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und die verhältnismäßig schwache Truppe, die unter seinen Befehlen stand, widerstandsfähig zu machen. Wir werden aus seinen späteren Berichten ersehen, wie wenig ihm dies geglückt war. Die Erfahrungen, die er in der Schlacht von Fraustadt gemacht hatte, wirkten noch so nach, daß ihm die schwedische Armee die Courage abgekauft hatte, denn er schreibt an den König, daß er mit seiner Armee nicht imstande sei, einen Feind, „der so hardi und victorieus“ sei, auch nur kurze Zeit aufzuhalten. Der König hatte ihm zwar befohlen, „nur defensiv“ zu verfahren, wie er aber diese defensive Aufgabe auffaßte, werden wir im folgenden sehen; daß er jegliches Gefecht vermeidend mit der Armee aus dem Lande ging, war entschieden nicht die richtige Auffassung der vom König verlangten Defension!

Ende August, also kurz nach dem Einmarsch der Schweden, hatte General von Schulenburg dem Geheimen Ratskonsilium ein „Projekt, wie die Landesdefension einzurichten“ eingereicht[1]. Danach berechnet er, daß 14 400 Mann Infanterie in die Garnisonen zu verlegen seien, 7800 Mann Infanterie und 6 Dragonerregimenter, – ca. 2000 Mann – könnten ins Feld rücken, 14 800 Mann Defensioner in 8 Regimentern, jedes zu 12 Kompagnien könnten aufgestellt werden; dies giebt eine Armee von rund 39 000 Mann, hierzu noch 2000 Mann Ritterpferde und die Jägerei gerechnet, hätte man in 6½ Monaten, die seit der Schlacht von Fraustadt verstrichen waren, leicht einige 40 000 Mann aufstellen können. Wenn man bedenkt, daß Karl XII. mit 19 000 Mann nach Sachsen kam, im Laufe eines Jahres aber über 20 000 Mann im Lande rekrutirte und mit sich wegführte, so hätte das sächsische Land das, was es dem fremden Eroberer leisten mußte, ebenso gut freiwillig für seine Verteidigung leisten können, wenn guter Wille und Energie an den maßgebenden Stellen vorhanden gewesen wäre.




Endlich trat das längst vorausgesehene, erwartete und befürchtete Ereignis ein: der König von Schweden überschritt am 1. September bei Steinau die Oder, marschirte durch Schlesien und rückte


  1. HSTA Schulenburgs Schriften Loc. 3296, auch Loc. 3618 und 9318.