Seite:George Sand Indiana.djvu/153

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„Aber,“ nahm das kecke, junge Mädchen wieder das Wort, „ich glaube, sie war noch mehr als eine treffliche Frau. Wenn ich mich recht entsinne, so lag in ihrer Person ein Reiz, der ein wärmeres, poetischeres Beiwort verdiente. Ich sah sie vor zwei Jahren auf einem Ball beim spanischen Gesandten. An diesem Tage war sie entzückend. Erinnern Sie sich nicht?“

Raymon erbebte, indem er jenes Abends gedachte, wo er zum erstenmal mit Indiana gesprochen hatte. Er erinnerte sich zu gleicher Zeit, daß er auf diesem Ball auch der vornehmen Erscheinung dieses jungen Mädchens begegnet war; aber er hatte sich damals nicht erkundigt, wer sie sei. Erst heute, als er sich verabschiedete und Herrn Hubert zu der Anmut seiner Tochter Glück wünschte, erfuhr er ihren Namen.

„Ich habe nicht das Glück, ihr Vater zu sein,“ antwortete der Fabrikherr, „sondern ich habe Fräulein von Nangy adoptiert. Verwitwet und ohne Kinder, sah ich mich vor zehn Jahren im Besitz von ziemlich bedeutenden Kapitalien, den Früchten meiner Arbeit, die ich sicher anzulegen suchte. In Bourgogne war das Landgut und Schloß Nangy zu verkaufen, das zu den Nationalgütern gehörte und mir sehr bequem lag. Ich war seit einiger Zeit sein Eigentümer, als ich erfuhr, daß der ehemalige Besitzer mit seiner siebenjährigen Tochter in einem kleinen Häuschen daselbst ein kümmerliches Dasein friste. Dieser Greis hatte zwar Entschädigungen empfangen, sie aber zur gewissenhaften Bezahlung der während der Emigration gemachten Schulden verwendet. Ich wollte sein Los mildern, aber er hatte in seinem Unglück allen Stolz seines Ranges gewahrt. Kurze Zeit nach meiner Ankunft starb er, ohne von mir irgend eine Dienstleistung angenommen zu haben. Darauf nahm ich sein Kind auf. Die Kleine gewöhnte sich bald, mich wie ihren Vater anzusehen, und ich habe sie wie meine eigene Tochter erzogen. Sie hat mir reich vergolten durch das Glück, das sie über meine alten Tage verbreitet. Um mir dieses Glück zu sichern, habe ich Fräulein

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/153&oldid=- (Version vom 1.8.2018)