraus und versuchte es auf die Beine zu stellen, aber mit einem leisen Stöhnen sank es auf dem Teppich zusammen.

Es war mir klar, daß ich eine Lähmung vor mir habe, und ich fragte nach der Zeit des ersten Auftretens der Erscheinung. Das Fräulein Hannchen sagte mir, daß der Hund seit zwei Tagen mangelnde Freßlust gezeigt, aber erst seit heute morgen die Bewegungsfähigkeit verloren habe. Mit einer Erregung, die ich bei dem Objekt, dem sie galt, nicht verstand, bat sie mich unter Tränen, dem Hunde zu helfen. Ich wisse nicht, was von dem Leben des Hundes abhänge.

Verwundert schüttelte ich den Kopf und untersuchte den Hund nochmals genau. Es war zweifellos eine Lähmung, aber da man mich so rechtzeitig gerufen, würde sie sich durch einen raschen Eingriff beseitigen lassen. Meine Injektionsspritze und ein Medikament aus der Apotheke brauchte ich; mehr würde nicht nötig sein. Ich ordnete an, den Hund ruhig liegen zu lassen, bis ich wiederkäme, und eilte selbst fort, das Nötige zu holen.

Wenn das Tier gerettet werden sollte, konnte es nur durch eine Strychnininjektion geschehen. Nicht umsonst hatte ich eben erst mein Examen gemacht: ich wußte genau, daß man für das Kilo Körpergewicht beim Hund ein Milligramm Strychnin nahm. Das Tier wog nach meiner Schätzung etwa drei Kilogramm, es waren also drei Milligramm erforderlich. In der Apotheke schrieb ich selbst das Rezept und las es nochmals sorgfältig durch; ja, es war richtig, 0,003 Gramm stand darauf.

Kaum eine Viertelstunde später hatte der Hund die Strychninlösung unter der Haut. Das Tier war völlig teilnahmlos und regte sich auch beim Einstich kaum.

Empfohlene Zitierweise:
Anton Oskar Klaußmann: Eine Null zu wenig (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 7). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1916, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_Null_zu_wenig.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)