Seite:George Sand Indiana.djvu/154

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

von Nangy adoptiert und wünsche jetzt nichts, als einen ihrer würdigen Gatten zu finden, der das Vermögen, welches ich ihr einst hinterlassen werde, wohl zu verwalten versteht.“

Raymon fühlte, daß er der zu dieser angenehmen Aufgabe berufene Mann sein könne, und dankte dem erfinderischen Glück, welches allen seinen Hoffnungen entgegenkam und ihm jetzt eine Gattin seines Standes mit einem hübschen bürgerlichen Vermögen darbot. Das war eine Gelegenheit, die er sich nicht entgehen lassen durfte. Er suchte sich die Besorgnisse auszureden, mit denen ihn zuweilen sein nach der Insel Bourbon gesandter Brief erfüllte, und gab sich der Hoffnung hin, daß die arme Indiana seinen eigentlichen Zweck nicht fassen, oder nicht den Mut haben würde, ihm zu entsprechen; kurz, es gelang ihm, sich selbst zu täuschen und sich für schuldlos zu halten; denn um keinen Preis der Welt hätte er sich als einen Egoisten betrachten mögen.

Er kam also oft nach Lagny und seine Besuche waren Herrn Hubert sehr angenehm, denn Raymon verstand ja bekanntlich die Kunst, sich beliebt zu machen, und bald kannte der reiche Fabrikbesitzer nur noch den Wunsch, Herrn von Ramière seinen Schwiegersohn zu nennen. Aber seine Adoptivtochter sollte selbst wählen und er ließ beiden vollkommene Freiheit, sich kennen und beurteilen zu lernen.

Laura von Nangy hielt ihn zwischen Furcht und Hoffnung. Berechnend und einschmeichelnd, hochmütig und liebenswürdig, war sie ganz die Frau, Raymon zu beherrschen, denn sie war ihm an Gewandtheit ebenso überlegen, als er es Indiana gegenüber gewesen war. Sie hatte bald erkannt, daß ihr Vermögen eine ebenso starke Anziehungskraft auf ihren Bewunderer ausübe, als ihre Persönlichkeit; sie besaß zu viel Verstand und kannte die Welt zu sehr, um von Liebe zu träumen bei einem Vermögen von zwei Millionen. Sie nahm dies Herrn von Ramière durchaus nicht übel; sie verurteilte ihn nicht, weil er das Positive

Empfohlene Zitierweise:
George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/154&oldid=- (Version vom 1.8.2018)