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und haben wir ihn gefunden, so hängt es selten mehr von uns ab, ihn wieder von uns hinweg zu weisen. Ein unwiderstehlicher Drang reißt uns zu ihm hin, wir bieten ihm freudig die Hand, und wir fühlen es und sagen es, wo nicht ihm, doch desto öfter uns selbst: Du bist es, mit dem ich glüklich durchs Leben zu wandern mir getraute! Entspricht seine Gesinnung der unsrigen, so geben wir uns ihm hin mit Leib und Seele, opfern alles für ihn auf, was uns schäzbar ist, und – jeder Blik seines Auges, jeder Ton seines Mundes, jeder Druk seiner Hände – ist uns unaussprechliche Wohllust.

Wir wollen offenherzig sprechen, und uns nicht schämen, das frei zu gestehen, wovon uns alle unsre Empfindung so fest überzeugt hat. Den Sinn für Liebe hat uns der Schöpfer nicht im Zorn gegeben; nein! er ist Wohlthat, beglükkende Wohlthat aus seiner Hand, und läßt uns Seligkeiten schmekken, die wir für nichts hingäben, was die Welt sonst auch reizendes und schönes hat. Er erzeugt die sanftesten und angenehmsten Gefühle des Herzens; er ertheilt dem jugendlichen Alter seinen höchsten Genuß; er tödtet allmählig jede andre heftige Leidenschaft; er verwandelt den Tiger in ein Lamm, und – keine der sinnlichen Freuden ist ausdaurender,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Pahl: Ueber die Liebe unter dem Landvolk. In: Die Einsiedlerin aus den Alpen, 3. Band, 8. Heft, S. 128–153. Orell, Geßner, Füßli & Comp., Zürich 1793, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pahl_Ueber_die_Liebe_unter_dem_Landvolk.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)