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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

hin, die Augen und Ohren, der Geschmack-, Geruch- und Tastsinn vermitteln? Und wer haßt nicht das Gegenteil: Genügsamkeit, Enthaltsamkeit, ein ernstes und wissenschaftliches Leben, das an Lachen und Scherz nicht teilnimmt, das voll Kummer, [p. 480 M.] Sorgen und Mühen ist, das die Beschaulichkeit liebt und die Unwissenheit haßt, das (irdischen) Schätzen, Ruhm und Vergnügungen überlegen ist, aber von der Besonnenheit, dem guten Ruf und dem sehenden – nicht dem blinden[1] – Reichtum sich besiegen läßt? Älter[2] sind nun stets die Kinder der gehaßten Tugend. [10] 49 Moses aber erkennt ihnen, wenn sie auch dem Alter nach jünger sind (ihrem Wesen entsprechend),[3] den Vorrang zu und gibt ihnen das Doppelte, während er jenen die Hälfte nimmt. Denn er sagt: „Wenn ein Mann zwei Frauen hat, eine geliebte und eine gehaßte, und beide Kinder gebären, so[4] wird er, wenn er seine Habe verteilen will, nicht dem Sohn der geliebten Frau,“ der Sinnenlust, „das Erstgeburtsrecht zuerkennen können“ – denn dieser ist jung, selbst wenn er der Zeit nach altersgrau wäre[5] – „sondern dem der gehaßten“, der Vernunft, der ohne weiteres der ältere von Kindheit an ist, „so daß er ihm den doppelten Anteil zuerteilen wird“ (5 Mos. 21, 15–17). 50 Da wir

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/21&oldid=- (Version vom 2.4.2020)
  1. Vgl. Über Abraham § 25.
  2. πρεσβύτερα bedeutet älter, aber auch dem Range nach höher stehend, vgl. All. Erkl. III § 191.
  3. Die eingeklammerten Worte sind wohl mit L. Cohn als unecht zu betrachten.
  4. Philo nimmt offenbar den Bedingungssatz והיה הבן הבכר לשניאה‎ als Hauptsatz. Ähnliche (wohl nicht unabsichtliche) Mißverständnisse sind im Midrasch häufig, z. B. zu 3 Mos. 12, 2.
  5. Joseph, der Sohn der Rahel (§ 51!), bleibt immer „jung“, d. h. unreif: Über die Unveränderlichkeit Gottes § 120 und Anm.