Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben 2. Theil | |
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Uebel des Heidenthums übertrieben hätten, um das Verdienst ihrer eignen Arbeit zu erhöhen.
In einem gewissen Werk, welches über die Washington- oder nördlichen Marquesas-Inseln handelt, habe ich oft den Einwohnern geradezu vorgeworfen gefunden, daß sie öfter Menschenopfer auf den Altären ihrer Götter bringen. Dasselbe Werk giebt uns einen ziemlich genauen Bericht über ihre Religion, zählt sehr viele Sachen des Aberglaubens auf und erklärt die verschiedenen Bestimmungen der zahlreichen Priesterorden. Man ist fast versucht zu glauben, durch die lange Liste von Primas, Bischöfen, Erzdechanten Pfründen und noch niedrigeren geistlichen Stellen, daß die Zahl der priesterlichen Klasse größer sei, als die der ganzen übrigen Einwohner und daß die armen Einwohner härter von ihren Priestern gedrückt werden, als selbst die Bewohner des Kirchenstaates. Diese Berichte sind auch darauf berechnet, dem Leser ein Gefühl zu hinterlassen, als ob täglich Menschenopfer zubereitet und auf den Altären aufgetragen werden; als ob heidnische Grausamkeiten jeder Art unausgesetzt geschehen, und als ob die unwissenden Heiden in dem Zustande der schrecklichsten Gedrücktheit durch ihren eignen Aberglauben lebten. Man vergesse übrigens nicht, daß der ganze Bericht von einem Manne kommt, der nach seiner eignen Angabe nur auf einer der Inseln war, wo er nur zwei Wochen blieb, während welcher Zeit er jede Nacht
Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 2. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_2.djvu/86&oldid=- (Version vom 1.8.2018)