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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

daß dies kaum die ganze Welt erreichen könnte, obwohl diese das erste, größte und vollkommenste der göttlichen Werke ist. 107 Es wird also wohl besser sein anzunehmen, daß der Edle in Forschungseifer und Erkenntnisfülle in allem, was er durchforschte, das als die höchste Wahrheit „fände“, daß eine „Gnadengabe“ Gottes sei alles: Erde, Wasser, Luft, Feuer, Sonne, Sterne, Himmel, alle Tiere und Pflanzen. Gott aber schenkt keine Gnade sich selbst – denn er hat kein Bedürfnis –, wohl aber die Welt der Welt und die Teile einander selbst und schließlich dem All. 108 Unermeßliche Güter aber hat er dem Ganzen sowohl wie auch den Teilen geschenkt, obwohl er nichts seiner Gnade wert erachtete, sondern er blickte auf die ewige Güte und hielt das Wohltun für entsprechend seiner seligen und glücklichen Natur, so daß ich, wenn mich einer fragte, was die Ursache der Weltentstehung sei, aus meiner von Moses erhaltenen Kenntnis antworten würde: Die Güte des Seienden, welche die [289 M.] älteste der Kräfte Gottes und die Gnadenquelle ist.[1] [24] 109 Zu beachten aber ist, daß es von Noah heißt, er habe Wohlgefallen[2] den Kräften des Seins, dem Herrn und Gott[3] (1 Mos. 6, 8), Moses aber dem von seinen Kräften Begleiteten und, abgesehen von ihnen, nur der Existenz nach zu Begreifenden; denn er spricht[4] aus dem Angesichte Gottes: „Du hast Gnade gefunden vor mir“ (2 Mos. 33, 17), womit er ihn selbst ohne jedes andere bezeichnet.[5] 110 So also hält der Seiende die in Moses (verkörperte) höchste Weisheit selbst der Begnadung durch sich allein für wert, die dieser nachgebildete (Weisheit) zweiten Grades und speziellerer Art aber durch seine dienenden Kräfte, denen entsprechend er Herr und Gott, Herrscher und Wohltäter ist. 111 Ein anderer, den Körper und das Laster liebender Geist aber, verdorben durch die Lust, den Oberkoch[6] (1 Mos. 39, 1) unseres zusammengesetzten


  1. Über das Motiv der Weltschöpfung durch Gottes Güte vgl. Alleg. Erklär. III § 78 und Über die Cherubim § 127 mit den dazugehörenden Anmerkungen. – Der Text folgt Wendlands Rekonstruktion.
  2. Es ist quellenkritisch zu beachten, daß Philo hier Gnade finden trotz der § 106 vorgebrachten Bedenken wörtlich versteht; ebenso Quaest. in Gen. I § 96.
  3. Über die Kräfte Gottes, die Philo in den Worten κύριος und θεός ausgedrückt findet, vgl. Cohns Einleitung zu Band I dieses Übersetzungswerkes S. 19. Über die Einzelgesetze I § 41ff.
  4. Ich lese mit Cohn λέγει für λέγεται.
  5. Ich setze δεικνύντος αὐτόν statt δεικνὺς ἑαυτόν nach Cohns Konjektur.
  6. Über diese Allegorie vgl. Alleg. Erklär. III § 236. Über die Trunkenheit § 211. De mut. nom. § 173. Über Joseph § 61ff. Philo überträgt Eigenschaften des Eunuchen auf den ihm „verkauften“ Joseph.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/25&oldid=- (Version vom 15.2.2022)