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Der Schilderung des gegenwärtigen Verderbens bei Micha entspricht Jes. 5. An Jes. 59, 1–8 erinnert Micha 7, 1–6 u. s. w. Doch lehnt sich Micha an Jesaja nicht bloß an, er ergänzt ihn auch, indem er die Geburtsstadt des Immanuel nennt, vgl. c. 5, 1 mit Jes. c. 7, 14. Während im 2. Teil Jesajas vielfach das Verlangen nach Befreiung und Errettung der unter der auferlegten Trübsalslast fast erliegenden Gemeinde Gottes hervortritt, zeigt Micha c. 7, 8 etc. dieselbe, wie sie im Bewußtsein ihrer Schuld willig und entschlossen im Vertrauen auf ihren Gott die wohlverdienten Strafen auf sich nimmt. In der Vergebung der Sünden sieht auch Micha die Möglichkeit der Rettung; wie dieselbe zustande kommt, sagt er nicht, wenn er auch den künftigen Erretter seinen Lauf in tiefster Erniedrigung anheben sieht (c. 5, 1). Er faßt nicht die Versöhnung selber ins Auge, sondern mehr den Segen und Gewinn, den dieselbe dem Volkstum Israels schließlich (durch die zweite Zukunft des HErrn) bringen wird.

 Man hat c. 6 und 7 unserm Propheten abgesprochen. Der Abschnitt sagt, auf welche Weise das drohende Unglück vermieden werden könnte, nämlich durch Gehorsam gegen das Wort des HErrn; da aber der Ruf des HErrn zur Besserung ungehört verhallt, so muß das gedrohte Strafgericht schließlich zum Schrecken der Nichtsahnenden eintreten. Für den dadurch zur Einsicht gebrachten Überrest gilt es dann, in Geduld und Ergebung den Zorn des HErrn zu tragen und mit geduldigem Hoffen auf den Tag der Erlösung zu warten. Da solche Unterweisung ein notwendiges Stück der prophetischen Predigt ist, dieselbe aber in der Mahnung des 10. Verses im 4. Kap. nur ganz kurz angedeutet ist, so hieße diese Rede dem Propheten absprechen, ein organisches Ganzes verstümmeln. – Michas Weissagung ist übrigens mit der Geschichte der Geburt des HErrn in Bethlehem unzertrennlich verknüpft.

 4. Das prophetische Buch zerfällt in drei Teile.

 Titel und Überschrift des Buches 1, 1.

 I. Die Drohung 1, 2–c. 3.

 1. Das Gericht. Der HErr wird vom Himmel, seinem Wohnsitze, zur Erde herniedersteigen als ein verzehrendes Feuer, durch welches alles zerschmilzt (1, 2–4). Er kommt zum Gericht über Israels und Judas Sünde, die wieder ihren Quell in den Sünden Samariens und Jerusalems hat; deshalb ist ihre, und zwar zunächst Samariens, des zum Gericht reifsten, Verwüstung das nächste