Verliebt! Ich! der Pygmalion, in den geformten Klotz! … Nun kamen meine Fehler. Wie ich die Weiber kenne, wäre Alles anders gekommen, wenn ich sie am nächsten Tag von oben herab behandelt hätte, wie bisher. Statt dessen war ich liebenswürdig, schmeichlerisch, zärtlich. In einem einzigen Augenblicke ging meine Herrschaft verloren. Sie verbot mir das Duzen, die Vertraulichkeiten, stellte ihre Gesellschafterin zwischen uns. Ich war ganz sprachlos und betäubt – sie raubte mir den Athem. Ich konnte mir nicht helfen. Ich hatte plötzlich Respekt vor ihr. Wie war das nur gekommen?
Für mich begann aber eine miserable Zeit. Ich brachte ihr jeden Morgen Blumen, ich! Ich schenkte ihr den theuersten Schmuck. Was ich verdiente, ging für sie auf. Ich machte sogar Verse auf sie. Mit einem Wort: komplet verrückt. Was wollen Sie – Jeden von uns packt einmal die Leidenschaft so hart am Genicke und krallt sich in den Schädel ein … Es ist weiter nicht viel zu erzählen. Die Geraldini machte mit mir, was sie wollte. Die Verträge wurden zu ihren Gunsten geändert, was eine nicht unbedeutende Eselei von mir war. Wenn bei dem Geschäfte Jemand ausgebeutet wurde, so war ich es – der Impresario von der Künstlerin. Immerhin ein interessanter Fall! Von ihrem Widerstande zum Aeußersten gebracht, wollte ich sie endlich heirathen. Sehen Sie mich, den Spangelberg, auf Freiersfüßen? … Sie lachte mir unter die Nase. Sie habe glänzendere Aussichten. Sie war wählerisch, die Schusterstochter. Und hat es auch erreicht, wie Sie vielleicht wissen. An der Kunst hing sie ohnedies nicht, sie war ja nie eine Künstlerin gewesen. Ein junger Lord hatte das erhebliche Glück, sie heimzuführen. Anfangs war ich natürlich wüthend, dann sah ich
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/69&oldid=- (Version vom 1.8.2018)