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wir so genau als möglich die Mitte des Schattens in Graden und Minuten. Wenn wir dies gethan haben, so zeigt uns der Bogen, welcher zwischen dem solstitialen und brumalen Schatten sich markirt findet, den Abstand der Wendekreise und die ganze Schiefe der Ekliptik an, und wenn wir hiervon die Hälfte nehmen: so haben wir den Abstand des Wendekreises vom Aequator; und die Grösse des Neigungswinkels des Aequators gegen denjenigen Kreis, der durch die Mitte der Zeichen geht, ist dadurch bekannt. Ptolemäus nimmt dieses Intervall, was zwischen den genannten nördlichen und südlichen Grenzen liegt, zu 47° 42′ 40″,[1] so wie er dasselbe schon vorher von Hipparch und Eratosthenes beobachtet findet, nämlich als 11/83 des ganzen Kreises[2]; und hiervon die halbe Differenz, also 23° 51′ 20″,[3] ergab den Abstand der Wendekreise vom Aequator und den Neigungswinkel gegen die Ekliptik. Daher glaubte Ptolemäus, dass dies sich unveränderlich erhielte und immer bliebe. Aber es zeigt sich, dass diese Abstände von jener Zeit bis auf uns fortwährend abgenommen haben. Denn es ist von uns und einigen andern unserer Zeitgenossen der Abstand der Wendekreise nicht grösser als 46° 58′ gefunden, und der Neigungswinkel 23° 282/5′; so dass hinlänglich klar ist, dass die Schiefe der Ekliptik veränderlich sei, worüber ein Weiteres unten, wo wir auch zeigen werden, dass dieselbe, nach hinlänglich wahrscheinlicher Vermuthung, niemals grösser gewesen sei als 23° 52′ und niemals kleiner sein werde als 23° 28′.

Capitel 3.
Ueber die Bogen und Winkel der sich schneidenden Kreise des Aequators, der Ekliptik und des Meridians; worin die Declination und Rectascension besteht, und über ihre Berechnung.

Wie wir vom Horizonte gesagt haben, dass an ihm die Theile der Welt auf- und untergehen: so sagen wir jetzt, dass der Meridiankreis den Himmel halbirt, da er in einem Zeitraume von 24 Stunden sowohl die Ekliptik als auch den Aequator durchläuft und die Bogen derselben vom Frühlings- oder Herbstpunkte an einschneidet, und wiederum wird der von jenen eingeschlossene Bogen eingeschnitten. Da alle diese Kreise grösste Kreise sind: so bilden sie ein rechtwinkliges sphärisches Dreieck; denn der rechte Winkel rührt daher, dass der Meridian, nach dessen Definition, durch die Pole des Aequators geht. Man nennt aber den so eingeschlossenen Bogen des Meridians, oder irgend eines durch die Pole gehenden Kreises: die Declination dieses Theiles der Ekliptik; denjenigen Bogen aber, welcher auf dem Aequator dem mit ihm zugleich von demselben Punkte ausgehenden, ihn begleitenden Bogen der Ekliptik entspricht: Rectascension. Alles dies lässt sich leicht an einem sphärischen Dreiecke nachweisen. Es sei nämlich ein zugleich durch die Pole des Aequators und der Ekliptik gehender Kreis, welchen die Meisten den Colur der Solstitien nennen; die

Anmerkungen [des Übersetzers]

  1. [14] 55) Almagest I. 14.
  2. [14] 56) Almagest I. 11.
  3. [14] 57) In der Säcular-Ausgabe findet sich diese Angabe im Manuscripte so: 23° 52′ 20″; dies würde aber mit der Schlussbemerkung dieses Capitels im Widerspruche stehen, nach welcher die Schiefe der Ekliptik niemals grösser, als 23° 52′ gewesen sein soll.