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Walther Kabel: Gewissenhafte Advokaten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 12, S. 213–218

angekauft hatte, dieselben Wäschestücke und Kleider angezogen, die der Tote in jener verhängnisvollen Nacht getragen hatte, und auf den so präparierten Leichnam aus verschiedener Entfernung aus Hopkins‘ Revolver drei Schüsse abgegeben. Hierbei zeigte es sich, daß die Kugeln aus der angeblichen Mordwaffe gar nicht die genügende Durchschlagskraft besaßen, um den seidengefütterten Paletot, Rock, Weste und Hemd zu durchdringen, noch viel weniger aber imstande waren, den bekleideten Körper glatt zu durchbohren, wie dies das tödliche Geschoß getan hatte. Nach diesen Versuchen gab dann der Advokat aus einer modernen gezogenen Selbstladepistole einen vierten Schuß auf den Leichnam ab. Und das Nickelmantelgeschoß dieser Waffe durchschlug wirklich den Körper und bohrte sich sogar noch ein Stück in eine dahinterstehende Mauer ein.

Nachdem so der Beweis erbracht war, daß der Mord mit Hopkins‘ Revolver nicht vollführt sein konnte, und da ferner die anderen Indizienbeweise nicht zur Verurteilung genügten, wurde der Angeklagte freigesprochen. Er verdankte sein Leben nur seinem eifrigen Verteidiger, der tagelang die Durchschlagskraft aller möglichen Handfeuerwaffen durchprobiert und auf Grund der hierbei sich ergebenden Resultate die wichtigen Schießversuche an der Leiche beantragt hatte. Der wahre Mörder wurde dann wenige Wochen später in der Person eines Pferdehändlers entdeckt, den der Ermordete durch verschiedene betrügerische Geschäftsmanipulationen an den Bettelstab gebracht hatte. –

In der Stadt Nottingham in England spielte sich zwischen zwei Spitzenfabrikanten ein Prozeß wegen angeblicher Patentverletzung ab, bei dem sich die Parteien gegenseitig beschuldigten, ihre patentierten Spitzenklöppelmaschinen mit geringen Änderungen nachgeahmt zu haben. Nachdem der Prozeß in Fachkreisen mit allen Einzelheiten bekannt geworden war, gelangte ein Londoner Fabrikant namens Heathcoat zu der Überzeugung, daß die sogenannten Erfindungen beider Streitparteien nichts als Abänderungen der ihm selbst vor einigen Jahren patentierten Bobbinetmaschine seien. Er nahm einen

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Walther Kabel: Gewissenhafte Advokaten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 12, S. 213–218. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1911, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gewissenhafte_Advokaten.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)