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von dem, was der Mensch in der Welt ausrichten kann, bescheiden zu denken; in beiderlei Beziehung steht er infolge seiner gemachten Erfahrungen auf dem Standpunkt sich zurückhaltender Resignation; aber bei aller Einsicht in die Eitelkeit des gewöhnlichen menschlichen Lebens und Strebens hat er sich doch Genußfähigkeit und Arbeitsfreudigkeit bewahrt, nur daß er nicht mehr nach Genuß jagt, sondern mit Dank annimmt, was ihm dargeboten wird, nur daß er nicht mehr weitaussehende Pläne macht, sondern frisch thut, wozu er sich angewiesen sieht. Beides vermag er deshalb, weil sein innerstes Wesen auf dem Grund wahrer Gottesfurcht ruht, welche das Bleibende in allen Eitelkeiten des Lebens und das Gewisse in aller Ungewißheit ist.

 3. Der kanonische Charakter des Buches ist öfter angezweifelt worden. Es berichtet schon die talmudische Überlieferung, die Gelehrten (Chachamim, die letzten Redaktoren des Kanon) wollten das Kohelethbuch für apokryph, d. h. für ein dem öffentlichen Gebrauch zu entziehendes, erklären, unter anderem, weil man in 11, 9a, und 3, 18–22 sadducäische Lehren in dem Buche fand. Der Wortlaut solcher Stellen erweckt allerdings den Schein einer materialistischen Lebensanschauung und des Zweifels an der Fortdauer des Menschen nach dem Tode; aber es genügt dagegen, hinzuweisen auf 5, 6; 7, 18; 8, 12; 11, 9b; 12, 13. 14; 3, 11. 14; 7, 29; wie denn auch die Zweifel der jüdischen Gelehrten namentlich durch 12, 13 niedergeschlagen wurden. Im übrigen zeigt Koheleth allerdings die Notwendigkeit der volleren Offenbarung, welche hernach das Neue Testament gebracht hat; vgl. z. B. c. 3, 21.

 4. Inhaltsübersicht. Nach den Ergebnissen der neueren Auslegung stellt sich der Gedankengang des Buches so dar:

 Hienieden unter der Sonne ist alles eitel, menschliches Mühen schafft nichts Bleibendes und alles Geschehen ist ein in stetem Kreislauf sich wiederholendes Entstehen und Vergehen. Dies das Motto des Buches 1, 1–11.

 Dann beginnt Koheleth, der gewesene König, die Nichtigkeit alles Irdischen aus seiner eigenen Erfahrung heraus zu belegen: keine Befriedigung gewährte ihm das Streben nach weltlichem Wissen (1, 12–18), keine das Streben nach Freude im Genießen und die Beschaffung aller möglichen Genußmittel (2, 1–11). Die Weisheit ist eitel, denn der Weise fällt gleichwie der Thor dem Tode und der Vergessenheit anheim (2, 12–17), und der Reichtum ist eitel,