Herodes Archelaos (eigentlich Iulius Herodes Archelaos s. S. 19), ältester Sohn Herodes I.; aus seiner Ehe mit der Samariterin Malthake (Joseph. bell. Iud. I 562. II 39; ant. Iud. XVII 20. 250; vgl. S. 175). Er scheint überhaupt der älteste Sohn aus den späteren nach der Hinrichtung der Hasmonäerin geschlossenen Ehen seines Vaters gewesen zu sein (Ewald IV³ 586 und Keim 38 irren, wenn sie Herodes, den Sohn der 2. Mariamme, für den älteren halten; s. dagegen Joseph. bell. Iud. I 664, auch 646). Da nun Herodes I. aus seiner Ehe mit Mariamme II. bereits etwa im J. 22 v. Chr. sein Sohn Herodes geboren sein kann, so könnte man die Geburt des Archelaos schon etwa um 23 v. Chr. ansetzen (s. über die Reihenfolge der Heiraten Herodes’ I. S. 131f.). Viel früher allerdings auch nicht, da Archelaos etwa im J. 5 v. Chr. von seinem ältesten Bruder Antipatros noch als μειράκιον bezeichnet wird (Joseph. bell. Iud. I 602; ant. Iud. XVII 81) und seine νεότης damals ausdrücklich herausgehoben wird (Joseph. bell. Iud. I 604). Zu der Geburt um 23 v. Chr., d. h. zu einem Alter von etwa 18 Jahren, würde es auch gut passen, daß die Beendigung seines Studienaufenthaltes in Rom – auch ihn sandte sein Vater, wie einst die Mariammesöhne, zur Vollendung der Erziehung in die Hauptstadt – etwa in den Beginn des J. 5 v. Chr. gefallen ist (Joseph. bell. Iud. I 602f.; ant. Iud. XVII 20. 80).
Schon während seines römischen Aufenthaltes scheint sich das besonders enge Verhältnis zu seinem Stiefbruder Philippos angeknüpft zu haben, das wir auch in der Folgezeit finden. Beide zusammen, deren φρόνημα hervorgehoben wird, sind bald Antipatros verdächtig geworden; sie schienen ihm ihrer ganzen Anlage nach offenbar geeignet, anders als die anderen Brüder, seinen eigenen Aussichten auf den väterlichen Thron gefährlich zu werden. So hat er Archelaos und Philippos noch während der letzten Zeit ihrer Anwesenheit in Rom und auch später nach ihrer Heimberufung durch Briefe römischer Helfershelfer und eigene Schreiben aus Rom verleumdet, sie seien gegen ihren Vater, ähnlich wie die Mariammesöhne, erbittert und hätten dem auch offen Ausdruck gegeben (Joseph. bell. Iud. I 602–605; ant. Iud. XVII 80f.).
Die Verdächtigung – ob irgend etwas Tatsächliches ihr zugrunde lag, ist nicht zu entscheiden – hat, trotzdem damals gerade Antipatros’ Tücke entlarvt wurde, ihre Wirkung auf den mißtrauischen König nicht verfehlt, und so hat dieser bei der Neuordnung der Nachfolge den Archelaos trotz dessen Alters ebenso wie Philippos zunächst ganz übergangen (Joseph. bell. Iud. I 646; ant. Iud. XVII 146. Die Behauptung [166] des Joseph. bell. Iud. I 606, daß man damals in dieser Verdächtigung bereits allgemein einen zweiten Brudermord erkannt hätte, ist mit ihrem Erfolge nicht zu vereinen; sie nimmt offenbar die erst allmählich sich bildende Erkenntnis vorweg. Der im J. 4 v. Chr. in der einen Anklagerede vor Augustus von den Gegnern des Archelaos genannte Grund für seine Nichtberücksichtigung, seine Grausamkeit, dürfte kaum für die Entscheidung des Königs in Betracht zu ziehen sein [Joseph. bell. Iud. II 31; ant. Iud. XVII 237f.]). Kurz vor seinem Tode scheint aber Herodes I. noch die wahre Natur der Verdächtigung erkannt zu haben – oder sollte etwa auf die Änderung ein äußerer Faktor, Rom, von Einfluß gewesen sein? (s. die Vermutung auf S. 149) –, jedenfalls hat er Archelaos zu seinem Nachfolger in der βασιλεία bestimmt, d. h. ihm die Oberherrschaft über das jüdische Reich zugedacht, von dem allerdings die Landschaften Galiläa und Peräa, sowie Gaulanitis, Trachonitis, Batanaia und Panias als Vasallenteilfürstentümer (Tetrarchien) seinen Brüdern Antipas und Philippos zufallen sollten (Joseph. bell. Iud. I 664. 668; ant. Iud. XVIII 188f. 194. XVIII 93). Daß die Einheit des Reiches gewahrt werden sollte, geht auch daraus deutlich hervor, daß von Herodes ein Sonderbesitz für Archelaos nicht festgelegt worden ist (s. auch Joseph. bell. Iud. II 38; ant. Iud. XVII 249. Nikol. Damasc. frg. 5 [FHG III 353] und S. 175 und 177. Strab. XVI p. 765 drückt sich hier nicht korrekt aus).
Der sterbende König hatte alle diese Bestimmungen mit dem Vorbehalt der Bestätigung durch Augustus getroffen (Joseph. bell. Iud. I 669. II 2f. 26. 35; ant. Iud. XVII 195. 202. 231f. 236. 244. 246f. und hierzu die staatsrechtlichen Ausführungen auf S. 65f.); Archelaos mußte es sich also angelegen sein lassen, diese Zustimmung baldigst einzuholen. Nach dem Tode des Königs hat er sich als der vorläufige Reichsverweser, obwohl seine Gegner ihn in Rom später des Gegenteils bezichtigten (Joseph. bell. Iud. II 26ff.; ant. Iud. XVII 230ff.), sicherlich ganz korrekt benommen, um nicht durch Anmaßung ihm nicht zustehender Rechte in Rom anzustoßen; wären die Vorwürfe der Gegner berechtigt gewesen, so hätte sich Augustus nicht später zu ihm so freundschaftlich gestellt. Archelaos hat denn auch das ihm vom jüdischen Heere angebotene Diadem als das Zeichen der Königswürde abgelehnt und ebenso auf den Königstitel verzichtet (Joseph. bell. Iud. II 3; ant. Iud. XVII 202). Die Führung der Regierungsgeschäfte hat er allerdings in vollem Umfange übernommen (Joseph. bell. Iud. II 27ff.; ant. Iud. XVII 232ff.). Daß er hiermit nichts Ungehöriges getan hat, geht auch aus dem Verhalten des syrischen
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 165–166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/103&oldid=- (Version vom 1.8.2018)