Seite:Ferdinand Wilhelm Weber - Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Schriften (11. Auflage).pdf/309

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großen Teil als Augenzeuge und Mitbeteiligter. Sie beginnt nach ihm im Tempel zu Jerusalem mit der Engelsbotschaft an Zacharias und schließt zunächst mit der Verheißung JEsu des Auferstandenen an die Jünger, daß sie den heiligen Geist empfangen sollten, um das Evangelium allen Völkern zu verkündigen, Buße und Vergebung der Sünden in Seinem Namen. Dann beginnt sie wieder mit der Ausgießung des heiligen Geistes, bis sie endlich mit der Verkündigung des Evangeliums in Rom, der Welthauptstadt, schließt. – Die Meinung, Lukas habe noch ein 3. Buch schreiben wollen, das den Abschluß der apost. Zeit gebracht haben würde, hat Manches für sich. Doch ist zu bedenken, daß über die wichtigsten Thatsachen des letzten Abschnittes dieser Zeit (Tod Petri und Pauli; Zerstörung Jerusalems) Theophilus als Zeitgenosse anderwärts her „gewissen Grund erfahren“ und genaue Kenntnis haben konnte. – Wie sehr das Evangelium des Lukas der Predigt des Paulus verwandt ist, ist danach offenbar. Diese Verwandtschaft ist auch jederzeit erkannt worden, und Irenäus sagt geradezu: „Lukas, der Gefährte des Paulus, hat das von jenem verkündigte Evangelium in Schrift gefaßt.“ Das dritte Evangelium galt deshalb ebenso als das Evangelium des Paulus,[1] wie das zweite als das des Petrus angesehen wurde. Jedenfalls hat das nahe Verhältnis des Evangelisten Lukas zu Paulus dem dritten Evangelium seine unbedingte Aufnahme und kanonische Geltung in den christlichen Gemeinden erworben.

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 4. Die Eigentümlichkeit des Lukas ist hiermit bereits angedeutet. Wenn man auch nicht behaupten kann, daß Lukas durchweg einen so bestimmten Lehrgang festhalte als etwa Matthäus, so ist doch in seinem Evangelium die Idee von JEsu, dem Welt- und Sünderheiland, die allbeherrschende. Dies zeigt sich namentlich in den dem Lukas eigentümlichen Abschnitten von der großen Sünderin (c. 7), von dem verlorenen Schaf, dem verlorenen Groschen, dem verlorenen Sohn (c. 15), in der Parabel vom Pharisäer und Zöllner (c. 18), der Erzählung von Zachäus (c. 19), dem reuigen Schächer (c. 23). Ein dem verwandter Zug ist es, wenn Lukas reich ist an Tröstung


  1. Vergl. die auffallende Übereinstimmung in dem Bericht von der Einsetzung des hl. Abendmahls, Luk. 22, 19. 20 mit 1 Kor. 11, 23–25.