Die Lage in Sachsen während der Schwedischen Invasion 1706 und 1707 und der Friede von Altranstädt

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Autor: Herausgeber: E.G.M. Freiherr von Friesen
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Titel: Die Lage in Sachsen während der Schwedischen Invasion 1706 und 1707 und der Friede von Altranstädt
Untertitel: erschienen in der Reihe: Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens
aus: Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. Heft15
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Erscheinungsdatum: 1901
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Mitteilungen


des


Vereins für Geschichte Dresdens.




Fünfzehntes Heft.




Dresden.
Wilhelm Baensch Verlagshandlung
1901.
[Titelblatt]


Die Lage in Sachsen
während der


Schwedischen Invasion 1706 und 1707


und der


Friede von Altranstädt.




Von
E. G. M. Freiherrn von Friesen,
Generalmajor z. D.






Dresden.
Wilhelm Baensch, Verlagshandlung.
1901.
[Inhaltsverzeichnis]


Inhaltsverzeichnis.

Seite
Unmittelbare Folgen der Schlacht von Fraustadt. 1
Die sächsische Landesregierung und ihre Maßnahmen bis Ende August 1706 2
Zustände in der sächsischen Armee im Sommer 1706. 10
Vom Einfall der Schweden bis zum Frieden von Altranstädt. 1. bis 24. September 1706. 23
Zustandekommen des Friedens von Altranstädt durch die Kommissarien Imhoff und Pfingsten 38
Begebenheiten in Sachsen nach Abschluß des Friedens bis zur Rückkehr des Königs August. 24. September bis 15. Dezember 1706 73
Vom Januar bis Mai 1707 87
Die Arretirung Imhoffs und Pfingstens am 12. Mai 1707 99
Vom Mai bis September 1707 106
Zustände in Dresden und Besuch Karls XII. am 6. September 1707 110
Schluß 124



[Quellen]


Quellen.


I. Königl. Hauptstaatsarchiv in Dresden.

1. Der polnisch-schwedische Krieg etc. Loc. 3618. Vol. XL bis XLVII. Februar bis Oktober.

2. Dasselbe. Loc, 3619. Vol. XLVIII und XLIX. November und Dezember.

3. Die in dem Kurfürstentum Sachsen von Schweden geforderte Kontribution Loc. 3619. Vol. L.

4. Der zwischen Polen und Schweden in Altranstädt geschlossene Friede Loc. 3541. Vol. I, II, III.

5. Die Arretirung von Imhoffs und Pfingstens etc. Loc. 973.Vol. I und II.

6. Der Krieg zwischen Polen und Schweden etc. Loc. 9318. IV. und V. Buch.

7. Schulenburgs Schriften, den feindlichen Einfall in die sächsischen Lande betreffend, Loc. 3296.


II. Königl. Kriegsarchiv in Dresden.

1. Wiedersammlung der in der Aktion mit den Schweden bei Fraustadt zerstreuten Königl. Polnischen Miliz Sect. A. Kap. II. Lit. a. Nr. 5. Loc. 802.

2. Notifikationes, so von dem General Freiherr von der Schulenburg etc. Kap. II. Lit. a. Nr. 5. Loc. 801.

3. Summarische Verhöre, das bei Fraustadt vorgegangene Treffen etc. Sect. C. Kap. II. Lit. a. Nr. 5. Loc. 800.

4. Erlasse Sr. Majestät des Königs vom Jahre 1706.

5. Die wider Herrn Rudolf Heinrich von Nischwitz, Oberstleutnant des Beust’schen Kürassierregiments angebrachten Beschuldigungen.


[VI] III. Königl. Oberhofmarschallamt in Dresden.

1. Jagd- und andere Reisen Sr. Majestät des Königs.

2. Schreibkalender aus den Jahren 1706 und 1707.


IV. Königl. Öffentliche Bibliothek in Dresden.

Manuskripte Q. 120, 121, 122.


V. Ratsarchiv in Dresden.

G. XXXII. 124a Die besorgende Einrückung der schwedischen Völker etc. Vol. I.
G. XX 124b Die bei Einrückung der schwedischen Völker etc. Vol. II. 1707.
G. XX 124c Die schwedische Invasion etc. 1706 und 1707 Vol. III.
G. XX 124d Die schwedische Invasion etc. 1706 und 1707 Vol. IV.
G. XX 124e Briefe, welche während der schwedischen Invasion etc. 1706 und 1707 Vol. V.
G. XX 124f Akta, so beim schwedischen Einfall etc. Vol. VI.
G. XX 124g Akta zum Konvent zu Leipzig Vol. VII.
G. XX 124h Akta, die 2000 Thaler Vorschuß etc. Vol. VIII.
G. XX 124i Zwei Originalia von dem schwedischen General-Quartiermeister Axel Gyllenkrok etc. Vol. IX.
G. XX 124k Kollektanea, die Steuerschocke und Quatember etc. betreffend, Vol. X.
G. XX 124l Akta, die schwedische Invasion, Ratsämter-Unterthanen etc. Vol. XI.
G. XX 124m Akta, die Fourage-Lieferung nach Dresden betreffend, Vol. XII.


VI. Freiherrlich von Friesen’sches Privatarchiv in Rötha.

Privatakten des Geh. Rates und Kanzlers Otto Heinrich Freiherr von Friesen. Publika M. 236.


VII. Druckschriften.

1. Geschichte des sächsischen Volkes und Staates von C. Gretschel. Bd. 2. Leipzig 1847.

2. Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen von C. W. Bötticher. 2. Aufl. v. Th. Flathe. Bd. 2. Gotha 1870.

3. Kern der Geschichte Sachsens von Adam Friedrich Glafey. Nürnberg 1753.

[VII] 4. Friedrich Augusti des Großen Leben und Heldenthaten von D. F(aßmann). Frankfurt und Leipzig 1734.

5. Kurzgefaßter Kern Dresdner Merkwürdigkeiten. Dresden 1732.

6. Histoire militaire de Charles XII. par Gustave Adlerfeld. Amsterdam 1740.

7. Histoire de Charles XII. par Voltaire. Leipzig 1845.

8. Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Dresden von M. B. Lindau. Bd. 2. Dresden 1862.

9. Dresdner Anzeiger von 1809. Blätter zur Unterhaltung und Belehrung.

10. Karl XII. als König, Krieger und Mensch von Oscar II. Berlin 1875.

11. Zur Geschichte der sächsischen Politik 1706 bis 1709 von Joh. Rich. Danielson. Helsingfors 1878.

12. Die Feldzüge Karls XII. von Christian von Sarauw. Leipzig 1881.

13. Die schwedische Invasion in Kursachsen und der Friede von Altranstädt von Gustav Saran. Halle a. S. 1878.

14. Leben und Denkwürdigkeiten des General von der Schulenburg von Fried. Alb. von der Schulenburg. Leipzig 1834.

15. Vertraute Briefe eines schwedischen Offiziers an einen Freund in Wien. Görlitz 1811.




[Ξ] [1]

Am 13. Februar 1706 war die verbündete sächsisch-russische Armee, 18 000 Mann stark unter Kommando des Generals von Schulenburg, durch 12 000 Schweden unter Kommando des Generals Rheinschild bei Fraustadt in einer fast noch nicht dagewesenen Weise aufs Haupt geschlagen worden. Nach Verlauf von wenig über einer Viertelstunde deckten 8000 Mann todte und verwundete Sachsen und Russen das Schlachtfeld, 7000 Mann wurden gefangen genommen, der kleine, verbleibende Rest flutete nach Sachsen zurück, hier Angst und Schrecken verbreitend. Das Land stand einer schwedischen Invasion offen, eine sächsische Armee, welche diese hätte verhindern können, gab es vor der Hand nicht mehr.

Der sächsische Geh. Kriegsrat von Kiesewetter berichtete unter dem 14. Februar an den noch in Polen stehenden König August:

„Ew. Königl. Maj. kann hierdurch nicht unberichtet lassen, wasmaßen gestern gegen Mittag wir mit dem Feind vier gute halbe Meile von Fraustadt in Aktion gerathen, welche aber unsrerseits sehr unglücklich abgelaufen. Angesehen, der linke Flügel gleich Anfangs fast ohne einigen Schuß zu thun, der rechte aber ohne einigen Widerstand gewichen und die Infanterie, nachdem sie eine Salve gethan, sogleich in confusion kommen und sich ebenfalls retiriret, also daß ungefähr in einer guten Viertelstunde die ganze bataille verloren. Der linke Flügel hat sich hierher nach Sobor und der rechte vermutlich gegen Glogau gezogen. Von der Infanterie und wo sich selbige hingewandt, auch ob etwas von der Artillerie salviret, weiß man bis dato keine Nachricht. Die Bagage ist meistenteils zerstreut und was nicht mit der Flucht entkommen, verloren.

[2] Kasse, Kommissariat und Magazin, so hier gestanden, hat sich auf erhaltene Nachricht zurück und über Grünberg nach Sora gezogen. So balden ich von der Infanterie und dem rechten Flügel mehrere Gewißheit habe, werde Ew. Königl. Maj. ausführlicher particulariter berichten, verharrend etc.

     Sobor d. 14. Febr. 1706.

Hans Christian von Kiesewetter[1].“


Einen noch schwärzer gefärbten Bericht hatte General von Drost an den Gouverneur von Dresden, den General-Feldzeugmeister Grafen von Zinzendorf, abgehen lassen. Der Oberst von Bose war als Kurier nach Dresden gereist, um dem Statthalter und der Regierung mündlich Bericht zu erstatten.

Die Regierung des Landes wurde während der Abwesenheit Königs Augusts durch den mit ganz außergewöhnlich weitreichenden Vollmachten versehenen Fürsten Egon von Fürstenberg geführt, unter dem, unserem heutigen Gesamtministerium vergleichbar, das Geheime Ratskollegium amtirte. Dieses bestand aus den 5 Geheime Räten: von Born, Freiherrn von Hoym, von Zech, Freiherrn von Imhoff und Freiherrn von Friesen; letzterer bekleidete die Stelle eines Kanzlers. In der unmittelbaren Nähe des Königs befand sich stets der Oberhofmarschall und Premierminister Graf Pflug, welcher alle offiziellen Erlasse des Königs mit unterschrieb. An den Grafen Pflug waren auch alle Berichte der an fremden Höfen beglaubigten Gesandten und Residenten gerichtet. Solche Berichte gingen fast jede Woche einmal, oft auch noch häufiger ein; sie befinden sich im Königl. Hauptstaatsarchiv zu Dresden unter den Akten über den nordischen Krieg und geben reichen Aufschluß über die diplomatischen Verhältnisse der damaligen Zeit, können aber in der vorliegenden Schrift nur so weit Verwendung finden, als es zum allgemeinen Verständnis der Lage unbedingt nötig ist. Die hier hauptsächlich in Frage kommenden Gesandten und Residenten waren: Graf Wackerbarth und Sekretär Seligmann in Wien, Graf Werthern in Regensburg, Graf Königsmark beim Zaren, Resident Wolter in Berlin, von Gersdorf im Haag, Resident Kirchner in London, von Manteuffel in Kopenhagen, Resident Ebersbach in Hamburg etc.

[3] Schon seit mehreren Jahren, seitdem der König außer Landes weilte, hatte sich der Bevölkerung eine große Unzufriedenheit mit der Regierung bemächtigt, gegen deren Gebahren es keine Appellation gab. Dem Könige scheint doch einiges darüber zu Ohren gekommen zu sein, denn er beauftragte Anfang des Jahres 1705 den General Johann Reinhold Patkul, seine Ansichten über die innere und äußere politische Lage Sachsens rückhaltlos auszusprechen und ihm darüber zu berichten. Patkul, ein genialer Mensch, mit scharfem diplomatischem Blick begabt, der schon an verschiedenen Höfen Erfahrungen gesammelt hatte, entledigte sich dieses Auftrages, indem er unter dem 8. März 1705 dem Könige eine Denkschrift einreichte, in welcher er kurz folgendes ausführte: Gegenwärtig habe man mit keiner einzigen Macht ein zuverlässiges Bündnis abgeschlossen, man müsse daher vor allen Dingen darauf bedacht sein, sich Allianzen zu verschaffen. Auf Frankreich sei hierbei nicht zu rechnen, dagegen ein Bündnis mit Preußen und Dänemark zu befürworten, obgleich einem solchen Bedenken entgegen stünden, welche indes gehoben werden könnten. Sehr eingehend behandelte er den „korrupten Zustand in Ew. Königl. Maj. Erblanden im Geh. Konseil“. Seit den im Lande vor sich gegangenen Veränderungen – Übernahme der Krone Polens und Abwesenheit des Königs vom Lande – habe dieser Zustand seinen Anfang genommen und wäre an allen fremden Höfen bekannt geworden. Er vergleicht den früheren Zustand des Landes mit dem jetzigen und kommt zu dem Resultat: Während das Land früher reich genannt werden konnte, sei es gegenwärtig so verarmt, daß nicht einmal Geld zum nötigen Bedarf vorhanden wäre, früher angesammelte Kapitalien seien aufgezehrt, sogar darüber hinaus Schulden gemacht worden; aber auch der Kredit des Landes sei so erloschen, daß es schwer halte, auch nur wenige hundert Thaler zu borgen. Fremde zögen ihre Kapitalien zurück, die Einheimischen aber versteckten ihr Geld und gäben es nicht her. Die Administration sei in einem schlechten Zustande, die Justiz werde nicht unparteiisch gehandhabt. Auch wegen der Religion wäre man an den fremden Höfen mißtrauisch geworden. Unter diesen Umständen könne nur eine Radikalkur, eine Umwandlung des jetzigen Regierungssystems, helfen und bessere Zustände herbeiführen[2].

[4] Eine Änderung der Zustände trat nicht ein, infolge des auch von Patkul begangenen, so oft wiederkehrenden Fehlers, daß der Bericht in zu grellen Farben gemalt war und daher seine Wirkung verfehlte. Die Folge dieser mit allzu großer Offenheit ausgesprochenen Ansichten war aber die, daß sich Patkul die Feindschaft nicht nur der Geheimen Räte, sondern auch aller anderen höheren Beamten zuzog, so daß sich später für den unglücklichen Mann keine Stimme erhob.

Ein Spottgedicht, welches wohl erst aus dem Jahre 1706 datirt, lautet:

Will Sachsen frei sein von den Plagen,
So laß ihm dies zur Nachricht sagen:
Hängt Zechen auf, laßt Hoymen binden,
Imhoff in Rauch, laßt Pfingsten schinden,
Und wer den Fürstenberg wird preisen,
Den soll man ewig Land’s verweisen,
Alsdann wird Sachsen frei verbleiben
Und darf man kein Rezept mehr schreiben[3].

Daß die Geheimen Räte von Born und von Friesen in diesem Spottgedicht nicht mit genannt werden, scheint ein Beweis zu sein, daß man ihnen nicht so viel nachsagen konnte wie den anderen. Thatsächlich war auch von Friesen in höchstem Grade unzufrieden mit dem damaligen Regierungssystem und hatte bereits im Jahre 1702 seinen Abschied erbeten, war aber damals durch ein sehr gnädiges Handbillet des Königs veranlaßt worden, in Diensten zu bleiben; 1705 hatte er, vielleicht auf Grund der von Patkul eingereichten Dentschrift, abermals um seine Entlassung gebeten, war aber diesmal durch den Statthalter im Amte gehalten worden.

Unter dem ersten Eindruck des großen Schreckens, den die traurige Nachricht von der Katastrophe bei Fraustadt in Sachsen verbreitet hatte, war von dem Geheimen Ratskollegium unter dem 16. Februar[4] nur ein ganz kurzer Bericht an den König August nach Polen abgelassen worden, in welchem mitgeteilt wurde, daß die schriftlichen Berichte vom Geh. Kriegsrat von Kiesewetter und General von Drost in Dresden eingegangen, daß auch Oberst [5] von Bose, der am 15. Februar mittags in Dresden eingetroffen, mündlich berichtet habe, und daß sie, die Geheimen Räte, vor der Hand Vorkehrungen getroffen hätten, um auf eine feindliche Invasion vorbereitet zu sein. Die Nachricht von der unglücklichen Schlacht hatte sich aber auch weiter wie ein Lauffeuer verbreitet. Am 20. Februar schreibt der Resident Ebersbach aus Hamburg sehr erregt, es wäre ganz unglaublich, was für Nachrichten von „Gazettiers“ über die Schlacht von Fraustadt verbreitet würden, und schickt zum Beweis, wie sehr der gute Ruf Sachsens durch dergleichen Veröffentlichungen gefährdet werde, eine soeben in Hamburg ausgegebene, auf ein Quartblatt gedruckte Zeitung ein. Diese enthält eine „Relation von der scharfen Action, so zwischen den Schwedischen, Sächsischen und Moskowitischen Truppen ohnweit Fraustadt in Groß-Pohlen vorgefallen“ und bezieht sich dabei hauptsächlich auf einen „Extrakt Schreibens aus Grünberg vom 13. (?) Februar 1706 von Herrn Leutnant Hochmuth, so selbst bei der Action gewesen“. Dieser malt mit grellen Farben und schreibt u. a.: „Unsere Infanterie ist gänzlich verloren, welches Sachsen nicht verwinden kann. Unsere Generalität hat vermeint, der Feind sei über 8 bis 10 000 Mann nicht stark, es fand sich aber, daß er in 18 bis 20 000 Mann effektiv bestand; wir hingegen von Kälte und Marsch sehr fatiguiret, waren nicht mehr als 16 000 Mann stark. Es werden bei 10 000 Mann auf der Wahlstatt geblieben sein. Die Action hat nicht über eine Stunde gewährt, so war schon die Viktoria in der Feinde Händen. Das Unglück haben wir selbst gemacht, weiln man den Feind nicht ästimirt und bei Anfang der Action befohlen ward, alles kaltsinnig und en bagatelle zu betrachten“ etc.[5].

Selbstverständlich hatte sich die Nachricht auch an den fremden Höfen verbreitet. Schon am 20. Februar schreibt der Resident Wolter aus Berlin, der dortige Hof habe erklärt, daß bei dem schlechten Stande der sächsischen Truppen, der bei dieser Schlacht so augenscheinlich zu Tage getreten sei, keine Rede davon sein könne, mit Sachsen Traktate abzuschließen, und auch der Sekretär Seligmann aus Wien berichtet in ähnlichem Sinne und teilt mit, daß dort die sächsischen Truppen sogar verachtet würden[6].

[6] Durch diese und andere von auswärts eintreffende Nachrichten ging den Geheimen Räten der letzte Funken von Vertrauen auf die eigene Kraft und Widerstandskraft des Landes bereits jetzt verloren. In einem längeren Schreiben vom 24. Februar[7] teilten sie dem Könige folgendes mit: Sie hätten sich um Hilfe umgethan bei dem Könige von Preußen, bei Braunschweig-Lüneburg, dem Pfalzgrafen bei Rhein, auch beim Kollegientag in Regensburg etc., hätten aber nur die übereinstimmenden Nachrichten erhalten, daß der General Rheinschild Ordre habe, feindlich in Sachsen einzufallen und direkt auf Leipzig vorzugehen, dies aber nur in dem Falle zu thun, „wenn in diesem Lande neue Kriegsrüstungen zur Hand genommen würden und der König von Schweden anderweit Besorgnis schöpfen könnte“. Er, der König August, habe nun zwar auf diesen Fall schon verschiedene Ordres erlassen, er würde aber aus den dagegen aufgestellten Bedenken der Generalität und des Kriegsrats-Kollegiums wahrgenommen haben, daß diese so heilsamen Absichten, bei den geschwächten Kräften des Landes, zu einem guten Ende und Effekt zu bringen unmöglich sei. Die Armee sei vernichtet, Artillerie und Munition seien nicht mehr vorhanden; wenn daher die Schweden ins Land fielen, wäre an eine Gegenwehr nicht zu denken. Die Mutter des Königs wüßte schon jetzt nicht mehr, woher sie für sich und den Kurprinzen ihren Unterhalt hernehmen sollte. Sie machen daher – in aller Devotion – den König darauf aufmerksam, daß sein ferneres Verbleiben in Polen und weitere Rüstungen im Lande diesem nur Schaden bringen müßten. Sein Großvater, sein Vater und sein Bruder hätten vor Erlangung der polnischen Königskrone Ruhm und Ehre in Deutschland genossen, Sachsen wäre hochgeachtet gewesen. Dies alles möchte er bedenken und darauf seine Entschließungen treffen.

Aus diesem ausführlichen, in den klagendsten Tönen abgefaßten Schreiben geht zweierlei hervor: einmal wollte man den König veranlassen, keine Rüstungen im Lande vorzunehmen, wodurch man hoffte, den König von Schweden von einem Einfalle in Sachsen abzuhalten, dann aber, daß man den König zur Niederlegung der polnischen Königskrone bringen wollte. Diese beiden Gedanken gehen seit dieser Zeit wie ein roter Faden durch alle ferneren Schreiben [7] der Geheimen Räte an den König hindurch und waren bestimmend für alle von ihnen im Lande getroffenen Maßregeln.

So mutlos, wie seine Geheimen Räte, war nun der König August durchaus nicht. Noch bevor dieses Schreiben vom 24. Februar bei ihm eingegangen war, hatte er am 26. Februar[8] an den Grafen Königsmark, Gesandten beim Zaren, geschrieben: „Wiewohl nun dieser coup unsere mesures sehr verrückt, so lassen wir doch deshalb den Mut nicht sinken, sondern wir tragen zu der göttlichen providence, als welche das Ziel zur Dämpfung des feindlichen Hochmutes und unserer Herausreißung aus gegenwärtigem embarras allem Ansehen nach noch etwas weiter hinausgesetzt zu haben scheint, das sonderbare Vertrauen, sie werden uns wieder Mittel an die Hand geben, unsere Sachen zu retabliren“. Darauf setzt er ihm auseinander, was er mit dem Zaren bereden soll, damit ihm dieser zu Hilfe kommt.

Auf das Schreiben der Geheimen Räte vom 24. Februar antwortet der König unter dem 1. März 1706 aus Petrikow[9] sehr zuversichtlich: Auf einen Einfall der Schweden in Sachsen müsse man sich allerdings auf alle Fälle gefaßt machen; daher sind Dresden, Leipzig, Königstein und Sonnenstein sofort zur Verteidigung in Stand zu setzen und auf längere Zeit zu verproviantiren. Wittenberg, Torgau und Senftenberg sind offen zu lassen, die dort befindlichen Festungsgeschütze aber in die anderen festen Plätze zu bringen. Aus dem Lande sollen so viel Mannschaften ausgehoben werden, als zur Verteidigung der festen Plätze notwendig sind. Gewaltsame Werbungen zu auswärtigen Kriegsdiensten sollen unterbleiben. Er hofft, der Allerhöchste werde ihm Mittel und Wege an die Hand geben, aus diesem embarras wieder herauszukommen.

Man kann hieraus ersehen, daß der König einerseits fest entschlossen ist, sein Land nicht dem feindlichen Eroberer ohne Widerstand preiszugeben, daß er aber auch andererseits den Geheimen Räten die Konzession macht, keine Leute für auswärtige Kriegsdienste zu werben, um nicht dadurch einen Anlaß zum Einfall der Schweden ins Land zu geben. Trotzdem scheinen die Geheimen Räte keine nennenswerten Maßregeln zur Verteidigung des Landes getroffen zu haben. Die von Berlin, London, Kopenhagen, Wien etc. eingehenden [8] Berichte der dortigen Gesandten betonten immer wieder, daß von den auswärtigen Höfen auf eine Unterstützung nicht zu rechnen wäre. Die der Regierung innewohnende Angst hatte sich daher auch auf die Einwohner des Landes verbreitet und machte sich in auswärtigen Zeitungen bemerkbar, so daß der König unter dem 8. März 1706[10] aus Krakau an die Geheimen Räte schrieb: Er hätte erfahren, daß in Berliner Zeitungen Aufsätze von sächsischen Landständen eingerückt würden, welche der Ehre des Landes zuwider wären; sie sollten die Sache untersuchen und die Schuldigen, wenn sie zu entdecken wären, bestrafen.

Als aber am 18. März[11] die Geheimen Räte abermals schrieben, daß die Kurfürstin-Mutter, welche bereits nach der Schlacht von Fraustadt angefragt hätte, was mit ihr und dem Kurprinzen werden solle, wenn die Schweden ins Land kämen, diese Anfrage erneut an sie gestellt habe, antwortet er, offenbar sehr ärgerlich: so weit wäre es noch lange nicht! Er hätte seine Befehle gegeben, nun möchten sie greifbare Vorschläge machen, was zur Verteidigung des Landes weiter noch zu thun sei.

Obgleich man sich im Kriegszustande mit Schweden befand und es geboten erschien, alle im Lande ergriffenen Maßregeln geheim zu halten, bereisten schwedische Offiziere das Land und erhielten unter dem Vorwand, in die Bäder von Teplitz und Karlsbad zu reisen, von der sächsischen Regierung Pässe ausgestellt; Briefe, welche man der gewöhnlichen Post anvertraute, wurden geöffnet und nach Befinden nicht weiter befördert. Namentlich wurde ein Postmeister Seck in Züllichau beschuldigt, von schwedischen Offizieren bestochen zu sein, daß er das Briefgeheimnis verletze[12]. Die Gefahr einer Invasion der Schweden rückte immer näher. Resident Wolter in Berlin, von dem Geheimrats-Konsilium aufgefordert, dort zu forschen, ob es wirklich die Absicht des Königs von Schweden sei, in die sächsischen Lande einzufallen, warnte eindringlich, und der General von Dünewald berichtete, der König von Schweden beabsichtige „der Sache ein Ende zu machen, ehe der Kukuk anfinge zu schreien“[13].

Da richtete der König August abermals aus Warschau unter dem 5. August 1706[14] ein ausführliches Schreiben an den Statthalter [9] und die Geheimen Räte; er macht erneut auf die Notwendigkeit aufmerksam, die festen Plätze Dresden, Leipzig u. a. in Verteidigungszustand zu setzen und mit Proviant derart zu versehen, daß pro Mann 10 Scheffel Getreide vorhanden wären etc. und fährt dann fort: „Dann auch ist dem Adel und Landmann auszudrücken, daß sie sich in die nächste Festung mit ihren Mobilien und Effekten retiriren und auf dem Lande nichts lassen, als was zur Bestellung des Feldes von Nöten. Falls aber sie sich in Güte nicht dazu verstehen wollten, so sind sie dazu durch die Kommandanten jedes Ortes mittels militärischer Exekution anzuhalten“. Zum Kommandanten aller Truppen und Festungen im Lande ernannte er den General von Schulenburg, für Leipzig und Pleißenburg den General Graf Wackerbarth (dies wurde dann geändert und dafür der General von Neitschütz ernannt), für Görlitz Neitschütz, für Bautzen Drost, für Wittenberg Zeidler, für Lübben Bose, für Zwickau Trimnitz, für Freiberg Plötz. Die Kurfürstin-Mutter soll sich mit dem Kurprinzen nach Hamburg, die Gemahlin des Königs nach Prag begeben. Ein Schreiben an die letztere, so viel enthaltend, als für sie zu wissen nötig war, wurde beigelegt.

Aber schon drei Tage darauf, am 8. August[15], folgte ein zweites sehr ausführliches Schreiben, dessen Eingang Zeugnis von den damals hinsichtlich des Krieges herrschenden naiven Anschauungen ablegt; er lautet: „Sobald der Feind an die Grenze rückt, so haben dieselben – der Statthalter und die Geheimen Räte – ein Paar membra aus Unserem Geheimen Konsilio an den feindlichen kommandirenden General abzufertigen und von demselben vernehmen zu lassen, was eigentlich seine Intention sei. Wenn er sich nun darüber explicirt, so wäre derselbe mit Vorstellung der suites, so dergleichen feindlicher Einfall nach sich ziehen dürfte, zu ersuchen, so lange mit der etwa vorhabenden Hostilität einzuhalten, bis man an Uns darüber berichtet und Unsere Resolution darüber eingeholt hätte“. Darauf folgt eine „Instruktion, wie man sich bei der defension des Kurfürstentums Sachsen und der incorporirten Länder zu verhalten“, der dritte von den 15 aufgeführten Punkten lautet dahin, daß überall nur defensive zu gehen und nichts zu hazardiren sei. Der nächste Absatz dieser Verordnung handelt von der Aufstellung [10] eines Aufgebotes, also einer Volksbewaffnung, und erteilt darauf eine Instruktion, „welcher Gestalt sich die Kriegs-Obersten oder Kommandanten des Aufgebotes zu verhalten haben“. Demnach sind in den Städten und Dörfern die Mannschaften zu zählen und derart in zwei Klassen zu teilen, daß in die erste die Verheirateten, in die zweite die Ledigen zu stehen kommen. Die Verheirateten werden wieder eingeteilt in Alte, Krüppel und Mannhafte, die Ledigen aber in Mannhafte, Alte, Krüppel und Kinder. „Sollten sich nun – so heißt es weiter – in Sachsen 6000 Städte und Dörfer finden und man nähme nur von jedem Orte 2 bis 3 Mann, so kann man 12 000 bis 18 000 Mann aufbringen und enroliren.“ Den Schluß bildet eine Ermahnung an den Statthalter, er soll, wenn wirklich der König von Schweden in das Land einrückt, versuchen, auf diplomatischem Wege mit ihm zu verhandeln, damit er vielleicht davon abstehe.

Am 25. August[16] berichten die Geheimen Räte, daß es nun doch den Anschein hätte, als wollte der König von Schweden in Sachsen einfallen. Sie hätten daher mit den Generalen Graf Zinzendorf und von Schulenburg konferirt, des Königs Verordnungen beraten, auch von Breslau Nachrichten über die Bewegungen der schwedischen Armee erhalten und würden nun in aller Stille an die Ausführung der vom König erteilten Instruktionen gehen, bäten aber dringend, man möchte sie nicht dafür verantwortlich machen, wenn sie ihren Zweck nicht erreichen sollten. Am 31. August aber berichten sie nochmals, daß sie alles ausgeführt hätten, was der König befohlen habe.

Wir werden im folgenden sehen, wie wenig von den Instruktionen befolgt war, und werfen zunächst einen Blick auf die seit der Schlacht von Fraustadt getroffenen militärischen Maßregeln.




Von der sächsischen Armee standen Anfang des Jahres 1706 3000 Mann Infanterie bei den Reichstruppen am Rhein gegen Frankreich im Felde; die Mehrzahl der Kavallerie, nämlich 7 Kürassier- [11] und 6 Dragonerregimenter, befanden sich beim König in Polen in der Nähe von Grodno, in den Garnisonen des Landes verblieben nur schwache Abteilungen. 12 000 Mann aber, gegen 10 000 Mann Infanterie und Artillerie und 2000 Reiter, waren in der Lausitz mobil gemacht. Diese Truppen, über welche bisher der in venetianische Dienste getretene Feldmarschall Steinau den Oberbefehl geführt hatte, waren bestimmt, unter Kommando des Generals von Schulenburg, welcher erst am 16. Januar 1706 den Feldmarschall Steinau ersetzt hatte, gegen den an der polnisch-schlesischen Grenze stehenden schwedischen General Rheinschild zu operiren. In dieser Truppe „herrschte eine gedrückte Stimmung, da es unmittelbar vor dem Ausmarsch an Geld, Equipirung und Verpflegung mangelte“[17].

Das Urteil von Saraus[18], der sonst in seinen militärischen Angaben Beachtung verdient, über von Schulenburg ist hier etwas zu hart, wenn er schreibt: „Schulenburg hatte kein Vertrauen zu seinen Leuten und zum Gelingen der ihm gestellten Aufgabe, und dies mußte notwendig auf die Truppe zurückwirken. (Bis hierher hat er nicht ganz unrecht.) Auch daran, daß der moralische Zustand derselben ein so niedriger war, trug Schulenburg die Hauptschuld. Den größten Teil des Heeres hatte er selbst mehrere Jahre hindurch im Felde und im Lager kommandirt, und was aus ihnen geworden war, mußte nur ihm allein zugeschrieben werden. Die übrigen Truppen aber hatten ein ganzes Jahr hindurch unter seinem Befehl gestanden und er selbst hatte also genügend Zeit gehabt, sie zu brauchbaren Soldaten zu erziehen, wenn er dies anders vermochte. Daß er nicht verstand, einen guten Ton ins Offizierskorps zu bringen, gesteht er selbst ein, indem er sagte, daß sich nach Feldmarschall Steinaus Abgang der Parteigeist unter den Offizieren mehr als je geltend gemacht habe, obwohl Schulenburg alles mögliche that, um den Dienst von allen mit Genauigkeit ausführen zu lassen und die Disziplin aufrecht zu erhalten. Hätte Schulenburg die rechte Energie und den rechten Takt besessen, so würde er ohne Zweifel hierin Wandel geschaffen haben“.

In den 4 Wochen – vom 16. Januar bis zur Schlacht von Fraustadt, 13. Februar – in denen Schulenburg das Kommando [12] führte, war er nicht imstande gewesen, einen besseren Geist in die Truppe zu bringen, daß aber ein schlechter Geist nicht nur in der Truppe selbst, sondern hauptsächlich im Offizierskorps herrschte, daß Mangel an Disziplin in hohem Grade vorhanden war, ergiebt sich aus dem folgenden. Aus dem oben angeführten Berichte des Geh. Kriegsrates von Kiesewetter an den König vom 14. Februar haben wir gesehen, daß „der linke Flügel gleich anfangs fast ohne einen Schuß zu thun“ davon gelaufen, daß aber auf dem rechten Flügel die Infanterie schon nach der ersten Salve „in confusion geraten“ ist. Aus dem ebenfalls schon mitgeteilten, vom Residenten Ebersbach aus Hamburg eingeschickten Zeitungsblatte geht hervor, wie ein dabei gewesener Leutnant alle Schuld auf die Generäle schiebt. Der General von Schulenburg selbst schreibt in seinem vom 14. Februar datirten offiziellen Berichte an den König[19]: „Es ist aber eine Unmöglichkeit, mit gutem success eine action zu endigen, wobei der meiste Teil der Kavallerie und Infanterie weder Herz noch Hand gebrauchen will. Es müssen sich mit mir alle Offiziers verwundern und gestehen, daß in ihrem Vermögen und Kräften nicht gestanden, die Leute in contenance zu halten und zu ihrer defension zu bringen“. Es wirft kein vorteilhaftes Licht auf einen Truppenführer, wenn er die ganze Schuld seines Mißgeschickes auf die Schultern seiner Untergebenen abwälzt.

Aber auch die vom Feldzeugmeister Grafen Zinzendorf, dem Gouverneur von Dresden, durch Ordre vom 16. Februar[20] getroffenen Maßregeln lassen einen tiefen Blick in die nach der unglücklichen Schlacht eingetretene Disziplinlosigkeit thun. Er befiehlt, daß die Dragoner, sobald sie zusammen gebracht werden können, an der Grenze die Pässe besetzen, die übrigen Reiter aber dahinter in der Ober- und Niederlausitz gesammelt werden sollen. Die Infanterie soll, von welchem Regiment es auch sei, zusammen nach Dresden gezogen werden. Offiziere, mit gehörigen Pässen versehen, sind nach Schlesien und Brandenburg zu entsenden, um dort die zerstreuten Truppen aufzusuchen und zu sammeln.

Der König hatte mit richtigem Blicke das Gefahrvolle der Lage [13] erkannt. Wie er aber, was aus seinen oben mitgeteilten Schreiben an den Grafen Königsmark vom 26. Februar und an die Geheimen Räte vom 1. März hervorgeht, den Mut nicht sinken ließ und sofort energische Maßregeln anordnete, so traf er auch in dieser Sache das Richtige. In einem Handschreiben vom 2. März 1706[21] befahl er Schulenburg, vor allen Dingen die Armee wieder zu sammeln, dann aber ein Strafgericht über die Ausreißer und Feiglinge einzusetzen, dem auch einige Geheime Räte beizuwohnen hätten, um die Schuldigen exemplarisch zu strafen. Dieser Befehl zur Niedersetzung eines Strafgerichtes wurde noch bekräftigt durch ein Schreiben der Geheimen Räte vom 6. März[22], in welchem sie dem Könige mitteilen, daß der Zustand im Lande ein geradezu unleidlicher werde, da desertirte oder aus der Gefangenschaft zurückgekehrte Soldaten, ja sogar auch Offiziere, im Lande plünderten und marodirten und daß hiergegen strenge Maßregeln ergriffen werden müßten.

Hierauf schreibt der König aus Krakau unterm 8. März 1706[23] nochmals dringend an Schulenburg: nicht nur diejenigen, welche die oben geschilderten Schandthaten verübten, sollten exemplarisch bestraft, sondern auch die Offiziere, deren Pflicht es sei, solche Ausschreitungen zu verhindern und zu bestrafen, dies aber unterließen, sollten an Leib, Ehre und Leben geahndet werden. Zugleich bestimmt er selber die Mitglieder, aus denen das Kriegsgericht zusammengesetzt werden soll: Generalfeldzeugmeister Graf Zinzendorf, General von Schulenburg, die Geheimen Räte von Hoym und von Imhoff, der Geh. Kriegsrat von Langen, die Generalleutnants von Plötz und von Flemming, der Kriegsrat von Schindler, die Generalmajore von Boske und von Krosigk, die Obersten von Wrangel und von Bünau, die Oberstleutnants von Oppel und von Bomstorf und die Oberstwachtmeister von Kalkreut und von Born.

Mit den russischen Truppen, welche bei Fraustadt gefochten hatten und deren Reste bei Guben und Lübben gesammelt worden waren, hatte man bereits am 20. Februar angefangen, Verhöre über ihr Verhalten in der Schlacht anzustellen[24]. Diese Untersuchungen, welche nach den vorhandenen Akten bis zum 8. März reichen, hatten [14] nur ergeben, daß eine grenzenlose Unordnung geherrscht hatte; ein Urteil ist nicht vorhanden. Nachdem aber am 2. März die Verordnung des Königs an den General Schulenburg ergangen war, begann man auf jede Denunziation hin eine Untersuchung anzustellen. Am 4. April hatte ein Edler von der Planitz aus Glogau berichtet[25], daß er dort drei Stücke einer sächsischen Fahne gefunden, welche man in den Ofen hätte stecken wollen, auch eine Pauke hätte man eine Meile von Grünberg aufgefunden, welche von sächsischen Dragonern für 1 Thaler 6 Ggr. ausgelöst worden wäre. Ob eine Exekution, welche auf dem Sande bei Dresden stattfand und über welche die nicht ganz zuverlässigen „Dresdner Merkwürdigkeiten“, aber auch der ziemlich getreu geführte Hofkalender des Dresdner Hofmarschallamtes berichtet, es seien am 17. April 2 Soldaten enthauptet und 12 gehenkt worden, mit dieser Sache in Verbindung steht, konnte nicht festgestellt werden.

Diese Untersuchungen scheinen sich sehr in die Länge gezogen zu haben. Am 2. Mai[26] reichen eine Anzahl sächsischer Generäle ein umfangreiches Schriftstück an den König ein, in welchem sie Sr. Majestät ihren Dank dafür aussprechen, daß er ein Kriegsgericht niedergesetzt habe, um diejenigen zu bestrafen, welche Schuld an dem Verluste der Schlacht von Fraustadt trugen. Sie hätten sämtlich bereits am 17. März ihre Rapporte über diese Angelegenheit eingereicht, die sie auch alle eidlich erhärten könnten. Da nun in allen Zeitungen, wie sich Se. Majestät überzeugen könnten, der Verlust der Schlacht den schlechten Dispositionen der Generäle zugeschrieben und dadurch ihre Ehre gekränkt würde, so bäten sie, daß ihre Originalberichte von dem Könige selbst eingesehen würden, während die Kopien bei dem Kriegsgerichte verbleiben könnten, welches seine Wirksamkeit wohl noch lange nicht beendet haben würde. Da aber aus ihren Berichten ihre Unschuld klar hervorginge, möchte der König, nachdem er die Berichte gelesen, ihre Unschuld auch öffentlich vor der Welt bekannt geben, damit ihre Ehre gerettet, die Schuldigen aber bestraft würden. Die Eingabe ist unterschrieben von den Generälen von Plötz, von Wustromirsky, von Drost, von Lützelburg, von Dünewald, von Bose, von Zeidler, von Eichstädt und aus dem Winckel.

[15] Die Untersuchungen hatten sich allerdings so verzögert, daß auch der König ungeduldig geworden war. Aus Starkowitz, den 1. Juli 1706[27], schrieb er daher an den Statthalter und die Geheimen Räte: „Ob Wir zwar vorhofft gehabt, es würde die wider diejenigen, so einiger bei Fraustadt jüngsthin begangener lacheté beschuldigt werden, befangene Untersuchung dermaleinst zur Endschaft gelangen, so müssen Wir doch das Widerteil zu unserem höchsten Mißfallen vernehmen. Wenn aber Unserem Interesse und Dienste sehr daran gelegen, daß sothane Inquisition nicht länger tränirt, sondern solche ohnverzüglich zwischen hier und dem 1. August achevirt werde, also haben Ew. Liebden und Ihr der dazu verordneten Kommission diese Unsere gnädigste Willensmeinung sofort nach Erhaltung Dieses zu hinterbringen und wie Wir eine fernere Verzögerung nicht anders, als ungnädig vermerken könnten.“

Ueber die vielen damals geführten Untersuchungen sind keine Aktenstücke mehr vorhanden, nur eins derselben war in Bruchstücken teils im Königl. Kriegsarchive, teils im Hauptstaatsarchive noch aufzufinden. Ein Rittmeister von Radslob, der Führer der Leibeskadron des Kürassierregiments von Beust, hatte seinen Regimentskommandeur, den Oberstleutnant von Nischwitz, angeklagt, dadurch, daß er falsche Befehle gegeben und sich nicht um sein Regiment gekümmert habe, verschuldet zu haben, daß die Leibeskadron und die neben ihr gestandene Reitzensteinsche Eskadron in Unordnung geraten seien. Durch den Auditeur Zapf darüber Anfang April vernommen, hatte er die detaillirtesten Angaben gemacht und die schwersten Beleidigungen auf seinen Regimentskommandeur gehäuft. Diese Aussagen waren an den Oberstleutnant von Nischwitz abgegeben worden, der darauf seinen Rechtfertigungsrapport abfaßte, worauf General von Schulenburg die förmliche Untersuchung anordnete. In dieser wurden nicht nur eine Menge Offiziere, sondern auch 53 gemeine Kürassiere über den Hergang der Sache und über das Verhalten ihres Regimentskommandeurs befragt. Die Fragen an die Kürassiere, deren 16 gestellt wurden, und die Antworten darauf geben interessante Aufschlüsse über damalige reglementarische Bestimmungen und herrschende Gebräuche. Das umfangreiche Aktenstück schließt aber mit dem 20. Mai, ohne daß ein Urteil demselben beigegeben wäre. Erst [16] am 14. August ist durch ein besonders zu diesem Zwecke niedergesetztes Kriegsgericht ein Urteil in dieser Angelegenheit gefällt worden. Dieses Urteil befindet sich im Hauptstaatsarchiv[28] und ist von allen Mitgliedern des Gerichtes unterzeichnet: 2 Obersten, dann alle Chargen bis herab zu 2 Kornets. Aus dem Urteil geht hervor, daß nach der ersten Untersuchung, welche mit dem 20. Mai schließt, noch eine zweite durch einen Regimentsauditeur Stegemann geführt worden ist. Das Urteil selbst ist aber charakteristisch genug, um auszugsweise hier mitgeteilt zu werden. Oberstleutnant von Nischwitz wird hierdurch verurteilt, daß er „seiner Charge, salvo tamen honore, und nach erhaltenem Abschied zu entsetzen, auch die hierbei causirten Unkosten von 50 Thalern pro rata zu erstatten, anzuhalten“ sei. Aber auch sein Ankläger, der Rittmeister von Radslob, wird verurteilt: „Als ist ermeldeter Rittmeister Radslob zuvörderst seinem Oberstleutnant vor die ihm erwiesene Beleidigung die Abbitte vor dem ganzen Generalkriegsrecht zu thun schuldig, nachgehends dann wegen seines begangenen Fehlers halber, als wodurch er seiner Charge nicht genugsam dargethan gewachsen zu sein, seiner Charge zu entsetzen, seine Kompagnie an einen anderen zu vergeben und er bei eben dieser Kompagnie solange gemeine Reiterdienste zu thun, bis er durch eine distinguirte Aktion oder anderweitige tüchtige Konduite zu Königl. Maj. hohen Pardon und Wiedererhaltung seiner Charge sich meritirt gemacht habe und werde hierüber zu Erstattung derer pro rata ihm zuerkannten Unkosten à 30 Thaler gebührend angehalten“.

Ein Major Große, ein Rittmeister Schidlinsky und der Fähnrich von Radslob, der Sohn des genannten Rittmeisters, werden freigesprochen, so daß der eigentümliche Fall eintrat, daß der Sohn als Fähnrich bei derselben Kompagnie stand, in der sein Vater als gemeiner Kürassier dienen mußte. Der Regimentsauditeur Stegemann, welcher in der Untersuchung parteiisch verfahren war, sollte durch den Generalauditeur mit einem nachdrücklichen Verweis bestraft werden.

Auffallend hart aber war das über die Leib- und Reitzensteinsche Eskadron gefällte Urteil: „So wäre wohl den Kriegsrechten gemäß, daß selbige als feldflüchtige condemnirt und mit der sonst ordentlichen [17] Todesstrafe durch das Loos belegt würden. Nachdem aber aus den Akten gründlich zu ersehen, daß wenn diese Eskadrons besser postirt gewesen und nicht in Hecken und Gräben gesetzt worden, selbige vielleicht ihre devoir besser würden gethan haben, hiernächst auch selbige durch das ungleiche Kommando, dem Feind den Rücken zuzukehren, einigermaßen verleitet worden, so kann ihnen solches zwar insoweit zu Statten kommen, daß sie mit der ordentlichen Todesstrafe zu verschonen; weiln aber gleichwohl die Leibeskadron den Anfang zur Flucht gemacht, hierauf auch die andere, Reitzensteinsche gefolgt und immer also ihre Flucht bis an die Oder fortgesetzt, so ist billig, daß von dem Wachmeister an alle Unteroffiziere und Gemeine, außer diejenigen, welche expresse bewiesen, daß sie anderwärts kommandirt gewesen, vor der Front der ganzen Armee durch 400 Mann von allen Regimentern hierzu Kommandirte sechsmal Steigriemen laufen; die andere Reitzensteinsche Eskadron aber gleichergestalt vom Wachmeister an, alle Unteroffiziere und Gemeine, außer die so anderwärts auf Kommando gestanden, mit dreimaligen Steigriemenlaufen durch solche 400 kommandirte Mann angesehen werden sollen. Und damit ihre begangene faute jedermann desto besser bekannt werde und sich andere an dergleichen Exempel spiegeln mögen, so erkennen wir hierüber, daß gedachte zwei Eskadrons jederzeit an einem besonderen Ort bei der Armee campiren, auf dem Marsch hinter der Armee marschiren, ihre Standarten unterdessen in die Wagen legen, die Pauken aber an die (nächste?) ältere Kompagnie des Regiments abgeben und damit solange continuiren sollen, bis sie sich durch eine und andere tapfere occasion hierzu wiederum meritirt gemacht, wie denn auch die Oberoffiziers von diesen beiden Eskadrons, als welche allenthalben ihre devoir, wie es ihre Pflicht erfordert, observiret, von diesem aparten Kampement nicht exempt sein sollen, damit Jedermann durch diese Exekution völlig Exempel haben möge; auch sind selbige die causirten Unkosten von 35 Thalern zu erstatten, verbunden.“

Strenger noch als diese Kürassiere wurden Soldaten der Dresdner Regimenter bestraft. Der Hofkalender dieses Jahres berichtet, daß am 30. August „auf dem Sande“ 9 Soldaten gehenkt und dreien der Kopf abgeschlagen wurde, 48 aber mußten bei dem Galgen durch 300 Mann jeder sechsmal durch die Spießruthen laufen. Die erst im Jahre 1732 herausgekommenen „Dresdner Merkwürdigkeiten“, in [18] welchen frühere Jahre nachgetragen sind, setzen dem noch hinzu, „von Dragonern und Infanterie sollten ganze Kompagnien, so vor schuldig erkannt worden, anfangs spielen, und der zehnte Mann aufgehenkt werden, aber auf Vorbitte der Geistlichen wurden endlich nur die Rechtschuldigen exekutirt etc.“.

Damit war endlich die widerliche Angelegenheit zu Ende gebracht, denn durch den Einfall des Königs von Schweden in das Land traten andere Begebenheiten in den Vordergrund.

Wie sich aber des Königs Interesse an seiner Armee dadurch bethätigt hatte, daß er zur Rettung ihrer Ehre die oben erwähnten Kriegsgerichte eingesetzt hatte, so war auch seine Fürsorge bei Zeiten den bei Fraustadt in Gefangenschaft geratenen Offizieren und Mannschaften gewidmet. Unter dem 4. März 1706 richtet er an Schulenburg ein Schreiben[29], in welchem er anfragt, ob er noch kein Verzeichnis der Gefangenen erhalten und ob er noch keine Schritte gethan habe, um diese vom General von Rheinschild gegen schwedische Gefangene auszuwechseln. General von Schulenburg scheint sich nicht übermäßig mit dieser Angelegenheit beeilt zu haben, vielleicht war ihm dies aber auch nicht möglich, denn erst am 17. Juni berichtet er an den König[30], daß er wegen Auswechselung der Gefangenen noch immer mit dem General von Rheinschild in Unterhandlung stehe. Eine Liste sei ihm zugegangen, er wolle aber zuerst die würdigsten und bedürftigsten auswechseln. General von Rheinschild habe ihm erst kürzlich unter dem 11. Juni geschrieben, daß er gern bereit sei, die bei ihm befindlichen gefangenen sächsischen Offiziere gegen schwedische auszutauschen, daß er aber solche, welche nicht in schwedischen Diensten ständen, nämlich polnische im Dienste Lesczinskys, nicht auswechseln werde. Demnächst sollten 9 Offiziere, 5 Feldwebel, 3 Sergeanten, 3 Korporale, 3 Gefreite, 3 Fouriere und 82 Gemeine, welche alle namentlich aufgeführt sind, ausgetauscht werden.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Katastrophe von Fraustadt hatte die Landesregierung – also das Geheime Ratskollegium – da General von Schulenburg noch nicht ins Land zurückgekehrt war, dem Gouverneur von Dresden, Feldzeugmeister Grafen Zinzendorf, [19] Befehl gegeben, die nötigen Maßregeln zum Sammeln der zerstreuten Truppen zu treffen, worauf dieser die bereits erwähnte Ordre vom 16. Februar[31] erlassen und in derselben auch befohlen hatte, daß, wenn der Feind mit überlegenen Kräften versuchen sollte, ins Land einzufallen, aber auch nicht eher, als bis sein Vorhaben sich fühlbar mache, die Armee in bestmöglicher Ordnung sich bis an die Elbe zurückzuziehen habe, bis dahin aber die Grenzen besetzt zu halten und feindliche Streifparteien zurückzuschlagen seien.

In dem dem Feldzeugmeister Grafen Zinzendorf zugegangenen Schreiben der Geheimen Räte waren 20 Punkte aufgestellt, welche er zunächst zu berücksichtigen hatte und welche beweisen, daß man damals noch die beste Absicht hatte, sich gegen einen Einfall der Schweden zu wehren und dem womöglich mit Waffengewalt entgegen zu treten. Es wird in diesen 20 Punkten u. a. angeordnet, es solle ein Generalpardon für alle Deserteure im Lande erlassen werden, damit sie sich wieder bei den Fahnen melden. Durch einen Generalbefehl sind alle Obrigkeiten im Lande anzuweisen, alle Beurlaubten schleunigst nach Dresden zu beordern. Es sei zu überlegen, ob nicht durch ein allgemeines Aufgebot, in Ermangelung von disponiblen Truppen, die Elbübergänge bei Meißen, Torgau etc. zu besetzen seien. Sämtliche Festungen, besonders aber Dresden, seien zu verproviantiren und mit Pallisaden zu versehen etc.

Das Geschäft des Sammelns der Truppen wurde dann auch in der Lausitz eifrig betrieben und die Kriegsräte von Langen, Schindler und Bretschneider konnten am 27. Februar[32] melden, daß 100 bis 200 Mann sich bereits bei den deutschen Bataillonen, gegen 1000 Mann aber bei den „Moscowitern“ eingefunden hätten; die Kavallerie sei in den Ortschaften der Lausitz verquartiert und von der Artillerie seien ein sechspfündiges Stück und 500 Artilleriepferde gerettet.

Unterdessen war Schulenburg zurückgekehrt. Von dem Könige waren Befehle eingegangen, welche die Instandsetzung der Festungen und Organisation der Landesverteidigung anordneten, und am 17. März[33] wurden Graf Zinzendorf und von Schulenburg zu einer [20] Sitzung des Geheimen Ratskollegiums herangezogen, um daselbst ihre Vorschläge zu machen. Man beschloß auch hier wieder alles aufzubieten, um Gewehre, Munition, Geschütze und Ausrüstung zu ergänzen, damit die Armee marschfertig gemacht werde. Infolge dessen befahl Schulenburg auch am 18. März[34] folgende Dislokation der Infanterie: Zittau 4 Bataillone Garde, 2 Bataillone Königin; Löbau 2 Bataillone Venediger; Kamenz 2 Bataillone Drost; Budissin 2 Bataillone Kurprinz, 2 Bataillone Wustromirsky; Dresden 1 Bataillon Fürstenberg. Man wollte also den Einfall der Schweden jetzt noch in der Lausitz erwarten. Allein schon am 24. März änderte man diese Dislokation dahin ab, daß 4 Bataillone Garde, 2 Bataillone Venediger, 2 Bataillone Kurprinz und 1 Bataillon Drost nach Dresden, 2 Bataillone Königin nach Königstein, 1 Bataillon Drost und 2 Bataillone Wustromirsky nach Sonnenstein, verlegt wurden. Diese letztere Dislokation schien auch mehr den Ansichten des Königs zu entsprechen, der unter dem 2. April[35] an Schulenburg schrieb, Dresden, Leipzig, Königstein, Sonnenstein, Stolpen seien mit zulänglichen Garnisonen zu versehen und zu verproviantiren, Wittenberg und Senftenberg offen zu lassen und alle dort befindlichen Kanonen in die genannten anderen festen Plätze zu bringen, 300 bis 400 Mann würden für Bautzen genügen, Freiberg könne durch die Bergleute verteidigt werden, an den Befestigungen Dresdens aber sei mit Nachdruck zu arbeiten und könnten hierzu die „Moscowiter“ verwendet werden.

Dieser anfänglich große Eifer erkaltete indessen bald, und die Hauptschuld daran trug wohl die Furcht, die bei den Geheimen Räten die Oberhand gewonnen hatte, der König von Schweden könne durch Rüstungen im Lande gereizt werden, in dasselbe einzufallen, während er vielleicht einen Angriff unterlassen würde, wenn man die Rüstungen unterließe. Eine Anfang Juni vorgenommene Neuformation, bei der u. a. ein Geheimes Kriegsratskollegium, also eine Art von Kriegsministerium gebildet und auch einige neue Bataillone aufgestellt wurden, war auch nicht dazu angethan, die Widerstandskraft des Landes wesentlich zu heben. Der König war mit dieser schlaffen Art der Vorbereitungen durchaus nicht einverstanden und [21] erließ an die Geheimen Räte seine oben mitgeteilten Schreiben vom 5. und 8. August, in denen er seine Ansichten über Verteidigung des Landes ganz unverhohlen aussprach. Im Anschluß an diese Verordnungen aber, welche vom Geheimen Ratskonsilium dem Armeekommando mitgeteilt worden waren, schrieb der König an Schulenburg direkt die Formirung eines Landsturmes und die Verteidigung des Landes betreffend, am 10. August[36]: „Unser Oberjägermeister hat die Schützen in die Hölzer und Moräste zu verlegen, um des Feindes Fouragirungen und Parteien desto mehr Abbruch zu thun. Im Gebirge sind die Bergknappen zu bewehren, welche man dann in die Städte werfen oder in die Gebirge und Wälder unter gewissen ihnen zu gebenden Anführern verlegen kann. Die Bauern muß man mit Sensen und anderem Handgewehr versehen.“ Demnächst seien die Gestüte zu retten, Vieh und Getreide über die Grenze zu schaffen, dem Feinde aber jede Kontribution zu verweigern.

Gegen diese Anordnungen des Königs vom 5. und 8. August, die ihm durch die Geheimen Räte zugegangen, und des Königs eigene Zuschrift vom 10. August erhebt Schulenburg am 26. August[37] große Bedenken. Er schreibt: Die Anordnungen wären so weit ganz gut, aber die Zeit, um sie auszuführen, sei viel zu kurz, und es erscheine ihm auch keine Möglichkeit, dieselben auszuführen. Mit den wenigen Truppen, die er habe, sei er auch gar nicht imstande, einen Feind, „der so hardi und victorieus sei“, wie die Schweden, auch nur kurze Zeit aufzuhalten. Er schließt mit den Worten: „An meiner ernstlichen Bemühung, Treue und Eifer werde ich im Uebrigen, in so viel an mir ist, nichts ermangeln lassen, im Gegentheil aber bei Ihro Königl. Majestät und der ganzen Welt entschuldigt sein, wenn es an solchen Nothwendigkeiten und an den unumgänglichen Geld- und Lebensmitteln ermangeln wird, daß auch dasjenige, was den Leuten für ihr Vaterland zu thun noch möglich ist, unterlassen werden mußte.“

Aber auch das neugebildete Geheime Kriegsratskollegium schloß sich den Bedenken Schulenburgs an und riet, es solle, wenn der König von Schweden ins Land einfalle, von der Armee unverzüglich der Rückzug angetreten werden (Schreiben vom 28. August 1706)[38].

[22] In einem Schreiben an den König vom 30. August[39] kommt Schulenburg nochmals auf diese Bedenken zurück und fragt an „wie die auf den Beinen habenden Truppen konservirt werden könnten“, wie Lebensmittel beschafft werden sollten! Wenn man sich verteidigen wollte, müßten mindestens jetzt noch 2000 Rekruten geschafft werden, außerdem müßten alle Defensioner ohne Verzug gestellt werden. Nur wenn die Verteidigung aller festen Städte sofort in die Hand genommen würde und Pferde zur Kompletirung der Kavallerie in ausreichendem Maße gestellt würden, dann könne Aussicht auf Erfolg vorhanden sein.

So stand denn das ganze Land einem Einfalle der Schweden vollständig wehrlos gegenüber. Weder die Landesregierung noch die Armeeleitung hatten ihre Schuldigkeit gethan, indem sie weder des Königs bestimmte und klare Befehle befolgt noch selbständig die Maßregeln ergriffen hatten, durch die eine Eroberung des Landes vielleicht hätte vermieden werden können. Die festen Plätze des Landes waren noch nicht in verteidigungsfähigen Stand gesetzt, die Truppen nicht genügend ergänzt, bewaffnet und ausgerüstet. Die Landesregierung hatte, auf die von auswärts eingegangenen Nachrichten hin, der König von Schweden werde nur dann nach Sachsen einfallen, wenn daselbst keine Rüstungen vorgenommen würden, sich verleiten lassen, diese zu unterlassen; General Schulenburg aber, dem allerdings die Hände dadurch gebunden waren, daß ihm keine Mannschaften, keine Bewaffnung und Ausrüstung und kein Geld bewilligt wurden, besaß nicht die Eigenschaften, die man von einem kommandirenden General einer Armee verlangt. In seinen Bedenken, die er dem Könige mitteilt, schreibt er, er wüßte nicht, wie er die Armee „konserviren“ solle; der Gedanke, sich mit der Armee zum Wohle des Vaterlandes aufzuopfern, lag ihm also fern. Wenn er auch in einer an die Regierung gerichteten Eingabe vom 4. September[40] angiebt, daß ihm noch 660 Mann und 786 Pferde, außerdem aber eine Menge Waffen, Kleidungs- und Ausrüstungsstücke fehlen, so hätte er wenigstens in sechs und einem halben Monat Zeit gehabt, den Geist des Offizierskorps einigermaßen zu heben, die sehr gelockerte Disziplin unter der Mannschaft wieder herzustellen [23] und die verhältnismäßig schwache Truppe, die unter seinen Befehlen stand, widerstandsfähig zu machen. Wir werden aus seinen späteren Berichten ersehen, wie wenig ihm dies geglückt war. Die Erfahrungen, die er in der Schlacht von Fraustadt gemacht hatte, wirkten noch so nach, daß ihm die schwedische Armee die Courage abgekauft hatte, denn er schreibt an den König, daß er mit seiner Armee nicht imstande sei, einen Feind, „der so hardi und victorieus“ sei, auch nur kurze Zeit aufzuhalten. Der König hatte ihm zwar befohlen, „nur defensiv“ zu verfahren, wie er aber diese defensive Aufgabe auffaßte, werden wir im folgenden sehen; daß er jegliches Gefecht vermeidend mit der Armee aus dem Lande ging, war entschieden nicht die richtige Auffassung der vom König verlangten Defension!

Ende August, also kurz nach dem Einmarsch der Schweden, hatte General von Schulenburg dem Geheimen Ratskonsilium ein „Projekt, wie die Landesdefension einzurichten“ eingereicht[41]. Danach berechnet er, daß 14 400 Mann Infanterie in die Garnisonen zu verlegen seien, 7800 Mann Infanterie und 6 Dragonerregimenter, – ca. 2000 Mann – könnten ins Feld rücken, 14 800 Mann Defensioner in 8 Regimentern, jedes zu 12 Kompagnien könnten aufgestellt werden; dies giebt eine Armee von rund 39 000 Mann, hierzu noch 2000 Mann Ritterpferde und die Jägerei gerechnet, hätte man in 6½ Monaten, die seit der Schlacht von Fraustadt verstrichen waren, leicht einige 40 000 Mann aufstellen können. Wenn man bedenkt, daß Karl XII. mit 19 000 Mann nach Sachsen kam, im Laufe eines Jahres aber über 20 000 Mann im Lande rekrutirte und mit sich wegführte, so hätte das sächsische Land das, was es dem fremden Eroberer leisten mußte, ebenso gut freiwillig für seine Verteidigung leisten können, wenn guter Wille und Energie an den maßgebenden Stellen vorhanden gewesen wäre.




Endlich trat das längst vorausgesehene, erwartete und befürchtete Ereignis ein: der König von Schweden überschritt am 1. September bei Steinau die Oder, marschirte durch Schlesien und rückte [24] in Sachsen ein, wo er am 5. September von seinem Hauptquartier Krumelse in der Lausitz sein bekanntes Manifest an die Einwohner Sachsens erließ[42]. In diesem Manifest ermahnt er die Einwohner, auf ihren Besitzungen zu verbleiben und gutwillig alles zu liefern, was zum Unterhalt der schwedischen Truppen nötig sei; wenn sie dies thun, will er sie in seinen Schutz nehmen, wenn sie sich aber weigern sollten, das verlangte an die Truppen zu verabfolgen, so würde er auch sie als Feinde betrachten und ihr Eigentum mit Feuer und Schwert vernichten.

An der sächsisch-schlesischen Grenze, in der Gegend von Lauban, stand das Kürassierregiment von Beust „auf Postirung“, welches nach Abgang des Oberstleutnant von Nischwitz, vom Oberstleutnant von Stutterheim kommandirt wurde. Dieser hatte verschiedene Meldungen über die ihm gegenüberstehende schwedische Armee eingesendet, aber merkwürdigerweise schenkte man den Zeitungsnachrichten damals gewöhnlich mehr Glauben als den dienstlichen Meldungen eines Regimentskommandeurs. Die Zeitungsnachrichten aber, von den betreffenden Postmeistern mit Staffette befördert, waren so unbestimmt, daß man sich aus ihnen kein rechtes Bild machen konnte. Glogau und Sagan berichteten noch am 30. August, daß alle Gerüchte von einem beabsichtigten Einfall der Schweden in Sachsen übertrieben seien, daß alles nur falscher Alarm wäre. Eine Nachricht aus Sorau, wo am 1. September zwei schwedische Deserteure eingetroffen waren und berichtet hatten, daß die Armee im Vormarsch begriffen sei, wurde nicht geglaubt, weil die Deserteure bereits vor 8 Tagen die Armee verlassen hatten; auch eine Nachricht aus Görlitz vom 1. September berichtete, daß bei den Schweden alles ruhig sei. Erst eine am 1. September aus Steinau mit Staffette abgegangene Nachricht, daß die Schweden über die Oder gegangen seien und der König Karl XII. selbst sich dabei befinde, fand einigen Glauben, um so mehr, als eine Nachricht vom 2. September aus Glogau, daß die ganze schwedische Armee in Schlesien eingerückt sei und über Liegnitz nach der Oberlausitz marschire, dieses bestätigte. Auch aus Bautzen traf am 3. September die Nachricht ein, daß der König von Schweden die Oder passirt habe und auf Bautzen marschire, während General Rheinschild auf Guben und noch ein nicht bekannter General auf [25] Zittau dirigirt seien. Die feindliche Armee wurde auf mindestens 30 000 Mann angegeben[43].

Auch der ungemein rührige Resident Ebersbach berichtete unter dem 1. September aus Hamburg, daß eine Invasion der Schweden in Sachsen ganz beschlossene Sache wäre, eine Menge Kaufleute hätten ihre Waren, die für die Leipziger Messe bestimmt seien, anhalten lassen, da man erwartete, daß diese nicht werde abgehalten werden können. In gleichem Sinne berichteten die Gesandten von Wien, Berlin, Regensburg, dem Haag u. a.[44].

Die Thatsache ließ sich also nicht mehr leugnen und General Schulenburg schickte sich an, so bald als möglich mit der Armee das Land zu verlassen. Graf Wackerbarth hatte ihm aus Wien geschrieben und ihm dringend ans Herz gelegt, daß bei dem desolaten Zustande, in dem sich das Land befinde, es ganz unerläßlich sei, alle Festungen unbedingt zu halten, dann aber ein Aufgebot aller waffenfähigen Mannschaft und aller Ritterpferde ins Werk zu setzen.

Unter dem 4. September[45] richtete Schulenburg ein Schreiben an das Geheime Kriegsratskollegium, in welchem er folgende 12 „Punkte“ zur baldigen Befolgung empfiehlt:

1. Die Gefangenen sind von Meißen nach Stolpen zu führen. (Hier können nur schwedische Gefangene gemeint sein.)

2. An die Ämter sollen Notifikationen ergehen, daß sie die Bauern zur Arbeit heranziehen, um Leipzig, Wittenberg, Torgau, Meißen und Stolpen zu fortifiziren und mit Pallisaden zu versehen. (Man wird sich erinnern, daß der König ausdrücklich befohlen hatte, Wittenberg und Torgau sollten offen gelassen werden.)

3. Pallisaden, Bretnägel und Schanzzeug würden auch an anderen Orten gebraucht werden.

4. Die Ämter sollen angehalten werden, den Kommandanten der Städte alle nötigen Lebensmittel zuzuführen, damit sie auf 6 Monate versorgt wären.

5. Die Städte müßten angewiesen werden, daß sie die ihnen zugedachte Garnison auch wirklich bei sich aufnähmen und für ihre Subsistenz sorgten.

[26] 6. Die Räte zu Leipzig, Wittenberg und Dresden sind anzuweisen, daß sie den Regimentern das nötige Gewehr und Montirung verabreichen.

7. Die Räte der Städte sollen angewiesen werden, den Truppen, wo es nötig ist, mit Geld zur Löhnung auszuhelfen.

8. Die noch nicht abgegebenen Rekruten sind nunmehr endlich nach Leipzig und Dresden zu stellen.

9. Das „Aufgebot“ soll ermahnt werden „das Gewehr zu ergreifen, um sich und das Ihrige zu schützen“.

10. Das Kollegium soll eine von den beiden Landkarten, welche es besitzt, an ihn – Schulenburg – abgeben, da er sie sehr notwendig brauche, die andere aber ist sorgfältig zu verwahren, damit sie nicht dem Feinde in die Hände falle.

11. An den Bet- und Bußtagen sollen die Leute zur Treue und Verrichtung ihrer Schuldigkeit ermahnt werden.

12. Höchst nötig würde es sein, die Kavallerie beritten zu machen und hierzu Pferde vom Lande herzugeben.

Zugleich erließ Schulenburg Instruktionen an alle Kommandanten fester Plätze; dieselben sind meist vom 27. August, einige auch später datirt. Die für den Generalleutnant von Neitschütz, Kommandanten von Leipzig, bestimmte ist 29 Folioseiten lang und endet mit den Worten: „So hat Ew. Exzellenz nun auch endlich diesen Ort nach sothaner gemachten guten Veranstaltung bei Verlust Ehr und Lebens bis zur unwidertreiblichen extremität zu defendiren und solchen keineswegs, es sei unter was prätext es auch wolle, dem Feinde zu überliefern, sondern sich in Allem so zu verhalten, daß man daraus den Ernst und die Liebe, so er in diesem importanten Dienst seinem Vaterlande und seinem Könige und Herrn thun werde, mit Eclat rühmen möge“[46]. Leipzig wurde bereits am 16. September geräumt und am 20. September von den Schweden besetzt.

In den Ratsakten der Stadt Dresden befinden sich auf die Zeit vom März bis August 1706 nur wenige unbedeutende Verordnungen des Gouverneurs der Stadt, Grafen Zinzendorf, welche darauf schließen lassen, daß man bei Zeiten Anstalten zum Schutz der Stadt gegen eine feindliche Invasion getroffen habe. Erst als [27] diese Gefahr drohender wurde, beginnen mit dem 24. August Korrespondenzen zwischen dem Gouverneur und dem Stadtrat, welche ein Bild der damaligen Zustände in Dresden liefern.

Am 24. August fragt Zinzendorf beim Rat an[47], ob die Bürger mit Gewehren und auch ein jeder mit Kraut und Lot versehen sei, worauf der Rat am selben Tage antwortet, daß hoffentlich jeder Bürger mit Gewehr versehen sei, daß er aber noch einen Vorrat von Gewehren besitze, von dem jeder junge Bürger das Stück zu 2 Thaler 15 Ggr. erkaufen könne. Kraut und Lot erwarte man aus dem Zeughause.

Ferner setzt aber Zinzendorf noch 10 „Punkte“ auf, welche ihm der Rat beantworten soll, namentlich ob die schon früher angeordnete Verproviantirung erfolgt sei, ob genug Salz, Malz, Hopfen und Holz zum Brauen, auch genug Holz für die Bäcker – zum Backen von Kommißbrot – vorhanden sei, wo der Rat einen Platz zur Aufstapelung von Holz besitze, da auf den Altdresdner und den Holzhof am pirnaischen Thor nicht zu rechnen sein würde, ob für Pech zu Pechkränzen gesorgt sei. Dann soll sich der Rat „unter der Hand“ erkundigen, was an Branntwein, Essig, Öl, Tabak, Gewürz, gebackenem Obst, Zugemüse und allem, was außer Fleisch und Brot zum Unterhalt der Menschen nötig sei, vorhanden wäre, ob man genug Handmühlen besitze und wie es mit des Rates Roßmühle bestellt sei, endlich aber, wie viel Ochsenhäute in Vorrat zu haben seien.

Diese vielfachen Fragen werden bereits am selben Tage teils genügend, teils ungenügend beantwortet. Am folgenden Tage, den 25. August[48], schickt der Gouverneur an den Rat ein „Verzeichniß derjenigen Sorten Leute, so in der Festung zu lassen und bei entstehender Blockirung herauszuschaffen sein“. Darinnen zu lassen sind „alle angesessenen und unangesessenen Bürger und Handwerker, die sich selbst versorgen können und daß sie es thun können, man sicherliche Nachricht haben kann. Es soll auch kein Wirth mehr Leute aufnehmen oder behalten, als er erhalten kann. Hingegen ist hinaus zu schaffen Alles, was von fremden Nationen hier ist, Männer- und Weibsvolk, es sei denn, daß in vornehmen Häusern [28] dergleichen Leute in Diensten stehen und sie dieselben zu versorgen sich anheischig machen“. Dem fügt er dann noch hinzu, daß „weil Altdresden noch nicht in dem Stande ist, daß sichs defendiren kann“, so sollen die Altdresdner angewiesen werden, ihre besten Sachen lieber bei Zeiten herein in mehrere Sicherheit zu bringen. Auch soll für Stallung von 300 Pferden Vorsorge getroffen werden. Auch hierin trifft der Rat noch am selben Tage Anordnungen für die Bürgerschaft. Diese beginnen mit den Worten: „Heut also ist auf des Herrn Gouverneurs, Sr. Hochgräflichen Exzellenz Befehl der löblichen Bürgerschaft wissend gemacht worden, wie Nachricht eingelaufen, daß von Polaken und anderen Völkern sich eine Miliz an den schlesischen Grenzen zusammenzöge, dahero denn der Herr Gouverneur eine und andere Vorsorge trage etc.“

Um das Hereinschaffen von Lebensmitteln in die Stadt zu erleichtern, wurde vorübergehend die Accise für einige Gegenstände ganz erlassen, für andere aber wesentlich herabgesetzt. Alle Steuereinnehmer und Kassenführer außerhalb Dresdens aber wurden angewiesen, beim Herannahen der Schweden ihre Gelder in Sicherheit zu bringen und entweder nach Leipzig oder Halle zu flüchten.

Am 5. September wurde vom Geheimen Ratskollegium eine Verordnung erlassen, daß jeder Einwohner Dresdens, der von nun an die Stadt verließe, eine Summe von 60 bis 100 Thalern beim Rat zu deponiren habe, um die durch eine Blockirung etwa auf ihn entfallenden Unkosten davon zu decken.

Als aber der König von Schweden am 5. September sein Manifest aus Krumelse erlassen hatte, steigerte sich die Angst vor einer Belagerung immer mehr und der Gouverneur erließ am 7. September eine Verordnung[49], daß unverzüglich alles Vieh, Heu, Stroh und Viktualien aus den Vorstädten nach der inneren Stadt gebracht werden sollte, da bei einer etwa eintretenden Belagerung die Vorstädte abgebrannt werden würden.

Dagegen erhob der Rat aber Vorstellungen und die Maßregel wurde bis auf weiteres verschoben. Endlich dachte man auch daran, für den Fall der Not ein Lazaret einzurichten, und erließ am 9. September eine hierauf bezügliche Verordnung[50]: „Es erfordert die Notdurft, daß ein gewisses Haus allhier vor die Blessirten und [29] Kranken ausgemacht und zu selbigem nicht allein das zum Einheizen benöthigte Holz, sondern auch Licht, ingleichen Strohsäcke angeschafft und 6 bis 9 Weiber, die Kranken und Blessirten zu warten, zu reinigen, die Zimmer zu säubern und andere zur Versorgung derselben nöthige Arbeit zu verrichten, bestellt werden etc.“ Die Furcht vor dem Einfalle der Schweden, welche alle Schichten der Bevölkerung in Dresden ergriffen hatte, äußerte sich u. a. auch dadurch, daß in den ersten Tagen des September ein gedrucktes Flugblatt erschien, enthaltend ein Gebet, welches allen Leuten anempfohlen wurde. Darin wird der gegenwärtige Krieg nur als die Folge der großen Sünden angesehen, welche das sächsische Volk auf sich geladen habe, das nun der gerechten Strafe entgegengehe. Dies war dem Landeskonsistorium doch zu viel und es erließ daher am 10. September 1706[51] eine Verordnung an den Rat zu Dresden: „Demnach wir ersehen, daß beigefügtes Gebet eigenmächtig zum Druck befördert worden und wir solches distrahiren zu lassen erhebliches Bedenken tragen, als ist hiermit unser Begehren, ihr wollet den jetzigen Besitzer der Schrötelischen Buchdruckerei, als in welcher dieses Gebet ist gedruckt worden, ungesäumt vernehmen, von wem er das Gebet bekommen, wie viel Exemplare gedruckt, was davon distrahirt und wie viel noch vorhanden und uns deshalb unterthänigen Bericht zu erstatten, auch daß von den gedruckten Exemplaren nichts verkauft werde, Verfügung thun und was davon noch anzutreffen, zu unserem Ober-Konsistorio einliefern lassen.“ Es stellte sich heraus, daß ein überspannter Glöckner der Kreuzkirche der Verfasser war, daß er es auf eigene Kosten hatte drucken lassen und daß nur sehr wenig Exemplare verkauft worden waren.

Am 13. September haben sich bereits „einige schwedische Kosaken“ in der Vorstadt, in der Rosengasse, gezeigt, sind aber sehr bald wieder von dort vertrieben worden. Da man aber fürchtete, daß sich Einwohner Dresdens durch die Flucht der Verteidigung der Stadt entziehen könnten, wurde durch eine Verordnung des Rates vom 15. September angeordnet, daß unter jedem Thore der Stadt ein Rottmeister zu postiren sei, der die Bürger kenne und verhindern solle, daß sich junge Burschen „absentiren“, die bei der Blockade gute Dienste thun könnten[52].

[30] Nach den übereinstimmenden Nachrichten in unseren Archiven[53] bestand die schwedische Armee, welche in Sachsen unter dem persönlichen Befehl des Königs Karl XII. einrückte, aus

Kavallerie: Dragoner:
100 M. Königl. Trabanten 1000 M. Leibregt. Rheinschild
1200
Leibregt. Kürassiere 1000
Buchwald. Regt.
2000
Kürassiere Adelsfahne 1000
Liefländ. Regt.
1000
Kürassiere Stromberg 1000
Mecklenburg. Regt.
1000
Kürassiere Finland 1000
Pommersche Regt.
1000
Mecklenbg.-Kürassiere 3000
so mit Stanislaus gehen
1000
Pommersche Kürassiere 8000 M.
1000
Drei Manns Reiter Kürassiere     
8300 M.
Infanterie:
2000 M. Garde in 24 Komp.
1000
Oxenstierna. Regt.
1000
Dieckers. Regt.
1000
Stromberg. Regt.
1000
Dalckers. Regt.
1000
Westgothland. Regt.
7000 M.

Artillerie bei jedem Infanterieregiment:

4 Stück zu 4 bis 9 Pfund.

Dies würde in Summa 23 300 Mann mit 24 Geschützen geben, indes werden die Etats nicht voll gewesen sein und von Sarauw[54] giebt die Stärke auf höchstens 19 000 Mann an, was der Wahrheit am nächsten kommen mag.

Mit dieser für damalige Zeiten immerhin sehr ansehnlichen Armee rückte Karl XII. von Krumelse, wo er am 5. gerastet hatte, in kleinen Tagemärschen über Görlitz, Reichenbach, Löbau, Bautzen, Bischofswerda, Stolpen, Radeberg, Weinböhla, Meißen, Zehren, [31] Grimma, Wurzen nach Taucha, wo er am 20. eintraf; dann schlug er in Altranstädt sein Hauptquartier auf.

Von Stolpen aus detachirte er den General von Meierfeld, welcher mit 2000 Pferden bei der herrschenden großen Trockenheit bei Laubegast durch die Elbe ritt, dann in Wilsdruff sein Hauptquartier aufschlug und seine Reiter in den südlich von Dresden gelegenen Dörfern verquartierte.

Mit der Hauptarmee reiste das Civilkabinett des Königs, der Premierminister Graf Piper, der Geheimrat Hermelin, Geh. Sekretär Cederhjelm u. a., welche in den genannten Orten Quartiere bezogen, während der König stets in seinem Zelte inmitten seiner lagernden Truppen übernachtete.

Der einzige Zusammenstoß mit sächsischen Truppen während dieses langen Marsches fand in der Nacht zum 7. September bei Rothkretscham in der Nähe von Reichenbach statt, wo die beiden Dragonerregimenter Fürstenberg und Jordan überfallen wurden, der dort kommandirende General von Jordan wurde schwer verwundet nach Löbau transportirt und starb dort an seinen Wunden. Die Verluste der Sachsen scheinen nicht ganz unbedeutend gewesen zu sein, denn Schulenburg giebt eine „Spezifikation derjenigen Mannschaft, welche nach der bei Rothkretscham vorgefallenen Aktion noch vorhanden ist“; sie lautet[55]:

Infanterie: Kavallerie:
Moskowiter 1200      Fürstenberg nach der Aktion 267
Coinsin 300      Jordan desgl. 96
Reibnitz 400      Baireuth 354
Drost 400      Dünewald 365 4636 Sa.
Weißenfels 500      Flemming 389
2800 Wrangel 365
1836

Ueber diese Truppen hatte er dem General Dünewald bis zum Eintreffen des Generalleutnants von Brause den Oberbefehl übergeben und ihm unter dem 9. September Instruktion[56] zukommen lassen, wie er über Bieberstein den Rückzug bewerkstelligen, am 12. [32] aber einen Rasttag halten sollte. An der Elbe seien gewandte Leutnants zurückzulassen, welche zu melden hätten, wenn der Feind über dieselbe übergehe. Dann kommt aber bereits jetzt in der Ordre die Bemerkung vor, daß, wenn die gemeldeten Exzesse nicht nachlassen sollten, die Kommandanten Standrecht zu halten hätten.

Er selber berichtet unter dem 16. September, – als Karl XII. Bischofswerda erreicht hatte – an den König[57], daß der Überfall des Jordanschen Regiments stattgefunden habe, ihm sei es aber gelungen, sich bereits über die Mulde zurückzuziehen; er beabsichtige nun alles, was er von der Armee noch retten könne, nach dem Schwarzburgischen zu führen und von dort aus in die Dienste von Holland zu treten. Die Städte Sachsens, besonders aber Wittenberg, seien in einem derartigen Stande, daß an eine Verteidigung derselben nicht zu denken sei.

Am 9. September hatten die Geheimen Räte, als Antwort auf das von Karl XII. erlassene Manifest aus Krumelse vom 5. September, eine Proklamation an die Oberamt- und Amtmänner Sachsens erlassen, welche folgendermaßen lautete[58]:

Friedrich August von Gottes Gnaden König von Polen etc.
Lieber Getreuer!

Nachdem eingelaufener Nachrichten nach, der Feind wirklich im Lande, jedoch aber, wie verlautet, noch gute Ordre hält, als begehren wir hiermit, Du wollest sowohl für Deine Person in dem Dir anvertrauten Amte bleiben, und darinnen auf ein und anderen Fall alle benöthigte Anstalt machen, sondern auch den, in das Dir anvertraute Amt einbezirkten Amt- und Schriftsassen und Ritterschaft und Ständen, und zwar den ersteren, Kraft dieses, den anderen aber sonst gewöhnlicher Maßen andeuten und zureden, daß sie von ihren Häusern und Nahrungen nicht weichen, noch ihr Vieh und andere Viktualien auf die Seite schaffen, sondern vielmehr den etwa einrückenden Truppen zu ihrer Subsistenz damit an die Hand gehen sollen, widrigen Falls zu befürchten, daß wenn in den Quartieren weder Wirth noch etwas wie Futter und Lebensmittel zu finden, [33] von den Soldaten allerlei Exzesse, wo nicht gänzlicher Ruin der Dörfer erfolgen dürfte. An dem geschieht unser Wille und Meinung.

     Datum Dresden, den 9. September 1706.




Am selben Tage, dem 9. September [59], hatte der Vizekreisvorsitzende der Stände des Meißener Kreises, Centurio von Miltitz auf Ober- und Niederau, diese eilig zusammenberufen, und nachdem sie im „goldenen Ring“ in Dresden sich versammelt hatten, war beschlossen worden, eine Deputation an den König von Schweden zu schicken, um mit ihm über eine geordnete Verpflegung der schwedischen Truppen zu verhandeln und dadurch Requisitionen zu vermeiden. Die Deputation, bestehend aus Herrn Gebhard von Ende auf Taubenheim, Herrn von Koseritz zu Naundorf und dem Syndikus Matthäi aus Großenhain, traf am 11. September in Bischofswerda ein, meldete sich beim Minister Graf Piper an und wurde am 12. September vom König Karl XII. „in seinem Zelte“ empfangen. Nachdem sie hierauf an den schwedischen Generalkriegskommissar Adlersteen verwiesen worden war, verlangte dieser anfänglich 100 000 Thaler, welche dann auf 50 000 Thaler herabgesetzt wurden; aber auch diese wurden noch auf nur 30 000 Thaler vermindert, von denen 20 000 bis zum nächsten Sonnabend, also den 18. September, der Rest aber bis Mittwoch darauf, den 24. September, gezahlt werden mußten.

Betrachtet man die strikten Befehle des Königs August, die derselbe am 5., 8. und 10. August erlassen hatte, so wird man zugeben müssen, daß die Proklamation der Geheimen Räte und die Maßregel der Meißener Kreisstände im direkten Gegensatze hierzu standen, daß aber auch der eilige Rückzug Schulenburgs mit den noch vorhandenen Truppen mit den Befehlen des Königs nicht gut in Einklang zu bringen war.

[34] Unterdessen hatte sich der König August doch entschlossen, Friedensverhandlungen anzuknüpfen. Der Geheimrat Baron von Imhoff und der Geh. Referendar Pfingsten waren als Kommissarien erwählt, diese Verhandlungen zu führen. Mit vieler Mühe war es denselben gelungen, endlich am 11. September in Bischofswerda zum Minister Piper zu gelangen und dann auch beim Könige Karl XII. eine Audienz zu erhalten. Beide Herren reisten von diesem Tage an beständig mit dem schwedischen Hauptquartier, verhandelten während des Marsches täglich mit den schwedischen Ministern, mitunter auch mit König Karl XII. selbst, und nahmen vom 20. September an ihr Quartier in Leipzig, von wo weiter über den Frieden verhandelt wurde.

Dem schwedischen Heere muß zur Ehre nachgesagt werden, daß der Marsch durch Sachsen in größter Ordnung stattfand, daß keine Exzesse vorkamen und allerwärts musterhafte Disziplin herrschte. Ein Augenzeuge, der Stadtschreiber Jentzsch aus Meißen, berichtet über den am 15. September daselbst erfolgten Einmarsch der schwedischen Infanterie[60]: „Als wir gegen 11 Uhr vor Meißen am Thor ankamen, marschirte just die schwedische Infanterie über die Brücke; alles war gute und junge Mannschaft mit bedecktem Gewehre, allein die Montirung taugt im Geringsten nichts und ist Fleck über Fleck bei den meisten Musketieren gesetzt. Ein Regiment blieb in Meißen von 20 Kompagnien, und jede Kompagnie stellte sich in eine Gasse und machte selbst Einquartierung, 6. 7. bis 10 Mann in ein Haus“ etc. Wenn anderen Orts Klagen erhoben wurden, so betraf es Kleinigkeiten, die in jedem Kriege, sogar heutigen Tages noch, ganz unvermeidlich sind.

Leipzig war die einzige Stadt außer Dresden, welche der König August in Verteidigungsstand zu setzen bereits am 1. März und nachher wiederholt befohlen hatte. Dieser Befehl war, wie verschiedene andere, in keiner Weise befolgt worden. Am 12. September schrieb Schulenburg, obgleich er noch am 4. September dem zum Kommandanten der Stadt ernannten Generalleutnant von Neitschütz die oben mitgeteilte Instruktion erteilt hatte, die Stadt unter keinen Umständen zu übergeben, an die Geheimen Räte, daß die Stadt nicht zu halten sei. Am 15. September aber hielt er in der Pleißenburg einen Kriegsrat mit dem Generalleutnant von Neitschütz, [35] dem General von Krosigk und dem Obersten Hopfgarten, über welchen sie ein Protokoll[61] aufnahmen, daß die Stadt nur durch die Bürger und einige Defensioner bewacht werden, die Truppen aber herausgezogen werden sollten. Der Geheimrat Baron von Imhoff schrieb ihm daher auch schon am 16. September aus dem Nachtquartier Zehren, er solle Leipzig räumen und sich mit dem Rückzuge beeilen, damit seine Truppen nicht in Gefangenschaft gerieten. Infolge dessen wurden die 3 dort stehenden Bataillone zu den auf dem Rückzuge nach Thüringen befindlichen Truppen beordert, der Kommandant Generalleutnant von Neitschütz aber begab sich nach Halle und schrieb am 22. September von dort an den König August[62]: Der König habe ihn zwar zum Kommandanten von Leipzig durch Ordre vom 5. August ernannt; da dies aber erst vor einem Monat geschehen wäre, so habe er in Ermangelung aller Verteidigungsmittel keine Anstalten zur Befestigung der Stadt treffen können. Am 16. September habe ihm aber der General von Schulenburg auch noch die 3 einzigen Bataillone seiner Besatzung weggenommen, so daß er und der Oberst Hopfgarten nur noch einige Defensioner unter ihren Befehlen gehabt hätten; diese und die Bürger hätten nicht die geringste Lust gezeigt, die Stadt zu verteidigen. Da dem Könige mit seiner Gefangennahme doch nicht gedient gewesen wäre, so hätte er die Flucht ergriffen und dem Rate die Schlüssel der Stadt ad interim übergeben.

Auch der General Flemming, der um diese Zeit eine Mission nach Hannover hatte, schrieb am 17. September[63] an den Oberhofmarschall Grafen Pflug und sprach sich in höchst mißbilligender Weise über Schulenburgs Handlungsweise aus. Anstatt das Land, wie es der König befohlen gehabt, in Verteidigungszustand zu setzen, habe er sich den ganzen Sommer über nur mit dem Kriegsgericht befaßt und das wesentlichste außer Auge gelassen. Gleichzeitig aber reicht er einen Bericht an den König ein, in dem er schreibt, der hannoversche Minister von Ohberg habe ihn darauf aufmerksam gemacht, daß Preußen alles daran setze, damit die Leipziger Messe, welche wegen Anwesenheit der Schweden vermutlich doch nicht abgehalten werden könne, nach Halle oder Berlin verlegt werde; man müsse [36] daher die Augen offen halten, um dies zu verhindern. „Ohberg fürchtet, daß Schweden gut französisch wird und Preußen dann nicht zuwider sein wird, wie mir denn auch verdächtig vorkommt, daß Preußen von der Invasion schon lange gewußt, aber uns keine Nachricht hat zukommen lassen.“

Mit der Leipziger Messe war die Sache nun nicht so schlimm, als es Flemming gefürchtet hatte, denn König Karl XII. erließ am 20. September von seinem Hauptquartier in Taucha aus[64] eine gedruckte Bekanntmachung, wonach allen in- und ausländischen Kaufleuten, welche auf die Leipziger Messe zu reisen gedächten, volle Freiheit und Sicherheit gewährt würde, ohne daß hierzu ein besonderer Passeport notwendig sei.

Über die Vorgänge im Lande wurde der König August durch zwei Schreiben der Geheimen Räte vom 7. und 21. September[65] unterrichtet. In dem ersten teilen sie mit, daß der König Karl XII. in Sachsen eingerückt und im Vormarsche begriffen sei. Ein Brief des Königs an Karl XII., den der Geh. Referendar Pfingsten mitgebracht hat, ist durch den Oberstleutnant Stutterheim an seine Adresse befördert worden. Geh. Rat von Imhoff und Geh. Referendar Pfingsten sind, mit Vollmachten versehen, als Kommissare zur Verhandlung über den Frieden abgegangen, aber von Karl XII. noch nicht empfangen worden. Das Gefecht bei Rothkretscham, in dem der General von Jordan verwundet worden, hat in vergangener Nacht stattgefunden. In dem zweiten Schreiben vom 21. September teilen sie mit: der General von Schulenburg sei unter Mitnahme der 3 in Leipzig gestandenen Bataillone am 16. September eilig nach Naumburg marschirt. Der König von Schweden habe ihn zwar mit 1000 Pferden verfolgt, aber nicht einholen können. Leipzig sei dem Feinde übergeben, der jetzt in dessen Umgebung stehe, der König Stanislaus sei ebenfalls ins Land gerückt und stehe in Kamenz. General Meierfeld beobachte Dresden; die Stände aller Kreise seien für den 2. Oktober von Karl XII. nach Leipzig zusammenberufen, um über den Modus der an die schwedischen Truppen zu gewährenden Kontribution zu beraten. Dann fährt der Bericht fort: „Die Garnisson (von Dresden) besteht aus zusammengezogenen Trupps der Regimenter: 3 Bataillone Garde, 1 Bataillon Königin, 1. Kurprinz, [37] 1 Fürstenberg, 1 Wustromirsky, etwas von Wackerbarth, Seifertitz und Plötz und 150 bis 200 Dragonern, und sind zwar zu deren Verpflegung die Gedanken des schon am 6. von hier abgereisten Geh. Raths von Hoym dahin gegangen, daß die Stadt allhier selbige tragen und die Accis-Gelder dazu mit adhibiret werden sollten. Allein es reichen diese bei itzo gesperrten Zeiten und da die gesammelten Gelder außerhalb Landes verführt und nur etwa auf einen Monat zur Provision gelassener Vorrath übrig, nirgend hin; das Meiste aber auf Ew. Königl. Maj. Räthe und Diener und andere fürnehmen Häuser ankommen wird, deren jene viele Quartale Besoldung außen stehn haben, diese aber durch das Wegflüchten ausgeleert und wenig zurückgelassen worden, obwohl ein Befehl ergangen, daß den Flüchtenden, so angesessen, nachgeschrieben werden sollte, 60 bis 100 Thaler zurück zu lassen, um die Notdurft zu kontribuiren“ etc. Vorschläge aber, wie dem abzuhelfen, werden auch hier wieder nicht gemacht.

An demselben Tage, dem 21. September, hatte Karl XII. sein Hauptquartier in Altranstädt aufgeschlagen und hier war, nach fortgesetzten Verhandlungen mit den sächsischen Kommissaren, am 24. September der Friede abgeschlossen worden, schwedischerseits war er unterschrieben von Piper und Hermelin, sächsischerseits von Imhoff und Pfingsten.

Die wichtigsten der 22 Artikel, welche das Friedensinstrument enthielt, waren:

3. König August leistet auf den polnischen Thron Verzicht.

4. Er hat dies selbst der polnischen Nation mitzuteilen und das hierauf bezügliche Dokument 6 Wochen nach Unterzeichnung des Friedensschlusses dem König von Schweden zu übermitteln.

5. Alle vom König August in fremden Ländern gegen Polen und Schweden abgeschlossenen Bündnisse werden aufgehoben.

8. Die Prinzen Jakob und Konstantin Sobiesky werden in Freiheit gesetzt.

11. Alle Deserteure, namentlich aber Patkul, werden ausgeliefert.

15. Das schwedische Heer verbleibt den Winter über in Sachsen und wird während dieser Zeit mit allem Nötigen versehen.

22. Die Ratifikation des Friedensschlusses hat innerhalb 6 Wochen zu erfolgen.




[38]

Der Abschluß des Friedens war unter so eigentümlichen Umständen erfolgt, die im Frühjahr 1707 erfolgte Arretirung von Imhoffs und Pfingstens, der darauf Jahre lang geführte Prozeß und das Ende desselben, wonach Imhoff zu lebenslänglicher Festungshaft und Pfingsten zum Tode verurteilt, dann aber ebenfalls zu lebenslänglicher Festungshaft begnadigt wurde, haben zu so widersprechenden Darstellungen Veranlassung gegeben, daß diese auch heute noch nicht ganz aufgeklärte Episode der sächsischen Geschichte einer näheren Betrachtung wert erscheint. Sie ist früher schon mehrfach bearbeitet worden. Dabei hat man aber stets als Quelle das Manifest des Königs vom 8. August 1709 benutzt, in welchem die beiden Kommissare Imhoff und Pfingsten verschiedener verbrecherischer Handlungen beschuldigt werden, die damals noch nicht erwiesen waren, denn der Urteilsspruch wurde erst 1½ Jahr später, am 20. Dezember 1710, gefällt.

Der erste, welcher in neuerer Zeit mit Benutzung archivalischen Materials diese Episode dargestellt hat, ist der Schwede Joh. Rich. Danielson, der 1878 unter dem Titel: „Zur Geschichte der sächsischen Politik 1706 – 1709“ eine Doktordissertation an der Universität in Helsingfors veröffentlichte. Danielson hat die Archive in Stockholm, Kopenhagen, Berlin, Dresden etc. mit großem Fleiß durchforscht und eine objektive Schilderung der damaligen Zeit gegeben. Soweit seine aus dem Hauptstaatsarchive in Dresden geschöpften Nachrichten kontrollirt werden konnten, sind sie vollkommen richtig wiedergegeben, die Mitteilungen aus anderen Archiven werden daher wohl auch richtig sein. Trotz seiner großen Mühe, Klarheit in verschiedene dunkle Stellen zu bringen, ist ihm dies nicht ganz gelungen, denn es wird über einzelne Stellen wohl überhaupt niemals volle Klarheit geschaffen werden. Er hat daher sein Urteil nur auf Hypothesen gründen müssen, welche indessen von gründlichem Nachdenken zeugen.

Zwei Jahre nach ihm, 1880, hat von Sarauw, dänischer Kapitän a. D., in einer Schrift „Die Feldzüge Karls XII.“ diese Episode ebenfalls, aber sehr kurz behandelt und hierzu, nach seiner eigenen Angabe, keine selbständigen Studien gemacht, sondern Danielsons Werk benutzt. Er macht Danielson den Vorwurf, daß er nicht die Konsequenzen aus seinen mühevollen Forschungen gezogen hätte, sonst würde er ein feststehendes Resultat erreicht haben, wie es vollständiger [39] nicht gedacht werden könne. Er kommt zu ganz anderen Schlußfolgerungen, welche indessen, da aus seinem Werke ein leidenschaftlicher Haß gegen Sachsen, insbesondere gegen die Person des Königs August spricht, mit großer Vorsicht aufzunehmen sind.

Danielson würde vielleicht an manchen Stellen zu einem anderen Urteil gelangt sein, wenn er Einblick in ein Aktenstück hätte nehmen können, von dessen Existenz ihm nichts bekannt sein konnte, da es sich in dem Freiherrlich von Friesenschen Privatarchiv in Rötha in Sachsen befindet. Es sind dies die Privatakten des damaligen Geh. Rates und Kanzlers Otto Heinrich Freiherrn von Friesen.

Dieses Aktenstück[66] reicht vom 1. September 1706 bis zum 28. September 1707 und enthält als wichtigste Stücke zur Beurteilung Imhoffs und Pfingstens 41 Privatbriefe Imhoffs an Friesen aus der Zeit vom 5. September bis 28. Dezember 1706 und ein Protokoll über eine Geheime Ratssitzung vom 2. September 1706, sowie ein Gutachten des Geheimen Ratskollegiums über die Handlungsweise Imhoffs und Pfingstens, auf Befehl des Königs angefertigt, am 28. September 1707. Auf dieses Aktenstück werden wir in der folgenden kurzen Schilderung zurückkommen.

Bei Beurteilung der Motive, welche die Handlungen von Imhoffs und Pfingstens bestimmten, muß man die Stimmung in Rechnung ziehen, die im Geheimen Ratskollegium herrschte. Alles Sinnen und Trachten der Geheimen Räte ging, wie wir aus den verschiedenen Schreiben derselben an den König seit der Katastrophe von Fraustadt gesehen haben, dahin, den König dazu zu bringen, daß er auf die Krone von Polen verzichtete, nach seinem Lande zurückkehrte und Frieden schloß. Imhoff, als Mitglied dieses Kollegiums, war ganz von diesem Gedanken eingenommen. Pfingsten, der in dem Kollegium eine Stelle bekleidete, welche ungefähr der eines heutigen vortragenden Rates im Ministerium entspricht, hatte die Gedanken der Geheimen Räte vollständig zu den seinigen gemacht. Beide wurden ursprünglich nicht von unedlen Motiven geleitet, indessen werden wir sehr bald bemerken, daß bei letzterem Strebertum, persönliche Eitelkeit und die Sucht, als alleiniger Friedensstifter zu glänzen, in den Vordergrund traten. Er befand sich schon seit Monat Juli, [40] wenn nicht schon früher, beim König in Polen; seit dieser Zeit tragen alle vom König unterschriebenen und vom Grafen Pflug gegengezeichneten Erlasse auch seinen Namen.

Danielson giebt (S. 8) an, Imhoff sei auch in Polen gewesen und nur früher als Pfingsten nach Sachsen zurückgekehrt. Diese Annahme, deren Beweis ihm schwer fallen dürfte, hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Imhoff gehörte, wie wir oben gesehen haben, dem vom Könige eingesetzten Kriegsgericht an, war daher durch die Sitzungen desselben bis weit in den Monat August hinein an Dresden gebunden. Wahrscheinlich ist er dann auf Urlaub auf sein Gut Hohen-Priesnitz gegangen, denn er wird am 21. August durch eine Staffette nach Dresden berufen, welche ihm die Aufforderung der anderen Geheimen Räte bringt, an den Beratungen über ein vom Generalmajor von Seidlitz gebrachtes Spezialreskript des Königs teilzunehmen[67]. So wenig wichtig dieser Umstand zu sein scheint, so ist ihm doch deshalb ein besonderer Wert beizulegen, weil Imhoff nicht durch persönlichen Gedankenaustausch von den Ansichten des Königs unterrichtet war, sondern hierin ganz von den Angaben Pfingstens abhing, der schon dadurch ein gewisses Übergewicht über ihn erlangte und dieses auch in ausgiebiger Weise geltend zu machen wußte.

Gegen Mitte August wurde dem Könige in Nowogrodeck eine Denkschrift überreicht, welche von Pfingstens Hand geschrieben, das Datum des 15. August 1706 trägt und die politische Lage Sachsens schildert[68]. Darin heißt es: „Im Fall der König von Schweden sich vorgesetzt haben sollte, das Kurfürstenthum Sachsen und dessen inkorporirte Lande feindlich zu überziehen, so unternimmt er sich dessen, entweder Ihre Maj. dadurch zu forciren, auf die Krone von Polen zu renunciren, oder der Krone Frankreich Luft und zu dero faveur, dem hohen Herrn Alliirten eine Diversion zu machen“. Wenn aber der König von Schweden sich nicht entschließen sollte, mit Frankreich zu gehen, so wäre es nicht unmöglich, daß er in Deutschland mit dem Könige von Preußen und „anderen malcontenten Reichsständen zum wenigsten partes tertias“ formiren würde. Aber auch in diesem Falle sei anzunehmen, daß der König von [41] Schweden nach Sachsen einbrechen und den König von Polen zwingen würde, der Krone zu entsagen. Dann aber ist „wohl zu überlegen, ob die Konservation dieser Krone die Ruinirung Ew. Maj. Erblande überwiegen“. Wenn der Krieg nach Sachsen verlegt würde, „so verlieren Ew. Maj. alle Revenuen und die Unterthanen werden ruinirt“, der König von Preußen würde aber nicht feiern „von dieser occasion zu profitiren und das Commercium von Leipzig ab und nach Halle zu ziehen“ dadurch würde aber Sachsen wesentlich geschwächt; der Zar würde vielleicht Sachsen eine Zeit lang unterstützen, aber gewiß nicht auf lange. Wie könnte der Feind aber dann wieder aus dem Lande vertrieben werden? Dies erschiene gegenwärtig ganz unmöglich. „Und was wird man sich doch von undankbaren und ohne Ursache malkontent sich bezeigenden Offizieren, deren Ew. Majestät Truppen voll sind, versprechen können?“ Von unseren Alliirten wird keiner mit dem Könige von Schweden Krieg anfangen wollen, auch sei ungewiß, was man vom Könige von Dänemark zu erwarten habe; dieser werde eher danach streben, den König zu veranlassen, die Krone von Polen aufzugeben, da er nichts mehr als dieses wünsche. „Ob nun eine totale Ruinirung dero Erblande mit der Konservation einer beschwerlichen und wenig profitirenden Krone en parallel zu stellen, solches überläßt man Ihro Maj. eigenen höchsterleuchteten Überlegung. Zwar scheint es sehr sensibel und Ihro Maj. hoher Reputation und Gloire verkleinerlich zu sein, eine Krone so daran zu geben; ich setze aber dem entgegen: 1. Ihro Maj. väterliche Liebe vor dero angeborene, natürliche Unterthanen, – 2. den unersetzlichen Schaden, welchen dero Erblande von einer feindlichen Invasion zu erwarten, – 3. die necessität, die Ihre Maj. obligiret, sich denen Zeiten zu accomodiren und welche alles excusiret, – und wer weiß 4. ob sich die künftigen Zeiten nicht so anlassen, daß Ihre Maj. sich ihrer prätensionen gegen Polen noch praevaliren können“.

Er schlägt daher vor, man solle diplomatische Verhandlungen anknüpfen, nur um den König von Schweden von einem Einfalle in Sachsen abzuhalten. Den Lesczinsky könnte man als futurus regni successor vorschlagen und trotzdem den König beim Throne belassen. Um Zeit zu gewinnen, sollte an den König von Schweden geschrieben werden: „daß Sie parat wären, Sich mit ihm in Traktate einzulassen und dem Kriege ein Ende zu bereiten“. – „Denn dadurch [42] steht 1. zu erfahren, ob er nur bloß intendire, Ihre Maj. zur Abdikation der Krone zu forciren, oder ob er was Mehreres im Schilde führe und den polnischen Krieg nur zum Prätext seiner Invasion in Sachsen nehmen wolle, 2. möchte man solchergestalt vielleicht Zeit bekommen, einen oder den anderen der hohen Alliirten und die Krone Dänemark erst zu sondiren, wessen man sich zu ihnen auf den Fall einer feindlichen schwedischen Irruption in Sachsen zu versehen“. –

Die Denkschrift trägt keine Unterschrift. Ihre Vorlegung scheint den letzten Anstoß gegeben zu haben, den König zu dem Entschluß zu bringen, Friedensverhandlungen anzuknüpfen und unter Umständen auf die Krone von Polen zu verzichten. In diesem Sinne hat er zweifellos die Instruktionen verstanden wissen wollen, die ihm Pfingsten am 16. August unterbreitete, die der König am selben Tage gut hieß und mit denen Pfingsten noch am 16. August abends Nowogrodeck verließ, um nach Dresden zurückzukehren. Der Wortlaut dieser Instruktionen, deren zwei, eine Haupt- und eine Nebeninstruktion, bestanden haben sollen, ist niemals vollständig bekannt geworden, denn Pfingsten hat dieselben sehr geheim gehalten, niemandem gezeigt, vielleicht auch Imhoff nur lesen lassen, dann aber jedenfalls vernichtet, denn als nach seiner Arretirung seine Schriften mit Beschlag belegt und ein Verzeichnis davon aufgenommen wurde, sind sie nicht mehr vorhanden gewesen. Nur ein Bruchstück aus den Instruktionen ist uns aufbewahrt worden in einem Briefe, den Imhoff am 12. Juni 1712 an den König schreibt, der sich aber hauptsächlich mit der Fälschung des Datums eines Briefes des Königs an Karl XII. durch Pfingsten befaßt.

Der König hatte nämlich Pfingsten, als er am 16. August von Nowogrodeck abreiste, einen Brief an den König Karl XII. mitgegeben, der folgendermaßen lautete[69]:

„– – So sehr wir von geraumer Zeit her bedauert, daß wir mit Ew. Maj. in einen, sowohl unseren, als Ihrem Interesse präjudizirlichen Krieg verwickelt worden, so sehr haben wir auch von selbiger Zeit her gewünscht, uns mit deroselben völlig reconciliirt und die vormalige gute Intelligenz zwischen Ihro und uns retablirt [43] zu sehen. Es dependirt dies nur von Ew. Maj., als deroselben wir überlassen, die Friedens-Conditiones nach dero Gefallen einzurichten; wir persuadiren uns aber auch von Ew. Majestät aequanimität und generosität, Sie werden mit uns, als einen Prinzen, der bisher mit so vielen fatalitäten accablirt worden und der die Ehre hatte, mit deroselben in so naher Blutsfreundschaft zu stehen, auch des beständigsten Vorsatzes ist, sich lebenslang gegen Ew. Majestät als einen aufrichtigen Freund und Vetter bei allen Vorfallenheiten finden zu lassen, dergestalt verfahren, daß dero hohen Gloire dadurch kein Abbruch geschehen möge, in welcher Hoffnung wir verharren Ew. Maj. freundwilliger Vetter

     Nowogrodeck, den 17. August 1706.

August.“


Es muß vor allen Dingen hier auffallen, daß Pfingsten, der am 16. August von Nowogrodeck abgereist ist, von dort einen Brief mitgenommen hat, welcher vom 17. August datirt ist. Über dieses Dilemma schreibt Jmhoff in dem genannten Briefe am 12. Juni 1712 an den König[70]:

„– – Wollen Ew. Königl. Maj. allergnädigst geruhen, das Konzept des abgelassenen Briefes bei den Akten sich zeigen oder ansehen zu lassen, so werden dieselben finden, daß solcher auf den 17. August 1706 datirt, die 7 aber vorher eine andere Zahl, als eine 3 oder 5 müsse gewesen sein, woraus dann dieses wahrzunehmen: falls es eine 3 gewesen, daß der Brief eher verfertigt gewesen, als das Gutachten[71], dann solches den 15. August, der Brief aber den 13. August muß datirt gewesen sein. Wenn so die 7 eine 5 hat sein sollen, solchenfalls wäre er den 15. gleichwie das Konseil datirt und ebenmäßig vor Ew. Maj. gemachte Remarken, welche doch dem Briefe ganz konträr sind, in Bereitschaft gehalten worden, denn Ew. Maj. nicht eher, als den 16. August dieselben eigenhändig zu dem Pfingstenschen Konseil gesetzt, gestalt der sel. Herr Oberhofmarschall angezeigt, daß der Tag, da Pfingsten nach Sachsen hat reisen wollen und sein Raisonnement ihm gewiesen, von Ew. Maj. damals noch nichts dabei geschrieben gewesen. Da nun der Brief [44] wie der Augenschein ergiebt, den 17. August datirt, Pfingsten aber den 16. nach Sachsen abgereist, so muß erfolgen, daß dieses in so höchst präjudizirlichen Terminis abgefaßte und eine Submission in sich haltende Schreiben nach der Abreise auf ein Blanket müsse extradirt und das andere, so nach dem Vorschlage eingerichtet gewesen, zurück behalten worden sein, oder daß die Veränderung des dati dazu hätte dienen sollen, daß, da Ew. Maj. allergnädigster Wille gewesen, nicht anders Friede zu machen, es werde denn die Invasion dadurch abgewendet, dieses darthun sollen, von dieser conditio sine qua non hierdurch abgegangen, falls man etwa darauf bestehen wolle, welche Umstände insgesamt sehr remarkable und Ew. Maj. allergnädigst überlegen werden.“

Die angeblich von Pfingsten gemachte Fälschung des Datums auf dem Briefe an Karl XII. hängt aber wieder eng mit der jedenfalls auch von ihm vollzogenen Fälschung der Instruktionen zusammen. Über diese berichtet Imhoff in demselben Schreiben an den König weiter:

„Ist nicht ohne, daß Ew. Maj. eigenhändig dekretirt:
     Sollte aber die Invasion nicht auf solche Wege abzuwenden
     sein, so sind auf gewaltsame Mittel zu gedenken.

Diese Entschließung ist nun in der Instruktion unter andere Dinge nicht allein melirt, sondern auch in die beiden Instruktionen partagirt, also daß Ew. Maj. eigenhändige Remarken, so wenig als die Nebeninstruktion von Pfingsten sind gezeigt worden, diese hohe Entschließung nicht hat können penetriren, noch weniger beachtet oder derselben nachgelebt werden, denn in der Hauptinstruktion § 5 ist der eine Theil davon enthalten:

          Sollte aber der König von Schweden auch dadurch
     (nämlich durch die beide vorhergehende Vorschläge, daß Ew.
     Maj. keine Völker mehr aus Sachsen nach Polen wollten
     ziehen, ingleichen, daß dieselben resolvirt wären, den Lesczinsky
     pro futuro regni successore zu erkennen): von
     der Invasion in Sachsen nicht abzuhalten sein, so hätte
     man demselben zu deklariren, daß Ew. Maj. parat wären,
     freiwillig auf die Krone zu renunziren.

Die andere Hälfte von vorgedachter Ew. Königl. Maj. Entschließung ist in der Nebeninstruktion, welche aber, wie gedacht, nicht [45] zum Vorschein kommen und zwar § 5h enthalten, jedoch auch ebenmäßig unter eine andere Condition versteckt, als:

     reussirt der Friede nicht, so muß man wider die feindliche
     Invasion alle diensame Mittel, wie wir jüngsthin gnädigst verordnet, vorkehren,

bei welcher Beschaffenheit und Umständen Ew. Königl. Maj. selbst gar leicht wahrnehmen können, ob man sich nach dero hohen Entschließung hat können richten und ob diese conditio sine qua non deutlich und klar daraus kann wahrgenommen werden – – –.“

„Da dero Hauptinstruktion den 16. August 1706 datirt, das an den König von Schweden abgelassene Schreiben aber den 17. besagten Monats und dieselben ihm darin überlassen, die Friedens-Conditiones nach eigenem Gefallen einzurichten, die conditionem sine qua non aber, worin Ew. Maj. endlicher Schluß soll bestanden sein, nämlich keinen Frieden zu schließen, es werde denn die Invasion dadurch gehindert, mit keinem Worte berührt und also später als die Instruktion datirt, ob daraus nicht zur Genüge erhellet, daß Ew. Maj. dero hohe Entschließung geändert und davon abgegangen sein, folglich, da es außerdem in der Instruktion nicht klärlich enthalten, ob also nicht dieser Brief den völligen Ausschlag darinnen giebt.“

So weit reichen die Auslassungen Imhoffs über die anscheinend von Pfingsten begangenen Fälschungen.

Die Frage, warum Imhoff das genannte Schreiben vom 12. Juni 1712 an den König gerichtet habe, beantwortet sich leicht: denn Imhoff, der jetzt bereits über 5 Jahre in Haft auf der Festung gehalten wurde, suchte dadurch eine Erleichterung seiner Haft zu erreichen.

Schwieriger ist die Beantwortung der Frage, ob alles, was Imhoff aufführt, der Wahrheit vollkommen entspricht. Die von ihm behauptete Fälschung des Briefes vom 17. August 1706 erscheint so einleuchtend, daß wohl kaum ein Zweifel bestehen kann, daß Pfingsten dieselbe begangen hat. Ob er aber auch die von Imhoff erwähnten Fälschungen oder Verschleierungen in der Instruktion vorgenommen hat, kann endgiltig nur entschieden werden, wenn man den Wortlaut der Instruktionen vor sich hat und diese eben sind nicht zu finden gewesen. Indessen scheint doch aus allem, was wir [46] bestimmt aus den Akten hierüber entnehmen können, hervorzugehen, daß der König seine Verzichtleistung auf die Krone von Polen an gewisse Bedingungen geknüpft hat, während Pfingsten daran gelegen war, diese Verzichtleistung als bedingungslos darzustellen. Wie lange hatte man daran gearbeitet, den König zur Niederlegung der polnischen Krone zu bringen! Endlich, als die Gefahr einer Invasion in Sachsen so drohend wurde, daß sie kaum mehr abzuwenden war, hatte er dem Drängen seiner Räte nachgegeben. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß er nur dann das große Opfer bringen wollte, wenn er dadurch seinem Lande die mit einer Eroberung verbundenen Drangsale ersparen konnte.

Danielson bespricht Imhoffs Schreiben vom 12. Juni 1712 ebenfalls, erwähnt dessen Auslassungen über die Fälschung des Briefes vom 17. August 1706 nicht, sondern nur den angeblichen § 5 der Hauptinstruktion, aber mit Weglassung des, nach Imhoffs Schreiben, in der Nebeninstruktion enthaltenen Nachsatzes, und kommt zu dem Resultat: „Die Frage, ob die Abgeordneten zur Verzichtleistung befugt waren, wird durch diese Stelle entschieden“. Gleich darauf schreibt er weiter: „Aber eine andere Frage bleibt gewöhnlich unbeachtet. Enthielt die Instruktion keinen Vorbehalt, keine unerläßliche Bedingung für die Abdikation? In dem Urteilsspruch[72] über Imhoff heißt es, daß aus der Instruktion ,nicht undeutlich erhellet’, ,daß von Ihro Königl. Maj. die Abdikation der polnischen Krone nur auf den Fall, wenn dadurch der Schweden Invasion in Sachsen abzuwenden, resolviret gewesen’ –“.

Von der Entstehung der beiden nicht mehr vorhandenen Instruktionen könnte man sich etwa folgendes Bild machen: Nachdem der König die Denkschrift vom 15. August 1706 über die politische Lage Sachsens gelesen, hat er Pfingsten seine darauf gefaßten Entschlüsse, – nämlich Friedensunterhandlungen anzuknüpfen und unter Umständen auf die Krone von Polen zu verzichten – mitgeteilt. Pfingsten hat diese Entschlüsse in Form einer Instruktion zu Papier gebracht und dem Könige vorgelegt, worauf dieser noch eigenhändige Bemerkungen, vielleicht auch Abänderungen angebracht hat. Mit diesem Konzept ist Pfingsten noch an demselben Tage, den 16. August, von Nowogrodeck abgereist, vermutlich um dem Könige keine Zeit [47] zu lassen, seine Entschlüsse wieder zu ändern. Während der Reise nach Dresden hat er mit Hilfe des Konzeptes zwei Instruktionen verfertigt, eine Haupt- und eine Nebeninstruktion, welche er auf Blankets geschrieben hat, deren er stets mehrere, wie wir auch später sehen werden, bei sich führte. In der gegen ihn gerichteten Anklageschrift[73] kommt der Satz mit vor: „gleichwie nicht minder Pfingsten zwei Unserer Blankets zurück behalten und bis anhero nicht berechnen können“. Diese Stelle wird für die obige Annahme ein Beleg sein.

Im Gegensatz zu der oben angeführten Ansicht Danielsons möchte ich daher behaupten, die Abgeordneten waren nach dem Sinne des Königs zur Verzichtleistung nicht befugt.

Am 1. September 1706 traf Pfingsten in Dresden ein, meldete sich beim Kanzler Geh. Rat von Friesen, und dieser setzte sofort für den 2. September früh 10 Uhr eine Sitzung an, zu der sämtliche fünf Geheimen Räte und auch Pfingsten erschienen. Das Protokoll über diese Sizung ist in den Privatakten des Kanzlers vorhanden[74]. Als die Geheimen Räte im Herbst 1707 vom König aufgefordert wurden, über die Thätigkeit Imhoffs und Pfingstens beim Friedensschluß ein Gutachten einzureichen, ist dieses Protokoll wörtlich in das am 28. September 1707 eingereichte Gutachten[75] aufgenommen worden, welches ebenfalls in den Privatakten vorhanden ist und dem ich folgendes entnehme:

„Als am 1. September vorigen Jahres gedachter Geh. Referendarius Pfingsten von Ew. Königl. Maj. aus Polen hier angekommen, er den 2. darauf früh von mir, dem Kanzler, begehrt, weil er ein und anderes bei den Geheimen Räten zu proponiren befähigt wäre, daß man im Konsilio desto eher bei einander sein möchte. Und als dieses geschehen, und derselbe etwa 10 Uhr sich gleichfalls im Geheimen Rate eingefunden, hat er seine Proposition nach Lit. A.[76] gethan, und recht ad calamum diktirt, hauptsächlich dahin gehend: Ob nicht 1., wenn Königl. Maj. in Schweden ombrage über die hier bestehende Rüstung schöpfte, die declaration zu thun, daß es nicht auf Polen, sondern zu Dienst derer hohen Herrn [48] Alliirten angesehen, inmaßen Ew. Königl. Maj. beständig resolviret wären, aus Sachsen nichts, weder an Mannschaft noch requisitis bellicis nach Polen zu ziehen. Und ob, da solche Deklaration für gut angesehen würde, nicht sogleich Kaiserlicher Maj. und denen Alliirten zu schreiben, daß die Truppen zum Marsch fertig stünden und daran nichts hinderlich wäre, als die Besorgnis vom schwedischen Einfall – 2. aber, ob, wenn Schweden wirklich intendiren sollte, entweder zum faveur der Krone Frankreich und denen Alliirten eine Diversion zu machen, oder auch außer dieser Absicht Ew. Königl. Maj. durch diese Invasion von dero polnischen Thron zu bringen, nicht ratsam sei, zu Verhütung dieses Kurfürstentums und Lande Verheerung der Krone zu renunziren? Und ob diese äußerste Resolution sodann Ew. Königl. Maj. hohen Respekt nicht nachteilig fallen? Oder ob Sie vielmehr bei der Welt Beifall finden würde?“

Hiernach hat Pfingsten seine Instruktion nicht vorgezeigt, sondern nur aus der Hauptinstruktion so viel zu Protokoll gegeben und zur Beratung gestellt, als der erste Teil des in Imhoffs Schreiben vom 12. Juni 1712 mitgeteilten § 5 enthält, den zweiten Teil dieses Paragraphen aus der Nebeninstruktion, daß, wenn dieses Mittel nicht hinreichte, die Invasion zu vermeiden, Waffengewalt angewendet werden sollte, hat er verschwiegen.

Die beiden Vorschläge des Königs werden darauf einstimmig von allen Geheimen Räten gut geheißen, wobei Pfingsten als letzter sein votum abgiebt: „und war des Geh. Referendarii Pfingsten, der von Ew. Königl. Maj. nur mit mündlichen Befehl und ohne etwas Schriftliches an dero Geheime Ratskollegium mitzubringen, angekommen zu sein vorgab, votum in dieser Sache, besser eine ruinirte Krone daran zu geben, die doch nur à charge, als das Kurfürstentum mit zu verlieren. Inmaßen er auch, daß dieses Ew. Königl. Maj. genommene, beständige Resolution sei, die polnische Krone niederzulegen und sich hinwiederum mit der Krone Schweden zu vereinigen, versichert“.

Der König von Preußen sollte diese Vorschläge dem Könige von Schweden mitteilen, der Resident Wolter in Berlin aber dies vermitteln; damit dieser dazu autorisirt wäre und da ein Befehl des Königs hierzu nicht zur Hand war, „so wurde von dem Geh. Referendar Pfingsten, wie ihm unterschiedliche Blankets zu dergleichen [49] Vorfallenheiten mitgegeben, referiret und daher auf eins derselben ein Reskript an das Geheime Konsilium geschrieben“, welches an Wolter nach Berlin geschickt wurde.

Pfingsten berichtet nun weiter, daß „von Ew. Königl. Maj. ein Schreiben an des Königs in Schweden Maj. abgelassen und Ihren genommenen Entschluß, quovis modo mit ihm Frieden zu schließen, deroselben in ganz obligeanten terminis eröffnet, auch so zu sagen, alles ihren Dispositionen übergeben“ worden sei, welches er dem auf Postirung in Groß-Glogau stehenden Oberstleutnant von Stutterheim zur Übersendung durch einen Trompeter an den König von Schweden übergeben habe.

Da Pfingsten fernerweit berichtet hat, „daß neben ihm noch jemand aus dem Geheimen Rate des Königs von Schweden Maj. entgegen zu gehen, um die Friedenstraktaten mit demselben anzutreten und zu schließen, so ist der Geheime Rat und Kammerpräsident Baron von Imhoff dazu vorgeschlagen und weil er sich dazu alsbald parat und prompt bezeigt, eine Vollmacht auf sie beide abermals auf ein hergegebenes Blanket extendirt“ worden. Die Vollmacht lautete[77]:

Wir Friedrich August etc., urkunden und bekennen hiermit, nachdem wir den beständigen Vorsatz gefaßt, Uns mit dem durchlauchtigsten etc. Karl von Schweden etc. etc. völlig zu reconciliiren und dem zwischen Ihrer Maj. und Uns vor einigen Jahren entstandenen und noch fürwährenden, schädlichen und verderblichen Kriege zu Verhütung mehrerer Menschen-Bluts-Vergießung, so viel an Uns, ein Ende zu machen, daß Wir dannenhero Unserem Wirklichen Geheimen Rate und Kammerpräsidenten, Herrn Anton Albrecht Freiherrn von Imhoff zu Hohen-Priesnitz und Geheimen Referendario, Georg Ernst Pfingsten, samt oder sonders volle Macht und Gewalt erteilt haben, erteilen ihnen auch selbige hiermit dergestalt in kraft dieses, daß sie an dem Orte, wo es Ihro Maj. dem Könige in Schweden gefällig sein möchte, mit den hierzu gevollmächtigten Ministris die Friedenstraktaten vornehmen, an Unserer Statt und in Unserem Namen auf billige, christliche Wege zu handeln, zu schließen, Instrumenta darüber aufzurichten, zu unterschreiben, [50] zu besiegeln und auszustellen und alles dasjenige zu thun und zu verrichten, zu versprechen und zu versichern, was Wir selbst in eigener Person hätten verhandeln, beschließen und allenthalben verrichten sollen und mögen. Und da sie, Unsere Gevollmächtigte, eines mehreren Gewalts, als hier nicht exprimirt ist, bedürftig wären, der soll ihnen hiermit liberrime und so gut gegeben sein, als wäre alles hiermit exprimiret. Und versprechen Wir hiermit bei Unserer Königl. und Kurfürstl. Ehre und wahren Worten, daß wir alles, was Unsere Gevollmächtigten samt oder sonders thun, handeln, beschließen und verrichten werden, vor genehm, ohne einige Ausnahme, achten und halten, auch sobald, als man sich darüber vergleichen wird, solchen Traktat und Friedensinstrument mit Unserer Hand und Siegel in solenner Form ratifiziren wollen, Alles treulich, ohne Gefährde. Zu dessen Urkund haben Wir gegenwärtige Vollmacht eigenhändig unterschrieben und mit Unserem Königl. Insiegel bedrucken lassen. So geschehen und gegeben im Kantonnirungs-Quartier zu Nowogrodeck den 16. August 1706.

Augustus Rex.
A. Gf. Pflug.     

Die Echtheit des Protokolles über die Sitzung der Geheimen Räte vom 2. September 1706, welche nach Ausstellung der Vollmacht an die Kommissarien geschlossen wurde, kann nicht angezweifelt werden. Es klärt aber vieles auf, was bisher den Darstellern dieser Episode noch dunkel erscheinen mußte. Es ist hier der unumstößliche Beweis geliefert, daß Pfingsten die Geheimen Räte absichtlich getäuscht hat, indem er vorgab, vom König keine schriftlichen Instruktionen zu besitzen, während er doch solche besaß. Zur Charakteristik Pfingstens ist dies von Wichtigkeit, und die Annahme, daß er den Brief vom 17. August gefälscht und die Instruktionen des Königs nach Willkür umgeändert hat, gewinnt an Wahrscheinlichkeit. Unser Vertrauen in die Wahrheitsliebe und Ehrenhaftigkeit Pfingstens ist aber dadurch wesentlich erschüttert, so daß wir geneigt sind, auch das für erwiesen zu betrachten, was ihm sonst noch zur Last gelegt wird und bisher nicht erwiesen werden konnte. Wir erfahren aber auch durch das Protokoll, daß Imhoff nicht direkt vom Könige zum Kommissar bestimmt, sondern von den Geheimen Räten – vielleicht auf den von Pfingsten mitgeteilten Wunsch [51] des Königs, was aber aus dem Protokoll nicht zu ersehen, sondern nur aus einem späteren Schreiben vom 7. September 1706 geschlossen werden kann, – hierzu erwählt wurde. Er für seine Person war daher, so lange er noch keine Kenntnis von den schriftlichen Instruktionen des Königs hatte, durch die ihm erteilte Vollmacht vollständig befugt, die Verzichtleistung des Königs auszusprechen. Wie weit ihn später Pfingsten mit den Instruktionen bekannt gemacht hat und wie weit er dadurch in seinen Entschließungen beschränkt werden mußte, entzieht sich unserer Beurteilung. – Von großem Werte aber ist es, zu wissen, daß die ausgedehnte Vollmacht, über welche so viele ihre Verwunderung ausgesprochen haben, nicht vom König in Nowogrodeck, sondern von den Geheimen Räten in Dresden ausgestellt worden ist. Man darf wohl mit Bestimmtheit annehmen, daß der König, welcher nach der Angabe Imhoffs vom 12. Juni 1712 so einschränkende Bemerkungen zu den von Pfingsten redigirten Instruktionen machte, eine derartige Vollmacht nicht ausgestellt haben würde, ohne sich die endgiltige Entscheidung über den Friedensschluß selber vorzubehalten. Er würde wohl kaum damit einverstanden gewesen sein, „alles was Unsere Gevollmächtigten“ – wie es in der Vollmacht heißt – „thun, handeln, beschließen und verrichten, – vor genehm, ohne einige Ausnahme, zu achten und zu halten“. – Durch das Protokoll wird vieles in ein anderes Licht gerückt und kann mit anderen Augen betrachtet werden.

Nach der Sitzung vom 2. September 1706 war die Sorge der Geheimen Räte darauf gerichtet, den beiden Kommissaren eine Audienz beim König Karl XII. zu verschaffen. Ein Schreiben, die Bitte um Ausstellung von Pässen für Imhoff und Pfingsten zu deren Reise nach dem schwedischen Hauptquartier enthaltend, wurde durch einen Trompeter abgesendet. Der Brief des Königs August vom 17. August, den der Geh. Referendar Pfingsten auf seiner Reise nach Dresden an den in Groß-Glogau auf Postirung stehenden Oberstleutnant von Stutterheim übergeben hatte und der von dort durch einen Tambour zum schwedischen Minister Grafen Piper befördert worden war, hatte endlich seinen Bestimmungsort erreicht und war, wie Stutterheim am 4. September an Friesen berichtet hatte, in des Königs Karl XII. Hände gelangt. Dieser aber zögerte noch mit einer Antwort, sowohl auf diesen Brief als auch auf das Schreiben der Geheimen Räte, da er jedenfalls erst festen Fuß in [52] Sachsen fassen wollte, ehe er sich auf Friedensverhandlungen einließ. Dadurch aber wurde die Abreise der Kommissare wesentlich verzögert und die Kurfürstin Mutter, die rechte Tante Karls XII., entschloß sich, selbst an ihren Neffen zu schreiben, um diesen zum Empfang der Kommission zu bewegen. Der vom Kanzler von Friesen konzipirte Brief lautete [78]:

„Durchlauchtigster, Großmächtigster etc.– Die aufrichtigste Begierde, so Ihre Maj. der König mein Sohn trägt, Sich mit Ew. Maj. völlig zu reconciliiren, bewegt mich, dieselbe hierdurch freundmühmlich zu ersuchen, Ew. Maj. wollen geruhen, des Königs, meines Sohnes, Bevollmächtigte die Gnade zu erweisen und sie zu hören, indessen aber diese arme unschuldige Lande mit dero Waffen zu verschonen. Ich verspreche mir solches von Ew. Maj. weltbekanntem, hohem, gerechtliebenstem Gemüte und aequanimität desto mehr, je parater der König, mein Sohn, ist, alles einzugehen, was demselben nur immer möglich sein wird, so daß Ew. Maj. vielleicht in der Güte werden erhalten können, wozu Sie sonst die force employiren wollen. Ich kann vor großer Betrübnis über das diesem armen Lande bevorstehende Unglück nichts mehreres hinzuthun, als nur, wofern Ew. Maj. die gütlichen Mittel nicht acceptiren sollten, den Allerhöchsten zu bitten, daß Er als ein Gott des Friedens auch Ew. Maj. Friedensgedanken inspirire und zwischen deroselben und dem Könige, meinem Sohne, als so nahen Blutsfreunden ein gutes Vernehmen bald retabliren wolle; dieses wird zur Augmentirung Ew. Maj. bereits acquirirter hohen gloire gereichen, und verbleibe ich deroselben etc. etc“.

Auf diesen Brief hin trafen endlich Pässe für die Kommissarien ein, so daß sie abreisen konnten. Das mehrfach erwähnte „Gutachten“ berichtet darüber: „und reisten sie, als inzwischen die Antwort von dem Herrn Grafen Piper an das Geheime Konsilium, wie auch folgends die Passeports vor beide Kommissarien anlangten, anderweit fort, ohne daß uns der Geheime Referendarius eine Instruktion von Ew. Königl. Maj., wonach der Friede einzurichten, übergeben oder nur vorgelesen, außer, daß mir, dem Geh. Rat Zechen, [53] etwas außer der Session kommunizirt, welches ich, in der Hoffnung es werde dem Konsilio zu seiner Zeit in forma zukommen, nur obenhin angesehen und mich nicht eigentlich entsinnen kann, ob darin die in Ew. Königl. Maj. allergnädigstem Reskript angemerkte Passage zu befinden gewesen; der Buchstabe muß es alles zeigen.“

Es muß entschieden auffallen, daß nicht nur im Protokoll vom 2. September 1706 mehrmals, sondern auch in dem hier erwähnten Gutachten der Umstand so besonders betont wird, daß Pfingsten seine Instruktionen den Geheimen Räten nicht übergeben, ja nicht einmal vorgelesen habe; in dem vorliegenden Falle bis auf einen Punkt, den aber der Geh. Rat Zech behauptet, nicht beachtet und wieder vergessen zu haben. Dem Leser dieser immer wiederkehrenden Beteuerung drängt sich der Gedanke auf, daß die Geheimen Räte doch Kenntnis von dem gehabt haben, was in den Instruktionen stand, daß sie aber nichts davon haben wissen wollen, weil sie ihnen nicht „in forma“, wie Zech angiebt, mitgeteilt worden sind. Nach dem, was der König durch die Instruktionen beabsichtigt hatte, durften die Geheimen Räte ihre Zustimmung gar nicht dazu geben, daß nun noch ein Friede geschlossen wurde. Wir haben oben schon, bei der Besprechung von Imhoffs Schreiben vom 12. Juni 1712, darauf hingewiesen, daß des Königs Absicht war, nur dann Frieden zu schließen und auf die polnische Krone zu verzichten, wenn dadurch die Invasion abgewandt werden könnte; wäre diese nicht zu vermeiden, so sollte Waffengewalt angewendet werden. Wenn nun auch am 2. September der Einfall in das sächsische Land noch nicht erfolgt war und die Geheimen Räte noch nichts von Karls XII. Übergang über die Oder erfahren hatten, so mußten sie doch damals schon so weit orientirt sein, daß sie sich selber sagen konnten, die Invasion sei nicht mehr aufzuhalten. Die Mission Imhoffs und Pfingstens war damit nach dem Sinne des Königs überflüssig. Die Geheimen Räte aber wollten den Frieden um jeden Preis und waren daher jedenfalls sehr erfreut, daß Pfingsten ihnen die Instruktion nicht übergab und nicht einmal vorlas, denn nunmehr waren sie außer Verantwortung und konnten diese auf Pfingsten allein abladen, der seinerseits wieder sehr erfreut war, daß er allein, gegebenenfalls, als der Retter des Vaterlandes auftreten konnte. Man könnte annehmen, daß der Kanzler von Friesen am Abend des 1. September 1706, als sich Pfingsten eingetroffen aus Nowogrodeck [54] bei ihm meldete, Kenntnis von der Instruktion erlangt, Pfingsten aber überredet hat, dieselbe in der Sitzung der Geheimen Räte nicht zu Protokoll zu geben und zu verschweigen. Wie wäre es sonst möglich, daß das Geheime Ratskollegium als solches, nur auf eine mündliche Mitteilung des Geh. Referendar Pfingsten so wichtige, das Wohl und Wehe des Staates berührende Entscheidungen getroffen hätte, als sie durch das Protokoll vom 2. September 1706 bestätigt sind.

Diese nur als Vermutung ausgesprochene Ansicht gewinnt Nahrung durch folgenden im „Gutachten“ enthaltenen Passus, anschließend an die Äußerung des Geh. Rates von Zech: „Wir waren auch desto weniger begierig, ihn nach ein und der anderen Partikularität zu fragen, nachdem er sehr zurückhielt, die große Verschwiegenheit, welche Ew. Königl. Maj. bei dem ganzen Werke und der Abschickung selber observirt wissen wollte, oft rekommandirte und daß Ihre Meinung daher auch nicht wäre, daß jemand sonst außer uns zugegen seienden Geh. Räten und also noch weniger einen fremden Minister, ob er gleich auch gute officia zu interponiren abgeschickt, von dero Vorhaben und Intent was kund werden sollen, sondern sie allein und im Geheim mit Königl. Maj. von Schweden traktiren und schließen zu lassen, resolvirt wären, referirte“.

Diese Geheimniskrämerei war eine schlaue Berechnung Pfingstens, welcher dadurch alles in seiner Hand behalten wollte und die Geheimen Räte auch wirklich so gefangen genommen hatte, daß sie in ihrem späteren „Gutachten“ schrieben: „Bei welcher Bewandnis auch alles so behutsam und sorgfältig dahier traktiret worden, daß man weder dero Herrn Statthalters Fürstl. Durchl. noch Ew. Königl. Maj. anderer hier und da, zu Wien, Regensburg, Kopenhagen, London, Haag und sonsten subsistirenden Ministris und Residenten, ja Ew. Königl. Maj. selbst nicht, aus Furcht, daß die Relationen verloren gehn könnten, recht frei, und das Wenige, so man von Zeit zu Zeit allhier erfuhr, oder in was Zustande die hiesigen Sachen stünden, zu referiren sich unternommen“. – Auch Imhoff selbst war so im Banne Pfingstens, daß er sogar, wie die Geheimen Räte schreiben, „dolirt“ gewesen war, als sie am 7. September ihren gewöhnlichen Bericht an den König abgelassen hatten, in dem es unter anderem heißt[79]: „Als am 1. dieses besagter Geh. Referendar [55] anher kommen und bald hernach dasjenige, was Ew. Königl. Maj. ihm allergnädigst anbefohlen, mündlich eröffnet – haben wir diese hochwichtigen Sachen in Deliberation gezogen –.“ – „Wir haben auf ein Blanket die Vollmacht zu denen Traktaten, wozu nach Ew. Königl. Maj. Willen der Wirkliche Geheime Rat und Kammerpräsident Frhrr. von Imhoff und der Geh. Referendar employirt worden, extendiren lassen und seind diese Gevollmächtigte am Freitag gegen Görlitz abgereist, allwo sie einen Trompeter nach Breslau zum Grafen Piper abgeschickt etc.“ – Von einem Erfolg hatten sie noch nichts berichten können, denn die Bevollmächtigten wurden erst am 11. September in Bischofswerda empfangen.

Über diese erste Zusammenkunft schreibt Imhoff an den Kanzler von Friesen[80] am 13. September 1706:

„Ew. Exc. gebe hierdurch zur schuldigen Nachricht, daß wir vorgestern bei unserer Ankunft bei dem Herrn Grafen Piper gewesen und selbigen von dem Aufgetragenen Eröffnung gethan, welcher dann mit dem Könige davon zu sprechen versprochen und gestern uns wissen lassen, als heute uns anzuhören. Es ist aber solches, weil der Marsch nicht aufzuhalten gewesen, gestern Nachmittag geschehen und ist zwar Hoffnung zu einem armistitio, jedoch auf sehr harte conditiones, indem sie Leipzig und Wittenberg zu ihrer Sicherheit in Besitz haben wollen, und dürfte an dem ersteren Orte der König wohl selbst verbleiben und dem Ansehen nach diesen Winter in Sachsen mit der Armee verharren. Continuiren sie nun mit der jetzigen Art zu leben, so ist es mit Sachsen gethan; ich thue zwar dagegen alle dienliche Vorstellungen, ehe wir aber zu keinem armistitio gelangen, ist keine Änderung zu hoffen, daher wir nicht absehen können, wie es anders zu ändern, als dasjenige einzugehen, was dieserwegen verlangt wird, soll anders das Land noch einigermaßen konservirt werden. – – Wir werden auch alles Mögliche suchen beizutragen, was in dem jetzigen Zustande zu des Königs und des Landes Besten kann erlangt werden.“

Als dann kurz darauf das Civilkabinet des Königs von Schweden in Weinböhla bei Meißen Quartier hatte, kam Imhoff [56] plötzlich vormittags 11 Uhr nach Dresden auf das Geheime Ratskollegium. Hier traf er nur Born, Zech und Friesen anwesend und eröffnete ihnen, daß er heimlich, ohne Vorwissen der schwedischen Minister, hereingekommen wäre, um ihnen die von den Schweden gestellten Friedensbedingungen mitzuteilen und sich Rat zu erholen. Nachdem er die Bedingungen in der Eile vorgelesen hatte, erklärten die oben genannten Geheimen Räte, da Pfingsten Instruktionen besitze und mit dem Willen des Königs August bekannt sein müsse, so könnten sie keinen anderen Rat erteilen, als daß die Kommissare unbedingt daran festhalten sollten, daß „Ew. Königl. Maj. in dero Landesherrlichem Regiment kein Eintrag geschehe“ und ihm alle Landeseinnahmen belassen würden und endlich zu versuchen, ob nicht, wie es doch Pfingsten aus Polen mitgebracht habe, mit einem Stück Gelde loszukommen sei. – Nach dem „Gutachten“ scheint hierüber ein Protokoll aufgenommen worden zu sein, denn es bezieht sich auf das in Imhoffs Händen befindliche Konzept. – Um 12 Uhr fuhr Imhoff bereits wieder fort. Sein Brief vom 13. September und der Versuch, den Rat der Geheimen Räte einzuholen, beweist aber, wie ernst er die Sache auffaßte und wie gewissenhaft von seiner Seite die Angelegenheit betrieben wurde.

Zur Charakteristik Pfingstens möge eine Stelle aus einem Briefe von ihm an den Kanzler Friesen dienen. Imhoff hatte am 18. September aus Grimma berichtet, sie hätten gehofft, daß an diesem Tage oder spätestens am folgenden der Abschluß erfolgen könne, da sei indessen der König Karl XII. plötzlich in der Nacht um 2 Uhr mit 1000 Reitern aufgebrochen, um die sächsische Armee zu verfolgen, und bis jetzt, nachmittags, noch nicht wieder zurückgekehrt, dadurch aber wäre der Abschluß abermals hinausgeschoben worden. Pfingsten schreibt am selben Tage, dem 18. September, an Friesen, erwähnt desselben Vorfalles und fährt dann weiter fort: „Inmittelst versichern sie (die schwedischen Minister) uns, daß Ihre Königl. Maj. von Schweden ein Mehreres, als man vermute, accordiren werde, wofern man nur alles auf dero Generosität würde ankommen lassen. Ja man könnte sich Hoffnung machen, daß, wenn man gleich unsrerseits eine oder andere dure condition itzo eingehen müsse, Ihre Maj. doch viel fernerher davon remittiren dürfte. Es erfolge nun von diesem Letzteren etwas oder nichts, so ist doch nichts Nötigeres und Ratsameres, als uns zu accomodiren, es koste, was es wolle, [57] inmaßen ja besser, daß man den Etat einigermaßen konservire, als ihn völlig ruiniren zu lassen“[81].

Am 24. September war endlich, wie bekannt, der Abschluß des Friedens erfolgt, worauf Imhoff an Friesen am 25. September aus Leipzig schreibt[82]: „Ew. Exc. gebe hierdurch Nachricht zu vernehmen, daß gestern die beregte Sache zum Schlusse gediehen und hat man über die bekannten Punkte noch zweie, wovon vormals von mir Erwähnung geschehen, eingehen müssen, nämlich die Restituirung dessen, was zu Trophäen dienen könnte, und auch was die Versehen des Obersten Görtz betrifft, daß selbiger von der gesprochenen Sentenz absolvirt und in vorige Freiheit gesetzt würde. Es hat hierwider alle Gegenremonstration nichts verfangen wollen, sondern von denselben weiter nichts hören wollen, daß man also das arme Land zu salviren, von den vielfältigen Desordern und gänzlichem Ruin abzuhelfen, man dieses schmerzlich eingehen müssen; gleichwie nun an der Geheimhaltung dieses ganzen negotii den Schweden so viel, als uns höchstens gelegen, so werden Ew. Exc. die Gütigkeit haben und diesen Brief dergestalt zu verwahren, daß Niemand als die übrigen beiden Geheimen Räte etwas davon erfahren“.

In dem mehrerwähnten „Gutachten“ heißt es später, da die Geheimen Räte von den Kommissaren hierüber noch erfahren hätten, daß Pfingsten nunmehr mit dem von ihnen vollzogenen Traktat zum Könige ginge, um ausführlichen Bericht zu erstatten und anfragen wolle, wie weit dieser den Traktat zu ratifiziren gedächte, so hätten sie in der Angelegenheit nichts weiter thun können.

Am 15. Oktober traf Pfingsten in Petrikow beim König ein, der bis dahin vollständig in Unkenntnis darüber war, was unterdessen im Lande sich ereignet hatte. Er hatte zwar den oben schon erwähnten Bericht der Geheimen Räte vom 7. September erhalten, welcher ihm meldete, daß Imhoff und Pfingsten als Kommissare mit Vollmacht zu Friedensverhandlungen betraut seien, auch den Bericht Schulenburgs vom 11. September, in welchem dieser seinen bereits bis hinter die Mulde erfolgten Rückzug meldete, und endlich in den ersten Tagen des Oktober den ferneren Bericht der Geheimen Räte vom 21. September, der ebenfalls bereits mitgeteilt worden ist. Was aber nach dem 21. September geschehen war, davon hatte er [58] noch nichts erfahren. Ungeduldig darüber schrieb er an Imhoff und Pfingsten eigenhändig „le 9 d’october, 20 lieues de Petrikow[83]:

Er wäre sehr erstaunt, daß er noch nichts wieder von ihnen gehört hätte. Er befinde sich gegenwärtig mit 30 bis 40 000 Mann auf dem Marsche nach Groß-Polen. Es schiene ihm, als wenn ihre Gesandtschaft ganz überflüssig geworden wäre – „insi à quoi sert de traiter, vu que mon but est, de sauver le pays par un traité, mais voyant qu’il n’y a plus rien à obtenir, à quoi doit je encore condescendre à des conditions dures, et me voir puni par des verges, une, en voyant la perte d’un pays, et l’autre à accorder un traité honteux; insi ne pouvant pas sauver le pays, il faut sauver l’honeur, insi vous agirez en sorte, que ne vous engagiez entiérement dan ce traité, mais que vous le trainiez et remettiez les choses à l’arbitre de l’Empire et des Alliés, les quels à ce que j’espère ne permettront point, une injustice si outrée et pour ce qui est de la perte, que je souffre dans le pays; j’ai des moyens à m’en recompenser les quels on a deja fait insinuer aux Alliés. etc.“ – Als Poststriptum setzt er dann noch hinzu: sie möchten versuchen, unter allen Umständen vom König von Schweden loszukommen, fürchtet aber, daß man sie zurückhalten werde, solange der jetzige Zustand dauere.

Am selben Tage aber schrieb er an den Statthalter und die Geheimen Räte: „Yltza (Jelcze) den 9. Oktober 1706“[84]:

,,Wir können Uns leichtlichen vorstellen, es werde der König von Schweden, da er anitzo in Unseren Kur- und Erblanden den Meister spielt, an Unsere getreuen Vasallen und Unterthanen ein und anderes, dem äußerlichen Schein nach favorables Ansinnen und Begehren thun lassen, um dadurch die Gemüter zu gewinnen, in der That aber seine höchst schädlichen Absichten hierunter zu erreichen suchen. Gleichwie aber die seitherige, tägliche Erfahrung in Polen sattsam erwiesen, wie gar wenig oder nichts auf die schwedischen Versicherungen zu bauen, indem diesen zuwider unzählbaren Personen, nachdem sie vorher die geforderten Kontributionen und alles erlegt, Haus und Hof abgebrannt und verwüstet worden. Also ist hiermit [59] Unser gnädigstes Begehren, Ew. Liebden und Ihr wollen Unseren getreuen Vasallen und Unterthanen bekannt machen, dergleichen ausgehenden schwedischen Manifesten kein Gehör zu geben, noch Glauben beizumessen, am wenigsten aber sich zu einer Zusammenkunft der Stände, es mag solche unter was vor Prätext es sei, verleiten zu lassen, sondern sich vielmehr versichert zu halten, daß Wir ihnen in kurzer Zeit mit Beistand göttlicher Hilfe succuriren und sie aus ihrem jetzigen bedrängten und Uns sehr nahe gehenden Zustande zu retten alle Mittel und Kräfte anwenden werden. – Ihr habt hiernächst Unseren bei dem Könige von Schweden befindlichen Deputirten, dafern sie vor Einlangung dieses Unseres gnädigsten Reskriptes noch nicht zurück gekommen, auf sichere Art wissend zu machen, bei demselben um Gehör und Resolution alle mögliche Instanz zu thun, im Falle längerer Verzögerung aber, auf ihre Zurückkunft bedacht zu sein, jedoch in diesem Stücke behutsam vorzugehn, damit nicht etwa künftig von schwedischer Seite die Schuld auf Uns, als wenn Wir selbst abrompirt, geworfen werden möchte. Und weil Wir im übrigen durch ein Gerücht in Erfahrung gebracht, es sei an den Kommandanten von Leipzig, den Obersten Hopfgarten, die Ordre erteilt worden, besagten Ort an den Feind zu übergeben, so lassen Wir solches zwar dahingestellt sein, begehren aber hiermit zunächst, Ew. Liebden und Ihr wollet Unsere Kommandanten zu Dresden, Königstein und Pirna nachdrücklich beordern, daß sie besagte Festungen niemandem einräumen, sondern es vielmehr auf die Gewalt ankommen lassen, und sodann demjenigen, wozu sie ihre Pflicht und Schuldigkeit anweiset, nachkommen und beobachten sollen. Hiernach geschieht Unser Wille etc. etc.“

Hierzu erließ er noch eine weitere Verordnung[85]:

„Yltza den 9. Oktober 1706. – Nachdem der König von Schweden allen bisher von Uns gethanen räsonablen Vorschlägen und angewandten bonis officiis keine Statt noch Gehör gegeben, vielweniger sich hierdurch auf einige friedselige Gedanken leiten lassen, sondern im Gegenteil bei seiner bekannten opiniatreté verharrt und die vorlängst angedrohte Invasion in unsere Kur- und Erblande nunmehr ins Werk gesetzt, auch bereits wirklich in selbige eingedrungen“ [60] – so protestirt er dagegen feierlichst und weist seine Gesandten an den fremden Höfen an, Mittel und Wege zu finden, um eine Koalition gegen Schweden zustande zu bringen, damit diese aus Deutschland vertrieben würden. Er berechnet, daß hierzu der Kaiser, England, Holland, Dänemark, Preußen und Hannover, je 6000, die Pfalz und Münster je 4000 Mann stellen sollen, wozu 8000 Mann Kavallerie von Sachsen gerechnet, 52 000 Mann aufgestellt werden können. Diese Verordnung sei an sämtliche sächsische Gesandte und Residenten an fremden Höfen zu versenden.

Wir müssen uns in die Lage König Augusts versetzen: Er hatte sich am 16. August bereit erklärt, der Krone von Polen zu entsagen, wenn dadurch ein Einfall der Schweden in Sachsen vermieden und der Friede wieder hergestellt werden könnte. Die von ihm an Pfingsten erteilte Instruktion, in welcher dies ausgesprochen war, hatte nach Imhoffs Schreiben vom 12. Juni 1712 noch den Nachsatz: „reussirt der Friede nicht, so muß man wider die feindliche Invasion alle diensamen Mittel, wie wir jüngsthin verordnet, vorkehren“. – Mit dieser Instruktion versehen, war Pfingsten am 16. August von Nowogrodeck abgereist. Seit jener Zeit, also seit beinahe 2 Monaten hatte er nur die beiden Berichte der Geheimen Räte vom 7. und 21. September erhalten, Pfingsten aber hatte ihm direkt keine Nachricht zukommen lassen. Der König wußte daher nur so viel, daß Pfingsten und Imhoff von den Geheimen Räten mit einer Vollmacht versehen worden waren, deren Wortlaut er aber nicht kannte, ferner daß der König von Schweden in Sachsen eingefallen war, und daß die Kommissare mit ihm in Unterhandlung getreten waren; wie weit diese Unterhandlung gediehen war, konnte er nicht wissen, aber noch weniger annehmen, daß bereits ein Abschluß des Friedens erfolgt sei. Er war daher vollkommen zu der Annahme berechtigt, daß bei dieser Verzögerung der Unterhandlungen ein günstiges Resultat nicht mehr zu erzielen sein würde, daß vielleicht sogar das große Opfer, welches er zu bringen gesonnen war, die Thronentsagung, umsonst gebracht, dem Lande aber die durch eine Invasion und den noch fortdauernden Kriegszustand bereiteten Leiden nicht erspart werden könnten, daß demnach „der Frieden nicht reussirte“. Es mußte daher nun der zweite Teil der an Pfingsten erteilten Instruktion in Kraft treten, d. h. „alle diensamen Mittel gegen die Invasion“ mußten angeordnet, also mit Waffengewalt [61] eingeschritten werden. Zu dem Verlangen aber, daß die Waffengewalt von den Alliirten angeordnet werden müsse, war er vollkommen berechtigt durch einen Beschluß des Kollegientages in Regensburg, vom 30. September 1702, der auch später wieder erneuert worden war und der besagte, daß diejenigen, welche während eines Krieges mit Frankreich einen Reichsstand mit feindlichem Anfall überzögen, für Feinde des Reiches zu erklären seien. Dieser Fall war nun eingetreten; August hatte Truppen am Rhein gegen Frankreich im Felde stehen und war von Karl XII. in seinen Erblanden „mit feindlichem Anfall überzogen“ worden. Letzterer hatte sogar bei seinem Einmarsch in Sachsen auch österreichisches Gebiet verletzt, da er durch einen Teil Schlesiens marschirt war. Diejenigen Mächte, welche den Beschluß vom 30. September 1702 gefaßt hatten, waren daher verpflichtet, durch eine zu bildende Koalition feindlich gegen Karl XII. aufzutreten.

So lagen die Verhältnisse, als Pfingsten am 15. Oktober, also 6 Tage, nachdem der König die erwähnten Schreiben vom 9. Oktober ausgefertigt hatte, in Petrikow eintraf. Was in den darauffolgenden Tagen zwischen ihm und dem Könige verhandelt worden ist, bleibt in Dunkel gehüllt. Die Frage, ob Pfingsten dem Könige das Original des in Altranstädt am 24. September abgeschlossenen Friedens vorgelegt und ob er ihn über alle Verhandlungen, welche den Friedensschluß herbeigeführt hatten, unterrichtet hat, wird wohl niemals vollkommen geklärt werden. In Bezug darauf heißt es in dem Bericht der Kommission[86]: „Pfingsten habe zwar von der unternommenen Friedenshandlung einigen Rapport gethan, muß aber doch endlich gestehen, daß Ihrer Königl. Maj. er weder das vollzogene Friedensinstrument vorgezeiget, noch auch, daß der Friede wirklich geschlossen und die Signirung allbereit geschehen, eröffnet“. – Ein späterer an derselben Stelle vorhandener Brief Pfingstens an den König, ohne Datum, besagt: „ich kann nicht verstehn, wozu weitere Urteile, da ich mich selbst schon verurteilt habe“. – In dem am 20. Dezember 1710 gefällten Urteilsspruch[87] aber heißt es: er habe, „daß der Friedenstraktat wirklich geschlossen sei, ausdrücklich nicht gemeldet, sondern nur das Wort – adjustirt gebraucht“. – In [62] dem Bericht der Kommission vom 21. April 1708 wird weiter gesagt: Der König August habe „mit eigener hoher Hand etliche gar wichtige Monita aufgesetzt und solche zu deren genaueren Beobachtung Pfingsten gegeben, welche dieser auch angenommen“. Mit diesen vom König aufgesetzten Monitis und einem Briefe des Königs an Karl XII. versehen reiste Pfingsten am 20. Oktober von Petrikow ab und langte am 30. Oktober in Dresden an. Über seinen Empfang berichten die Geheimen Räte in ihrem Gutachten vom 28. September 1707[88], er hätte im Geheimen Rate befraget: „welchergestalt Ew. Königl. Maj. den Frieden angesehen und ob Sie ihn ratifiziret?, daß Sie, wo ein und anderes noch zu erinnern befohlen, jedoch ihn sonst ratifizirt hätten, gemeldet, und schiene nach seinem Discurs daß Ew. Königl. Maj. den Punkt wegen Extradition des General Patkuls am liebsten geändert gesehen, den er doch das erste Mal ganz geringe hielt, und wie man auf Anfragen, wie man aber mit dem Zar auskommen würde, wenn der von Patkul ausgeliefert werden sollte? geantwortet, daß solches ganz nichts zu sagen und da Ew. Königl. Maj. Sich mit Schweden zu reconciliiren des Reichs begäben, dieselben wohl wenig Regard auf Patkul nehmen würden, inmaßen er auch alle andern Punkte, die ihm etwa von einiger Schwierigkeit und, daß man Ew. Königl. Maj. dahero Diffikultäten machen können, vorgestellt worden, als zum Exempel die Begebung des Gebrauchs in der Titulatur des Wortes von Polen, item der polnischen Insignien, vor nichts und daß es nicht weiter als auf Schweden und Polen zu verstehen, vorgab und wegen der allzugroßen Kontribution, Erpressung und der Fourage-Lieferung, auch anderer Punkte mehr, daß, nachdem er wieder einen Brief von Ew. Königl. Maj. mitbrachte, sich nach desselben Übergebung schon alles ändern würde, anfügte“.

Am 31. Oktober traf Pfingsten in Leipzig ein und am 14. November konnte schwedischerseits der Friede proklamirt werden. Die Ratifikation[89] mit des Königs Unterschrift lautete: „Wir Friedrich August von Gottes Gnaden etc. thun kund und zu wissen, daß nachdem zwischen uns und Karl XII., Könige von Schweden, und Stanislaus I. durch die von allen Teilen verordnete und mit genugsamer [63] Vollmacht versehene Kommission eine Friedenshandlung vorgenommen, dieselbe auch durch göttlichen Segen den 14/24. des nächst verwichenen Monats September in dem Dorfe Alt-Ranstädt bei Leipzig von denselben geschlossen und unterschrieben worden, dessen Inhalt, wie er seinen Worten nach lautet, hier einverleibt zu finden [folgt der vollständige Friedenstraktat]. Derowegen wir obengenannten Vergleich in allen und jeden Punkten und Klauseln, wie er ganz und von Wort zu Wort abgeschrieben und hier einverleibt zu lesen, gebilligt, genehm gehalten und auszuantworten befohlen, wie wir denn in kraft dieses denselben hiermit nochmalen billigen und genehm halten, versprechen daneben bei unseren Königl. Worten, daß wir alles und jedes, was in demselben begriffen, treu und unverbrüchlich halten und erfüllen, auch soviel an uns, daß wider denselben, unter was Vorwand es auch sei, niemals etwas gehandelt oder aus den Augen gesetzt werden möchte, geschehen zu lassen versprechen. Zu dessen aller Beglaubigung haben wir diesen Brief mit eigner Hand unterschrieben und denselben mit unserem Königl. Insiegel zu bekräftigen befohlen. Petrikow, den 20. Oktober 1706.“

Aus den aus den Akten angeführten Stellen scheint klar hervorzugehen, daß Pfingsten dem Könige in Petrikow die volle Wahrheit nicht gesagt hat. Es ist nicht unmöglich, daß er ihm in der Zeit zwischen dem 15. und 20. Oktober dasselbe mitgeteilt hat, was er in seinem Briefe an Friesen letzterem am 18. September aus Grimma berichtete, daß nämlich der König von Schweden, wenn man nur seiner Generosität vertrauen wolle, mildere Bedingungen stellen würde. In demselben Briefe vom 18. September 1706[90] schreibt Pfingsten aber auch: „Wir haben Ihm [dem König von Schweden] nun zwar noch nicht entdeckt, daß unser allergnädigster König und Herr sothane Resolution [nämlich Niederlegung der polnischen Krone] schon gefaßt, sondern ihm nur vermeldet, daß man Sr. Maj. durch eine Staffette berichtet, worauf die Sache ankomme, und wären wir dero Entschließung alle Momente gewärtig“. Es ist ferner nicht unmöglich, daß Pfingsten dies dem Könige gesagt hat, um ihn zu veranlassen, diesen seinen Entschluß dem Könige von Schweden selber mitzuteilen und dadurch mildere Friedensbedingungen zu erlangen.

[64] Dies scheint der Grund gewesen zu sein, daß der König einen eigenhändigen Brief an Karl XII. schrieb und ihn zur Besorgung Pfingsten mitgab. Es ist der Brief, der in dem Gutachten der Geheimen Räte erwähnt ist und von dem sich Pfingsten großen Erfolg verspricht. Dieser Brief ist im Dresdner Hauptstaatsarchiv nicht vorhanden, Danielson und von Sarauw erwähnen ihn, führen aber den Wortlaut verschieden an und beziehen sich beide auf Adlerfeld. Dort[91] heißt es, der König August habe geschrieben „que comme la perte de son affection lui avait donné plus de chagrin, que la Couronne de Pologne ne lui avait donné de plaisir, la perte de celle ci lui devenait indifferente, puis qu’il regagnait par là son amitié.“ von Sarauw übersetzt: „so könnte es ihm nunmehr gleichviel gelten, ob er diese verliere, wenn er nur dadurch des Königs von Schweden Freundschaft wieder gewinnen würde“. In diesem Worte „würde“ liegt das bezeichnende für den Zweck des Briefes; der König August will entschieden ausdrücken, daß er die Krone noch nicht niedergelegt hat, sondern bereit ist, sie niederzulegen unter der Bedingung, daß er dadurch die Freundschaft des Königs von Schweden wieder gewinnen wird, d. h. mildere Friedensbedingungen erreicht. Dieser Brief erscheint daher als ein weiterer Beleg dafür, daß der König August am 20. Oktober nach der Unterredung mit Pfingsten noch nicht davon unterrichtet ist, daß der Friede bereits abgeschlossen ist, und die von Pfingsten ihm – vielleicht nicht einmal vollständig – mitgeteilten Friedensbedingungen für Vorschläge hält, über die noch weiter verhandelt werden kann. Aus diesem Grunde hat er auch seine „Monita“ gemacht „und solche zur genaueren Beobachtung Pfingsten gegeben“.

Davon, daß Pfingsten den Versuch gemacht hätte, mildere Bedingungen zu erlangen, ist nichts zu finden, seine in dem „Gutachten“ der Geheimen Räte wiedergegebenen Äußerungen widersprechen dem ebenso, wie die Schnelligkeit, mit der nach seiner Rückkunft nach Leipzig der Friedensvertrag vom König von Schweden veröffentlicht worden ist.

Karl XII., welcher in dem Schreiben des Königs August nur einen Akt der Höflichkeit sehen mußte, mit dem dieser den von ihm [65] scheinbar selbst ratifizirten und unterschriebenen Friedensvertrag begleitete und der keine Ahnung davon hatte, daß man von ihm erwartete, er werde aus Generosität mildere Bedingungen stellen, antwortete bereits am 4. November aus Altranstädt: „Durchlauchtigster, Großmächtigster König, freundlich viel geliebter Vetter, Bruder und Nachbar! Es ist mir kein geringes Mißvergnügen gewesen, daß ich bisher mit Ew. Maj. meinem so nahen Verwandten und Blutsfreunde in Mißverständnis habe stehen müssen, aber jetzt empfinde ich so viel größere Freude und Vergnügen, da Ew. Maj. zur Herstellung der vollkommenen Freundschaft und Vertraulichkeit so aufrichtig zu erklären beliebet und mir nun erwünschte Gelegenheit eröffnet ist, Ew. Maj. Proben meiner beständigen Freundschaft zu geben, welche bisherige Zeiten mir nicht haben gönnen wollen. Ich habe mich gegen Ew. Maj. Ministris, so mir dero wertes Schreiben eingehändigt, derfalls auch weiter erklärt und versichere Ew. Maj. übrigens, daß ich mich befleißigen werde zu zeigen, daß ich beständig verharre

     Altranstädt, 2. Novbr. 1706[92].

Ew. Maj.
freundwilliger Vetter und Bruder Carolus“.

König August konnte auch aus diesem Briefe nicht entnehmen, daß der Friede wirklich geschlossen und die Ratifikationen ausgetauscht seien, und war daher auch jetzt noch überzeugt, daß die Verhandlungen weiter geführt würden.

Danielson läßt es zweifelhaft erscheinen, ob Pfingsten dem Könige bei ihrer Zusammenkunft in Petrikow nicht doch die volle Wahrheit mitgeteilt habe, und führt daher zur Verteidigung Pfingstens einen Brief an, den dieser am 1. Dezember 1716 an den König geschrieben hat[93]. Die hier einschlagende Stelle lautet: „Ew. Königl. Maj. werden mir allergnädigst erlauben, nur kürzlich voritzo allerunterthänigst zu repräsentiren – – – mit was für promptitude und Treue ich mich zu Salvirung Dero hohen Reputation resolviret, alles über mich zu nehmen und mich eine Zeit lang vor Ew. Königl. [66] Maj. zu sakrifiziren.“ – Danielson stellt darauf (S. 16) folgende Hypothese auf: „Pfingsten fühlte sich nicht ohne Schuld. Er wußte, daß er schon wegen der Nichtbeachtung des in den Instruktionen ,nicht undeutlich‘ gemachten Vorbehalts hinsichtlich der schwedischen Invasion harter Strafe verfallen sei. Aber das Bekanntwerden jenes Vorbehalts war zu jener Zeit, da Imhoffs und Pfingstens Prozeß abgespielt wurde, dem Könige keineswegs gelegen. Im Gegenteil es kam ihm darauf an, die Welt glauben zu machen, daß er in seinen Instruktionen und während jenes Aufenthalts in Petrikow auf die polnische Krone nicht verzichtet habe, sondern erst später durch den gröbsten Betrug in die Gewalt des Feindes gelockt, sich zu diesem Schritt genötigt gesehen. Vielleicht wurde Pfingsten durch Vorspiegelung eines milderen Verfahrens bewogen, ein größeres Vergehen, als das seinige eigentlich gewesen, als Schuld zu übernehmen. Vielleicht wurde er überredet, vor der Untersuchungskommission auszusagen, daß er das Friedensinstrument und somit den Inhalt des Vergleiches dem Könige vorenthalten, durch welches Geständnis dann der falsche Schein entstand, als wäre der König in der That der Verzichtleistung auf die polnische Krone, jenes Verrats an seinen polnischen Anhängern nicht schuldig“.

Ganz anders wieder faßt von Sarauw (S. 214) den Fall auf; er schreibt: „Könnte irgend ein Zweifel darüber bestehen, daß die ganze nachherige Haltung Imhoffs und Pfingstens ein mit dem Könige abgekartetes Spiel war und auf den zwischen den beiden Letzteren in Petrikow getroffenen Verabredungen beruhte, so muß ein solcher vor Pfingstens eigner Aussage zu Boden fallen. [Er berichtet hierauf den oben mitgeteilten Brief Pfingstens.] Erst 10 Jahre nach der Verabredung in Petrikow wagte Pfingsten den König an das von ihm damals gebrachte große Opfer zu erinnern, um das harte Loos, das ihn infolgedessen betroffen, gemildert zu erhalten. – – – Als nun aber ein Jahr nach dem anderen verging, ohne daß der König Miene machte, ihm den Rest der Strafe zu erlassen, wagte Pfingsten es, ihn an die Vorfälle in Petrikow zu erinnern, und lieferte uns so den unumstößlichen Beweis für die Richtigkeit der von uns davon in Obigen gegebenen Darstellung.“

Um von Sarauws und auch Danielsons Auffassung der Sache glaublich erscheinen zu lassen, müßten noch schlagendere Beweise beigebracht werden; doch mußten beide, hauptsächlich von Sarauws [67] Hypothese, hier erwähnt werden, da wir auf dieselbe zurückkommen werden.

Am 16. Oktober, also nachdem Pfingsten schon beim König in Petrikow eingetroffen war, hatten die Geheimen Räte wieder einen Bericht[94] an den König abgehen lassen, der so beginnt: „Bei Ew. Königl. Maj. wird der Geh. Referendar Pfingsten sich nunmehr allerunterthänigst eingefunden und dasjenige überbracht und referirt haben, was zu Leipzig bis zu seiner Abreise passirt“. Darauf folgt eine Schilderung der vom König von Schweden verlangten Kontributionen, worauf der Bericht fortfährt: „Am verwichenen Dienstage ist der Kaiserl. Gesandte Hr. Graf Wratislau, Königl. Böhmischer Kanzler zu Leipzig ankommen und hat von dem Frhrr. von Imhoff zu wissen verlangt, worauf er seinen Antrag bei Ihro Maj. dem Könige von Schweden zu faveur Ew. Königl. Maj. thun sollte, was bisher traktirt worden und was Ew. Königl. Maj. dessin sei? bei welcher Frage und Beantwortung er zweifelsfrei alle praecaution gebraucht haben wird. Das Hauptwerk und folglich auch die moderation der Kontributions-Summe und Einrichtung der Quartier-Lasten kommt auf dasjenige an, was besagter Geh. Referendarius Ew. Königl. Maj. bereits wird vorgetragen haben, davon auch die andern Entschließungen Ew. Königl. Maj. mit dependiren und hofft der Geh. Rat von Imhoff, wenn es mit dem, was Pfingsten mitgebracht, zur Resolution und Approbation gedeihet, daß die Kontributionen und ganzer Zustand der Hybernen sich verändern werden, welches sonst so unmerklich groß, daß bei vorigem Kriege das ganze Römische Reich allen schwedischen in Deutschland befindlichen Armeen vor 18jährige Satisfaktion nicht so viel gegeben hat, als itzo von diesem armen Lande auf wenige Monate erfordert wird etc.“.

Dieser Bericht, der abermals den König in der Meinung bestärken mußte, daß es sich immer noch um Unterhandlungen vor dem Friedensschlusse drehte, traf kurz vor der Schlacht von Kalisch ein. Der König stand damals mit einem aus Sachsen, Polen und Russen bestehenden beträchtlichen Heere dem in Polen zurückgelassenen schwedischen General Mardefeld gegenüber, und ein Zusammenstoß mit diesem schien unvermeidlich. Karl XII. hatte Pfingsten bei seiner Abreise aus Leipzig am 25. September eine Ordre an diesen [68] General mitgegeben, er solle einem Zusammenstoß mit dem Heere des Königs August ausweichen. Diese Ordre war indessen aus Versehen nicht in die Hände Mardefelds gekommen und er blieb stehen. König August hatte darauf in der Meinung, daß es sich noch um Präliminarien handelte, ebenfalls ein Schreiben an Mardefeld gelangen lassen, in welchem er ihn vor einem Zusammenstoß warnte. Dieses Schreiben aber hatte Mardefeld für eine Falle gehalten und ging nun zum Angriff über, worauf er am 29. Oktober bei Kalisch aufs Haupt geschlagen und für seine Person gefangen genommen wurde. Da der König August den General sowohl wie die anderen Gefangenen sehr bald in Freiheit setzte und Imhoff in Leipzig dem Könige Karl XII. beruhigende Erklärungen abgab, so hatte die Sache keine weiteren üblen Folgen.

Am 4. November hatten die Geheimen Räte dem Könige mitgeteilt, daß der Graf Werthern, Gesandter in Regensburg, Bedenken getragen habe, das Schreiben des Königs aus Yltza vom 9. Oktober, in welchem er ein Einschreiten aller Mächte durch Bildung einer Koalition verlangt hatte, weiter zu expediren, da es bei „itziger Bewandnis der affairen nicht den geringsten Nutzen bringen, vielmehr aber dero hohen Interesse sehr schädlich sein“ würde[95]. Darauf hatte der König unter dem 24. November aus Warschau geschrieben, daß er hiermit ganz einverstanden sei und daß man mit Überreichung dieses Schreibens noch warten solle, bis sich die Angelegenheiten geklärt hätten[96].

Die Stimmen aus dem Lande, die eine Rückkehr des Königs nach Sachsen forderten, wurden indessen immer dringender, so daß er endlich nachgeben mußte und seine Abreise nach Sachsen beschloß. Die Sache stieß natürlich auf Schwierigkeiten und mußte mit Vorsicht betrieben werden, da man fürchtete, die in seiner Nähe befindlichen polnischen und russischen Truppen würden sich seiner Abreise widersetzen, wenn sie deren eigentlichen Zweck erführen. Indessen, nachdem er in einem Schreiben vom 27. November[97] den König von Preußen um Genehmigung des Durchmarsches seines Hofstaates und seiner Leibgarden durch preußisches Gebiet nach Sachsen gebeten hatte, erließ er am 28. November[98] eine Instruktion an den General von Plötz, das Kommando über die in Polen zurückbleibenden [69] Truppen betreffend. In dieser Instruktion betonte er ausdrücklich, Plötz möchte sich in keiner Weise mit den Schweden in Feindseligkeiten einlassen, sondern ihnen so viel als möglich ausweichen. In den ersten Tagen des Dezember reiste er selbst aus Warschau nach Sachsen ab.

General Flemming, welcher um diese Zeit in politischer Mission an den Höfen von Hannover und Berlin thätig gewesen war, hatte unterdessen Kenntnis von dem Wortlaute des Friedensvertrages erhalten, war im höchsten Grade entrüstet darüber und beschloß sich mit dem Könige darüber auszusprechen. Er hat über die Sache, auf Befehl des Königs, – allerdings erst am 21. Dezember 1707, also ein Jahr später – eine Relation[99] verfaßt, der wir folgendes entnehmen. Er giebt „nach dem Gedächtnis“ an, daß er zuerst durch den Geh. Rat von Hoym und den General von Schulenburg, als er sich auf dem Wege nach Krakau befand, in Tostou (?) in Schlesien eine Kopie des in Altranstädt geschlossenen Friedens erhalten habe. „Wie wir nun bald darauf zusammen in Warschau anlangten und allda Ihro Maj. jetzt erwähnter Friede von dem Geh. Rat von Hoym in copia vorgelegt wurde, wollte Selbige diesen Traktat vor ihren Frieden nicht anerkennen. Ob Sie gleich gestunden, daß Sie auf die Zeitung des schwedischen Einfalls in Sachsen, zu Verhütung und Abwendung des gänzlichen Ruins Ihres Kurfürstentums und Lande, sich endlich zwar zum Frieden resolvirt, auch den Hr. Pfingsten deshalb Instruktion und Blankete nach Sachsen mitgegeben hätten; dennoch aber könnten Sie Sich nicht einbilden, daß der Friede auf solche Art sollte getroffen sein und wüßten Sie nicht einmal wie weit es mit den Traktaten gekommen sei. – Dergleichen versicherte auch des Herrn Oberhofmarschalls Excellenz und wurde, meines Bedünkens, noch dieses dabei gesagt, daß die Abrede mit dem Geh. Referendar Herrn Pfingsten also genommen worden, daß er von Zeit zu Zeit von seiner Verrichtung relationiren sollte und daß man ihm dabei Ordre erteilt hätte, die Sache dahin zu dirigiren, daß Königl. Maj. mit dem König von Schweden auf der schlesischen und sächsischen Grenze zusammen kommen könnten“. – Hoym veranlaßt darauf Flemming, mit ihm [70] zusammen nach Breslau zu gehen; von dort werden beide durch Königl. Befehl nach Tamitz[100] in Schlesien, einem dem Grafen Nostitz gehörigen Gute, beordert, wo der König vorübergehend Aufenthalt genommen hatte. „Bei unserer Ankunft bezeigten Ihre Königl. Maj. nochmals höchstens ihren Unwillen über den Frieden und waren darüber sehr empfindlich“. Ja indem sie lange auf den Herrn Pfingsten warten mußten und also Zeit hatten, den Punkten reichlicher nachzudenken, so fanden sie solche so hart und despektirlich, daß sie einst aus Ungeduld in diese Worte gegen mich ausbrachen: „Ich weiß wohl, was hierbei zu thun ist, wenn sie werden kommen, so will ich den Frieden zerreißen und die Fabrikanten auf Königstein setzen lassen!“ – Flemming rät darauf dem König, vor der Hand von einer Arretirung abzusehen und die Kommissarien erst zu hören, vielleicht seien noch andere Nebenpunkte ausgemacht, und dem Könige eine andere Krone in Aussicht gestellt. [Sollte hier Neapel gemeint sein?] – „Bei so gestellter Sache kam endlich Herr Pfingsten des Nachts an und wie mir und dem Herrn von Hoym, als die wir zusammen logirt waren, den anderen Tag berichtet worden, so hatte sich derselbe in eben der Nacht, da er angekommen, lange Zeit bei Ihrer Königl. Maj. verweilet. Als nun auf den folgenden Morgen darauf der Herr von Hoym zu Ihro Maj. dem Könige gegangen, gedachte selbiger gegen mich, daß Ihre Königl. Maj. erwähnt, als wenn Herr Pfingsten mit ihm von einigen Nebenartikeln geredet. Wir verfügten uns darauf beide zu dem Herrn Pfingsten, er wollte aber von keinen Nebenartikeln etwas gestehen, sondern versicherte, daß diejenigen Punkte, die wir vor despektirlich und disreputirlich hielten, eben die rechten Friedenspunkte wären.“ – Es wird darauf für den anderen Tag, den 11. Dezember 1706, eine Beratung angesetzt, an welcher der König, der Oberhofmarschall Graf Pflug, der Geh. Rat von Hoym, Flemming und Pfingsten teilnahmen „und entstund darauf bei mir ein Zweifel, ob vielleicht Königl. Maj. dennoch nicht mit Pfingsten d'accord wäre und daß wir in Allem [71] der Sachen nicht sollten kund werden“. Diese Zweifel teilt er Hoym mit und berät mit ihm, ob sie beide überhaupt noch gegen den Frieden reden sollten, der doch vielleicht schon ratifizirt und an dem nun nichts mehr zu ändern wäre. Nachdem aber in der Konferenz „der Friede von Herrn Pfingsten abgelesen worden“, kann sich Flemming nicht mehr halten und spricht „mit Vehemenz“ seine Meinung darüber aus, worauf der König sagt: „Flemming hat Recht, und wenn ich im Turm gesessen hätte, so hätte ich keinen schlimmeren Frieden machen können“, worauf Pfingsten, nachdem auch die anderen Anwesenden ihre Ansichten ausgesprochen haben, erwiderte, es wäre mit den Schweden nichts anderes zu thun gewesen. Hierauf trat man in die Beratung der einzelnen Punkte ein, und als hierbei Pfingsten gefragt wurde, wodurch er beweisen wolle, wie einzelne Punkte zu verstehen und auszulegen wären, antwortete er: „durch das Protokoll“. Als man aber dieses Protokoll zu sehen verlangte, gab er an, dasselbe sei hier nicht vorhanden, sondern in Sachsen. Auf weiteres Befragen, ob das Protokoll von beiden Parteien unterschrieben sei, antwortete er mit Nein. Auf die hierauf erhobene Vorstellung, daß durch ein einseitig unterschriebenes Protokoll nichts bewiesen werden könne und man daher ganz der Diskretion der Schweden überlassen wäre, „antwortete Herr Pfingsten, die Schweden wären ehrliche Leute und hätten sie ihm hierüber Versicherung gethan, wovon sie nicht recediren würden; ob nun wohl hierbei Herrn Pfingsten vorgestellt wurde, daß bei Traktaten nicht sowohl auf die Ehrlichkeit, als dasjenige, was zu Papier gebracht wäre, gesehen würde, so blieb er doch bei seiner Meinung“. – Nachdem hierauf sämtliche Artikel des Friedensinstrumentes durchgesprochen waren „concludirten endlich Se. Maj., daß man durch den dänischen Herrn Ambassadeur, der damals in Schlesien auf der Reise nach Leipzig begriffen war, versuchen sollte, ob durch dessen, als auch der anderen hohen Aliirten Minister, die damals in Leipzig sich befunden, Vermittlung und Vorstellung bei dem Könige von Schweden die harten Punkte des Friedens möchten moderirt und geändert werden“.

Pfingsten muß hierauf diese ausgewählten Punkte aufsetzen und Flemming erhält den Auftrag, dieselben dem dänischen Gesandten von Jessen zur Besorgung zu übergeben, dann aber nach Berlin zurückzureisen und dem dort befindlichen polnischen Kronschatzmeister [72] mitzuteilen, daß er sich vor der Hand an diesen Frieden nicht kehren solle.

Noch vor Flemmings Abreise nach Berlin wird vereinbart, der König solle vor der Hand nicht nach Sachsen zurückkehren, sondern versuchen, den König von Schweden zu einer Zusammenkunft an der schlesischen oder böhmischen Grenze zu bewegen, wo beide mit einander beraten könnten. Wenn die beiden Monarchen dort sich nicht einigen könnten oder der König von Schweden die Zusammenkunft ablehne, sollte der König August nach Krakau zurückkehren. Damit schließt die nach dem Gedächtnis aufgesetzte Darstellung Flemmings.

Diejenigen Punkte, deren Abänderung gewünscht wurde und die dem dänischen Gesandten von Jessen zur Übermittelung an den König von Schweden mitgegeben wurden, waren in der Hauptsache folgende [101]:

1. Der König August will den Titel und das Wappen eines Königs von Polen zeitlebens führen, obgleich er auf die Krone von Polen verzichtet, und verpflichtet sich nur, dieses Titels und Wappens sich Schweden gegenüber nicht zu bedienen.

2. Alle lauda und Reichsschlüsse seit dem Jahre 1704 aufzuheben, steht nicht in der Macht des Königs, sondern kann nur vom Kaiser angeordnet werden.

3. Der König weigert sich, dem Prinzen Jacob Sobiesky alle Kosten zu vergüten, die dieser seit dem Jahre 1694 aufgewendet hat.

4. Da Schweden nur so viel gefangene Sachsen zurückgeben will, als es gefangene Schweden erhält, so verlangt man die Zurückgabe sämtlicher gefangener Sachsen.

5. Der König will den General Patkul nicht ausliefern, verspricht aber, denselben in ewigem Gewahrsam zu behalten. Die Gewährung dieses Punktes hätten die schwedischen Minister bereits in Aussicht gestellt.

6. Die russischen Hilfstruppen sollen nicht ausgeliefert werden, denn dieselben seien keine solchen mehr, sondern seien in den sächsischen Dienst übernommen und als solche ins Feld an den Rhein geschickt worden.

[73] 7. Eine Rehabilitirung des durch ein Kriegsgericht verurteilten Obersten Görtz stehe dem Könige nicht zu, da nicht er, sondern der Zar diesen Spruch bestätigt habe.

8. Man verlangt, daß ein Zeitpunkt festgesetzt werde, wann die schwedischen Truppen das sächsische Land wieder verlassen haben müssen, und daß die Zahl der während dieser Zeit zu verpflegenden Truppen genau angegeben werde.

Daß eine Besprechung in Tamitz stattgefunden hat, wo die eben genannten Punkte aufgestellt wurden, ist erwiesen; dieselben sind im Archiv getrennt von dem Berichte des Grafen Flemming aufgeführt. Ob die Angaben, welche Flemming in seinem Berichte macht, ganz der Wahrheit entsprechen, muß dahin gestellt bleiben, doch darf man annehmen, daß dies der Fall ist, obgleich Flemming, wie er ja selber zugesteht, nur aus dem Gedächtnis referirt. Auch Danielson sagt (S. 20, Anm. 2) „Die Glaubwürdigkeit dieses Aktenstückes ist nicht ganz verbürgt, da es auf Befehl des Königs für die Untersuchungskommission im Imhoff-Pfingstenschen Prozesse verfaßt ist. Einige Punkte desselben finden doch durch andere Quellen ihre Bestätigung“.

Von ganz besonderem Interesse ist die Stelle in dem angeführten Bericht, wo Flemming schreibt: „und entstund darauf bei mir ein Zweifel, ob vielleicht Königl. Maj. dennoch nicht mit Pfingsten d’accord wäre und daß wir in Allem der Sachen nicht sollten kund werden“. Dieser damals schon bei Flemming entstandene Zweifel könnte dem von Sarauw (S. 214) ausgesprochenen Verdacht, daß die ganze Sache ein zwischen dem König und Pfingsten abgekartetes Spiel gewesen sei, neue Nahrung geben.

König August wartete eine Zusammenkunft mit Karl XII. an der Grenze nicht ab, sondern reiste mit großer Schnelligkeit nach Dresden, wo er am 15. Dezember eintraf, am 16. nach Leipzig und hatte am 17. Dezember bereits seine erste Zusammenkunft mit Karl XII.




Kehren wir hierauf zur Schilderung der Begebenheiten zurück, welche sich nach Abschluß des Friedens in Sachsen abspielten.

„Am 21. September traf der König Karl XII. an der Spitze seiner Trabanten und begleitet von 2 Regimentern Kavallerie im [74] Dorfe Altranstädt ein, dislocirte die Truppen in die umliegenden Ortschaften und nahm sein Hauptquartier auf dem Schlosse des Freiherrn Nicolaus von Friesen (eines Neffen des Geheimen Rates und Kanzlers Otto Heinrich Freiherrn von Friesen), das geräumig genug war, einen solchen Gast zu beherbergen. Hier auf dem Schlosse wurde am 24. September der Friede unterzeichnet. – „Noch heute zeigt man uns das sogenannte Friedenszimmer auf dem Schlosse. Es liegt im zweiten Stockwerk auf der Südseite, ist mit den Bildern Augusts und Karls geschmückt und mit einem alten Tisch versehen, auf dessen Schieferplatte ein großes bleiernes Tintenfaß steht, das beim Akt der Unterzeichnung benutzt worden sein soll“[102].

Da Karl XII. ebenso sehr wie dem König August daran gelegen sein mußte, daß der Abschluß des Friedens, hauptsächlich aber der Wortlaut des Friedenstraktates streng geheim gehalten, dem König August aber genügend Zeit gelassen würde, sich aus der Verbindung mit den Polen und Russen zu befreien, wurde ein Waffenstillstand auf 10 Wochen verabredet.

Der Eingang der von Schweden am 25. September erfolgten Veröffentlichung lautete: „Wir Karl von Gottes Gnaden König der Schweden etc. Nachdem Wir vor gut befunden, alle Feindseligkeiten im Kurfürstentum Sachsen und darunter gehörige Länder aufzuheben und in der Stelle einen Stillstand auf 10 Wochen zu treffen und zu bewilligen, ergeht hiermit etc.“

Am 27. September erfolgte sächsischerseits durch das Geheime Ratskollegium die Veröffentlichung: „Wir Friedrich August von Gottes Gnaden König von Polen etc. – demnach mit I. K. Maj. in Schweden Wir einen Stillstand der Waffen auf 10 Wochen dergestalt getroffen, daß alle Feindseligkeiten in Unserem Kurfürstentum Sachsen, dessen inkorporirten und anderen Uns zugehörigen Ländern aufgehoben sein sollen; inmaßen Ihro Königl. Maj. unterm dato Hauptquartier Altranstädt den 25. dieses Monats solches öffentlich bei dero Armee verkündigen lassen, und dann die Notdurft erfordert, daß auch Wir dergleichen Publikation zu Werk zu richten verfügen, als ergeht etc.“[103].

[75] In keiner der beiden Veröffentlichungen war auch nur die geringste Andeutung gemacht, daß ein Friede geschlossen oder auch nur in naher Aussicht war und wirklich war es, wie wir später sehen werden, gelungen, das Geheimnis vollständig zu wahren, bis endlich im Monat November der Friede selbst veröffentlicht wurde.

Auf die von König Karl XII. aus Taucha vom 20. September erlassene Bekanntmachung hin, daß allen in- und ausländischen Kaufleuten, welche die Leipziger Messe zu besuchen gesonnen wären, volle Freiheit gewährt werde, hatte auch der Bürgermeister und Rat der Stadt Leipzig am 25. September eine gedruckte Bekanntmachung veröffentlicht, nach welcher die Michaelismesse ihren ungestörten Fortgang habe[104].

Am 14. September hatte Karl XII. schon vom Nachtquartier Meißen aus ein Rundschreiben an die Vertreter der Ritterschaft und Städte ergehen lassen, in welchem sie zu einer gemeinsamen Tagung nach Leipzig auf den 2. Oktober geladen wurden, um dort über die Verpflegung der schwedischen Truppen zu verhandeln. Als die Stände zusammengekommen waren, erging unterm 4. Oktober an die Geheimen Räte von dem Kabinet Karls XII. eine Verordnung, wonach diese angewiesen wurden:

„1. zu spezifiziren, wie vielerlei Domänen vorhanden und was jedwedes derselben in den zwei jüngst verflossenen Jahren, es bestehe in ordinari oder extraordinari quatember, Gesandtschafts-Kosten, bewilligten Milliongulden, extraordinari Miliz Beihilfe, Verzinsung der aufgenommenen Kapitalien, Vermögens-, Korn-, Defensions- und Rauchfutter-Steuern, samt Accise, Land und Tranksteuern und anderen imposten (welches Namens sie sein mögen) ausgetragen habe;

2. durch ergangene Ausschreibungen zu verifiziren, auf welche Art und Weise, nach Schocken nämlich oder Hufen jedwede Sorte der ordinari und extraordinari Kontribution verrechnet werden;

3. einen Unterricht zu erteilen, wie viel ein jeder Kreis jährlich erleget und quo titulo er dazu gehalten sei;

4. anzugeben, auf was Weise die drei fürstlichen Häuser Weißenfels, Merseburg und Zeitz den Beitrag bisher gethan, wie auch, welche Teile von dero Landschaften davon seien befreit gewesen, oder ihres Vorgebens hätten befreit sein sollen[105].

[76] Man ersieht hieraus, wie die schwedische Militärintendantur ganz genaue Unterlagen über die Steuerkraft des Landes besitzen wollte, um danach ermessen zu können, in welcher Höhe die von ihr verlangten Kontributionen ausgeschrieben werden könnten. Eine Weigerung der Geheimen Räte, diesem Befehl Folge zu leisten, würde zu nichts geführt und die Sache nur verschlimmert haben, sie mußten daher die gethanen Fragen auf das genaueste beantworten. Und doch ist später dem Geh. Rat und Kammerpräsidenten Imhoff – dem Finanzminister – darüber ein gewiß ungerechter Vorwurf gemacht worden, denn in der gegen ihn erhobenen Anklageschrift[106] wird er beschuldigt, „daß er als Kammerpräsident wider Pflicht, Unseren ganzen Kammeretat aller Einnahmen den Schweden kommunizirt, auch den modum, der Kontribution nach, den Schweden selbst an die Hand gegeben haben soll“.

Einen Blick in die damals herrschenden Verhältnisse thun wir beim Lesen eines Briefes, den der oben schon erwähnte Stadtschreiber Jentzsch aus Meißen schrieb, als er schon vor Eröffnung des Landtages in Leipzig anwesend war. Er schreibt am 23. September[107]: Gestern warteten wir Ihro hochgräfliche Excellenz von Stenbock auf, der gab Allen gute Vertröstung, die ich mündlich referiren will, weil den Briefen nicht viel anzuvertrauen und die Posten angehalten und die Briefe visitirt werden. Ingleichen waren wir etliche Male bei dem Herrn Adlerstern und expedirten, was wir mit ihm zu negociren hatten. – – Anitzo wollen wir ins schwedische Lager fahren, so 1½ Meilen von hier und allda auch zusehen, was etwa zu thun sein möchte. – Das hiesige Schloß und das Grimmaische Thor ist mit Schweden besetzt, sonst aber in der Stadt keine Einquartierung außer etliche Große, so hin und her vom Rat einlogirt werden. Sonst wird von schwedischer Generalität eine rechte Ordonnanz verfertigt, nach welcher sich ihre Truppen genau reguliren und halten sollen, worinnen allen bisherigen Exzessen vorgebeugt und selbige abgestellt werden sollen. – – Es ist im Leipziger Kreise mit dem Marsche ebenso gegangen, wie im Meißnischen geschehen, und wenn ein Dorf ausgezehrt, wird das andere angepackt, jedoch weil die Herren Schweden merken, daß sie auf solche Weise [77] endlich selbst darben dürften, ist gestern Ordre ergangen, daß alle Offiziere das überleie Gesinde und Pferde abschaffen sollen; kurz das Land wird dermaßen ausgesogen werden, daß wenig Vorrat nur zum Samen übrig bleiben dürfte. Ihro Maj. sind zweimal durch Leipzig geritten und haben sich umgesehen, des Nachts aber stets im Lager blieben. Der Herr von Imhoff ist hier im Fürstenhause einlogirt nebst dem Herrn Pfingsten und Herrn Zechen, und haben noch keine Audienz gehabt, sondern es wird alles bis auf den 2. Oktober differirt und dahin vertröstet, da dann sehr schwere Punkte proponirt werden möchten etc.“

Das Proponiren der sehr schweren Punkte blieb denn auch nicht lange aus, denn am 4. Oktober konstituirte sich der außerordentliche Landtag oder die Versammlung der Vertreter der Ritterschaft und Städte und wurde ihnen die Forderung des Königs von Schweden mitgeteilt.

Karl XII. forderte vom Lande die Zahlung von 625 000 Thalern monatlich zum Unterhalt seiner Truppen. Dem widersetzten sich die versammelten Stände, boten aber immerhin 400 000 Thaler monatlich an. Karl XII. blieb unerbittlich und gab nur insofern nach, als er gestattete, daß nur 500 000 Thaler monatlich in barem Gelde, 125 000 Thaler aber in Form von Rationen in natura, d. h. in Hafer, Heu und Stroh geliefert wurden. Bereits am 21. September 1706 war aus Altranstädt „Ihro Königl. Maj. von Schweden Verordnung, wonach dero Miliz im Kurfürstentum Sachsen sich zu reguliren und zu richten“ gedruckt erschienen[108]. Diese regelte, in welcher Weise Offiziere und Mannschaften ihr richtiges Feldtraktament erhalten sollten, ordnete an, daß in den Quartieren nichts ohne Bezahlung entnommen werde außer Fourage, und enthielt endlich Bestimmungen darüber, wie diese Anordnungen durchgeführt und in welcher Weise die Handhabung der Disziplin aufrecht erhalten werden sollte. – Nach der Verhandlung mit den Ständen aber erließ das schwedische Feldkriegs-Kommissariat, General Stenbock, eine weitere Verordnung[109] des Inhalts, daß die Truppen, denen Hausmannskost von den Quartiergebern zu liefern wäre, diese bar zu bezahlen hätten, worüber von den Regimentskommandeuren [78] nach den Bestandsrapports Nachweise geliefert werden sollten, während die Fourage für die Pferde von den Quartiergebern umsonst zu liefern wäre. Eine Mundportion für die Mannschaft hatte zu bestehen aus: 2 Pfund Brod, 2 Pfund Fleisch, ½ Mäßchen Gemüse, 3 Kannen Bier, ½ Pfund Butter oder Speck; die tägliche Ration für ein Pferd aus: 1 Metze Hafer, 16 Pfund Heu, 2 Metzen Heckerling.

Die vom Lande aufgebrachte Kontribution floß in die schwedische Kriegskasse, diese bezahlte an die Obersten, nach Ausweis der Bestandsrapporte, die von den Quartiergebern gelieferten Mundportionen und die Obersten zahlten die Quartiergeber aus. Bei der strengen Handhabung der Disziplin im schwedischen Heere war hierdurch Ordnung in die Verpflegung der Truppen gebracht, es hatten aber auch nicht die jeweiligen Quartiergeber allein die Lasten des Krieges zu tragen, sondern diese wurden dadurch auf das ganze Land verteilt. Endlose Streitigkeiten entstanden darüber, ob die Kontribution nach Schocken, Kaisergroschen, Hufen, nach der Trank- und Landsteuer oder nach welchem anderen Modus aufgebracht werden sollte, wer davon befreit sein sollte u. s. w., und endigten erst mit dem Ausmarsche der Schweden aus dem Lande.

Die sächsische Armee hatte mittlerweile ihren Rückzug ununterbrochen fortgesetzt. Schulenburg befand sich nicht bei der Armee selbst, deren Führung er dem General von Dünewald übertragen hatte, indessen leitete er ihre Bewegungen. Am 26. September[110] schreibt er aus Bamberg an die Geheimen Räte, es sei ihm mit vielen Schwierigkeiten gelungen, die Truppen nach dem Thüringer Walde zu führen, jetzt ständen sie bei Fulda und er bitte um Nachrichten aus dem Lande. Am 4. Oktober[111] aber schickt er aus Vilbel bei Frankfurt a. M. einen ungemein ausführlichen Bericht an den König August, in welchem er ein trauriges Bild von dem Zustande der Truppen entrollt. Nachdem er zuerst von dem Einmarsch der Schweden ins Land berichtet und deren Zusammenstoß mit dem Regiment Jordan bei Reichenbach geschildert, ergeht er sich des weiteren über die Art und Weise, wie es ihm gelungen sei, die Armee zu konserviren und auch noch die Bataillone, welche die [79] Garnison von Leipzig bildeten, an sich heranzuziehen. Dann aber fährt er fort: „Nun war man des Vorhabens um die Truppen, zu welchen die Rekruten erst abgegeben und welche noch nicht imstande waren, ihr Gewehr im geringsten zu gebrauchen, nicht übern Haufen werfen zu lassen, mit denselben den Marsch weiter zurück zu nehmen. Den 17. September aber wurde die Arrieregarde vom Feinde angegriffen und stießen auch einige Eskadrons auf diejenige Mannschaft, so von dem Jordan’schen Regiment sich noch bei den Truppen befunden. Die Truppen wurden darauf genötigt, sich noch weiter zurück zu ziehen und indes durch das stetige Marschiren sehr fatiguirt. Über dem aber wurde denselben, wohin sie auch vorausschickten, die Subsistenz, wo nicht gänzlich versagt, dennoch allenthalben sehr diffikultirt, worüber bei den schweren Fatiguen die Leute sehr schwierig und aufstützig wurden, daß auch viele von der Kavallerie anfingen, sich abzuschleichen und davon zu reiten. Unterschiedene von der Infanterie, so nicht folgen konnten, suchten auch ihre Abwege und blieben zurück. Die Bagage aber, so man vorausgeschickt, weil ihr fast überall die Subsistenz versagt wurde, suchte zum Teil solche im Erfurt’schen, teils im Gothaischen und Eisenach’schen zu haben, bis man solche nach Ilmenau, allwo der Marsch der Truppen hingerichtet war, wieder zusammen gezogen hat, doch weil sie Tag und Nacht marschiren müssen und sonst niemals ihre Subsistenz haben konnte, sehr ermüdet alldort angekommen. Es setzte aber der Feind mit seiner Kavallerie den Truppen beständig nach und setzte auch den 22. gegen Ilmenau mit dem Tage an, und da die sächsischen Truppen Tags zuvor in den Thüringer Wald gerückt und sich bei Frauwalde postirt, wurden von dort alsbald 5 bis 6 Passagen besetzt und eingenommen, die Kavallerie aber passirte den Wald und setzte sich allda in die nächstgelegenen Örter, damit die Infanterie durch selbe sekundirt würde, auch wenn ein und anderer Posten sollte forcirt werden, sich auf solche retiriren könnte. Der Feind aber poussirte die ausgeschickten Parteien und Vorwachen dergestalt, daß er mit denselben zugleich bei Ilmenau ankam, wodurch er Gelegenheit fand, wenige von der in der Stadt Ilmenau zu Besetzung derer Passagen befindlichen Infanterie beizukommen und einige davon gefangen zu nehmen“. Noch schlimmer schildert er dann die Zustände auf dem Marsch über Hildburghausen nach Fulda, dort sei ihnen die Subsistenz gänzlich [80] versagt worden, so daß die Leute ihre Montirung verkauft hätten und desertirt wären. In vielen Orten sind den Dragonern des Nachts die Pferde aus dem Stalle gezogen worden, die Bauern hätten zum Gewehr gegriffen und sogar auf den Obersten von Reibnitz geschossen. „Das Weissenfelsische Bataillon hat sich bis auf einige Mann und wohl mehrenteils wieder nach Sachsen verlaufen.“ Das Drost’sche Bataillon hat rebellirt und die Offiziere, als sie einschreiten wollten, zu erschießen gedroht. Hauptmann Schindler hat durch „übel geführte conduite und unanständige Reden“ das Fürstenbergische Regiment aufrührerisch gemacht, daß die Leute davon gegangen sind, ist aber in Arrest genommen worden u. s. w.

Über das oben geschilderte Gefecht von Ilmenau liegt an derselben Stelle im Archiv eine Mitteilung von schwedischer Seite vor, wonach die Schweden dort verloren haben: 1 Kapitän, 1 Rittmeister tot, 1 Kapitän, 1 Rittmeister und 2 Kornets blessirt und 150 Gemeine tot und blessirt.

Wie bereits erwähnt, befand sich General Schulenburg nicht persönlich bei der Armee, sondern wurde selbst erst durch den General Dünewald von diesen Vorfällen unterrichtet. Zwei dieser Berichte, welche Dünewald an Schulenburg richtete, mögen hier Platz finden [112]:

„Aarlem den 4. Oktober 1706. Von uns sein bis auf Bamberg zu keine desertirt, seit 2 Tagen aber, daß der bruit im Lande, als wenn mit Sachsen und Schweden ein Stillstand auf 10 Wochen getroffen, seien wohl schon 20 mit voller Montirung desertirt und erfahre ich alleweil, daß ein Leutnant vom Wrangel’schen diese Nacht in einem Dorfe gelegen, wo Kirchweih gewesen, diesem nun haben die Bauern einen falschen Lärm gebracht, die Wallachen wären vorm Dorfe, worauf der Leutnant ohne Nachdenken mit höchster präcipitanz sich aufgemacht, das Dorf quittirt und in der Nacht wie ein verlassener Mensch herumgeritten; durch dieses aber hat er Gelegenheit gegeben, daß 5 der besten Mannschaft abermals mit aller Montirung echappirt. Den Leutnant aber, so es sich in der That befindet, werde allsofort beim Kopf nehmen lassen, mit einem Wort, der Fehler liegt halt bei den Offizieren, welche bei diesem Dienst so viel Verdruß zeigen und also die Leute mit intimidiren.“

[81] „Esselbach den 9. Oktober 1706. Unter den Leuten des Hufbeschlages waren grausame Exzesse eingeschlichen, wie sie dann mit Geldpressuren einen ziemlichen Anfang gemacht; ich habe sie aber nicht allein zur Restitution angehalten, sondern ihnen auch sonsten so begegnet, daß ihnen bis dato die Lust vergangen und weiter keine Klage eingelaufen, außer vorgestern, da der Fourier vom Oberstleutnant Michel einen grausamen Exzeß begangen, ich habe ihn zum Profos schließen lassen und ist die Sache von solcher Beschaffenheit, daß Kriegsrecht über ihn gehalten werden muß. Es hat auch ein alter Leutnant von Wrangel einen schändlichen Streich gemacht, welcher recht lasch, und also nicht zu verwundern, warum der gemeine Mann, wenn er nur von Schweden reden hört, ganz intimidirt ist; ich habe es allezeit gesagt, daß die wenigsten Subalternen von Ober- und Unteroffizieren was nütze ist. Es ist ja übrigens nicht die geringste Kriegsdisziplin und Subordination bei diesen Truppen und zweifle ich nicht, daß ich bei ihnen vor rigoureus passiren werde. Allein wer halt von ihnen erfordert, was Kriegsbrauch ist, der wird übel angesehen, maßen sie halt ganz verwöhnt sind.“

Jeder Kommentar zu diesen Schriften erscheint überflüssig.

Am 30. Oktober war Pfingsten aus Petrikow nach Dresden zurückgekehrt, war in den nächsten Tagen nach Leipzig weitergereist und hatte dort an Karl XII. den Brief des Königs und die angeblich von diesem vollzogene Ratifikation des Friedensinstrumentes übergeben. Eine Veröffentlichung des Friedens war aber aus verschiedenen Gründen noch nicht erfolgt und es lagerte daher eine gewisse Schwüle über dem Lande, denn Gerüchte von einem Frieden, der entweder schon abgeschlossen oder dem Abschlusse nahe wäre, waren in das Publikum gedrungen. Da traf wie ein Schlag aus heiterem Himmel die Nachricht von der Schlacht bei Kalisch in Sachsen ein. König August, der selbst das Kommando führte, hatte am 29. Oktober den schwedischen General Mardefeld aufs Haupt geschlagen und ihn mit dem größten Teile seiner Truppen gefangen genommen! Es war damit der Beweis geliefert, daß die sächsischen Truppen unter richtiger Leitung Hervorragendes zu leisten imstande waren. Wie klein mußten diesem Erfolg gegenüber die sächsischen Truppen erscheinen, welche unter Schulenburgs Führung, ohne Widerstand auch nur zu versuchen, das Land verlassen hatten und nun in der Fremde Exzesse verübten und jeder Subordination entbehrten. Es wirft [82] kein günstiges Licht auf die Fähigkeiten des Generals von Schulenburg, daß es ihm in Zeit von 8 Monaten, von Mitte Februar bis Mitte Oktober, noch nicht gelungen war, die ihm untergebenen Truppen an Disziplin und Subordination zu gewöhnen und sie widerstandsfähig zu machen.

Schwer mußte die Nachricht von der Schlacht für das Verhältnis Karls XII. dem Lande Sachsen gegenüber ins Gewicht fallen. Imhoff schreibt darüber an Friesen am 5. November[113]: „berichte hiernach aufs Schleunigste, daß ein Kourier von unserem allergnädigsten Könige allhier angekommen mit Briefen an den Geh. Referendarium Pfingsten, die er ihm selber übergeben soll, und weil derselbe nicht anwesend, so kann von deren Inhalt nichts melden, wohl aber dieses, daß der General Mardefeld totaliter geschlagen und er samt vielen Schweden gefangen genommen worden. Wie dieses nun beim Könige von Schweden bei den bewußten Umständen aufgenommen worden, können Ew. Excellenz leicht ermessen, und hält den König von Schweden, seine Revanche an diesem armen Lande zu nehmen, einzig und allein ab, daß man sagt, Mardefeld habe den König angegriffen und dahero erstlich von der Sache gründlich informirt sein; sollte es als dessin von unserer Seite geschehen sein, so beklage ich von Herzen den Zustand unseres armen Landes.“ – Unmittelbar darauf schreibt er aber: „Nachdem mein vor wenigen Stunden abgelassenes Schreiben einige Alteration wird erwecket haben, so berichte hierdurch, daß gleich itzo der Schwedische Geheime Sekretarius (Cederhjelm) bei mir gewesen, von welchem vernommen, daß die Aktion aus einem Mißverstande entsprungen und Unseren nicht vollkommen beizumessen, daß sie daran Ursache, und wird auch nichts zu bedeuten haben, wenn Ihro Majestät in der Hauptsache nur ihre Sentimens nicht ändern, welche nunmehr noch mehr als ehemalen geheim zu halten, welches Sie dann nochmals rekommandiren lassen. – Ich habe nicht ermangeln wollen Ew. Exc. davon Nachricht zu geben, und weil Mons. Pfingsten noch nicht wieder gekommen und der Kourier ihn aufsucht, so kann von dem Inhalt der Polnischen Briefe nichts vermelden“.

Aus einem späteren Briefe Imhoffs an Friesen vom 11. November[114] geht weiter hervor, daß der Königl. Kammerpage Carlowitz [83] (Karlwitz) ein eigenhändiges Schreiben des Königs August gebracht und an Pfingsten übergeben hat, „worin sie uns anbefohlen, nachmalen Ihro Königl. Maj. in Schweden zu versichern, daß diese Aktion deroselben durch die Polen und Moskowiter abgedrungen worden, deswegen aber von ihren Sentimens nicht abweichen wollen, sondern des Königs von Schweden Freundschaft vor alles präferiren“.

Da der König August überdies kurz nach der Schlacht von Kalisch nicht nur den General Mardefeld, sondern auch die anderen schwedischen Gefangenen in Freiheit setzte, so legte Karl XII. keinen großen Wert auf dieses Vorkommnis. Indessen wurde doch von seiten der Schweden darauf gedrungen, nun endlich den am 24. September bereits geschlossenen und angeblich am 20. Oktober ratifizirten Friedensvertrag zu veröffentlichen. Dies suchten aber die sächsischen Geheimen Räte und namentlich Imhoff zu verhindern, um den König August nicht in eine schiefe Lage zu bringen. Auch darüber schreibt Imhoff an Friesen am 9. November[115]: „So dringet man doch auf die Publikation des Friedens und wollen nicht länger als bis künftigen Sonnabend (13. Nov.) dazu Anstand geben. Ich habe zwar Ihro Königl. Maj. von Schweden selbst ersucht, so lange damit anzustehen, bis des Königs Person in Sicherheit. Es haben mir aber Ihro Königl. Maj. selbst darauf geantwortet, daß einige Leute von Dresden in ihr Lager wären gekommen und gesagt, daß der Friede daselbst öffentlich versichert würde, warum man dann länger damit anstehen wollte; ich stellte aber derselben unterthänigst vor, daß dieses bloße Präsumptiones wären und niemand von der Gewißheit öffentlich würde reden können“. – Am 11. November aber schreibt er über dieselbe Angelegenheit, als das Kriegskommissariat wegen der Verpflegung auf Publikation des Friedens dringt, „man hat ihm aber nachmals die richtige Ursache, warum man solches zu differiren gebeten, vorgestellt und man notwendig des Königs Person in Sicherheit wissen wollte“ – – „so viel ich aus dem letzten Briefe ersehe, müssen Ihro Königl. Maj. von den Polen und Mostowitern viel ausstehen und wird nichts mehr zu wünschen sein, als dero hohe Person erstlich in Sicherheit zu wissen“.

Trotz alledem war eine Bekanntgabe des Friedens nicht mehr aufzuhalten und am 14. November erfolgte sie vom schwedischen [84] Hauptquartier in Altranstädt aus. Obgleich nun schon Gerüchte ins Publikum gedrungen waren, überraschte doch die Bekanntgabe allgemein. Imhoff schreibt darüber an Friesen am 14. November[116]: „Nachdem diesen Morgen in dem Gedanken gestanden, es wäre das Friedensnegotium annoch verschwiegen gehalten worden, so habe doch kurz darauf von dem Schwedischen Geh. Sekretario vernommen, daß er dem Herrn Grafen von Zinzendorf auf Ordre des Königs davon Nachricht ertheilen müssen und weil die bienseance erfordert, daß man unsererseits gegen Ihro Kaiserl. Maj. desgleichen thun möchte, so habe mich darauf bei demselben (nämlich dem Kaiserl. Gesandten Grafen Wratislaw) ansagen lassen. Es ist aber derselbe gleich darauf zu mir gekommen, da ich ihm dann von dem Schluß, ohne die conditiones zu nennen, gleichfalls Eröffnung gethan. Es hat diese unvermutete Zeitung diesen Minister, so auch als den Englischen und Holländischen sehr surprennirt und ob zwar den Herrn Grafen (Wratislaw) gebeten, es noch nicht allzusehr publik zu machen, so ist es doch allbereits durchgehends in der ganzen Stadt. Dahero ich zu Ew. Excellenz Gefallen vorstelle, wie Sie oben zu Dresden es halten wollen. – Die gewöhnlichen Dankfeste können meines Ermessens nach wohl etwas verschoben bleiben und will ich Nachricht geben, wenn die Herrn Schweden das ihrige wollen halten. Und weil die auswärtigen Minister ihre Sekretarien abschicken, es bei ihren Höfen zu hinterbringen, so wird wohl nötig sein, daß die unsrigen auch davon informirt werden; ich vorstelle aber dahin, ob Sie es sofort vollkommen gestehen sollen, bis Ihro Königl. Maj. vollkommen in Sicherheit ist“.

Resident Wolter in Berlin schreibt unter dem 16. November[117], nichts hätte seit langer Zeit so überrascht, wie die Nachricht von dem Friedensschluß, welche fast gleichzeitig mit der Nachricht von der Schlacht von Kalisch eingetroffen wäre. In gleichem Sinne lauteten die Berichte aus Wien, Regensburg, Hamburg, Kopenhagen, Danzig etc.

Am 15. November war laut Hofkalender die Staffette mit der Friedensnachricht nach Dresden gelangt und am 16. hatten die Geheimen Räte dem Feldzeugmeister Grafen Zinzendorf eine Verordnung [85] zugehen lassen, daß er auch die Garnison von Dresden davon in Kenntnis setzen solle. Die einzelnen Friedensbedingungen aber scheinen, wie auch aus Imhoffs Briefen an Friesen vom 14. November hervorgeht, noch nicht allgemein bekannt gemacht worden zu sein.

Die pessimistische Auffassung der allgemeinen Lage durch die Geheimen Räte hatte die Dresdner Bevölkerung angesteckt, denn in den Akten begegnen wir fortwährenden Klagen, von denen nur einige Beispiele zur Kennzeichnung der damaligen Verhältnisse und Anschauungen erwähnt sein mögen.

Am 18. Oktober 1706 machte der Rat der Stadt Dresden in einer Eingabe an die Geheimen Räte darauf aufmerksam, daß die Stadt zur Unterhaltung der Truppen zu viel beitragen müsse, während dies von anderen Städten, welche keine Garnison hätten, nicht verlangt würde; Dresden würde daher durch den Krieg viel mehr beschwert, wie andere Landesteile; er fragt, ob dem nicht abzuhelfen wäre[118].

Trotz des abgeschlossenen Waffenstillstandes kommen stets Reibereien mit den südlich Dresdens gelegenen Truppen des schwedischen Generals Meierfeld vor. Ende Oktober hatten schwedische Soldaten die Einwohner von Dresden, welche ihr Getreide in die Mühle von Plauen gebracht hatten, von dort vertrieben und, wie es scheint, selber Besitz von der Mühle ergriffen; darüber hatten die Geheimen Räte eine Beschwerde an den General Meierfeld gerichtet, der die Sache aber ziemlich leicht genommen zu haben scheint. Am 1. November 1706 schreibt er aus seinem Hauptquartier Wilsdruff[119] davon, daß die Mühle in Plauen von seinen Soldaten in Besitz genommen und den Einwohnern von Dresden verweigert worden wäre, ihr Mehl dort mahlen zu lassen, sei ihm nichts bekannt; er müßte aber darauf aufmerksam machen, daß die Dresdner Regierung trotz des Waffenstillstandes an dem Defensionswerk von Dresden arbeiten und im Walde rechts der Elbe Holz fällen lasse, welches zu Pallisaden der Festung verwendet würde. Dieses Unternehmen widerspreche den Bestimmungen des Waffenstillstandes und er werde, wenn dies nicht aufhöre, seine Postirung auch auf das andere [86] Elbufer ausdehnen. Außerdem aber würden Gelder aus der Accise zum Unterhalte der sächsischen Truppen verwendet; auch dies könne er nicht dulden und werde es nun in Zukunft verhindern. Die Geheimen Räte waren darüber sehr aufgebracht und berichteten den Fall an den König von Schweden. Hierauf scheint sich ein Brief Imhoffs an Friesen vom 12. November[120] zu beziehen, worin er schreibt: „daß auf die übergebene Beschwernis durch den Geh. Sekretär Cederhjelm die Resolution überbracht worden, daß man an alle Beamte, und wo es sonst nötig sei, Befehl erteilen möchte, dasjenige was gegen die publizirte Ordnung begangen worden, und von welchem Regiment es geschehen, anhero zu berichten, damit ich darüber Vorstellung machen könnte, alsdann Ihro Königl. Maj. sofort Kriegsrecht wollen halten und die Verbrecher bestrafen lassen“.

Unter dem 23. November 1706 richten die Landesdeputirten der Ritterschaft und Städte des Meißner Kreises ein Schreiben[121] an den König, in welchem es heißt: „Wir müssen aber schmerzlich klagen, daß die schwedische Invasion bereits einen großen Ruin verursacht hat. – General Meierfeld und andere Kommandanten haben im Meißner Kreis solch überflüssigen Proviant und Fourage durch Exekution erpressen lassen, daß es von den Truppen und dem großen Troß nicht hat konsumirt werden können. Das Brod hat in großen Haufen verschimmelt dagelegen, das Fleisch, obgleich Wirt und Soldat davon reichlich genossen, ist in solcher Menge weggeworfen worden, daß Hunde und Katzen sich unter freiem Himmel damit geschleppt haben. Hafer und Heu ist im Übermaße vorhanden und nicht gebraucht worden. Viele Leute haben Haus und Hof verlassen müssen; was noch auf den Feldern gestanden hat, ist abgeweidet worden“. Der König wird dringend gebeten zu kommen und Anstalten zu treffen, daß die Schweden das Land bald wieder verlassen.

Diese und ähnliche Petitionen mögen die Absicht des Königs, in sein Land zurückzukehren, bestärkt haben. Er eilte von Tamitz in Schlesien aus, ohne eine Zusammenkunft mit Karl XII. abzuwarten, nach Sachsen zurück, wo er am 15. Dezember 1706 eintraf.

[87]

„Dresden, den 15. Dezember 1706. Heute Abend nach 8 Uhr langte Ihro Königl. Maj. unser allergnädigster Herr allhier glücklich an, sind zum schwarzen Thor über Altdresden herein und ins Schloß gefahren und nachdem sie frühmorgens am Donnerstag bei Lichte die Befestigungswerke besehen, sind sie dann in aller Frühe von hier wieder weggegangen und wie man sagt nach Leipzig. Die Thore wurden bis nach 10 Uhr zugehalten, damit dero Ankunft und Wiederabreise nicht eklatiren sollte.“

So lautet eine auf der Königl. Öffentlichen Bibliothek[122] vorhandene schriftliche Aufzeichnung aus jener Zeit; ergänzt wird sie noch durch eine Bemerkung im Schreibkalender des Oberhofmarschallamtes, nach welcher der König am 16. Dezember um 7 Uhr früh mit dem Oberhofmarschall Grafen Pflug nach Leipzig abgereist ist. Freitag den 17. Dezember fand darauf die erste Zusammenkunft mit Karl XII. statt.

Am 12. Dezember war die früher berichtete Konferenz in Tamitz in Schlesien abgehalten worden. König August hatte den Rat seiner Umgebung, eine Unterredung mit dem König von Schweden an der Grenze abzuwarten, nicht befolgt, sondern war in großer Eile, in 2 Tagen, von dort nach Dresden gefahren, hatte sich dort während des kurzen Aufenthaltes von 11 Stunden davon überzeugt, wie die von ihm seit Monaten anbefohlene Befestigung von Dresden ausgeführt worden sei, und war am dritten Tage nach Leipzig weitergereist, um bereits am vierten Tage nach der wichtigen Konferenz persönlich mit Karl XII. eine Aussprache zu haben. Hierin dürfte wohl eine Bestätigung meiner früher ausgesprochenen Vermutung zu finden sein, daß der König erst in Tamitz bestimmt davon unterrichtet worden war, daß der Friede endgiltig abgeschlossen sei, und zwar auf eine Weise, welche seinen Absichten und seinen an Pfingsten erteilten Instruktionen nicht entsprach, daß er daher, nachdem er einmal dies erfahren hatte, die größte Eile hatte, in einer mündlichen Auseinandersetzung mit dem Sieger so viel zu retten, als noch zu retten möglich schien. Man wird aber auch nicht fehlgreifen, wenn man in dieser Eile ein Zeichen für König Augusts gutes Gewissen erblickt. Hätte er ein schlechtes Gewissen gehabt, und das mußte er haben, wenn er wirklich, wie Danielson andeutet [88] und von Sarauw behauptet, mit Hilfe Pfingstens bisher ein falsches Spiel gespielt hätte, dann würde er es unbedingt vermieden haben, Karl XII. unter die Augen zu treten, dann würde er gewiß eher versucht haben, durch Vermittelung eines gewiegten Diplomaten, wie z. B. Flemming einer war, Verhandlungen anzuknüpfen, in deren Verlauf vielleicht noch einige Abänderungen des Friedensvertrages zu erreichen gewesen wären. In diesem Falle aber lag es viel näher, wenn er den Rat seiner Umgebung befolgte, nicht nach Sachsen zurückkehrte, sondern im Falle einer Verweigerung Karls zu einer Unterredung an der Grenze sich wieder nach Krakau begab und nun das Äußerste wagte, nämlich mit Hilfe der Russen und der ihm treu gebliebenen Polen seine Erblande wieder zu erobern.

Über die erste Begegnung der beiden Könige werden wir durch eine Zeitungsnachricht[123] aus jener Zeit unterrichtet, welche also lautet:

„Extrakt-Schreiben aus dem Königl. Schwedischen Haupt-Quartier Alt-Ranstadt am 7. (17.) Dezember 1706. Nunmehro werden sich die Ungläubigen schämen müssen, absonderlich wann ihnen diese Zeitung zu Ohren kommen wird. Und muß ich meinen Herrn in grössester Eile berichten, was heute bey uns passiret, und, weiln allem selbst beygewohnet, und alles selbst mit angesehen, desto mehr glaubwürdig ist. Als nun der König Augustus diesen Morgen den König von Schweden ohne Zweifel durch iemand wissen lassen, daß er in Leipzig arriviret, und einen Ort dazu destiniret, da die beyden Könige einander begegnen solten, wurde solches gleichwohl allhier dermassen secretiret, daß es nicht ein einiger Mensch erfahren. Diesen Vormittag um 11 Uhr ritte der König von Schweden, so sehr freudig von Gemüte war, aus dero Haupt-Quartier, welchen einige Kavalliers begleiteten, wendete sich aber gegen Mark-Ranstadt, da denn mir ahndete, als würde derselbe dem Könige Augusto entgegen reuthen, darum ich mir geschwind mein Pferd satteln ließ, sogleich nachreuthen zu können. Als ich aber in Mark-Ranstadt arrivirte, erfuhr ich, wie sich der König von Schweden gewendet, und dadurch nach der Leipziger Straße zu, aber alle solche Wege quer durch und im Felde weggeritten. Um 12 Uhr kam Er wieder ins Hauptquartier zur Tafel, ich aber blieb aufm Felde, da ich kaum eine halbe Stunde hernach von weiten [89] 2 starck bespannete Carossen, und einem zu Pferde gewahr wurde, welche sich nach Günthersdorff, allwo Se. Excellenz Hr. Graff Piper und die Königl. Cantzley im Quartier stehet, zuwendeten. Als ich nun gegen solche Wagen zuritte, wurde ich in der einen den König Augustum gewahr, blieb also bey solchen biß Günthersdorff, allwo Seine Majestät vor des Herrn Graf Pipers Hof abstiegen, und dem Herrn Grafen so schleunig entgegen kam, daß dieser dem Könige nur auff die halbe Treppe entgegen kommen kunte; wie denn Se. Maj. auch nicht haben wolten, daß Dieselben iemand anmelden solte. Gleich darauf wurde dem Königl. Schwed. Secretario Cederhielm committiret, Se. Königl. Maj. von Schweden auffzusuchen, und verlangte erwehnter Hr. Secretarius daß ich ihm folgen solte. Wir traffen den König nicht im Haupt-Quartier, sondern nach starcken Reuthen in Quez an, allwo der Königl. Pohln. Cron-Schatzmeister Herr Sapieha sein Quartier hat, an welchem Orte auch Se. Majestät Stanislaus sich befand, da denn der Herr Secretar. Cederhielm dem König von Schweden in geheim, und daß alle andere Anwesende davon nichts erfuhre, hinterbrachte, wie Se. Majestät der König Augustus bereits bey dem Herrn Graff Piper angelanget. Gleich darauf ritte der König von Schweden so schleunig von dannen, daß Ihme wenig von denen Cavallieren folgen kunten. Als Se. Majestät in Günthersdorff anlangete, sprunge Selbige so freudig vom Pferde, und die Treppe hinan, daß Se. Majestät der König Augustus deroselben nur biß an die Saal-Thür entgegen kommen kunte, da beyde Majestäten einander mit drey Reverences salutirten, und darauff mit einander ins Gemach, da König Augustus voran, giengen. Sie gaben daselbst einander die Hände, und bezeigten dabey so eine grosse Liebe, daß darob iedermann erfreuet wurde. Sie blieben eine kleine Stunde an einem Fenster alleine beysammen stehen, und nachdem Sie miteinander gesprochen, giengen selbe voneinander, und zwar der König Augustus, nachdem Sie sich etliche mahl gegen einander gebücket, voran, die Treppe hinunter, dem der König von Schweden folgete, und dem König Augusto sein Pferd praesentirte, worauf sich Se. Majestät setzte, der König von Schweden aber nahm ein anders von einem seiner Cavallier, und ritten hernach beyde Majestäten miteinander in allhiesiges Haupt-Quartier. Der König Augustus hielt die rechte Hand, und redeten diese beyden Könige den gantzen Weg so holdselig miteinander, daß viele, so [90] um Sie waren, für Freuden Thränen vergossen. Die Suite so ihnen folgete, bestunde beynahe in 100. Pferden, welche sich alle in Günthersdorff zusammen gefunden. Als Sie allhier arriviret, und abgestiegen waren, gieng der König Augustus wieder voran, in des Königs Gemach, worinnen beyde Könige 3 Stunden lang allein beysammen blieben. Sie setzten sich hierauf zur Tafel, und bekam der König Augustus die rechte Hand. Neben Sr. Maj. sassen Dero Ober-Hoff-Marschall, der Herr Graf von Pflug, der Herr Graf Piper, der Herr Feld-Marschall Graf Reinschild, und Herr Ober-Stadthalter Graf Posse. Neben Seiner Majestät dem König von Schweden, und zu Dero lincken Hand sassen der Königl. Chur-Sächsische Cammer-Praesident Herr geheime Rath Imhoff, der Herr General Graf von Welling, und Herr General Graf von Strömberg. Über der Tafel wurde nichts geredet, und sahen nur beyde Majestäten bisweilen einander freundlich an. Nach der Tafel verfügten sich beyde Könige wieder in Dero Gemach, blieben aber nicht lange beysammen, indeme der König von Schweden dem König Augusto Dero Zimmer überließ, und sich in einem andern in die Höhe zur Ruhe begaben.

P. S. Des folgenden Tages erhoben sich Ihro Majestät König Augustus wiederum nach Leipzig.

Aus Leipzig, den 8. (18.) Decembris, 1706. GEstern zu Mittag da Ihr. Excell. Graf Piper in seinem Quartier mit einigen von der Canzley noch zur Tafel waren, kam Ihr. Maj. König Augustus selbt Vieren gantz unverhofft dahin, in Meynung Jhr. Majestät von Schweden daselbst anzutreffen, gienge gleich in dem Saal, und sprach mit Anwesenden von unterschiedlichen Sachen, biß daß Ihr. Majest. von Schweden, welche damahls bey dem König Stanislao in einem Dorffe eine halbe Meile davon, nach erhaltener Kundschafft ankamen, da denn König Augustus Se. Majest. von Schweden biß an die Saal-Treppe entgegen giengen, allwo beyde Könige einander umarmeten und begrüsseten. Se. Majest. von Schweden nöthigten Jhr. Königl. Majest. Augustum voran in den Saal zurück zu gehen, allwo beyde öffters mit höfflichen und freundlichen Geberden sich gegen einander bezeigten, nach einiger Conversation setzten Sie sich zu Pferde, und ritten gantz gemach nach dem Haupt-Quartier, und hatte König Augustus allezeit die rechte Hand, beyde Majest. sprachen gantz vertraulich einige Stunden, da eben alle [91] Generals und hohe Officiers Gelegenheit hatten, Ihr. Majest. König Augustum einen Reverenz zu machen, Er ihnen auch gantz gnädig zugeredet, und unter andern selbst begunte zu reden von denen verflossenen Actions, und wie Er sich zuletzt incommodiret befände am Schenckel, so unterweges von einem Pferd geschlagen worden. Stühle wurden zur Hand gebracht, allein der König Augustus nahm Abtritt in die Cammer zu gehen, und sich eine kleine Weile nieder zu lassen, biß daß in der Tafel-Stuben die Speisen auf getragen worden, bey der Taffel sassen beyde Könige, zur rechten Hand Graff von Pflug, zur lincken Hand der Hr. Geheimte Rath Baron von Imhoff, nach dem der Königl. Rath Graf Piper, Graff Welling, Graff Reinschild, Graff Strömberg und Graff Posse, vor die übrigen Schweden und Sachsen, so sich alldort eingefunden, wurde auff zwey Tafeln in einem absonderlichen Zimmer auffgetragen. Nach gehaltener Tafel bekleidete Se. Majest. von Schweden, König Augustum in Dero sonst gehabten Schlaff-Gemach, so vor ihn zubereitet war, und begaben Se. Majest. von Schweden sich in ein ander Schlaff-Zimmer, und verordneten 12 Trabanten vor den Gemach König Augusto aufzuwarten. Auch hat der König Augustus vor seiner Abreise aus Pohlen alle Schweden so bey Kalisch genommen worden, frey gelassen, ausgenommen einige Franzosen und Teutsche, welche bey Frauenstadt gefangen worden, die vorhergehenden gehen nach Stettin, welche nach Cracau geführet worden, gehen nach Posen, dergleichen sind vor 3. Tagen durch einen General Major und Cammer-Herrn die Prinzen Jacob und Constantin von Königstein abgeholet, und nach Dreßden gebracht worden, allwo Sie in dem Schloß Fürstl. bedienet, welche man nun im Haupt-Quartier erwartet. Dero Herr Bruder, Printz Alexander, gedencket in das Haupt-Quartier zu kommen, um die Danksagung vor Dero Befreyung abzulegen“.

Diese Nachricht, welche allem Anschein nach von einem Augenzeugen abgefaßt ist, erscheint ziemlich glaubwürdig, um so mehr als sie in allen Hauptpunkten mit der Relation übereinstimmt, welche Adlerfeld[124] giebt. Dieser, ein Kammerherr des Nachfolgers von Karl XII., verfaßte sein Werk im Jahre 1740 im Auftrage des [92] Königs und hat dazu jedenfalls gründliche Unterlagen benutzen, vielleicht auch noch Augenzeugen befragen können. Der Umstand, daß er in geringfügigen Dingen von der oben angeführten Zeitungsnachricht abweicht – er nennt z. B. eine andere Sitzordnung an der Tafel des Königs in Altranstädt etc. – beweist nur, daß er selbständig, ohne Zuhilfenahme dieser Zeitung geschrieben hat. Von älteren Darstellern hat Voltaire in seiner zwischen 1726 und 1729 verfaßten Histoire de Charles XII., welche ziemlich unzuverlässig ist, und nach ihm Faßmann 1734 diesen Gegenstand behandelt. Beide bringen die Einzelheiten, welche oben erwähnt sind, nicht; letzterer aber hat die Stelle aus Voltaire, welche über den Anzug Karls XII. handelt, wörtlich abgeschrieben: den blauen Rock aus grobem Tuch, die vergoldeten kupfernen Knöpfe, den langen Degen, den er schon bei Narva getragen, auf dessen Knopf er sich gestützt hat, und die großen Stiefel. – Was die beiden Könige bei der ersten Zusammenkunft miteinander gesprochen haben, wird wohl niemand gehört haben; wenn daher spätere Geschichtsschreiber behaupten wollen, Karl XII. habe nur von seinen großen Stiefeln gesprochen, so kann dies lediglich auf Kombinationen beruhen. Unmöglich ist es nicht, denn Karl liebte seine Stiefel zärtlich und trennte sich nur beim Schlafengehen von ihnen. Die Annahme, August habe dem Könige Karl durch Prachtentfaltung imponiren wollen, ist durch nichts begründet.

Am 21. Dezember erwiderte Karl XII. den Besuch in Leipzig, am 23. Dezember kam König August nochmals nach Altranstädt und reiste am 24. Dezember nach Dresden zurück. Vom 31. Dezember an nahm der König abermals längeren Aufenthalt in Leipzig und hat im Jahre 1707 überhaupt fünfmal daselbst gewohnt und zwar vom 31. Dezember 1706 bis 28. Januar, vom 3. bis 12. Februar, vom 26. bis 30. April, vom 14. Mai bis 7. Juni und vom 11. Juni bis 6. Juli. Über die Vorbereitungen zu diesen Reisen werden wir sehr genau unterrichtet durch ein Aktenstück aus jener Zeit, welches sich im Oberhofmarschallamt in Dresden befindet und den Titel führt „Jagd- und andere Reisen Sr. Majestät des Königs“.

Daß zu diesen Reisen, während welcher längere Aufenthalte in Leipzig genommen wurden, größere Vorbereitungen getroffen und eine größere Anzahl von Personen mitgenommen wurden, als bei seiner ersten Reise von Polen aus, welche nur den Zweck hatte, [93] ehebaldigst eine Besprechung mit Karl XII. herbeizuführen, lag in der Natur der Sache. Es darf uns daher nicht wundern, denn es war damals die Gewohnheit so, wenn wir als Begleitung des Königs bei dem 4 Wochen dauernden ersten Aufenthalt aufgeführt finden: 6 Minister und Oberhofchargen, 12 Kammerherren, 3 Kammerjunker, 32 Personen als Kämmerirer, Sekretäre, Lakaien, 16 Personen der Küche, 11 der Kellerei, 6 der Silberkammer, 2 der Konditorei, ferner 4 Offiziere, 3 Unteroffiziere, 1 Trompeter und 30 Garden der Trabantenleibgarde und einen sehr reich besetzten Stall. Trotz alledem scheint kein übertriebener Luxus geherrscht zu haben, denn bezüglich der Tafel heißt es wörtlich: „Hierauf ist keine gewisse Anzahl der Speisen zu benamen, wie viel gegeben werden sollen, weil Se. Maj. gar öfters sehr wenig und nur etzliche Speisen verlangen und allezeit allergnädigst anbefehlen, was gegeben werden soll“, und aus weiteren Bemerkungen geht hervor, daß zur Tafel täglich nur 8 bis 9 Personen – mit Einschluß des Königs – kamen und hierbei nur 2 Gänge gereicht wurden, der dritte Gang mußte aus Konfekt bestehen.

Hofjournale, wie wir sie in den späteren Zeiten finden, wurden damals noch nicht geführt, dagegen sind wir über das, was alle Tage vorgenommen wurde, durch die Hofschreibkalender aus jenen Jahren unterrichtet, welche alle Besuche verzeichnen, die der König gemacht und empfangen, alle Audienzen fremder Gesandten, Sitzungen mit den Geheimen Räten und endlich die Namen aller derer, welche täglich zur Tafel des Königs geladen wurden. Wir erfahren daraus z. B., daß am 2. Januar der König Karl XII. um 3 Uhr seinen Besuch gemacht hat und bis ¼5 Uhr geblieben ist; daß König August am 6. Januar bereits früh 7 Uhr nach Altranstädt gefahren ist, dort gespeist hat und abends 4 Uhr wieder nach Leipzig zurückgekehrt ist. Derartige gegenseitige Besuche sind im ganzen 8 zu verzeichnen. Unter den Personen, welche zur königlichen Mittagstafel geladen wurden, finden wir die meisten schwedischen Generäle, z. B. Sparr, Wrangel, Stirod, Kruse, Meierfeld, Creuz, Düben, Steenbock, Bornfeld etc. Auffallend könnte es erscheinen, daß der König von Schweden niemals an der Tafel teilnahm, trotzdem König August wiederholt zur Tafel in Altranstädt bei ihm war. Gehässige Geschichtsschreiber haben dies damit erklären wollen, Karl hätte befürchten müssen, in Leipzig vergiftet zu werden, und er [94] habe deshalb vermieden, zum Essen zu kommen. Abgesehen davon, daß hierfür in den Aufzeichnungen der damaligen Zeit nicht der geringste Beweis gefunden werden kann, diese Gerüchte auch viel später erst aufgetaucht sind, muß daran erinnert werden, daß Karl XII. hohen persönlichen Mut besaß und selbst wohl kaum an Vergiftungsversuche dachte. Der Grund, warum er nicht zur Tafel kam, ist unschwer in anderen Umständen zu finden. Karl trug beständig die uns von Voltaire geschilderte Kleidung und vor allen Dingen die groben großen Stiefel. Von diesem Anzug trennte er sich höchst ungern, wird doch einmal, als er seiner Tante, der Kurfürstin-Mutter von Sachsen, in Torgau einen Besuch machen wollte, ganz besonders erwähnt, daß er zu diesem Zweck einen besseren Rock angezogen habe – von anderen Stiefeln ist dabei keine Rede. Durch ein nun bereits 7 Jahre dauerndes Lagerleben war er der Hofetikette, die er wohl als junger König kaum gekannt hatte, ganz entfremdet, seine Manieren scheinen auch nicht immer die feinsten gewesen zu sein, wurde doch in Dresden lange Zeit der Stuhl gezeigt, auf den er beim Besuch, den er der Königin machte, seine Stiefel gelegt hatte; endlich aber liebte er Geselligkeiten, mit denen ein gewisser Zwang verbunden war, durchaus nicht. Alle diese Gründe mögen ihn abgehalten haben, eine Einladung zur Tafel in Leipzig anzunehmen. Trotzdem hat er mit König August wenigstens äußerlich intim verkehrt und müssen gewisse Ungezogenheiten, welche ihm manche andichten wollen, in das Reich der Fabel verwiesen werden.

Am 28. Januar reiste der König August von Leipzig nach Lichtenburg ab, wo sich seine Gemahlin damals aufhielt, und kehrte am 3. Februar wieder nach Leipzig zurück. Am 4. Februar traf hier die Königin mit dem Kurprinzen zu einem mehrtägigen Aufenthalte ein. Am 7. Februar fuhr der König früh 9 Uhr nach Altranstädt, dinirte dort mit Karl XII. und kam nachmittags 3 Uhr mit diesem in die Stadt, wo Karl der Königin und dem Kurprinzen seine erste Visite machte. Am 9. Februar mittags 12 Uhr erwiderte der Kurprinz den Besuch des Königs von Schweden in Altranstädt, verblieb zum Mittagessen dort und kehrte erst nachmittags nach Leipzig zurück. Abends fand Assemblée statt. Es ist dies das einzige Mal, daß während der verschiedenen Aufenthalte des Königs in Leipzig eine Assemblée erwähnt wird; der König von [95] Schweden ist als Teilnehmer an derselben nicht verzeichnet. Am 12. Februar reiste das Königspaar mit dem Kurprinzen wieder nach Torgau.

Nach dieser Zusammenkunft im Februar war eine Erkaltung des äußerlich freundschaftlichen Verhältnisses eingetreten. Als daher der König August vom 27. April früh bis 30. abends in Leipzig war, wird eines Zusammentreffens beider Majestäten in diesen 3 Tagen keine Erwähnung gethan. Erst später scheint sich diese Erkaltung wieder ausgeglichen zu haben, denn als König August am 15. Mai gegen Morgen wieder nach Leipzig kam, machte ihm der König von Schweden am 16. Mai früh von 10 bis 11 Uhr seine Visite, die der König August am 18. Mai erwiderte, wobei er von ½2 bis 6 Uhr in Altranstädt verblieb. – Der im Oberhofmarschallamte befindliche Schreibkalender, dem wir alle diese Nachrichten entnehmen, berichtet vom 20. Mai: „diesen Tag wurde unter alle Stadtthore eine schwedische Schildwache gestellt, um keinen Schweden weder aus noch in die Stadt zu lassen, so nicht ein Billet von einer schwedischen General-Person hatte“. Dies scheint eine besondere Aufmerksamkeit für den König August gewesen zu sein, die dieser in anderer Weise erwiderte, denn am 27. Mai heißt es: „Probirten Königl. Maj. ein neugegossen Stück, so von Dresden anhero nacher Leipzig gebracht worden, im Beisein des Königs von Schweden und vieler schwedischer Offiziere, welches sie Sr. Maj. von Schweden geschenkt“. – Vom 31. Mai bis 2. Juni waren aber beide Könige gemeinschaftlich zur Musterung eines schwedischen Kavallerieregiments in Reichenbach i. V., und nachdem Karl noch einen Besuch am 6. Juni in Leipzig gemacht hatte, reiste König August am 7. früh nach Torgau.

Am 11. Juni kam König August zum letzten Male während der Anwesenheit der Schweden nach Leipzig, tauschte noch mehrere Besuche mit Karl XII. aus und kehrte am 29. Juni nach Dresden zurück, worauf er nicht wieder nach Leipzig gereist ist.

Nach dem, was uns über die Art und Weise bekannt ist, wie der Friede zustande gebracht worden war, müssen wir mit Bestimmtheit annehmen, daß der König mit dem Friedensschluß durchaus nicht einverstanden, daß dieser sogar, wie es allen Anschein hat, gegen seinen Willen und ohne sein Wissen abgeschlossen worden war. Aus dem Umstande, daß er vermutlich erst in Tamitz in [96] Schlesien die volle Wahrheit erfahren hatte, können wir uns die Schnelligkeit seiner Reise nach Leipzig und sein Verlangen nach einer persönlichen Aussprache mit Karl XII. erklären. Wir dürfen aber auch ferner, obwohl dies nicht erwiesen ist, annehmen, daß Pfingsten dasjenige, was er in seinem Briefe vom 18. September aus Grimma an Friesen geschrieben, auch dem Könige bei seiner Begegnung zwischen dem 15. und 20. Oktober in Petrikow mitgeteilt hatte, nämlich, daß man eine Milderung der harten Bedingungen erlangen werde, wenn man auf die Generosität des Königs Karl vertrauen wollte. Jedenfalls auf diese Versicherung bauend hatte August schon während seiner Durchreise durch Dresden am 15. Dezember Befehl zur Freilassung der seit längerer Zeit auf dem Königstein inhaftirten Prinzen Jacob und Constantin Sobieski erteilt, welche auch schon am 17. Dezember in Dresden eintrafen und, wie der Schreibkalender des Hofes angiebt, „auf dem Stalle logirt und vom Hofe traktirt wurden“ („auf dem Stalle“ befanden sich die Fremdenzimmer des königlichen Schlosses). Am 17. Dezember hatte er von Leipzig aus dem Feldzeugmeister Grafen Zinzendorf Befehl erteilt[125], die im Hauptzeughause in Dresden befindlichen, dem Könige von Schweden gehörigen und seinen Truppen im bisherigen Kriege abgenommenen Trophäen, als Standarten, Fahnen, Pauken und dergleichen zu sammeln und an den in der Nähe Dresdens stehenden General Meierfeld abzugeben. Nach der vorhandenen Quittung waren es 8 Standarten, 5 Dragonerfahnen und 3 Paar Pauken. Ebenso hatte er unter dem 22. Dezember aus Leipzig[126] dem noch in Polen stehenden Generalfeldmarschall von Ogilvy den Befehl zukommen lassen, alle in der Schlacht von Kalisch den Schweden abgenommenen, zur Feldkriegs-Kanzlei gehörigen Briefschaften und Schriften zusammengepackt und wohlverwahrt nach Leipzig zu schicken, damit sie dort den Schweden übergeben werden könnten. Die dort gemachten Trophäen waren bereits früher dem General Mardefeld, als er aus der Gefangenschaft entlassen wurde, übergeben worden.

Wenn August hoffte, durch dieses rasche Gewähren einiger unwesentlicher Bedingungen des Friedens den Sinn des Königs Karl milder zu stimmen, so täuschte er sich, denn Karl bestand auf seinem [97] Schein, er wollte sämtliche Bedingungen erfüllt haben. Das nächste war daher eine Verkündung des Friedens von allen Kanzeln des Landes, die am 1. Januar 1707 erfolgte, und in Verbindung hiermit eine kirchliche Feier, welche schon im November von den Schweden gefordert, von Imhoff aber mit Rücksicht auf die Abwesenheit des Königs hintertrieben worden war. Dieser Verkündung im ganzen Lande folgte aber ein zweiter sehr wichtiger Schritt, der von allen sächsischen Gesandten schon lange sehnsüchtig erwartet worden war und dessen Unterlassung Schwierigkeiten bereitet hatte. Am 3. Januar 1707[127] wurde an alle Gesandten und Residenten, zur Mitteilung an die Höfe, bei denen sie beglaubigt waren, eine Notififation geschickt, daß der Friede abgeschlossen sei, begleitet von einem gedruckten, in lateinischer Sprache abgefaßten Friedensvertrag nebst einer deutschen Übersetzung desselben. Ebenso wurde am 20. Januar 1707 ein am 27. Dezember abgefaßtes Schreiben an den Kaiser gesendet, in welchem er vom König August gebeten wurde, die Garantie des Friedens von Altranstädt zu übernehmen[128]. Eine Antwort des Kaisers hierauf vom 18. Februar besagt: Bevor der Kaiser die Garantie übernehmen könnte, müßte er erst mit seinen Alliirten, England und Holland, verhandeln, hoffe aber, daß auch diese sich sehr bald zu einer Garantie bereit erklären würden, wenn sich der König auch an sie wenden wollte. An beide Staaten war gleichzeitig ein dementsprechendes Schreiben abgegangen. Am 19. Januar aber unterschrieb der König August ein Manifest dahin lautend, daß alle Briefe, Instruktionen und Mandate, welche nach dem in Altranstädt geschlossenen Frieden in seinem Namen, als König von Polen, publizirt seien und dem angeregten Frieden zuwiderliefen, für null und nichtig erklärt wurden[129]. Der Erlaß dieses Manifestes ist von verschiedenen Seiten so ausgelegt worden, als wenn der König gezwungen worden wäre, nochmals den Frieden eigenhändig zu unterschreiben.

Zur Beurteilung der ferneren Handlungsweise Augusts müssen wir uns immer wieder die Art vergegenwärtigen, wie der Friede zustande gekommen war. Man wird sich erinnern, daß die Denkschrift vom 15. August 1706 über die politische Lage Sachsens, welche man ihm in Nowogrodeck überreichte, den Anlaß gegeben hatte [98] zu seinem Entschluß, Friedensverhandlungen anzuknüpfen. Aus den Friedensverhandlungen war aber gegen seinen Willen der Friede hervorgegangen. Ebenso hatte er sich durch die genannte Denkschrift veranlaßt gesehen, zu versprechen, er wolle unter der Bedingung, daß der König von Schweden von einer Invasion in Sachsen absähe und dieses Land von den Drangsalen des Krieges verschont bliebe, auf die Krone von Polen verzichten. Die schwedische Invasion war trotzdem erfolgt, dem Lande waren die Drangsale des Krieges nicht erspart worden, das Opfer der Thronentsagung war daher nutzlos gebracht. Endlich aber war sein Entschluß, dem Drängen seiner Geheimen Räte nachzugeben, noch durch den einen Punkt in der genannten Denkschrift zur Reife gediehen, worin ihm Aussicht gemacht wurde, daß mit der Zeit Umstände eintreten könnten, unter denen er doch die Krone von Polen wieder erlangen könnte. Man wird es daher begreiflich finden, daß er nun, wenn er auch den Frieden anerkannt hatte, seine Gedanken darauf richtete, denselben wieder zu brechen, sobald sich eine günstige Gelegenheit hierfür böte. Wir brauchen nicht bis zu den punischen oder den Perserkriegen im Altertum zurückzugehen, um Beispiele dafür zu finden, daß der unterliegende Teil einen Frieden nur mit der bestimmten Absicht schließt, ihn, sobald sich die Gelegenheit bietet, wieder zu brechen, – die neuere und neueste Zeit liefert hierfür genügende Beispiele. Zur Erreichung dieses Zieles wäre es nun jedenfalls das zweckmäßigste gewesen, wenn man rücksichtslos alle Friedensbedingungen so schnell als möglich erfüllte und dadurch die Schweden dazu brachte, das Land zu verlassen. Dann konnten die Rüstungen zu einem neuen Kriege sofort in Angriff genommen werden. Alle Bedingungen zu erfüllen hatte aber, wenn man an eine Wiedereroberung Polens dachte, seine großen Schwierigkeiten. Der neue, von Karl XII. eingesetzte König von Polen hatte eine starke Partei hinter sich, ein zweiter Teil der Polen wollte weder von Stanislaus noch von August etwas wissen, es blieb daher nur vielleicht der dritte Teil der Polen übrig, auf welchen man rechnen konnte, wenn man damit umging, sich der Krone Polens wieder zu bemächtigen. Die Frage lag nun sehr nahe, ob die dem Könige August gegenwärtig noch ergebene Partei ihm auch dann noch treu bleiben und ihn unterstützen würde, wenn er feierlichst der Krone von Polen entsagte und die Kroninsignien an Stanislaus, wie es der Frieden verlangte, [99] aushändigte. Der König August unterhielt daher fortwährend noch geheime Verbindung mit einflußreichen Polen und zögerte mit der förmlichen Niederlegung von Titel und Wappen eines Königs von Polen.




Am 12. Mai 1707 wurden Imhoff und Pfingsten in Dresden in ihren Wohnungen arretirt[130]; am 14. Mai erging an den Gouverneur von Dresden, General Grafen von Zinzendorf, der Befehl[131], „die Herren Imhoff und Pfingsten ferner genau zu bewachen, keine Korrespondenz und sonst niemand zu ihnen zu lassen und die an sie einlaufenden Briefe an den Oberhofmarschall und den Geh. Rat von Hoym zu überschicken“. – Am 18. Mai wurden beide auf den Sonnenstein, später auf den Königstein gebracht. Am 17. September 1707, also nachdem die Schweden Sachsen verlassen hatten, wurde einer zur Untersuchung ihrer Angelegenheit niedergesetzten Kommission die Anklageschrift übergeben. Die Kommission bestand aus dem Geh. Rat Freiherrn von Reiswitz, dem Geh. Rat von Kötteritz, dem Geh. Kriegsrat von Schindler, dem Rechnungsrat Dobener, dem Kammerprokurator Schubert und dem Amtmann von Dresden. Am 21. April 1708 erstattete die Kommission ihren Bericht über die Resultate der Untersuchung; dieser wurde an die vom sächsischen Hofe vollständig unabhängige Juristenfakultät der Universität Tübingen zur Begutachtung[VL 1] geschickt und kam von dort am 29. August 1708 mit dem Gutachten zurück, daß Pfingsten in hohem Grade für schuldig zu erachten, Imhoff dagegen milder zu beurteilen sei. Nachdem darauf auch die Juristenfakultät der Universität Leipzig ihr Gutachten in gleichem Sinne abgegeben hatte, gelangten die Akten zur Aburteilung an den Schöppenstuhl in Leipzig, welcher endlich am 20. Dezember 1710 sein Urteil dahin fällte, daß [100] Pfingsten „der begangenen und bekannten schweren Verbrechen halber mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gerichtet und gestraft, Imhoff aber mit lebenslänglicher Haft bestraft werden sollte“. Durch Beschluß des Königs wurde darauf Pfingsten zu lebenslänglicher Haft begnadigt.

Eine eingehende Darstellung dieses beinahe 4 Jahre dauernden Prozesses, den man wirklich keinen überstürzten nennen kann, zu geben, würde die Grenzen der vorliegenden Schrift weit überschreiten, da diese lediglich ein Bild der damaligen Zeitverhältnisse zu geben bestimmt ist. Aus demselben Grunde müssen wir auch davon absehen, eine endgiltige Entscheidung zu versuchen, ob Imhoff und Pfingsten wirklich schuldig oder unschuldig verurteilt worden sind; auch Danielson ist zu keinem Endresultate gediehen, obgleich er außer dem Dresdner auch noch verschiedene andere Archive studirt hat. Nur von Sarauw kommt zu dem Resultat, daß Imhoff und Pfingsten ein mit dem Könige abgekartetes Spiel getrieben hätten und dann als Opfer der Intriguen des Königs unschuldig verurteilt worden wären. Da er selber eingesteht, keine selbständigen Studien gemacht, sondern nur die in der Schrift Danielsons enthaltenen Nachrichten benutzt zu haben, so muß seine Behauptung als eine bloße Hypothese betrachtet werden.

Aus dem, was in vorliegender Schrift an archivalisch belegten Thatsachen zusammengetragen ist, scheint folgendes als feststehend hervorzugehen:

Pfingsten hat gegen den Willen des Königs das Datum in dessen Brief an den König Karl vom 15. August 1706 in den 17. August umgeändert – er hat die ihm vom Könige am 16. August 1706 in Nowogrodeck erteilten Instruktionen in anderer Weise redigirt, als es des Königs Wille war –, er hat das Geheime Ratskollegium in dessen Sitzung vom 2. September 1706 wissentlich getäuscht, indem er vorgab, keine schriftlichen Instruktionen vom Könige zu besitzen, während er doch dergleichen besaß, – er hat das Friedensinstrument in leichtsinniger Weise am 24. September 1706 unterschrieben in der Voraussetzung, daß der König von Schweden aus Generosität mehrere der harten Bedingungen nachträglich noch ändern werde.

Sämtliche hier aufgeführte Vergehen hat Pfingsten begangen, noch bevor er seine Zusammenkunft mit dem Könige in Petrikow [101] vom 15. bis 20. Oktober 1706 hatte. Die Behauptung von Sarauws, daß erst in dieser Zusammenkunft zwischen beiden ein falsches Spiel abgekartet worden wäre, wird durch Feststellung dieser Thatsachen noch nicht widerlegt. Auch von Sarauw erkennt diese Vergehen an und giebt selber zu, die Kommissare hätten ihre Vollmacht überschritten und dadurch das höchste Mißfallen des Königs erregt; den einen von beiden habe er vor sich gehabt und habe ihn aufs härteste bestrafen können; als Preis für dessen Begnadigung hätte er aber ein bedeutendes Opfer von Pfingsten verlangen können.

Sarauw nimmt darauf als erwiesen an, daß Pfingsten dem Könige den vollen Wortlaut des Friedensvertrages und daß derselbe bereits abgeschlossen sei, mitgeteilt habe. Wenn auch wir einmal annehmen wollen, obgleich alle glaubhaften Nachrichten gegen eine solche Annahme sprechen, Pfingsten habe wirklich den König mit allen 22 Artikeln des Friedensvertrages bekannt gemacht, so drängen sich uns folgende Betrachtungen auf:

Wer die politische Lage kennt, in welcher sich König August um jene Zeit befand, wird zugeben müssen, daß es für ihn geradezu eine Unmöglichkeit war, die im Friedensinstrument enthaltenen Bedingungen sofort zur Ausführung zu bringen, da ihm die hierzu nötige Aktionsfreiheit fehlte. Um sich aus den ihn umstrickenden Fesseln der Russen und Polen zu befreien, um seine Person in Sicherheit zu bringen, damit er frei disponiren konnte, bedurfte es der Zeit. Die russisch-polnische Armee, in deren Mitte er dem General Mardefeld gegenüberstand, würde wohl kaum unthätig zugesehen haben, wenn er, nur um Artikel 5 des Friedensvertrages zu erfüllen, an der Spitze seiner sächsischen Regimenter das Lager verlassen hätte und zu den Schweden marschirt wäre, um fortan gegen seine bisherigen Verbündeten zu kämpfen. Mitten im russisch-polnischen Feldlager sich zur Ausführung nicht nur des Artikels 5, sondern auch anderer Artikel zu verpflichten, war eben eine Unmöglichkeit, daher mußte Zeit gewonnen werden.

Wir dürfen wohl als sicher annehmen, daß Pfingsten, wenn er wirklich dem Könige sämtliche 22 Artikel des Friedens mitgeteilt, ihn auch davon unterrichtet hat, was er in seinem Briefe vom 18. September 1706 an Friesen aus Grimma geschrieben hatte, daß nämlich der König Karl, wenn man an seine Generosität appellire, sich zu milderen Bedingungen verstehen würde. Diese Mitteilung [102] bot aber die Handhabe zur Fortsetzung der Verhandlungen, welche dem König damals als noch nicht abgeschlossen erscheinen mußten, um so mehr als eine Ratifikation noch nicht erfolgt war; damit aber wurde Zeit gewonnen; dies war der Grund, warum der König, wie es im Bericht der Untersuchungskommission lautet, „mit eigener Hand Monita aufsetzte“. Diese Monita sind zweifellos, wenn auch nicht der Form, so doch dem Sinne nach identisch mit denen gewesen, welche in der Konferenz in Tamitz am 12. Dezember 1706 aufgesetzt und dem dänischen Gesandten von Jessen zur Unterbreitung an König Karl übergeben wurden. Sarauw scheint dieselben nicht gekannt zu haben, sonst würde er haben zugeben müssen, daß sie der Art waren, daß sie von einem geschickten Diplomaten vorgebracht, von dem König von Schweden recht gut zur Überlegung gezogen und wenigstens ihrer Mehrheit nach genehmigt werden konnten. Augenscheinlich aber wurden sie zu dem Zwecke aufgesetzt, damit über sie verhandelt und dadurch Zeit gewonnen werden könnte.

Bei allen Verhandlungen zwischen dem König und Pfingsten darf man den grenzenlosen Leichtsinn nicht außer Augen lassen, mit dem die von dem Könige ausgestellten Blankets behandelt wurden. Pfingsten hat erwiesenermaßen nicht erst, als er am 20. Oktober Petrikow verließ, zwei Blankets vom Könige erhalten, wie es Danielson annimmt, sondern er hat schon vorher „deren unterschiedliche“ bei sich geführt, wie aus dem Protokoll der Geheimen Ratssitzung vom 2. September 1706 klar hervorgeht. Auf das eine derselben ist die Vollmacht für beide Kommissare ausgestellt worden, von deren Wortlaut der König keine Kenntnis hatte. Zu welchen Zwecken aber Pfingsten andere Blankets des Königs verwendet hat, läßt sich nur vermuten; einen Nachweis darüber hat er, wie aus der Anklageschrift hervorgeht, nicht liefern können.

Diejenigen Blankets aber, welche ihm bei seiner Abreise aus Petrikow am 20. Oktober mitgegeben wurden, auf denen – was immerhin zugegeben werden mag – die Ratifikationsurkunde schon verzeichnet gewesen sein mag, sind ihm zweifellos nur mit der Bedingung übergeben worden, daß er sie dann – aber auch nur dann – verwendete, wenn der König Karl auf die von König August aufgesetzten Monita eingegangen wäre, d. h. mildere Friedensbedingungen zugestanden hätte. Wir finden keine Spur davon – und [103] auch Danielson bestätigt dies – daß auch nur der Versuch gemacht worden wäre, die Verhandlungen nach Pfingstens Rückkehr aus Petrikow wieder anzuknüpfen, mildere Friedensbedingungen zu erwirken und Zeit zu gewinnen. Wie aus Imhoffs Briefen an Friesen hervorgeht, traf Pfingsten am 31. Oktober in Leipzig ein und überreichte schon kurz darauf dem König Karl den an ihn gerichteten Brief des Königs August, auf den schon am 4. November die Antwort erfolgte, und hat jedenfalls bei dieser Gelegenheit auch den ratifizirten Friedensvertrag mit überreicht, so daß dieser, trotzdem Imhoff sich bemühte, die Publikation noch zu verzögern, am 14. November bekannt gegeben werden konnte.

Wenn wir daher an eine Verabredung des Königs August mit Pfingsten – ein „abgekartetes Spiel“ – in der Zeit vom 15. bis 20. Oktober 1706 glauben wollen, so kann sich diese nur darauf bezogen haben, daß Pfingsten den Befehl erhielt, zu versuchen, die Verhandlungen hin zu ziehen, damit der König Zeit erhielte, seine Aktionsfreiheit wieder zu gewinnen und die Möglichkeit, den Friedensbedingungen gerecht zu werden. Daß Pfingsten vom König die Instruktion erhalten hätte, den Frieden unverzüglich abzuschließen, damit der König einen Grund hätte, ihn dann abzuleugnen, ist schon deshalb undenkbar, weil der König durch Bekanntgabe des Friedens, bevor er sich aus den Fesseln der Russen und Polen befreit hatte, nur Schaden, aber nicht den geringsten Nutzen haben konnte. Und wozu dann die Aufstellung der Monita?

Diesen vielen Pfingsten belastenden Momenten, ja sogar dem eigenen Geständnis seiner Schuld, steht allein sein Brief gegenüber, geschrieben an den König am 1. Dezember 1716.

Diesen Brief werden wohl nur wenige außer Danielson, jedenfalls von Sarauw nicht, gelesen haben, wir müssen ihn daher näher betrachten.

Pfingsten beginnt damit, daß er an den Umstand, es hätten jetzt, nach dem Tode des Statthalters, mehrere Gefangene die Hoffnung, vom Königstein entlassen zu werden, auch seinerseits eine solche Hoffnung geknüpft. Aus seinen darauf folgenden ungemein ausführlichen Auseinandersetzungen geht aber mehreres hervor, was von Wichtigkeit für unsere Darstellung sein dürfte. Wenn er z. B. schreibt: „nur bitte ich allerunterthänigst, mich nunmehr endlich mit einer allergnädigsten Resolution zu versehen“ – so muß man [104] fast annehmen, daß ihm das Urteil des Schöppenstuhles von Leipzig vom 20. Dezember 1710 gar nicht bekannt gegeben worden ist, denn schon damals hatte der König „die allergnädigste Resolution“ gegeben, daß er nicht hingerichtet, sondern zu lebenslänglicher Haft begnadigt wurde. Aber auch die Entscheidungsgründe dieses Urteils scheinen ihm nicht mitgeteilt worden zu sein, denn er schreibt „– ohngeachtet mir nicht unbekannt gewesen, was vor ein Bädchen mir gewisse Leute präparirt gehabt“ – und weiter unten: „wofern – derjenige aber, der mich so grausamlich ohne Raison und aus bloßem Privataffekt verfolget und mich um Ehre und Reputation, Leib, Leben und Freiheit zu bringen getrachtet, in Kredit verbleiben sollte“. – Er scheint demnach anzunehmen, daß er seine Haft lediglich der Verfolgung durch einen Feind zu verdanken hat – vielleicht Flemming, der sich allerdings in der Konferenz in Tamitz am 12. Dezember 1706 nicht als sein Freund zeigte – und daß der König selber ohnmächtig gegen diesen Feind sei, denn er schreibt ferner: „wie wenig dieselbe (des Königs Majestät), so gern Sie sonst auch gewollt, vermögend gewesen, mir einiges Soulagement widerfahren zu lassen“. – Als Grund, warum man ihn jetzt in Freiheit setzen könnte, führte er an, daß „die gegenwärtigen Konjunkturen seiner Freilassung nicht mehr entgegenstehen“.

Der Hauptsatz, auf den sich Danielson bezieht, den er aber leider nur unvollständig wiedergegeben hat, lautet: „Ew. Königl. Majestät aber werden mir allergnädigst erlauben, nur kürzlich anitzo allerunterthänigst zu repräsentiren, wie deroselben am besten bekannt, in was vor einer gefährlichen Situation sich dero Affaires befunden, als ich in dero Dienste getreten und mit was vor Mühe, Arbeit und Sorge ich darauf, so lange ich die hohe Gnade gehabt, um dero hohe Person zu sein, accablirt gewesen, wie der totale Ruin, so Ew. Königl. Maj. und Dero Erblanden bevorgestanden, durch kein anderes Mittel als den Frieden hat evitirt und die Krone behauptet werden können; mit was für Promptitude und Treue ich mich zur Salvirung dero hohen Reputation resolviret, Alles über mich zu nehmen und mich eine Zeit lang vor Ew. Königl. Maj. zu sakrifiziren; ferner mit was vor constance ich die Königl. Schwedischen und noch andere mir offerirte hohe Protektion ausgeschlagen, ohngeachtet mir nicht unbekannt gewesen, was vor ein Bädchen mir gewisse Leute präparirt gehabt“.

[105] Er weist also zunächst darauf hin, daß es kein anderes Mittel gegeben habe, den Ruin des Königs und der Erblande zu verhindern, als einen Friedensschluß, daß also demnach seine und der Geheimen Räte Ansicht, auf welche wir schon früher hingewiesen haben und die auch für seine und der Geheimen Räte Entschlüsse seit der Katastrophe von Fraustadt allein maßgebend gewesen ist – nämlich Frieden um jeden Preis zu schließen, – die einzig richtige gewesen ist. – Worin besteht nun das, was er alles über sich genommen hat? – Er hat über sich genommen: nach seiner Rückkehr aus Petrikow nicht erst über die von dem Könige aufgesetzten Bemerkungen zu verhandeln, sondern sofort die Ratifikation des Friedens vorzunehmen, er hat also den Frieden auf eigene Verantwortung geschlossen. Er hat dies zwar gegen den Willen des Königs, aber in der festen Überzeugung gethan, daß er nur dadurch den König und seine Erblande retten könne, darin bestand seine Aufopferung; er hat sich „eine Zeit lang“ für Se. Majestät den König „sacrificirt“, d. h. so lange bis dieser den Frieden selber anerkannt hat.

Es möge noch an zwei Momente erinnert werden, welche oben bereits erwähnt sind und von Sarauw, wenn er sie gekannt hätte, zu gunsten seiner Auffassung hätten verwendet werden können.

Das erste ist der Brief Imhoffs an Friesen aus Leipzig vom 5. November 1706, in welchem er mitteilt, daß ein Kurier vom König mit Briefen angekommen ist, die an Pfingsten persönlich zu übergeben sind; da aber dieser momentan nicht anwesend ist, hat es Imhoff nicht gewagt, die Briefe zu öffnen und kann daher über deren Inhalt nichts an Friesen berichten. Man könnte hieraus schließen, daß auf Grund einer in Petrikow getroffenen Verabredung ein geheimer Briefwechsel zwischen dem König und Pfingsten stattgefunden hat.

Das zweite Moment ist die Äußerung Flemmings in seinem Berichte vom 21. Dezember 1707 über den in Tamitz bei ihm entstandenen Zweifel, welchen er auch an Hoym mitgeteilt hat: „und entstund darauf bei mir ein Zweifel, ob vielleicht Königl. Maj. dennoch nicht mit Pfingsten d’accord wären und daß wir in Allem der Sachen nicht sollten kund werden?“ – Demnach hätte schon damals Flemming dieselbe Ansicht gehabt, welche Sarauw ausspricht, von der er aber, wie er selber zugiebt, im weiteren Verlauf der Verhandlungen vom 12. Dezember 1706 wieder abgekommen ist.

[106] Beide Momente könnten aber mit demselben Rechte als eine Bestätigung der von uns oben ausgesprochenen Ansicht gelten.

Bei den sich widerstreitenden Ansichten können wir nur hoffen, daß sich ehestens eine, womöglich juristische, Kraft findet, welche die reichlich vorhandenen Prozeßakten über diesen Fall eingehend studirt und endlich Licht darüber verbreitet, ob Pfingsten wirklich der unschuldige Mensch gewesen, als welchen ihn Sarauw darzustellen bemüht ist.




König August hatte zwar unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Sachsen durch die Freilassung der polnischen Prinzen, die Auslieferung der den Schweden abgenommenen Trophäen, Notifikation des Friedensschlusses an alle auswärtigen Mächte, Ersuchen an den Kaiser, die Garantie des Friedens zu übernehmen etc., verschiedene Friedensbedingungen bereits erfüllt und dadurch seinen guten Willen zu erkennen gegeben; mit der Erfüllung anderer Bedingungen aber zögerte er noch immer. Am 8. April war dann Patkul an die Schweden ausgeliefert worden, am 18. April hatte der König den bekannten Brief an Stanislaus geschrieben, durch den er ihn als König anerkannte, allein dies genügte noch immer nicht und zu wiederholten Malen mußte der schwedische Geheimsekretär von Cederhjelm nach Dresden reisen, um dort auf die Erfüllung aller, auch der letzten Friedensbedingungen zu dringen.

Diesem wiederholten Drängen nachgebend, erließ der König August unter dem 22. Juni 1707 nachstehende Verordnung[132] an das Oberkonsistorium: „Nachdem wir uns des in dem allgemeinen Kirchengebet bis anhero gebrauchten Titels „von Polen“ zu entäußern entschlossen, als ist hiermit unser gnädigstes Begehren, Ihr wollet sofort nach Empfang dieses durchs ganze Land mittelst anderweiter Verordnung unseres Kirchenrathes und Ober-Konsistorii die ungesäumte Verfügung treffen, daß in bemeldtem Kirchengebete bei Erwähnung Unserer nur die Worte: „von Polen“ weg, der übrige Kontext aber weiter unverändert gelassen werden möge“.

[107] Am selben Tage schrieb er an den Gesandten von Gersdorf im Haag, daß sich der Abmarsch der Schweden aus dem Lande nur deshalb verzögere, weil er noch immer den Titel als König von Polen führe. Zwei Tage darauf erging dann auch an die Geheimen Räte eine Verordnung, daß in allen von ihm auszustellenden Erlassen die Bezeichnung als König von Polen wegzulassen sei.

Die Manneszucht im schwedischen Heere war eine ungemein strenge, und wir dürfen nicht als übertrieben ansehen, was ein schwedischer Offizier in damaliger Zeit an einen Freund in Wien schreibt[133]: „Die Disziplin ist bei uns äußerst streng, keine Plackereien, Bedrückungen, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, werden geduldet, jeder Exzeß wird hart gestraft und monatlich muß die Einquartierung von ihren Wirthen ein Zeugniß ihres Wohlverhaltens an die Behörde liefern, und ist dieses nicht günstig für sie, oder bringt selbige gar keins bei, so büßt sie ihren Sold ein. Außerdem gehen noch Aufseher umher, welche sich genau erkundigen müssen, ob der Soldat irgendwie Unfug gestiftet hat, damit der Beleidiger (sic!) sogleich entschädigt und der Übertreter zur gebührenden Strafe gezogen werden könne“.

Was in diesem Briefe steht, wird sächsischerseits bestätigt durch eine Nachricht[134], welche besagt, daß fortwährend durch schwedische Kommissare Untersuchungen vorgenommen worden wären, um Exzessen der schwedischen Truppen vorzubeugen, und daß sächsische Räte und Amtshauptleute diesen Untersuchungen stets beizuwohnen hatten.

Trotz der bei der schwedischen Armee herrschenden großen Ordnung sehnten sich alle Bewohner Sachsens, und der König August nicht am wenigsten, danach, die ungebetenen Gäste so bald als möglich los zu werden. Jede auf einen baldigen Abmarsch der Schweden aus dem Lande deutende Nachricht wurde daher schleunigst verbreitet und namentlich in Dresden freudig begrüßt. Nachdem hier wieder einmal eine darauf bezügliche Nachricht eingelaufen war, schrieb der König an den Statthalter und die Geheimen Räte unter dem 10. Juni 1707[135]: „Nachdem zuverlässiger Bericht angelangt, [108] daß der Aufbruch der schwedischen Armee nunmehr heranrücke und längstens in 8 bis 10 Tagen erfolgen möchte“ – so soll unverzüglich in Pirna eine Schiffbrücke geschlagen werden, damit die Schweden dort über die Elbe gehen können. Graf Zinzendorf soll das weitere dazu veranlassen. – Die Hoffnung wurde aber auch diesmal, wie später noch öfter, getäuscht.

Am 16. Juli 1707[136] schrieb der König abermals an den Statthalter und die Geheimen Räte: „Es ist gestern aus dem schwedischen Hauptquartier die abermalige Versicherung eingelaufen, daß bei vorstehendem Abmarsch der Schweden – die Personen nicht geschädigt werden sollen etc“. – Es wird auch von dort aus befohlen, daß von der schwedischen Armee gute Disziplin gehalten und die schwedischen Deserteurs gegen eine Vergütung von 60 Thalern an das nächstliegende Regiment ausgeliefert werden sollen. – Eine vom Grafen Pflug unterzeichnete gedruckte Bekanntmachung gab dies der sächsischen Bevölkerung bekannt. Diese Bekanntmachung hing vermutlich mit einer am 29. Juni 1707 im Hauptquartier zu Altranstädt erlassenen Ordre zusammen, welche in vollem Wortlaut erst am 23. Juli 1707[137] durch den Kommissionsrat von Zech aus Leipzig in Dresden eintraf und folgendes enthielt:

1. Bei jedem Dorf, an dem das Regiment vorbeimarschirt, sollen Wachen gestellt und so lange dort belassen werden, bis das Regiment mit seiner Bagage das Dorf passirt hat.

2. Die Wachen sollen verhindern, daß die Gemeinen in die Häuser gehen oder sonst etwas Ungebührliches vornehmen.

3. Es sollen weder Häuser, Gärten noch Zäune abgerissen oder verderbt werden.

4. Über ungemähte Wiesen oder besäete Äcker soll nicht marschirt werden.

5. Mit der Fourage soll sparsam umgegangen werden.

„Nach diesem hat sich jeder zu richten und genau Achtung zu geben, daß unter währendem Marsch hinwieder keine Unordnung, kein Überfluß und keine andre Desordre verhangen werde.“

Alles war vergebliche Hoffnung, und man wird es begreiflich finden, daß man in Sachsen endlich ungeduldig wurde. Am 1. August 1707 richtet der König August ein Schreiben[138] an König Karl und [109] macht darauf aufmerksam, daß die im Friedensvertrag zugestandenen Forderungen von den Schweden überschritten und trotz aller getroffenen Vorsichtsmaßregeln immer wieder Exzesse verübt werden; er bittet daher dringend, daß das Land nun bald verlassen werden möchte. Er sehe sich genötigt, bei den Garantiemächten Protest einzulegen. Am 3. August geht daher auch ein gleichlautender Protest an die Kabinette von Regensburg, Wien, London, Haag etc. ab. Darüber entspann sich ein ziemlich unerquicklicher Briefwechsel zwischen beiden Monarchen, der erst mit dem Abmarsch der Schweden am 1. September 1707 endete. Oberprediger Saran in Halle a. S., der als früherer Geistlicher in Altranstädt die dortige Ortsgeschichte gründlich erforscht hat, schreibt darüber[139]: „Endlich, nachdem alle Vorbereitungen zu dem russischen Feldzuge getroffen waren, dachte Karl an die Abreise. Sämtliche schwedische Frauen brachen in ihre Heimat auf. König Stanislaus Leszinsky war der erste, der den Marsch eröffnete; er zog am 15. Juli mit seinen Polen und 8000 Schweden ab, Rheinschild folgte mit der schwedischen Hauptmacht am 15. August nach. Nur wenige schwedische Regimenter standen noch mit dem Hauptquartier des Königs bei Leipzig. Am 31. August erhielten auch sie Befehl zu marschiren; am 1. September in aller Frühe war Altranstädt geräumt und sämtliche Schweden auf dem Marsche“.

Die Geldrechnung auf dem Marsche durch Sachsen bis zur Grenze regelte als königlicher Kommissar der Bergrat von Plötz. Die von ihm gemachte Zusammenstellung[140] berechnet ziemliche Summen von Geldern, welche von den Schweden zu viel erhoben, auf sein Betreiben aber wieder zurückgezahlt worden sind, wobei teilweise sehr bedeutende, bis zu 40 000 Thalern reichende Summen erschienen. Aber auch kleinere Summen wußte er mit Geschick von den Schweden wieder zurück zu erhalten, z. B. mußte in Eckardsberge ein Wallache zwei dem Posthalter in Rippach weggenommene Pferde in Gegenwart der Kommission mit 80 Thalern wieder bezahlen; desgleichen wurden in Grimma einem Bauer 20 Thaler für ein weggenommenes Pferd bezahlt.




[110]

In Dresden herrschten seit dem Einrücken der Schweden in Sachsen Zustände ähnlich denen in einer belagerten Stadt. Trotz des schon seit dem 25. September 1706 bekannt gegebenen Waffenstillstandes lebte man hier immer noch in der Besorgnis, die Schweden könnten einmal die Stadt plötzlich überrumpeln; hatte man doch, wie wir bereits gesehen haben, noch im Monat November Pallisaden aus dem Walde nördlich von Dresden geholt, um die immer noch nicht fertig gestellten Befestigungswerke endlich zu vollenden. Die Stadtthore wurden streng bewacht und der Verkehr nach außen einer scharfen Kontrolle unterzogen. Am 19. Dezember 1706 fragte der Rat beim Gouverneur Grafen Zinzendorf ganz schüchtern an[141], ob der Striezelmarkt abgehalten werden dürfte, da doch hierzu viele Leute von auswärts in die Stadt kommen müßten. Der Gouverneur resolvirte darauf, daß alles, was Handel und Wandel triebe, hereingelassen werden möchte, es käme nur darauf an, eine scharfe Kontrolle darüber auszuüben, daß sich keine verdächtigen Leute bei dieser Gelegenheit hereinschlichen, die dann in größerer Menge der Stadt Schaden bringen könnten.

Endlos waren die Klagen über die Einquartierung und die aufzubringende drückende Kontribution. Der Rat zu Dresden richtete am 1. Februar 1707 an die Regierung im Hinblick auf die allgemeine große Kalamität des Landes eine Eingabe[142], in welcher auseinander gesetzt wird, wie für die Einwohner der Stadt Dresden die allgemeine Kalamität drückender wäre als für alle anderen Städte. Es wird darin hervorgehoben:

1. Viele Leute sind ohne Bezahlung des Hauszinses, viele Handwerksleute und Kaufleute davon gezogen; aller Handel und Wandel, davon sich sonst viele hundert Familien genährt haben, ist auf einmal unterbrochen und die Hofdiener haben keine Besoldung erhalten.

2. Wer in der Festung hat bleiben wollen, hat sich mit großen Umständen verproviantiren müssen, die Handwerksleute hätten ihre Gesellen nicht wegschaffen dürfen, sondern hätten dieselben noch erhalten müssen.

3. Bürger und andere Einwohner sind durchgehends mit starker Garnison, mit Weibern und Kindern belegt worden, dabei es sich [111] zugetragen, daß in manches Haus bis zu 30 Personen gekommen wären; was das aber gekostet und für Ungelegenheiten gemacht hätte, würde jedermann empfunden haben.

4. Die Einwohner haben zu Walle ziehen und für ihr eigen Brod Dienste verrichten müssen.

5. Die General-Accise ist in Dresden weiter erhoben worden, während man sie im ganzen Lande nachgelassen hat.

6. Dabei hat man, als die Schweden eingerückt sind, einen Landsteuertermin zu deren Unterhaltung entrichten müssen.

7. und 8. Die 24 ordinären Quatember und die Anlage zur Verpflegung der Garnison würde noch darüber erhoben.

9. Bei allen diesen Übelständen habe der Rat stets dieselben Ausgaben wie früher gehabt.

10. Dagegen blieben alle Einnahmen aus, der Kredit ist verloren, die Schulden sind auf dem Halse und die täglichen Ausgaben zur Erhaltung der Kirchen und Schulen und der vielen hundert armen Leute, ingleichen die Baukosten, so auf die öffentlichen Gebäude, Schleußen und Brücken, die Röhrwasser, Reinigung der Gassen und vieles anderes noch mehr täglich zu verwenden, muß angeschafft werden, zu geschweigen was zur Befriedigung der Vorstädte und sonst zur Abwendung des besorgenden Unfalles aufzuwenden gewesen. – Daher gar irrig ist, daß die Stadt Dresden bisher und bei der allgemeinen Not nichts empfunden, oder vor anderen etwas thun können.

Die Art und Weise, wie die drückende Kontribution aufgebracht werden sollte, war nun wohl genau geregelt, aber von vielen Stadtvertretungen gingen Vorschläge ein, wie das bestehende System geändert werden könnte, während andere Stadtvertretungen wieder dagegen remonstrirten. Am 10. Februar 1707 berichtete die Stadt Leipzig, sie habe bisher schon 170 000 Thaler hergegeben, 108 000 Thaler auf Darlehen aufgenommen und sollte nun wieder auf die Zeit bis zum 1. Mai 88 000 Thaler aufbringen. – Großenhain schreibt am 13. Februar, daß es nicht mehr imstande sei, etwas zu zahlen, und reicht ein Verzeichnis von 24 Dörfern ein, welche gänzlich ruinirt seien. Pirna klagt, nachdem es 41 075 Thaler bereits gegeben habe, verlange man abermals 15 022 Thaler; dies zu zahlen wäre man nicht imstande etc.[143].

[112] Wie aber die Vertretungen der Städte, so klagten die Einwohner in diesen Städten, hauptsächlich in Dresden, über die Einquartierung. War nun schon eine Einquartierung von 8 Bataillonen für eine Stadt wie Dresden in damaliger Zeit allerdings eine ziemlich bedeutende, so wurde sie noch empfindlicher für die Bewohner durch die Länge der Zeit und dadurch, daß mit den Soldaten deren Frauen und Kinder untergebracht werden mußten. So klagt unter anderem die Vorstadtgemeinde Poppitz in Dresden, daß sich bei den 8 daselbst einquartierten Kompagnien – in einer Stärke von ca. 600 Mann – nicht weniger als 112 Soldatenfrauen und 50 bis 60 Kinder befänden[144].

Rührend aber klingt die Klage eines Diakonus von der Annenkirche, namens Fleck, er hätte wegen des großen Lärmes, den die Einquartierung in dem Hause, wo er wohnte, gemacht habe, nicht mehr arbeiten können; deshalb habe er sich, um Ruhe zu haben, ein eigenes kleines Häuschen vor dem Thore draußen gekauft. Aber ehe er noch „seine Glückseligkeit“ darin habe genießen können, habe man ihm als Einquartierung einen Offizier hineingelegt, so daß er nun wieder gestört sei. Er bittet daher dringend um Abstellung dieses Übelstandes[145].

Das öffentliche Leben in Dresden, der Residenzstadt, drehte sich in der Hauptsache um den Hof. Viele Adelige des Landes, welche Hofämter bekleideten, bewohnten eigene Palais oder auch einfachere Häuser, bildeten aber mit ihrer zahlreichen Dienerschaft meistens wieder einen kleinen Hofstaat für sich. Dadurch jedoch, daß der König August seit vielen Jahren in Polen lebte, hatte das öffentliche Leben ein anderes Ansehen bekommen. Die Kurfürstin-Mutter und die Königin mit dem Kurprinzen führten ein ziemlich zurückgezogenes Leben. Als die Schweden ins Land eingefallen waren, hatten beide fürstlichen Damen mit dem Kurprinzen die Stadt verlassen und eine Menge andere vornehme Leute waren ebenfalls aufs Land oder in andere Städte verzogen, so daß es noch stiller geworden war. Am 15. Dezember 1706 war zwar der König aus Polen zurückgekehrt, hatte aber seine Reise bereits andern Tags nach Leipzig fortgesetzt und war bis gegen Ende März mit nur kurzen Unterbrechungen dort geblieben. Erst als er von dort wieder zurückkam und auch die Königin am 24. März aus Torgau und [113] die Kurfürstin-Mutter am 27. März aus Lichtenburg eintrafen, konnte von einem Hofleben wieder die Rede sein. Die Zeitumstände aber, die durch den Frieden von Altranstädt bedingte Aufgabe der Krone Polens, verursachten, daß von dem Prunke, den früher Christian I. und dann auch die Johann George entfaltet hatten, nicht viel zu merken war. Es fanden sogar große Reduktionen des Hofstaates statt, denn am 1. April wurden, wie der Schreibkalender des Hofmarschallamtes mitteilt, alle polnischen Haiducken und am 6. April viele weitere beim Hofstaat angestellte polnische Bedienstete entlassen, am 13. April sogar die Königl. Kapelle wesentlich beschnitten. Während des Sommers war der König abermals oft abwesend in Leipzig, Torgau, Moritzburg, Pillnitz etc., bis endlich im Herbst ein Ereignis eintrat, welches den nach Neuigkeiten ausschauenden Dresdner Einwohnern, obwohl es in einigen Stunden vorüber war, noch lange Zeit Stoff zum Gespräche lieferte. Es war dies der Besuch des Königs Karl XII. in Dresden am 6. September 1707.

Der im Schreibkalender des Königl. Hofmarschallamtes vorhandene Bericht über diesen Besuch lautet: „Am 6. September kamen gegen 4 Uhr Königl. Majestät von Schweden über Vermuten anhero, nahmen bei unseren Königl. Majestäten, ingleichen bei Ihro Hoheit der Königl. Frau Mutter und Königl. Prinzen Abschied und nachdem sie mit Königl. Majestät die Festung umritten hatten, wurden selbige bis an Naundorf unter Lösung 30 Kanonen begleitet“.

Dieser kurze, nüchterne, nur geringe Anhaltspunkte bietende Bericht würde kaum geeignet sein, unsere Aufmerksamkeit auf diesen Besuch zu lenken, wenn dieser nicht durch die verschiedenen Darstellungen, die er erfahren, in allen Geschichtswerken zu einem welthistorischen Ereignis gestempelt worden wäre.

Über die Ankunft des Königs Karl in Dresden besitzen wir ein Dokument, welches von großem Werte deshalb ist, weil es, sofort an Ort und Stelle niedergeschrieben, uns über viele, später verfälschte Nachrichten glaubhaften Aufschluß giebt. Es ist der Thorzettel des „Weißen Thores“ in Dresden vom 6. September 1707, den man als besondere Merkwürdigkeit im Ratsarchive[146] niedergelegt hat und der folgendermaßen lautet:

[114] „Den 6. 7br. an. 1707 Zum Weißen Thor

Ein Komen
H. Camer H. Seyfertiz Sen: mit 1 Carr. von seinen guth. 9
H. Baron Goltsch von Prag, mit Extra Post von Leipzig, bey Zimerman. 9
H. Baron Pigini
H. Major From Selb 2 u. von der Arttilleri bey Böttichern
H. Lieut. Jachenson mit der ord.
Post von Wittenberg
1
H. Rittmeister Venediger von Trabanden bey der Frau Wolkenstein
Ludewig Ernst Lincke Verwalther zu Gamich paß. durch
H. Dr. Jahn von Torgau
H. Ulrich Kutscher, leibschneider Von König in Schweden, mit 2 Pfrd. von der
Oberau bey Zimerman
2
H. Mangnus Bötticher, Reidtschmidt
H. Camer H. Miltiz, mit 1 Carr. von Meisen 4
H. Obriste Hordt von den Königl. Schwed. Trabanden Kommen auß den
Schwed. Hauptquarttire von
Oberrau bey
Zimerman
4
Mons. Wrangell
Monß. Grinrath von Königl. Schwed. Trabanden
Monß. Kahl
Monß. Creutz[147]
Monß. Buman
Frau von Mordt Eysen mit 1 Call. von Meisen 4
Frau Geh. Rath Beichlingen, mit Carr. von ihren guthe 4
H. Baron Sicken Chur Pfaltzscher, abgesander mit 1 Extra Post von Leipzig bey Schoren. 5
H. Camer H. Güntherfeldt von Schwed. mit 1 Extra Post von Oberrau, bey Zimerman 5
H. Oberister Lieut. Stall
H. Comiß. Rath Zech, mit 1 Extra Post von Leipzig 5
H. Geh. Secr. Engelschall, mit 1 Extra Post von Torgau 5“

Die auf diesem Thorzettel befindliche, von anderer Hand stammende, mit roter Tinte eingetragene Bemerkung: „NB. ist der [115] König von Schweden geweßen“, bedarf nur insofern einer Berichtigung, als sie jedenfalls nicht neben den Namen Creutz, sondern neben den Namen Kahl gesetzt werden muß. Nach allen übereinstimmenden Nachrichten hat der König am Thore angegeben, er hieße Karl, worauf der Thorschreiber, offenbar infolge eines Hörfehlers, den Namen als „Mons. Kahl“ eingetragen hat.

Wir ersehen daraus, daß Voltaires Angabe: „Chacun prit un nom supposé“ auf einem Irrtum beruht, denn daß die 5 Herren, welche mit dem König nach Angabe des Thorzettels in Dresden zu gleicher Zeit einpassirten, zu seiner täglichen Umgebung gehörten, ist durch andere Quellen zu erweisen; sie haben ihre eigenen Namen angegeben, nur muß auch hierbei wieder der Name „Mons. Grinrath“ in Lindroth umgewandelt werden, was wohl auch auf den Umstand geschoben werden muß, daß der Thorschreiber den Namen falsch verstanden hat. Einen Grinrath hat es vermutlich im schwedischen Dienst nicht gegeben, während Lindroth zur Umgebung des Königs gehörte.

Aus dem Thorzettel scheint aber zweifellos hervorzugehen, daß der Besuch des Königs in Dresden ein vorbereiteter gewesen ist und daß es der König für überflüssig gehalten hat, die große Menge seines Hauptquartiers und seines Heeres vorher von seiner Absicht zu unterrichten. Es treffen nämlich einige Zeit vor dem König in Dresden ein: sein Kammerdiener „H. Ulrich Kutscher, Leibschneider“ und sein Leibreitknecht „H. Magnus Böttcher, Reitschmidt“, der in Wirklichkeit Magnus Larsen hieß. Nach diesen kommt der Kammerherr von Miltitz aus Meißen an, der Besitzer von Oberau und an diesem Tage Quartiergeber des Königs war; es müßte doch ein eigentümlicher Zufall sein, wenn dieser Herr, ohne eine Ahnung von des Königs Ritt nach Dresden zu haben, gerade an diesem Tage, wo seine Anwesenheit in Oberau notwendig war, kurz vor dem König auch nach Dresden gefahren wäre. Dann erst ist der König mit seiner Begleitung einpassirt und wieder geraume Zeit nach diesem, durch 3 einzeln einpassirende Parteien unterbrochen, abermals 2 Herren seines Gefolges, der Kammerherr Güntherfeld und Oberst Stahl – nicht Stall, wie angegeben –, welche zu Wagen ankamen. Es hat daher den Anschein, als hätte der König Vorbereitungen treffen wollen, um unter Umständen in Dresden zu übernachten, weshalb auch sämtliche aus Oberau kommende Herren und Diener in ein und demselben Gasthofe angemeldet sind.

[116] Sämtliche genannte Personen sind als von Oberau kommend eingeschrieben – man kann hieraus und aus dem Umstande, daß der König Karl abends beim Verlassen von Dresden vom König August bis Neudorf begleitet worden und dann nach Oberau wieder zurückgeritten ist, mit Bestimmtheit schließen, daß er nicht während der Marsches von der Spitze seiner Truppen plötzlich verschwunden ist. – Voltaire giebt nämlich an, er habe die Gewohnheit gehabt, auf dem Marsche stets 200 bis 300 Schritt vor seinen Garden vorauszureiten, und wäre an diesem Tage in der Nähe von Dresden plötzlich seiner Truppe aus den Augen verschwunden. In den „vertrauten Briefen“ [148] heißt es über diese Angelegenheit: „Rauden am 20. September 1707. – – Noch ein sonderbares Ereignis mit unsrem König muß ich dir von unsrem Marsche nach Dresden erzählen. Kurz vor dieser Stadt hatten wir den König aus den Augen verloren und zwei Stunden harrten wir seiner Rückkunft, so daß General Rheinschild, im Vorgefühl, daß man den König in Dresden widerrechtlich zurückhielte, bereits Pläne zu einer Belagerung dieser Stadt entwarf, als plötzlich der Längsterwartete erschien. Und wo glaubst du wohl, wo er gewesen sei, und was er gethan habe? – Nirgends anders als wirklich in Dresden, um sich bei dem Kurfürsten auf die höflichste, freundschaftlichste Art Abschied nehmend zu empfehlen!“ – Die schwedische Armee machte von der Gegend um Leipzig bis zur sächsisch-schlesischen Grenze nur sehr kleine Märsche. Sie brach frühzeitig aus dem Lager auf und bezog mittags schon wieder das neue Lager, in dessen Mitte stets das Zelt des Königs aufgeschlagen wurde, während die Herren seines Civilkabinetts in den nächsten bewohnten Ortschaften untergebracht wurden. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß der König schon gegen Mittag mit seiner Armee bei Oberau eingetroffen ist, dort das Lager aufgeschlagen hat und nachmittags, ohne mehr Leute, als gerade notwendig war, davon zu benachrichtigen, nach Dresden geritten ist, wo er nach einem Ritt von höchstens 2 Stunden, gegen 4 Uhr, eintraf.

Der Thorzettel berichtet aber weiter, daß sämtliche aus Oberau ankommende Schweden angegeben haben, sie wollten zu „Zimmermann“. [117] Unter dieser Bezeichnung ist aller Wahrscheinlichkeit nach der heutige Gasthof „Stadt Rom“ zu verstehen; nach den Ratsakten und auch nach dem Plane von Dresden vom Jahre 1707, auf welchem die Hausbesitzer Dresdens eingetragen sind, gehörte dieses Haus einem gewissen Zimmermann und hatte die Schankgerechtigkeit.

Einen Bericht über den Aufenthalt Karls XII. in Dresden während der Nachmittagsstunden des 6. Septembers besitzen wir, außer in verschiedenen anderen Quellen, in den „Beiträgen zur Belehrung und Unterhaltung“, einem Beiblatt des Dresdner Anzeigers, vom 10. Juli 1809. Der ungenannte Verfasser dieses Aufsatzes schreibt in einer Anmerkung: „Man benutzt hierzu vorzüglich das Tagebuch eines alten treuen Dieners des Feldmarschalls Flemming, das so manche interessante Züge zur damaligen Zeitgeschichte enthält. Der Verfasser war zwar nur Kammerdiener, aber wie es scheint, Freund und Vertrauter seines Herrn, und ein solcher kann, wie bekannt, über so manche große Begebenheiten oft besseren Aufschluß geben, als der besoldete, mit Fleiß und Kritik arbeitende Reichshistoriograph. Die Nachrichten, welche das genannte Tagebuch über Karls höchst sonderbaren Besuch in Dresden enthält, sind zwar nicht von außerordentlicher Wichtigkeit, aber doch immer anziehend genug, um nicht ganz unbekannt zu bleiben, oder am Ende wohl gar verloren zu gehen. Wenigstens dienen sie dazu, so manche Angaben von Nordberg, Voltaire, Faßmann und anderen zu bestätigen, zu bestreiten, oder zu vermehren“. – Das hier erwähnte Tagebuch des Kammerdieners ist leider nicht aufgefunden worden, indessen sind die darin enthaltenen Aufzeichnungen, soweit sie der ungenannte Verfasser des Aufsatzes im Dresdner Anzeiger wörtlich wiedergiebt, nicht ganz außer Augen zu lassen.

Daß der Kammerdiener selbständig, d. h. ohne fremde Einflüsse geschrieben hat, geht aus seinen von anderen Darstellungen mehrfach abweichenden Mitteilungen hervor. Die den König Karl begleitenden Herren giebt er mit Namen abweichend von dem genannten Thorzettel wieder. Er nennt: den Herzog Christian August von Schleswig-Holstein, Trabantenoberst Carl Gustav Härd, Generalmajor Creuz, Generaladjutant Lindroth, Trabantenkorporal Olaf Bomann, Gardekapitän Axel Hammerhjelm und den Reitknecht Mäns Lange. – Der Herzog Christian August wird auch von Adlerfeld und anderen erwähnt, es ist daher nicht unmöglich, daß er sich [118] unter dem Namen Wrangel verborgen gehabt habe, um so mehr, als er, der ein Verwandter des sächsischen Hofes war, vielleicht nicht als solcher dort erscheinen wollte. Auch der Kammerdiener giebt an, er habe sich Wrangel genannt und der König und er hätten, um nicht erkannt zu werden, „die Ordenssterne eingeknöpft“. Im übrigen aber haben wir in der von ihm gemachten Angabe, wenn wir, wie oben bereits bemerkt, für Grinrath den Namen Lindroth setzen, alle im Thorzettel verzeichneten Namen, bis auf den Gardekapitän Axel Hammerhjelm, der zwar existirt hat, aber vermutlich nicht mit hereingekommen ist. Der Reitknecht Mäns Lange ist der schon vorher eingetroffene „Reidtschmidt Magnus Böttcher“ und hieß Magnus Lange.

Der König Karl mit seinen 5 Begleitern, aber ohne den Reitknecht, welcher schon früher eingetroffen und vermutlich direkt zu Zimmermann (Stadt Rom) geritten war, um dort mit dem „Leibschneider“ Quartier und Stall zu bestellen – wurde nun, da die Herren alle in Uniform und daher als Militärs kenntlich waren, zuerst von der Thorwache nach der Wache von Altendresden – der Neustädter Hauptwache – geleitet. Diese befand sich damals auf dem jetzigen Neustädter Markt quer vor der heutigen Hauptstraße, mit der Front nach der Brücke. Von dort aber wurden die Herren über die Brücke, an den Ställen vorüber – heutige Augustusstraße – nach dem Neumarkt geführt, wo die Wache der Garden – Altstädter Hauptwache – quer vor der Frauenkirche stand, wie wir sie auf dem Bild von Canaletto finden. Hier scheint ein längerer Aufenthalt gewesen zu sein, während dessen einzelne Herren nach Zimmermann hinüber geritten sind, um nach dem dort schon eingekehrten Reitknecht Magnus Lange zu sehen; auch scheinen sich schon bis dahin eine Menge Menschen versammelt zu haben, um den ungewohnten Anblick von sechs berittenen schwedischen Offizieren zu haben. Der Bericht im Dresdner Anzeiger besagt nun: „General Flemming steht von der Tafel auf, als er das Pferdegetrappel hört, tritt an’s Fenster und will eben den Kammerdiener fortschicken, zu erfahren, wer die Reiter sind, da erkennt er seinen Freund, den Obersten Härd, eilt die Treppe hinab, diesen zu bewillkommnen, aber wie erschrickt er, als er den König erblickt“.

Diese Angabe hat viel Wahrscheinlichkeit für sich. General Flemming bewohnte sein eigenes Palais auf der Moritzstraße, welches [119] von Zimmermann nur durch das Haus des Oberhofpredigers getrennt war, daher ziemlich nahe am Neumarkt lag. Es ist daher auch leicht möglich, daß er, besonders wenn die Fenster offen standen, das Pferdegetrappel auf dem Neumarkt gehört hat; damals herrschte ja auf den Straßen Dresdens noch nicht der heutige, betäubende Lärm der Großstadt.

Daß Flemming beim Anblick des Königs Karl sehr bestürzt gewesen ist, läßt sich denken: Flemming war schwedischer Unterthan, war vom König Karl längst reklamirt und nur durch Verwendung hoher Personen in König Augusts Dienst belassen worden. Er gehörte außerdem in Sachsen der Partei an, welche beständig für Fortsetzung des Krieges und gegen jeden Frieden agitirt hatte, es mochte ihm daher wohl in diesem Augenblick das Schicksal Patkuls vor Augen schweben. Indessen „reichte ihm“ – wie der Kammerdiener berichtet – „der König die Hand und bat sogar leutselig und mit wahrer Magnanimität, ihn aufs Schloß zu des Königs Majestät zu führen“, worauf Flemming in sein Palais zurückeilte, ein Pferd, deren stets mehrere bei ihm gesattelt standen, bestieg und zum König zurückkam.

Daß Flemming bei dem Besuche Karls XII. in Dresden zugegen gewesen ist, wird fast von allen Berichterstattern dieses Ereignisses bestätigt. Auch der mehrfach erwähnte schwedische Offizier schreibt in seinen vertrauten Briefen: „Wie erschrocken Flemming welcher ohnedies wußte, daß ihn unser Karl eben nicht zärtlich liebe) gewesen sein möge, erhellt daraus, daß er 3 Tage lang (ernstlich krank gewesen ist“. – Auch der Kammerdiener berichtet: „– befanden sich nachher bis zum Sonntage nicht wohl, mußten mediziniren, auch des Elixirs sich täglich dreimal bedienen, um der gehabten Alteration willen, von wegen des Königs von Schweden“.

Flemming führte dann den König, der sich unterdessen mit mehreren zufällig des Weges kommenden sächsischen Offizieren leutselig unterhalten hatte, gefolgt von einer großen Menschenmenge durch die Sporergasse nach dem Haupteingange zum Schloß auf der Schloßstraße. Die hier stehenden Schweizer kreuzten ihre Partisanen, den Eingang verwehrend, gaben denselben aber auf Verwendung Flemmings frei, so daß der König passiren konnte. Im Schloßhofe saß der König ab und eilte, hastig, wie er in allen seinen Bewegungen war, geleitet von Flemming und gefolgt von [120] seiner Begleitung, die englische Treppe hinauf nach den Zimmern des Königs August. Flemming hatte zwar einem Lakaien zugewinkt, er möge vorauseilen, um den König August von dem ihm bevorstehenden Besuch zu unterrichten. Der Lakai hatte sich aber nicht getraut, den König Karl auf der Treppe zu überholen und so gelangte dieser bis vor die Gemächer des Königs August. Der „Kammerdiener“ berichtet: „selbst nicht ein Lakai konnte voraus springen, den König von Schweden in geheim anzukündigen, so schnell eilten Ihre Majestät selbst die Stiegen hinauf“. – Ohne eine Anmeldung abzuwarten, trat er beim König August ein, während seine Begleitung, demnach auch der unerkannt bleiben wollende Herzog Christian August, im Vorzimmer verblieb. König August, welcher unwohl war und sich allein im Schlafrock in seinem Zimmer befand, war zwar sehr erstaunt über diesen unerwarteten und unangemeldeten Besuch, begrüßte ihn aber trotzdem aufs freundlichste, worauf Flemming – wie der Kammerdiener berichtet –, wegtrat und beide Könige allein ließ.

Ganz abweichend von dieser sehr wahrscheinlich klingenden Darstellung berichtet Saran[149]: „Nach den Memoiren des Prinzen von Ligne befand sich August eben mit der Gräfin Cosel, die damals auf der Höhe ihrer Gunst stand, im Zeughause, wo er gewöhnlich seine Kraftstücke übte. Als an die Thür gepocht wurde, rief August herein. Karl trat herzu und umarmte den König mit den Worten: Guten Tag, mein Bruder! Die Gräfin Cosel flüsterte dem König zu, er möchte doch seinen Gegner schnell verhaften lassen – aber Karl, der den Wink bemerkte, warf ihr einen Blick zu, der den erschrockenen August bestimmte, der Gräfin zu bedeuten, daß sie sich zurückziehen möge“. – Diese wenig glaubhafte Darstellung möge nur als Beispiel für die vielen abenteuerlichen Nachrichten dienen, welche über diesen Besuch verbreitet worden sind.

Mittlerweile waren verschiedene Herren des Hofes, benachrichtigt von der Anwesenheit des Königs von Schweden, im Vorzimmer König Augusts eingetroffen und unterhielten sich mit der dort wartenden Umgebung, als der König August nach Verlauf von ungefähr einer halben Stunde die Herren in seine Gemächer eintreten [121] ließ, um sich einen Moment zurückzuziehen und seinen Schlafrock mit einem anderen Rock zu vertauschen. König Karl sagte darauf nach Angabe des „Kammerdieners“ zu Flemming: „Mein Herr Bruder wird sich doch meinetwegen nicht anders anthun? Er trägt den Friedens–, ich den Kriegsrock. Sind wir doch beide nach Geschick angezogen“.

Bezüglich des Schlafrockes, den König August getragen hat und der zu verschiedenen unliebsamen Auslegungen Anlaß gegeben hat, muß auf die damals herrschenden Gebräuche hingewiesen werden. Die Röcke, die man trug und besonders die der vornehmen Herren, in denen sie sich in der Öffentlichkeit zeigten, waren unbequem und da sie meist mit schweren Stickereien versehen waren, schwer. Jedermann legte daher, sobald er in seine Häuslichkeit kam, dieses schwere Kleidungsstück ab und vertauschte es mit einem bequemeren, längeren Rocke, der auch die mit Eskarpins bekleideten Beine bedeckte. In den meisten Fällen wurde auch die gewöhnlich sehr unbequeme Perücke in der Stube abgelegt. Daß sich daher der König August in diesem Moment im Schlafrock befand, war durchaus nichts Ungewöhnliches.

Der Verfasser des Aufsatzes im Dresdner Anzeiger berichtet darauf weiter, allerdings nicht mit den eigenen Worten des „Kammerdieners“: „Als August eingekleidet zurückkam, führte er den König von Schweden an der Hand zu seiner Mutter, der verwittweten Kurfürstin-Gemahlin Johann Georgs des Dritten. Warum aber nicht zu seiner Gemahlin? Weil diese, seit August den polnischen Thron bestieg, selten in Dresden war, sondern sich gewöhnlich in Torgau oder Pretsch aufhielt“. – Dies widerspricht dem Hofbericht, der es gewiß erwähnt haben würde, wenn die Königin abwesend gewesen wäre; aber auch Faßmann berichtet, daß die Königin anwesend war.

Der Besuch Karls beim König August soll eine halbe Stunde gedauert haben, der bei der Königin und der Kurfürstin eine Stunde, es mochte daher nach Ende des letzteren Besuches gegen 1/26 Uhr geworden sein.

Voltaire, welcher den Besuch bei der Königin und der Kurfürstin nicht erwähnt, berichtet: „Charles déjeuna avec lui comme un voyageur qui vient prendre congé de son ami“. Auch der schwedische Offizier schreibt in seinen vertrauten Briefen am 20. September [122] 1707: „Karl genoß ein Frühstück“. Unser „Kammerdiener“ dagegen berichtet: „August nötigte den König von Schweden, bei ihm zu soupiren. Auch wurden schon die lebhaftesten Anstalten dazu gemacht, allein Karl verbat alles und wünschte lieber die Festungswerke zu sehen“. Ebenso spricht sich auch Faßmann aus, und da auch der Hofbericht nichts von einem Souper erwähnt, dies auch Karls Gewohnheiten durchaus nicht entsprochen haben würde, so dürfen wir wohl als bestimmt annehmen, daß beide Monarchen gegen 1/26 Uhr ihren Ritt um die Festungswälle vom Schloß aus begannen und am Zeughause endigten, welches hierauf besichtigt wurde.

Der Verfasser des Aufsatzes im Dresdner Anzeiger schildert darauf eine Szene im Zeughause: der König von Schweden habe dort eine noch von Gustav Adolf herstammende schwedische Kanone bemerkt, worauf Flemming zum General Creuz und Oberst Härd die ziemlich taktlose Bemerkung gemacht hätte: „Wenn Se. Majestät Verlangen trüge nach diesem großen Stück, würde der König, sein Herr, es gewiß gern an die schwedische Armee abliefern“. – Darauf hätten die beiden genannten Herren aber die sehr richtige Antwort gegeben, daß im Zeughause zu Stockholm gewiß auch polnische und sächsische Kanonen stünden; es behalte aber jeder gern das Seinige. In Anbetracht des weltmännischen Taktes, der Flemming eigen war und den er bei verschiedenen Gelegenheiten bethätigte, muß diese Unterredung sehr stark angezweifelt werden. Voltaire und die vertrauten Briefe erwähnen ihrer nicht und auch in anderen Berichten dürfte nichts darüber zu finden sein.

Nach dem Berichte des „Kammerdieners“ ereignete sich dann, als die Majestäten nach Verlassen des Zeughauses über den Neumarkt nach der Brücke zu ritten, der auch in anderen Berichten erwähnte Vorfall mit dem ehemaligen Diener des Generals Patkul. Dieser hätte sich vor dem Pferde des Königs Karl auf die Erde niedergeworfen und um Gnade für seinen Herrn gebeten, worauf sich Karl sehr ungnädig abgewendet hätte. Der Vorfall, wenn er sich wirklich ereignet hat, ist um so weniger von Bedeutung, als er gar keine Folgen hatte.

Vom Neumarkt ritten die Monarchen zur Besichtigung der Reitbahn – des heutigen Stallhofes – und nachdem Karl eine Aufforderung, zur Nacht in Dresden zu bleiben, nochmals abgelehnt hatte, über die Brücke nach Alten-Dresden.

[123] August hielt streng am Ceremoniellen fest und versäumte auch nicht das geringste, um seinem hohen Gaste die ihm gebührenden Ehren widerfahren zu lassen; als die Monarchen über die Brücke ritten, wurden sie daher mit 30 Salutschüssen von den Wällen der Festung begrüßt. „Karl kein Freund von Ceremonien sagte halblaut, aber wie Flemming bemerkt zu haben glaubte, nicht eben in der besten Stimmung zum Generalmajor Creuz: das ist zu viel Ehre für einen schwedischen Trabanten; dem König aber dankte er mit der Bemerkung: was werden meine Schweden sagen? sie wissen es nicht, daß ich in Dresden bin“.

„Bei der Neustädter Hauptwache, wo man natürlich das Spiel rührte, zogen beide Majestäten die Hüte, und senkte, wie ich selber bemerkt habe (sagt der Kammerdiener), Se. Majestät von Schweden den Hut fast bis auf die Rocktaschen.“

Durch das Weiße Thor verließen darauf die Majestäten wieder Dresden und erst in Neudorf trennten sie sich, nachdem sie äußerlich sehr herzlich von einander Abschied genommen hatten. August kehrte ins Schloß zurück, Karl aber ritt nach Oberau, wohin ihn nach dem Berichte des „Kammerdieners“ Flemming und mehrere andere sächsische Offiziere begleiteten; sie wurden vom Herzog Christian August zur Abendtafel geladen, an welcher ziemlich spitze Redensarten zwischen den Schweden und Sachsen gewechselt worden sein sollen. Ob dieser letzteren Nachricht des „Kammerdieners“ vollkommen Glauben zu schenken ist, muß dahingestellt bleiben.

Als am anderen Tage bei den Schweden die Nachricht sich verbreitete, daß König August in Dresden eine außerordentliche Ratssitzung abgehalten hätte, soll der General Rheinschild die Äußerung gethan haben, „heute beraten sie in Dresden, was sie gestern hätten thun sollen“.

Es dürfte nicht ein einziger Bericht über den Besuch Karls XII. in Dresden vorhanden sein, dem nicht in Zusammenhang mit dieser Äußerung Rheinschilds eine längere Betrachtung darüber angehängt wäre, ob der Besuch Karls gerechtfertigt gewesen sei und was August darauf hätte thun wollen, sollen oder können. Sogar der schon am 20. September 1707 geschriebene vertraute Brief eines schwedischen Offiziers beschäftigt sich mit dieser Frage.

Danielson schreibt hierüber (S. 58 und 59): „Eine Erzählung, die oft, doch ohne irgend einen Beweis wiederholt wird, sagt, daß nur die Bestürzung, in welche August durch Karls unerwartete [124] Ankunft versetzt wurde, ihn abgehalten hat, seinem Gast die Rückkehr zu versperren. Diese Tradition findet in den Akten ihre Bestätigung“. – Nachdem er hierauf als Belege Stellen aus einem Schreiben des dänischen Gesandten von Jessen, einen Brief Flemmings an Görtz und Stellen aus den Memoiren Schulenburgs angeführt hat, welche für seine Behauptung sprechen, kommt er zu dem Resultate: „Aber dem Könige mögen doch alle solche Schritte als ein allzugroßes Wagnis vorgekommen sein“. Davon aber erwähnt er nichts, daß ein solcher Schritt dem edlen und ritterlichen Sinn des Königs August in keiner Weise entsprochen haben würde, und daß dieser gewiß niemals fähig gewesen wäre, das bei allen Völkern heilig gehaltene Gastrecht in so schnöder Weise zu verletzen.

Am Tage nach seinem Besuch in Dresden setzte Karl XII. seinen Marsch über Bischofswerda, Bautzen, Lauban fort und am 17. September 1707 hatte die letzte schwedische Truppe den sächsischen Boden verlassen.

In den „vertrauten Briefen“ heißt es darüber: „Wir verließen Sachsen zum großen Vergnügen dessen Bewohner, erstlich weil sie mit unserer Aufführung, guten Sitten und strengen Disziplin, welche überall und selbst bei der unbedeutendsten Kleinigkeit gehandhabt wurde, durchaus zufrieden sein können; zweitens weil ihnen nunmehr die längst ersehnte Ruhe winkt und sie keinen Feind mehr zu befürchten haben; auch drittens, weil sie uns drückenden Gäste doch endlich einmal los wurden. – Unsere Armee, welche beim Einmarsch etwas über 20 000 Mann betrug, zählte bei dem Abmarsch über 40 000 der wohlgebildetsten, ausgefüttertsten, kampflustigsten und mit allem aufs beste bis zum Ueberfluß versehenen Menschen“.

Danielson selbst gesteht ein: „Freudig atmete man in Sachsen auf, als die letzten schwedischen Kolonnen über die Grenze geschritten. Beeinträchtigt wurde doch die Freude durch die unfreiwillige Erwägung, wie teuer die Fremdenherrschaft dem Lande geworden. Nach den Angaben der Regierung hat sie dem Kurstaate 23 Millionen Thaler gekostet“.

Im Widerspruch zu diesen Äußerungen steht die Bemerkung des Königs Oskar II. von Schweden, welcher schreibt[150]: „Als das [125] Heer nach mehr als einjähriger Unwirksamkeit von seinen Standquartieren im erstgedachten Lande aufbrach, wurden die Regimenter meilenweit von der Bevölkerung begleitet, welche mittelst lebhaftester Freundschaftsbezeugungen ihr Bedauern über die Trennung von unseren gutmütigen und treuherzigen Soldaten an den Tag legten, in welchen diese ebenso erfahrene als bereitwillige Helfer bei vielfältigen, landwirtschaftlichen Beschäftigungen gefunden hatten“.

Zum Schlusse drängt sich uns die naheliegende Frage auf: Wäre es möglich gewesen, den Einfall der Schweden in Sachsen zu vermeiden und einen vorteilhafteren Frieden zu erhalten? – Wenn man diejenigen 20 000 Mann, welche der König von Schweden zur Verstärkung seiner Armee zum größten Teile aus dem Lande genommen hatte, bereits vom März 1706 an, wie es des Königs August ausgesprochener Wille war, zur Vervollständigung der sächsischen Armee aushob und ausbildete, und wenn man nur die Hälfte der 23 Millionen Thaler, welche der Aufenthalt der Schweden im Lande gekostet hatte und die nun zum größten Teile außer Landes gingen, auf die Verteidigung des Landes, auf Reorganisation der Armee, auf Instandsetzung der Festungen, wie es ebenfalls der König vorgeschrieben hatte, verwendete, dann, sollte man meinen, hätte man den Einfall der Schweden abwehren und, gestützt auf eine kriegsbrauchbare Armee, einen vorteilhafteren Frieden als den von Altranstädt erlangen können. Ein Eingehen auf diese Frage könnte nur auf Grund ausführlicher Darstellung der politischen Verhältnisse der damaligen Zeit erfolgen, auf die wir bei der Darstellung der inneren Lage Sachsens verzichten zu müssen geglaubt haben.

Wie wir aber oben schon die Hoffnung ausgesprochen haben, daß sich ehestens eine bewährte Kraft der Aufgabe unterziehen möchte, eine eingehende Darstellung des Prozesses Imhoff-Pfingsten zu geben, so können wir die vorliegende Schrift nur mit den Worten des Historikers Joh. Gust. Droysen schließen, welche Danielson seinem Werke als Motto vorausgeschickt hat: „Eine der dankenswertesten Arbeiten, die unternommen werden könnte, wäre eine Geschichte Augusts II.“



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Druck von Wilhelm Baensch in Dresden.

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[128]
Inhalt der früher erschienenen Hefte:

Heft I (1872): Dresdner Chronik vom 1. Juli bis 31. Dezember 1869. 54 S.

Heft II (1875): Hantzsch, A., Geschichte der Neustädter Realschule in Dresden. 78 S.

Heft III (1880):Hantzsch, A., Geschichte des Dorfes Plauen bei Dresden. 166 S.

Heft IV (1883): Richter, O., der Bußprediger Johannes von Capistrano in Dresden und den Nachbarstädten 1452.Ders., Ein Brief Melanchthons. – Ders., Dresdner Straßenscenen vom Jahre 1552. – Widemann, E., Alt-Dresden und dessen Brand 1685. – Gurlitt, C., Eine Quelle zur Baugeschichte Dresdens. – Hantzsch, A., Die Spiegelschleife bei Dresden. – Melzer, O., Eine Ordnung für das Alumnat der Kreuzschule aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. – Ders., Über dramatische Aufführungen an der Kreuzschule. 80 S.

Heft V u. VI (1885): Heinze, A., Dresden im siebenjährigen Kriege. 190 S.

Heft VII (1886): Meltzer, O., Die Kreuzschule zu Dresden bis zur Einführung der Reformation (1539). 60 S.

Heft VIII (1888): Neidhardt, A., Der Nachlaß des kursächsischen Premierministers Reichsgrafen Heinrich von Brühl.Hantzsch, A., Geschichte des Dresdner Christmarkts. – Ders., Der Reisewitzische Garten in Plauen bei Dresden. – Richter, O., „Verehrungen“ des Rates zu Dresden an hohe Beamte 1680–1718. – Müller, G., die Geistlichkeit der Superintendentur Dresden im Jahre 1578. 110 S.

Heft IX (1889): Neubert, H. M., Zur Entstehung der Dresdner Vorstädte.Pietsch, K. H., Beiträge zur Dresdner Häusergeschichte: A. Das Burglehn; B. Der Taschenberg. – Knothe, H., Das Augustinerkloster zu Alt-Dresden und seine Besitzungen in der Oberlausitz. – Kade, R., Eine Dresdner Familienchronik 1542–1597. – Müller, G., Eine Instruktion für die Verwaltung des „Gemeinen Kastens“ in Alt-Dresden. 107 S.

Heft X (1892): Buchwald, G., Dresdner Briefe 1625–1670. Ein Bild aus dem Dresdner Leben im 17. Jahrhundert. – Beutel, G., Aus den Reisetagebüchern almosensammelnder Dresdner Bürger nach dem Brande von Alten-Dresden im Jahre 1685. 133 S.

Heft XI (1893): Freiherr von Friesen, E. G. M., Dresden im Kriegsjahre 1809. 76 S.

Heft XII-XIV (1896): Flemming, Max, Die Dresdner Innungen von ihrer Entstehung bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts. Erster Teil. 308 S.


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Anmerkungen

  1. HStA Der polnisch-schwedische Krieg von 1706 Loc. 3618. Vol. XL.
  2. Königl. Bibliothek in Dresden. Manuskr. Q. 121.
  3. Ebenda.
  4. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XL.
  5. Ebenda.
  6. Ebenda.
  7. Ebenda.
  8. Ebenda.
  9. Ebenda. Vol. XLI.
  10. Ebenda.
  11. Ebenda.
  12. Ebenda. Vol. XLII.
  13. HStA Der Krieg zwischen Polen und Schweden Loc. 9318. IV. Buch.
  14. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLV.
  15. Ebenda.
  16. Ebenda.
  17. Schuster und Franke, Geschichte der sächsischen Armee. I. S. 167.
  18. von Sarau, Die Feldzüge Karls XII. S. 169.
  19. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XL.
  20. Königl. Kriegsarchiv, Die Wiedersammlung der in der Aktion mit den Schweden bei Fraustadt zerstreuten Armee. Serie A. Kap. II. Lit. a. Nr. 5. Loc. 802.
  21. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLI.
  22. Ebenda.
  23. Ebenda. – Auch Loc. 9318. IV. Buch. Bl. 366.
  24. Königl. Kriegsarchiv. Summarische Verhöre etc. Loc. 800. Serie C.
  25. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLII.
  26. Ebenda. Vol. XLIII.
  27. Ebenda. Vol. XLII.
  28. HSTA Schulenburgs Schriften, den feindlichen Einfall in die sächsischen Lande betreffend, Loc. 3296.
  29. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLI.
  30. Ebenda. Vol. XLIV.
  31. Königl. Kriegsarchiv. Wiedersammlung der Truppen etc. Loc. 802. Nr. 5.
  32. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XL.
  33. HStA Der Krieg zwischen Polen und Schweden Loc. 9318. IV. Buch.
  34. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLI.
  35. Ebenda. Vol. XLII.
  36. HStA Der Krieg zwischen Polen und Schweden Loc. 9318. V. Buch.
  37. Ebenda.
  38. Ebenda.
  39. Ebenda.
  40. HStA Schulenburgs Schriften, den feindlichen Einfall betreffend, Loc. 3296.
  41. HSTA Schulenburgs Schriften Loc. 3296, auch Loc. 3618 und 9318.
  42. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLVI.
  43. HStA Der Krieg zwischen Polen und Schweden Loc. 9318. V. Buch.
  44. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLVI.
  45. HSTA Der Krieg zwischen Polen und Schweden Loc. 9318. V. Buch.
  46. HSTA Schulenburgs Schriften 2c. Loc. 3296.
  47. Ratsarchiv. Akta die besorgende Einrückung etc. G. XXXII. 124a.
  48. Ebenda.
  49. Ebenda.
  50. Ebenda.
  51. Ratsarchiv. Akta der besorgenden Einrückung etc. G.XXXII. 124a.
  52. Ebenda.
  53. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLVI.
  54. Christian von Sarauw, Die Feldzüge Karls XII. Berlin 1881. S. 203.
  55. HSTA Schulenburgs Schriften etc. Loc. 3296.
  56. Ebenda
  57. HStA Der polnisch-schwedische Krieg etc. Loc. 3618. Vol. XLVI.
  58. Ebenda. Hamburg, gedruckt und zu finden bei Selg. Thomas von Wierings Erben im güldenen A. B. C. bei der Börse. 1706.
  59. Ratsarchiv. Akta den schwedischen Einfall betreffend. G. XXXII. 124 f. Vol. VI.
  60. Ratsarchiv. Akta die besorgende Einrückung etc. G. XXXII. 124f. Vol. VI.
  61. HSTA Schulenburgs Schriften Loc. 3296.
  62. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLVI.
  63. Ebenda.
  64. Ebenda.
  65. Ebenda.
  66. Archiv zu Rötha. Privatakten des Kanzlers Otto Heinrich Freiherrn von Friesen. Publika. M. 236.
  67. HStA Der Krieg zwischen Polen und Schweden Loc. 9318. V. Buch.
  68. HStA Den zwischen dem König von Polen und der Krone Schweden zu Altranstädt geschlossenen Frieden betreffend 1706 Loc. 3541. Vol. I.
  69. HSTA Die Arretirung Imhoffs und Pfingstens betreffend Loc. 973. Vol. I.
  70. Ebenda. Vol. II.
  71. Hier ist die oben wiedergegebene Denkschrift vom 15. August 1706 gemeint.
  72. HStA Die Arretirung Imhoffs und Pfingstens Loc. 973. Vol. II.
  73. Ebenda. Vol. I.
  74. Archiv zu Rötha: Privatakten des Kanzlers Otto Heinrich Freiherr von Friesen. Publika. M. 236.
  75. Ebenda.
  76. Lit. A. ist in den Privatakten in Rötha nicht vorhanden.
  77. HSTA Die Arretirung Imhoffs und Pfingstens etc. Loc. 973. Vol. II.
  78. Archiv zu Rötha: „Privatakten etc.“
  79. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLVI.
  80. Archiv zu Rötha: „Privatakten etc.“
  81. Ebenda. Beide Briefe in den „Privatakten“.
  82. Ebenda.
  83. HStA Der zwischen Polen und Schweden in Altranstädt geschlossene Friede. Loc. 3541. Vol. I.
  84. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLVII.
  85. Ebenda.
  86. HStA Die Arretirung Imhoffs und Pfingstens Loc. 973. Vol. I.
  87. Ebenda. Vol. II.
  88. Archiv zu Rötha: „Privatakten etc.“
  89. HStA Der zwischen Polen und Schweden zu Altranstädt geschlossene Friede etc. Loc. 3541. Vol. I.
  90. Archiv zu Rötha: „Privatakten etc."
  91. Histoire militaire de Charles XII. par Mr. Gustave Adlerfeld, chambellan du Roi. Amsterdam 1740.
  92. HStA Der zwischen Polen und Schweden geschlossene Frieden etc. Loc. 3541. Vol. I.
  93. HStA Die Arretirung Imhoffs und Pfingstens Loc. 973. Vol. II.
  94. HStA Der polnisch-schwedische Krieg 1706 Loc. 3618. Vol. XLVII.
  95. Ebenda. Vol. XLVIII.
  96. Ebenda.
  97. Ebenda.
  98. Ebenda.
  99. HStA Der zwischen Polen und Schweden geschlossene Friede etc. Loc. 3541. Vol. I.
  100. Der Name dieses Ortes wird in den Akten verschieden geschrieben: Tamitz, Tamnitz, Damitz. – Nach Brunkow, die bewohnten Orte Deutschlands, giebt es ein Dorf Tamitz in der Nähe von Glogau, dann aber auch ein Dorf Thamon mit Rittergut bei Liegnitz. Es ist nicht unmöglich, daß letzteres das von Nostitz’sche Gut gewesen ist; doch ist der Name Tamitz im folgenden, als der am häufigsten vorkommende, beibehalten worden.
  101. HStA Der zwischen Polen und Schweden abgeschlossene Friede Loc. 3541. Vol. I.
  102. Die schwedische Invasion in Kursachsen und der Friede von Altranstädt, von Gustab Saran, Oberprediger in Halle a. S. Halle a. S. 1878.
  103. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLVI.
  104. Ebenda.
  105. Archiv zu Rötha: „Privatakten etc.“
  106. HStA Die Arretirung von Imhoff und Pfingsten Loc. 973. Vol. I.
  107. Ratsarchiv. Akta, den schwedischen Einfall betreffend, G. XXXII. 124f. Vol. VI.
  108. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLVI.
  109. HSTA Die in Sachsen von Schweden geforderte Kontribution 1706/7 Loc. 3619. Vol. L.
  110. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLVI
  111. Ebenda. Vol. XLVII.
  112. HStA Schulenburgs Schriften Loc. 3296.
  113. Archiv zu Rötha: „Privatakten etc.“
  114. Ebenda.
  115. Ebenda.
  116. Ebenda.
  117. HStA Der zwischen Polen und Schweden geschlossene Friede zu Altranstädt Loc. 3541. Vol. I.
  118. Ratsarchiv. Die besorgende Einrückung etc. G. XXXII. 124e. Vol. V.
  119. HStA Der polnisch-schwedische Krieg Loc. 3618. Vol. XLVIII.
  120. Archiv zu Rötha: „Privatakten etc.“
  121. Ratsarchiv. Die besorgende Einrückung etc. G. XXXII. 124d. Vol. IV.
  122. Manuskr. Q. 121.
  123. Ratsarchiv. Die besorgende Einrückung etc. G. XXXII. 124a. Vol. I.
  124. Histoire militaire de Charles XII. par Gustave Adlerfeld. Amsterdam 1740.
  125. HStA Der zwischen Polen und Schweden geschlossene Friede Loc. 3541. Vol. I.
  126. Ebenda.
  127. Ebenda. Vol. II.
  128. Ebenda. Vol. I.
  129. Ebenda.
  130. Der Grund für die Arretirung gerade um diese Zeit scheint politischer Natur gewesen zu sein. Danielson sagt S. 45: „Die Rücksicht auf Rußland war wohl das Bestimmende. Der Zorn des Zaren wegen Patkuls Auslieferung konnte vielleicht am besten durch die Bestrafung derjenigen, welche diese Auslieferung versprochen hatten, beschwichtigt werden“.
  131. Über diese und die folgenden Angaben: HStA Die Arretirung Imhoffs und Pfingstens etc. Loc. 973. Vol. I und II.
  132. HStA Der zwischen Polen und Schweden geschlossene Friede Loc. 3541. Vol. III.
  133. Vertraute Briefe eines schwedischen Offiziers an seinen Freund in Wien. Geschrieben in den Jahren 1698 bis 1740. Übersetzt ins Deutsche von Gräve. Görlitz 1811.
  134. HStA Der zwischen Polen und Schweden geschlossene Friede Loc. 3541. Vol. III.
  135. Ebenda.
  136. Ebenda.
  137. Ebenda.
  138. Ebenda.
  139. Die schwedische Invasion in Kursachsen etc. Vortrag von Gustav Saran. Halle 1878.
  140. HStA Der zwischen Polen und Schweden geschlossene Friede Loc. 3541. Vol III.
  141. Ratsarchiv. Die besorgende Einrückung etc. G. XXXII. 124 a.
  142. HStA Die in Sachsen geforderte Kontribution etc. Loc. 3619. Vol. L.
  143. Ebenda.
  144. Ratsarchiv. Die besorgende Einrückung etc. G. XXXII. 124b.
  145. Ebenda.
  146. Ratsakten G. XXVIII. 16.
  147. NB. ist der König von Schwed. geweßen.
  148. Vertraute Briefe eines schwedischen Offiziers an seinen Freund in Wien. Geschrieben in den Jahren 1698 bis 1740. Görlitz 1811.
  149. Die schwedische Invasion in Kursachsen etc. von Gustav Saran. Halle a.S. 1878.
  150. Karl XII. als König, Krieger und Mensch von Oskar II., König von Schweden. Übersetzt von Emil Jonas. Berlin 1875.

Anmerkungen (Wikisource)

Anmerkungen der Vorlage

  1. Begutachuug