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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

in diese, sagt man, muß sich alles Erschaffene auflösen. 282 Gleichwie nämlich Haupt- und Zeitwörter und alle andere Redeteile aus den „Elementen“[1] des Alphabets zusammengesetzt sind und sich wieder in diese einfachsten Formen auflösen, ebenso ist jeder von uns aus den vier Elementen zusammengesetzt, hat von jeder Substanz Bruchstücke entlehnt[2] [p. 514 M.] und zahlt in bestimmten Zeitläuften das Darlehen zurück, indem er Trockenes der Erde, Feuchtes dem Wasser, Kaltes der Luft, Warmes dem Feuer wiedergibt. 283 Allein dies gilt nur von dem Körperlichen; dagegen wird das geistige und himmlische Wesen der Seele zum reinsten Äther als dem Vater gelangen. Denn es soll, wie die Alten[3] sagen, noch einen fünften Stoff geben, einen sich kreisförmig bewegenden, der sich von den vieren vorteilhaft unterscheidet, aus dem, wie es scheint, die Gestirne und der ganze Himmel geschaffen wurden und von dem folgerichtig auch die menschliche Seele[4] als Teil zu betrachten ist.[5] [58] 284 Das Wort „mit Frieden herangewachsen“ ist nicht ohne Grund hinzugesetzt, sondern deswegen, weil der größte Teil der Menschen unter Krieg und allen Leiden des Krieges heranwächst. Der eine Krieg ist der von äußeren (Feinden), den Ruhmlosigkeit oder Armut oder unedle Geburt und dergleichen herbeiführen; den anderen, der andere der von inneren (Feinden: zu ihnen zählen) hinsichtlich des Körpers: Krankheiten, Mißhandlungen, vollständige Verstümmelungen und eine Menge anderer unzähliger Leiden, und hinsichtlich der Seele: Leidenschaften,

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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/74&oldid=- (Version vom 4.8.2020)
  1. στοιχεῖα bedeutet nicht nur die vier Elemente, sondern auch die einfachsten Bestandteile der Sprache, die 24 Buchstaben des griech. Alphabets.
  2. Vgl. Über d. Weltsch. § 146 u. Anm.
  3. D. h. die Pythagoreer. Von diesen übernahmen Plato und Aristoteles den Äther als fünftes Element. Nach der stoischen Ansicht (s. oben § 136) ist der Äther ein Teil des Feuerelements (πῦρ σωτήριον oder τεχνικόν).
  4. Gewöhnlich (s. § 56 und 64) nennt Ph. die menschliche Seele nach 1 Mos. 2, 7 einen von oben herabgesandten Hauch (πνεῦμα) und hier einen Teil des Äthers. Vgl. Sextus Emp. adv. phys. I § 71 πυρώδεις ἤ πνευματώδεις, desgleichen Cicero, Tuscul. I 40 spirabiles sive ignei (beide Stellen sind freie Auszüge aus Posidonius). Daß die Seele materiell, wenn auch vom feinsten ätherischen Stoffe sei, scheint Philo selbst abzulehnen, siehe Bousset, Jüd.-christl. Schulbetrieb 11ff. Dafür spricht der Ausdruck ἀσώματος § 66 u. 132. Auch De somniis I § 34 nennt Ph. die Seele ἀπόσπασμα θεῖον (ein göttlich Teil), nicht einen Teil vom Äther. Vgl. auch Über d. Weltsch. § 146, Über d. Pfl. Noahs § 18f. u. Anm.
  5. S. die Einleitung zu dieser Schrift.