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heißt nach dem Ort, den Gott erwählen würde, gebietet doch c. 27, 5–7, unbekümmert um die vorigen Verordnungen, in Gilgal einen Altar für Brandopfer und Dankopfer zu errichten.

 Was den geschichtlichen Nachweis, den W. bringen will, anlangt, so beruft er sich auf die Zeiten Samuels und Elias. Und in der That mangelt es da an Centralisation des Gottesdienstes; aber es mangelten da auch die Bedingungen einer solchen. Zur Zeit Samuels war Silo um sein Heiligtum gekommen, und zur Zeit Elias sind es zwei getrennte Reiche, politisch und religiös getrennt. Wenn da außerordentliche Verhältnisse herrschen, so ist es kein Wunder. Es gibt aber auch solche Stellen, die für das Vorhandensein jenes Gesetzes sprechen; an Gideon wird die Errichtung eines Afterheiligtums gerügt; aber hier muß eine spätere Entstellung des Ursprünglichen vorliegen, wiewohl dann der Sturz des Hauses Gideons unerklärt bleibt. In der Bestrafung der Leute zu Gibea Ri. 19–21 tritt deutlich die Centralstellung Silos hervor, doch diese Geschichte gehört nach W. der Zeit des Deuteronomiums an, freilich kennt sie schon Hosea c. 10, 9 ca. 100 Jahre vor der angeblichen Entdeckung des Deuteronomiums. Am meisten Schwierigkeit macht W. 2 Kge 18, v. 4 und v. 22. Hier wird ausdrücklich berichtet, daß die Opferstätten, die neben dem Tempel bestanden, von Hiskia abgeschafft worden seien, und durch die Rede des Assyrers Sanherib wird dies bestätigt; aber auch hier wird der deuteronomistische Redaktor thätig gewesen sein. – Von den Propheten, meint W., sei die Reformbewegung ausgegangen; auf ihr authentisches Zeugnis sei das größte, ja das einzige Gewicht zu legen. – Aber auch die Propheten kennen die religiöse Centralstellung Jerusalems wie das Unrecht des Höhendienstes. Jesajas läßt ebenso wie Micha von Jerusalem Gesetz und Belehrung ausgehen in alle Welt. c. 2, 3 läßt er die Heiden sagen: Kommt, laßt uns auf den Berg des Herrn gehen, zum Hause des Gottes Jakob, daß er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Stegen. Von der Bekehrung Israels weissagt er c. 17, 8, daß es dann nicht bloß auf Astarten und Sonnensäulen, sondern auch auf die Altäre, das Werk seiner Hände, nicht mehr sehen werde. Damit stimmt auch c. 27, 9. Der Ausdruck lautet hier, wie an der früheren Stelle, so absolut, daß man die Weissagung nicht auf Götzenaltäre beschränken kann. Die Errettung von Sanherib geht aus von dem Gott, der zu Zion ein Feuer und zu Jerusalem einen Herd hat (c. 29, 1–2 und 31, 9); die Errettung geschieht also um der religiösen Bedeutung Jerusalems willen. Von welchem Ort würde Ähnliches ausgesagt? Umgekehrt, wenn Jerusalem sich versündigt, so soll es ihm nicht helfen, daß dort der Tempel des HErrn steht; so sagt nicht erst Jeremia c. 7, sondern schon Micha c. 1, 4. Jerusalem wird da in eine Linie gesetzt mit den vom HErrn gehaßten Höhen, ja es ist die schlimmste, neben welcher die anderen gar nicht in Betracht kommen, ähnlich wie Samaria die Frevel des ganzen Zehnstämmereichs in sich faßt.

 Die spätere Entstehung des Priesterkodex will W. auch daraus nachweisen, daß seine Bestimmungen im Gegensatz sich befänden zur sonst nachweisbaren