Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy | |
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nichts von ihren Erzeugnissen beiseite, sondern brachte sie alle der edelbürtigen Gemahlin zum Geschenk. 76 Darauf eilte ich mit einer dritten zusammenzukommen – sie war voll schöner Rhythmen, Harmonien und Melodien und hieß Musik – und erzeugte ihr diatonische und enharmonische Tongeschlechter, getrennte und verbundene Tonarten sowie Quarten–, Quinten– und Oktavenverbindungen.[1] Und wieder verbarg ich nichts davon, damit meine edelbürtige und von unzähligen Sklavinnen bediente Gattin noch reicher würde. 77 Denn viele vernachlässigen, durch den Liebreiz der Dienerinnen bezaubert, die Herrin Philosophie, und so versäumen sich die einen in der Poesie, die anderen in der Geometrie, die dritten in der Farbenmischerei[2], andere in unzähligen anderen Dingen, ohne mehr die Kraft zu finden, zur edelbürtigen Herrin vorzudringen.[3] 78 Denn jede Kunst hat ihre Reize, gewisse magnetische Kräfte, die manche zum Verweilen verführen und die Versprechungen, die man der Philosophie einst gab, vergessen lassen. Wer aber seinen Abmachungen treu bleibt, gibt sich alle Mühe, nur ihr zu gefallen. Mit Recht sagt also die Heilige Schrift voll Bewunderung über Abrahams Treue, daß Sara auch dann noch seine Frau blieb, als er ihre Dienerin, jener zu gefallen, (zu sich) nahm. 79 Und in der Tat, wie die enkyklischen Wissenschaften zum Erwerb der Philosophie, so trägt auch die Philosophie zum Besitz der Weisheit bei. Denn die Philosophie ist die Beschäftigung mit der Weisheit, die Weisheit aber die Wissenschaft von den göttlichen und menschlichen Dingen und deren Ursachen.[4] So dürfte wohl ebenso wie die enkyklische Bildung die Sklavin der Philosophie, die Philosophie auch die Sklavin der Weisheit sein. 80 Die Philosophie aber lehrt Enthaltsamkeit des Leibes; der Geschlechtlichkeit und der Zunge. Diese drei werden (Tugenden) genannt, die um ihrer selbst willen zu erstreben sind, würdiger aber
Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloCongrGermanLewy.djvu/024&oldid=- (Version vom 10.12.2016)
- ↑ Über die verschiedenen Tonsysteme vgl. den knappen,aber gut informierenden Artikel „Musik“ in: Lübkers Reallexikon des klass. Altertums 1914 S. 685ff. S. auch Über die Landwirtschaft § 137. All. Erkl. III § 121. Über die Nachkommen Kains § 104 Anm. 2.
- ↑ Colson (Philo ed. Loeb Classical Library IV p. 578/79) übersetzt ἐν χρωμάτων κράσεσιν „on musical colours“, vgl. § 76 διατονικὰ χρώματα.
- ↑ Vgl. Über die Trunkenheit § 51.
- ↑ Beide Definitionen sind stoischer Herkunft (vgl. Arnim, StVF. II 36). Zur ersten vgl. auch Diels, Doxographi S. 27, 12; zur zweiten vgl. Cicero de fin. II 37. Tusc. IV 57. V 7. de off. II 5. Leisegang, Philonindex und Pauly-Wissowa s. v. Sophia.