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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

(Wesens),[1] kastriert an allen männlichen Geschlechtsteilen der Seele, arm an guten Werken und außerstande, göttliche Kunde zu vernehmen, wird aus der heiligen Gemeinde ausgestoßen (5 Mos. 23, 2), in der [Gespräche und][2] Reden über die Tugend dauernd gepflogen werden, und in das Gefängnis der Laster geworfen, findet aber Gnade, die schimpflicher als Verunehrung ist, bei dem Oberkerkermeister (1 Mos. 39, 20. 21). 112 Gefangene nämlich sind eigentlich nicht die, welche man nach ihrer gerichtlichen Verurteilung durch erloste Beamte oder erwählte Richter[3] an einen für Übeltäter bestimmten Ort abführt, sondern von der Natur verurteilte Seelenarten,[4] die erfüllt sind von Torheit, Zügellosigkeit, Ungerechtigkeit, Gottlosigkeit und anderen unsagbaren Übeln. 113 Deren Aufseher, Wächter und Verwalter aber, der Leiter des Gefängnisses, ist eine Vereinigung und Zusammenfassung der sämtlichen, mannigfachen Schlechtigkeiten, die zu einer Gestalt zusammengewoben wurden, bei der Wohlgefallen zu finden eine ganz große Strafe bedeutet. An sie denken manche nicht, sondern im Irrtum über das Schädliche, das sie für etwas Nützliches halten, verkehren sie hocherfreut mit ihm und leisten ihm Gefolgschaft, um Unterbeamte und Nachfolger im Gefängnisdienst über freiwillige und unfreiwillige Sünden zu werden, nachdem sie als zuverlässig erfunden wurden. 114 Du aber, meine Seele, halte eine solche Gewaltherrschaft und Leitung für schlimmer als die drückende Knechtschaft; befleißige dich vor allem einer ungebundenen, fessellosen und freien Wahl der Lebensführung; 115 solltest du aber doch von dem Laster geködert werden, so nimm es lieber auf dich, eine Gefangene als eine Gefängniswärterin zu sein; denn wenn du (dort) Mißhandlungen erfährst und jammerst, so wirst du Mitleid finden; [290 M.] gibst du dich aber dem Trachten nach Ämtern und der Gier nach Ehrenstellen hin, so wirst du als angenehmes, aber auch größtes Übel den Beruf einer Gefängniswärterin auf dich nehmen, wodurch du in alle Ewigkeit der Knechtschaft verfallen

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/26&oldid=- (Version vom 21.2.2022)
  1. Vgl. Über die Riesen § 62 und Anmerkung.
  2. Ich setze mit Wendland διάλογοι für das von Cohn getilgte σύλλογοι. – Zur Sache vgl. Über die Trunkenheit § 213. Über die Wand. Abrah. § 69. De mut. nom. § 205. De somniis II § 184. Über die Einzelges. I § 325 u. die Anmerk. dieser Stelle.
  3. Über erloste (κλήρῳ ἄρχοντες) und erwählte Beamte vgl. Über die Einzelges. IV § 151ff.
  4. Nur der Weise ist frei.