rings um sich her Sonnenschatten werfen, und es sind diejenigen, deren Zenith oder Horizont-Pol weniger oder nicht mehr vom Erdpole absteht, als ein Wendekreis vom Aequator. Dort sind nämlich die Parallelkreise, welche der Horizont berührt, und welche die Grenzen des immer Sichtbaren oder Unsichtbaren bilden, grösser oder ebenso gross als die Wendekreise; und da deshalb im Sommer die Sonne in den immer sichtbaren Parallelkreisen erscheint: so wirft sie zu dieser Zeit die Schatten der Gnomonen nach allen Seiten. Wo aber der Horizont die Wendekreise berührt, da werden diese selbst die Grenzen des immer Sichtbaren und des immer Unsichtbaren. Deshalb scheint die Sonne im Solstitium um Mitternacht die Erde zu streifen, in welchem Augenblicke die ganze Ekliptik mit dem Horizonte zusammenfällt, und gleich darauf gehen sechs Himmelszeichen zugleich auf, und eben so viel an der entgegengesetzten Seite zugleich unter, und der Pol der Ekliptik fällt mit dem Pol des Horizontes zusammen. — Die Amphiskier, welche den mittägigen Schatten nach beiden Seiten werfen, wohnen zwischen den beiden Wendekreisen, welchen Raum die Alten die mittlere Zone nennen, und weil die Ekliptik in jener ganzen Gegend zweimal im Jahre rechtwinklig gegen den Horizont steht, wie dies im zweiten Lehrsatz der Phänomene des Euklid bewiesen wird: so nehmen dort die Schatten der Gnomonen zweimal ab, und während die Sonne von der einen Seite zur andern übergeht, werfen die Gnomonen bald nach Süden bald nach Norden Schatten. — Wir Anderen, die wir zwischen diesen und jenen wohnen, sind Heteroskier, weil wir nur nach der einen Seite, nämlich nach Norden mittägigen Schatten werfen. Die alten Mathematiker aber pflegten den Erdkreis in sieben Klimate zu theilen, nämlich durch die einzelnen Parallelkreise durch Meroë, durch Syëne, durch Alexandrien, durch Rhodus, durch den Hellespont, mitten durch den Pontus, durch die Mündung des Borysthenes, durch Byzanz u. s. w.[1] nach dem Unterschiede der längsten Tage, auch nach der Länge der Schatten, welche man zur Zeit der Aequinoctien und der beiden Sonnenwenden an den Gnomonen beobachtete, und nach der Polhöhe oder der Breite jedes Abschnittes. Da sich diese zum Theil mit der Zeit verändert haben: so sind sie nicht mehr dieselben, wie ehemals, wegen der schon erwähnten veränderlichen Schiefe der Ekliptik, welche die Alten nicht kannten; oder, um richtiger zu sprechen, wegen der sich ändernden Neigung des Aequators gegen die Ekliptik, wovon Jene abhängt. Aber die Polhöhen oder die Breiten der Oerter, und die Aequinoctial-Schatten stimmen mit denen überein, welche sich von Alters her aufgezeichnet finden, was deswegen so sein musste, weil der Aequator dem Pole der Erde folgt. Aus diesem Grunde werden auch jene Abschnitte durch irgend welche Bestimmungen der Schatten und Tage nicht hinreichend genau bezeichnet und begrenzt, sondern richtiger durch ihre Abstände vom Aequator, welche immer bleiben. Jene Aenderung der Wendekreise aber, obgleich sehr gering, bewirkt in den südlichen Gegenden eine geringe Verschiedenheit der Tage und Schatten, wird aber den nach Norden Reisenden bemerkbar. Es ist
Anmerkungen [des Übersetzers]
- ↑ [14] 58) Die hier angeführten Namen und Bezeichnungen sind, mit Ausnahme von Byzanz, dieselben, welche in der von Schreckenfuchs in Basel 1551 besorgten lateinischen Ausgabe des Almagest pag. 154 sich finden. Danach haben die von den Alten unterschiedenen sieben Climate folgende Begrenzungen:
Nr. Bezeichnung. Nördliche Breite Dauer des längsten Tages Grad Min. Stunde Min. 1 Meroë 16 27 13 0 2 Syëne 23 50 13 30 3 Unter-Aegypten 30 22 14 0 4 Rhodus 36 0 14 30 5 Hellespont 40 56 15 0 6 Mittlerer Pontus 45 0 15 30 7 Mündung des Borysthenes (Dnjepr) 48 32 16 0
Nicolaus Copernicus: Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper. Ernst Lambeck, Thorn 1879, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/97&oldid=- (Version vom 1.8.2018)