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Zehn Springwässer entströmen den Urnen, der Muschel, dem Muschelhorn des Tritonen, den Rachen der Hippokampen und des Delphins, im großen Becken steigen aus kleinen Felsgruppen zwei Wasserstrahlen gegen 10 m hoch empor. Links und rechts führen Rampen zu der Höhe Poseidons hinauf. An den Eingängen stehen je zwei kolossale 2½ m hohe Vasen mit Darstellungen festlicher Aufzüge zu Ehren von Göttern. Die Vasen gehören erst der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an.

Der 40 m breite Brunnen ist überaus geschickt, frei und lebendig aufgebaut, Kraft, Würde, Anmut, Bewegung, Ruhe, alles ist wirksam gegenüber gestellt und zu gemeinsamer Wirkung einheitlich zusammengefaßt. Da ist nichts Übertriebenes, nichts Gewaltsames. Jede Bewegung entspricht ungezwungen ihrer Idee, und erst eine eingehende Betrachtung zeigt uns, mit wieviel künstlerischer Überlegung jede Einzelheit angeordnet und dem Ganzen eingefügt ist. Man kann diese Art Barockkunst ohne Übertreibung klassisch nennen und es ist durchaus verständlich, daß die Dresdner in Mattielli den Bringer klassischer Einfachheit begrüßten. Man vergleiche nur damit etwa Permosers Apotheose Augusts des Starken im Großen Garten. Großartig ist aber schließlich auch, wie das Wasser zur Geltung kommt. Das ist ja der eigentliche Zweck eines Brunnens. Wird er verfehlt, dann ist ein Brunnen trotz aller Kunst nur ein halbes Werk. Weitere vortreffliche Arbeiten Mattiellis sind die Standbilder der Weisheit (Minerva mit Zweig, Schild und Lanze) und der Wachsamkeit (weibliche Gestalt mit Spiegel und steinhaltendem Kranich), früher am Brühlschen Palais, jetzt in der Kunstgewerbeschule. Noch zahlreiche andere Arbeiten soll Mattielli in Dresden geschaffen haben, z. B. die Gruppen im ehemaligen Mosczinskyschen Garten (Gurlitt: Apoll und Diana), die wir nicht mehr nachweisen können. Schwerlich stammen von ihm die vier Darstellungen von Heldentaten des Herakles, denn diese Bildwerke – ursprünglich alle zwölf Arbeiten des Herkules – wurden als die ersten Bildwerke im Großen Garten schon um 1680 aufgestellt; sie sind auch viel zu plump für Mattielli. Dagegen könnten die beiden Wandbrunnen, die im ehemaligen Brühlschen Palais im Hofe standen – Neptun mit dem Dreizack auf einem Delphin einerseits, Amphitrite mit der Linken das Tuch vom Kopfe anmutig erhebend anderseits – recht wohl Werke Mattiellis sein.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/206&oldid=- (Version vom 2.3.2023)