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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

das muß man sagen, und auf uns Russen, denen das weite große Zarenreich gehört, sehen sie mit demselben Hochmut herab, wie auf die Letten und Juden. Ich sage dir, Brüderchen, Slaventum und Germanentum – das sind zweierlei Pferde, – die ziehen nicht am selben Gespann“.

„Schon wahr“, murmelte der Volksschullehrer, und um etwas zu sagen fügte er hinzu: „Das Zarenreich ist doch aber weit genug für alle“.

Zornig lachte Pater Nikiphor auf. „Weit genug – – meinst Du? Vielerlei Völker hausen im Reich des weißen Zaren, Tataren und Mongolen, Tschuktschen und Tungusen – ’gut; gastfreundlich und geduldig ist unser Volk, – es wehrt ihnen weder Wohnung noch Weide, und sie beugen sich unserem Väterchen – gesegnet sei der Zar Nikolai Alexandrowisch, – aber hier, mit diesen deutschen Baronen und Literaten, ist ’s eine andere Sache. Hochmütig sind sie, alles besser wissen wollen sie, in den Staatsdienst drängen sie sich und Orden und Ämter bekommen sie, und unser Russe steht sehnsüchtig daneben. Drängen etwa die Tataren und Mongolen, die Tschuktschen und Tungusen unseren Bruder von seinem ihm zukommenden Platz des erstgeborenen Sohnes fort – he? Antworte mir, Brüderchen, Stepan Nikolaitsch Goruschkin, Wohlgeboren antworten Sie mir doch!“

Verwirrt blickte der kleine Mann auf. Ein seltsamer Trotz stieg in ihm empor. „Peter der Große, der große Zar, hat die

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/115&oldid=- (Version vom 31.7.2018)