Über die Träume/Buch 1

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[173] [620 M.] [1] 1 Die vorausgehende Schrift enthielt von den gottgesandten Träumen die unter die erste Art fallenden, von der wir sagten, sie sei dadurch gekennzeichnet, daß Gott auf Grund eigener Initiative die Traumbilder sende. In dieser wollen wir, so weit wie möglich, die zur zweiten gehörenden darstellen. 2 Die zweite Art aber ist die, bei der unser Geist in dieselbe Bewegung wie der des Weltalls gerät[1] und aus sich selbst heraus ergriffen und von Gott hingerissen zu werden scheint, so daß er dazu fähig wird, etwas von der Zukunft vorauszuvernehmen und vorauszuerkennen.[2] Das erste zu der [174] genannten Art gehörende Traumbild ist das folgende, das sich auf der Himmelsleiter zeigte: 3 „Und er träumte; und siehe, eine Leiter erhob sich auf der Erde, deren Spitze bis zum Himmel reichte, und die Engel Gottes stiegen auf ihr auf und nieder; der Herr aber stand oben darauf und sprach: Ich bin der Herr[3] und Gott Abrahams, deines Vaters, und der Gott Isaaks; fürchte dich nicht! Das Land, auf dem du schläfst, dir werde ich es geben und deinem Samen, und es wird dein Same sein wie der Staub der Erde, und er wird ausgebreitet werden über das Meer und nach Süden und Norden und Osten; und es sollen gesegnet werden in dir und in deinem Samen alle Geschlechter der Erde. Und siehe, ich bin mit dir, und ich behüte dich auf deinem ganzen Wege, wohin du auch ziehest; und ich werde dich wieder zurückbringen in dieses Land, da ich dich nicht verlasse, bis ich alles getan habe, was ich zu dir geredet habe“ (1 Mos. 28, 12–15). [621 M.] 4 Es ist aber eine Vorbereitung auf die Erscheinung nötig; wenn wir sie genau kennen gelernt haben, werden wir ohne Mühe ebenso auch das durch die Erscheinung selbst Geoffenbarte verstehen können. Was ist nun die Vorbereitung? „Und Jakob zog aus“, heißt es, „von dem Brunnen des Eides und reiste gen Haran, und er begegnete einem Ort[4]; denn die Sonne ging unter; und er nahm einen von den Steinen des Ortes und legte ihn zu seinen Häupten, und er schlief ein an jenem Ort“ (ebd. 10, 11), und dann kommt sogleich der Traum. 5 Demnach muß man zunächst folgende drei Fragen aufwerfen: erstens: was ist der Brunnen des Eides und warum wurde er so genannt? zweitens: was ist Haran, und warum kommt er, wenn er von dem erwähnten Brunnen auszieht, sofort nach Haran? drittens: was für ein Ort ist das, und warum geht, sobald er dort ist, die Sonne unter, er selbst aber schläft ein?

[2] 6 Betrachten wir nun gleich das Erste. Mir scheint der Brunnen ein Symbol der Erkenntnis zu sein; denn dessen Natur ist nicht oberflächlich, sondern sehr tief. Sie liegt nicht offen zutage, sondern liebt es, sich im Verborgenen zu verstecken. Auch wird sie nicht [175] leicht, sondern mit vielen Anstrengungen und mit Mühe gefunden. Und das kann man nicht nur an solchen Wissenschaften beobachten, die große und unendlich viele Gegenstände enthalten, sondern auch an den einfachsten. 7 Nimm welche Kunstfertigkeit du willst, nur nicht gleich die vornehmste, sondern die unscheinbarste von allen, die nicht sogleich ein freier, in der Stadt aufgewachsener Mann freiwillig ausüben möchte, auf dem Lande aber ein Knecht ausübt, nur widerwillig, im Kampfe mit einem mürrischen und eigensinnigen Herrn, der ihn dazu zwingt, vieles zu tun, was er nicht will. 8 Man wird finden, daß die Aufgabe nicht einfach, sondern kompliziert ist, nicht mit Leichtigkeit erfaßbar[5], sondern schwer zu finden, schwer zu bewältigen, fern von Trägheit, Nachlässigkeit und Leichtsinn, aber voller Fleiß und Wetteifer, Schweiß und Sorgen. Deshalb sagen auch die, die danach graben, sie hätten kein Wasser in diesem Brunnen gefunden (1 Mos. 26, 32), weil die Endergebnisse der Wissenschaften nicht nur schwer zu finden, sondern überhaupt unauffindbar zu sein pflegen. 9 Darum wird in der Grammatik und in der Geometrie einer immer gelehrter als der andere, weil man dem Fortschritt[6] und der Vermehrung unmöglich Grenzen setzen kann; denn der Rest, der auf uns wartet und lauert, ist immer noch größer als das, was zur Kenntnis gekommen ist, so daß der, der glaubt, an die Grenzen der Wissenschaft zu rühren, von einem anderen Kenner für einen Halbgebildeten gehalten wird, von der richtenden Wahrheit aber für einen, der eben erst anzufangen scheint. 10 „Denn kurz ist das Leben“, heißt es, „die Kunst aber lang“;[7] ihre Größe begreift am besten, wer wahrhaft in sie eindringt und sie wie einen Brunnen [622 M.] ausgräbt. Deshalb soll auch ein schon ergrauter und sehr alter Mann, als er starb, geweint haben, nicht aus Feigheit wegen Angst vor dem Tode, sondern aus Sehnsucht nach der Bildung, weil er in sie jetzt gerade hineinkomme, wo er so spät aus dem Leben herausgehe.[8] 11 Denn für die Wissenschaft blüht die Seele, wenn die Blüte des Körpers durch die Länge der Zeit welk wird.[9] Es ist schlimm, dahingerafft zu werden, bevor man sich durch die genauere Erkenntnis der Dinge entwickelt hat und herangereift ist. [176] Dies Geschick aber haben alle Wißbegierigen gemeinsam, denen zu alten Erkenntnissen neue aufgehen und aufleuchten, da die Seele, wenn sie nicht ganz unfruchtbar ist, vieles zur Welt bringt, vieles aber auch die Natur, ohne daß sie es vorher zu erkennen gibt, von selbst denen, die einen scharfsichtigen Geist besitzen, offenbart. Daß also der Brunnen der Erkenntnis so etwas wie eine Grenze und ein Ende nicht besitze, ist hiermit bewiesen. 12 Warum er aber ein „Eid“ genannt wurde (1 Mos. 26, 33), das ist jetzt zu erklären. Durch einen Eid werden zweifelhafte Dinge entschieden, wird das Unsichere befestigt und das, was nicht glaubhaft ist, erlangt Glauben. Daraus folgt auch, daß einem nichts so fest verbürgt wird wie die Tatsache, daß alles, was zur Weisheit gehört, unbegrenzbar und unbeendbar (endlos) ist. 13 Schön wäre es nun, wenn man auch einem, der, ohne zu schwören, hierüber handelt, beistimmen würde; wer aber nicht allzu sehr zur Zustimmung bereit ist, der muß zustimmen, wenn einer geschworen hat. Niemand aber soll sich dem Schwören eines solchen Eides entziehen[10]; denn er weiß genau, daß er in die Liste derer eingeschrieben werden wird, die ihren Eid halten. [3] 14 Doch nun genug hiervon. Als Nächstes wäre zu erwägen, warum von den vier Brunnen, die von den Leuten Abrahams und Isaaks gegraben wurden (1 Mos. 21, 25. 26, 19–23), der vierte und letzte ein „Eid“ genannt wurde. 15 Wollte er damit nicht durch eine Allegorie zeigen, daß es im Weltall vier Elemente gibt, aus denen diese unsere Welt besteht, und in uns selbst ebensoviele, aus denen wir gebildet und in die Form einer Menschengestalt geprägt wurden, und daß drei irgendwie erkannt werden können, das vierte aber allen Beurteilern unerkennbar ist? 16 In der Welt nun gibt es im ganzen die vier Elemente: Erde, Wasser, Luft und Himmel. Von ihnen werden alle anderen (außer dem Himmel) für etwas schwer Findbares, aber doch nicht gänzlich Unentdeckbares erachtet. 17 Denn an der Erde nehmen wir doch wahr, daß sie ein schwerer, unauflösbarer, fester Körper ist, der in Gebirge und ebene Länder geteilt und durch Flüsse und das Meer zerlegt wird, so daß die einen Teile Inseln, die anderen Festländer bilden und ein Teil von ihr leichter, ein anderer schwerer Boden, der eine rauh, hart, steinig und ganz unfruchtbar, der andere glatt, weich und sehr fruchtbar ist, [623 M.] und noch vieles andere dazu. 18 Und andererseits vom Wasser wissen wir, [177] daß es viel von dem, was wir erwähnten, mit der Erde gemeinsam hat und anderes für sich besonders; denn teils ist es süß, teils bitter, teils wird es nach anderen Gesichtspunkten unterschieden: teils ist es trinkbar, teils nicht trinkbar – und beides zugleich ist es nicht für alle, sondern für die es das eine ist, für die ist es nicht das andere, und für die es nicht das eine ist, für die ist es gerade das andere –, 19 und teils ist es von Natur kalt, teils von Natur warm – gibt es doch an vielen Stellen unzählige Quellen, die siedendes Wasser aus der Tiefe geben, nicht nur auf der Erde, sondern auch auf dem Meere; sind doch sogar mitten im Meere siedendes Wasser hochspritzende Adern erschienen, die die so starke darüber von Ewigkeit hinflutende, kreisende Meeresströmung nicht löschen, ja nicht einmal in ihrer Wucht abschwächen konnte –. 20 Und ferner bemerken wir an der Luft, daß sie eine Natur hat, die den Körpern, die sich ihr ringsherum entgegenstellen, nachgibt; sie ist Trägerin des Lebens, der Atmung, des Gesichts, des Gehörs, der anderen Sinnesfunktionen; sie nimmt Dichte und Dünne, Bewegung und Ruhe an; sie dreht und verändert sich in mancherlei Wendungen und Wandlungen, bringt Winter und Sommer hervor und die Herbst- und Frühlingszeiten, von denen der Jahreskreis umgrenzt wird. [4] 21 Das alles nehmen wir wahr; doch der Himmel hat unfaßbare Natur, er hat kein deutliches Erkennungszeichen seiner selbst zu uns entsandt. Denn was könnten wir sagen? Daß er ein fester Kristall ist, wie einige[11] meinten? oder das reinste Feuer?[12] oder der fünfte sich im Kreise bewegende Körper, der an keinem der vier Elemente teilhat?[13] Wie ferner? Hat die feste und äußerste Sphäre nach oben hin Tiefe oder ist sie nur eine Fläche ohne Tiefe gleich den ebenen Figuren? Und wie? 22 Sind die Sterne Erdklumpen voll Feuer – denn sie seien Schluchten und Täler und glühende Steinmassen, sagen einige, die selber das Mühlenhausgefängnis verdienten, wo es so etwas gibt zur Strafe der Frevler[14] – oder sind sie eine zusammenhängende [178] und, wie einer sagte, dichte Harmonie, unauflösbare Ätherzusammenballungen? Sind sie beseelt und vernünftig oder ohne Geist und Seele? Haben sie Bewegungen nach freier Wahl oder nur nach Notwendigkeit? Wie ferner? 23 Führt der Mond echten oder falschen Schein, beleuchtet von den Sonnenstrahlen, oder für sich eigens keinen von beiden, [624 M.] sondern eine Mischung aus beiden, aus eigenem und fremdem Feuer? Alles dies nämlich und was sonst zum vierten und besten der Weltkörper, zum Himmel, gehört, ist unklar und unerkennbar, in Ahnungen und Vermutungen, nicht im festen Worte der Wahrheit verankert. 24 Daher kann man wohl zu schwören wagen, daß kein Sterblicher jemals hiervon etwas klar erkennen wird. Ein „Eid“ wurde deshalb der vierte und trockene Brunnen genannt, da die Erforschung des vierten der Weltkörper, des Himmels, unbeendbar und durchaus schwer durchführbar ist. [5] 25 Wir wollen nun ferner Betrachtungen darüber anstellen, in welcher Hinsicht auch der vierte der in uns selbst befindlichen Teile speziell und in besonderem Sinne unfaßbar ist. Sind nicht vier Teile von dem, was zu uns gehört, die wichtigsten: Körper, Sinneswahrnehmung, Sprache und Geist? Von diesen sind nun drei nicht in jeder Hinsicht unerkennbar, sondern haben gewisse in die Augen fallende Merkmale an sich, durch die sie erfaßt werden können. 26 Was meine ich damit? Wir wissen, daß der Körper nach drei Seiten ausgedehnt und nach sechs Richtungen bewegbar ist, daß er drei Dimensionen hat: Länge, Tiefe und Breite, aber doppelt soviel Bewegungen, nämlich sechs: nach oben, nach unten, nach rechts, nach links, nach vorn und nach hinten. Aber auch daß er das Gefäß der Seele ist, ist uns nicht unbekannt. Aber auch daß er heranwächst, abnimmt, altert, stirbt und aufgelöst wird, wissen wir genau. 27 Und was die Sinneswahrnehmung angeht, so sind wir auch ihr gegenüber nicht völlig stumpf und blind, sondern wir können sagen, daß sie fünffach geteilt ist und für jeden Sinn von der Natur ein besonderes Organ geschaffen wurde, für das Gesicht die Augen, für das Gehör die Ohren, für den Geruch die Nase und für die anderen das ihnen entsprechende, und daß die Sinne Boten des Geistes sind, die ihm [179] Farben, Formen, Laute, die Eigenschaften von Düften und Säften, ja überhaupt die Körper und was an Qualitäten in ihnen steckt, übermitteln, und daß sie die Trabanten der Seele sind, die ihr mitteilen, was sie sehen oder hören, und vorausblicken, ob nicht etwas Schädliches von außen herankommt, und auf der Hut sind, daß sich bei der Herrin nicht heimlich etwas mit einschleiche, was Ursache unheilbaren Schadens werden könnte. 28 Auch die Stimme entgeht nicht ganz unserem Unterscheidungsvermögen, sondern wir wissen, daß die eine Stimme hoch, die andere tief, die eine wohlklingend und harmonisch, die andere mißtönend und ganz unharmonisch, die eine stärker, die andere schwächer ist; sie unterscheiden sich auch noch durch sehr vieles andere: durch Klanggeschlechter,[15] Klangfarben, Intervalle, verbundene und getrennte Töne, durch die Symphonien der Quarten, Quinten und Oktaven. 29 Doch auch an der artikulierten Stimme, die allein unter allen Wesen der Mensch erhielt, gibt es Eigenschaften, die wir erkennen, wie zum Beispiel, daß sie von der Vernunft ausgeht, daß sie im Munde artikuliert wird, daß die Zunge, die Luft anschlagend,[16] dem Ton der Stimme die Artikulation einprägt und so die sinnvolle Rede (Logos), nicht etwa nur den nackten, [625 M.] rohen Laut und den ungegliederten Schall, hervorbringt, daß sie im Verhältnis zu dem dahinterstehenden Sinn die Stelle eines Herolds oder Dolmetschers einnimmt. [6] 30 Ist nun auch das Vierte, was in uns selbst liegt, der leitende Geist, faßbar? Doch wohl nicht! Denn was meinen wir, daß er seinem Wesen nach sei? Soll man ihn einen Hauch oder Blut oder überhaupt einen Körper oder aber keinen Körper, sondern etwas Unkörperliches nennen, oder eine Grenze, eine Idee, eine Zahl, eine Entelechie, eine Harmonie, oder was sonst?[17] 31 Gehört er aber zu dem, was bei der Zeugung entsteht, so fragt es sich alsbald, ob er von außen in den Körper hereinkommt oder ob die warme Natur in uns von der sie umgebenden Luft, wie glühendes Eisen im kalten Wasser des Schmiedes, aufs kräftigste gestählt wird?[18] Weshalb [180] auch die Seele (ψυχή) ihren Namen von der Abkühlung (ψῦξις)[19] erhalten zu haben scheint. Und ferner: Wird der Geist der Sterbenden zerstreut und geht mit den Körpern zugrunde, oder überlebt er sie eine geraume Zeit lang oder ist er etwas völlig Unvergängliches? 32 Wo aber hält sich der Geist selbst[20] versteckt? Welches Haus[21] hat er sich denn gewählt ? Die einen weihten ihm den höchstgelegenen Teil in unserem Körper, den Kopf, in dem sich auch die Sinne verborgen halten, da sie annahmen, daß sie wie die Trabanten in der Nähe des Großkönigs stehen müßten. Die anderen aber sind anderer Meinung und denken, er (der Geist) sei im Herzen eingeschreint. 33 Jedenfalls ist das Vierte immer unerkennbar, der Himmel in der Welt im Gegensatz zur Natur der Luft, der Erde und des Wassers, und der Geist im Menschen im Gegensatz zum Körper, zu der sinnlichen Wahrnehmung und zur kündenden Rede. Vielleicht wird deshalb auch das vierte Jahr in den heiligen Schriften für „heilig und löblich“ erklärt (3 Mos. 19, 24); 34 denn unter den gewordenen Dingen ist „heilig“ der Himmel in der Welt, an dem die unvergänglichen und seligen Wesen wandeln, und im Menschen der Geist, ein von Gott abgesplitterter Teil, besonders nach den Worten des Moses: „Er hauchte in sein Angesicht Odem des Lebens, und es wurde der Mensch zu einer lebendigen Seele“ (1 Mos. 2, 7). 35 Beide scheinen mir auch nicht unzutreffend „löblich“ genannt zu werden; denn was Lobgesänge, Hymnen und Preislieder auf den Schöpfervater anstimmen kann, das ist der Himmel und der Geist. Erhielt doch der Mensch als besondere Gabe vor allen Wesen die, den Ewigen zu verehren, der Himmel aber klingt immer, da er entsprechend den Bewegungen der in ihm befindlichen Körper[22] die vollendet musikalische Harmonie vollbringt. 36 Könnte deren Schall zu unseren Ohren gelangen, so würden nicht zu bändigender Liebesdrang, leidenschaftliche Sehnsucht und ein unaufhörlicher rasender [626 M.] Trieb in uns entstehen, so daß wir uns selbst des Nötigsten enthielten und uns nicht mehr wie Sterbliche mit Speise und Trank durch die Kehle ernährten, sondern wie Leute, die im nächsten Augenblick [181] unsterblich werden sollen, durch die Ohren mit gotterfüllten Liedern einer vollkommenen Musik. Sie soll Moses gehört haben, als er, körperlos geworden, vierzig Tage und ebensoviele Nächte lang überhaupt kein Brot und kein Wasser berührte (2 Mos. 24, 18).[23] [7] 37 Der Himmel also, das Urbild aller Musikinstrumente, scheint so vorzüglich gestimmt zu sein aus keinem anderen Grunde, als damit die zur Ehre des Vaters des Weltalls gesungenen Hymnen mit Musik begleitet würden. Auch von Lea, der Tugend, hören wir, daß sie nach der Geburt des vierten Sohnes nicht mehr gebären kann, sondern daß sie mit Gebären anhält oder vielmehr angehalten wird; denn sie fand, wie ich meine, daß die ganze aus ihr hervorgegangene Geburt trocken und unfruchtbar sei, als sie den Judas, das Bekenntnis,[24] die vollkommene Frucht, hervorgebracht hatte. 38 Denn zwischen dem Worte „sie hörte auf zu gebären“ (1 Mos. 29, 35) und dem, daß die Knechte Isaaks in dem vierten Brunnen kein Wasser fanden (1 Mos. 26, 32), besteht kein Unterschied, da aus beiden Symbolen hervorgeht, daß alles nach Gott dürstet, durch den den Geschöpfen getränkt wird, was sie gebären und nähren. 39 Nun werden vielleicht ein paar Kleinstädter glauben, daß der Gesetzgeber eine so lange Erörterung über das Graben von Brunnen anstellt; die aber in die Bürgerliste des größeren Vaterlandes, dieser unserer Welt, eingeschrieben sind und vollkommenere Gedanken haben, werden genau wissen, daß sich die Forschung der Sehenden und Schaulustigen nicht auf vier Brunnen, sondern auf die vier Teile des Weltalls richtet, auf Erde, Wasser, Luft und Himmel. 40 Wenn sie jeden von ihnen mit angestrengter Aufmerksamkeit durchforschten, fanden sie in dreien etwas Erkennbares – und deshalb legten sie den gefundenen (Brunnen) auch drei Namen bei: Ungerechtigkeit, Feindschaft und Geräumigkeit (1 Mos. 26, 20–22) –, in dem vierten, dem Himmel, aber gar nichts, wie wir es kurz vorher erklärt haben; denn der vierte Brunnen stellt sich als wasserlos und trocken heraus und wird aus dem angeführten Grunde ein ,,Eid“ genannt.

[8] 41 Das Folgende wollen wir nun untersuchen und fragen, was Haran ist, und weshalb er nach Verlassen des Brunnens dorthin kommt (1 Mos. 28, 10). Es ist jedoch, wie es scheint, Haran so etwas wie die Mutterstadt der Sinne; denn es bedeutet bald „Grube“, [182] bald „Höhlungen“, wobei mit beiden Namen[25] eine einzige Sache bezeichnet wird. 42 Denn aus unserem Körper ist für die Sinnesorgane gleichsam etwas ausgegraben worden, und jedes Organ ist so etwas wie ein Loch für jeden Sinn, in dem er sich zu verbergen pflegt. [627 M.] Wenn nun einer aus dem Brunnen, der da „Eid“ genannt wird, wie aus einem Hafen hinausgefahren ist, muß er alsbald nach Haran gelangen; denn wer aus dem besten und unendlich großen Lande, dem des Wissens, auswandert, den müssen, zumal da er ohne Führer ist, die Sinne aufnehmen. 43 Es bewegt sich nämlich unsere Seele oft selbsttätig, nachdem sie die ganze Körperlast abgestreift hat und der ganzen Schar der Sinne davongelaufen ist, oft aber auch in diese eingehüllt. Ihre nackte Bewegung nun zogen die Dinge an sich, die allein durch Denken erkennbar sind, die mit dem Körper verbundene dagegen die sinnlich wahrnehmbaren. 44 Wenn nun einer mit dem Denken allein gar nicht umgehen kann, so findet er als zweite Zuflucht die Sinnlichkeit, und wer das Geistige verfehlt, wird zum Sinnlichen herabgezogen; denn immer geht die zweite Fahrt zur Sinnlichkeit bei denen, die keine glückliche Reise zum führenden Geist vollbringen können. 45 Es ist nur gut, daß sie bei ihrem Aufenthalte dort nicht alt werden und ewig dableiben, sondern weil sie in der Fremde weilen, wie Ausländer immer auf Auswanderung bedacht sind und auf Rückkehr in das väterliche Land. Laban nämlich, der weder einen Art- noch einen Gattungsbegriff, keine Idee, keinen Gedanken und auch sonst überhaupt nichts von dem kannte, was allein durch Denken erfaßt wird, sondern an den sichtbaren Dingen hing, die auf die Augen und Ohren und die ihnen verwandten Sinneskräfte wirken, der erhielt seinem Wert gemäß Haran zum Vaterland, das der tugendliebende Jakob wie ein fremdes Land nur auf kurze Zeit bewohnte, immer auf die Rückreise nach Hause bedacht. 46 Es sagt daher zu ihm seine Mutter Rebekka, die Geduld: „Mache dich auf und fliehe zu Laban, meinem Bruder, nach Haran und wohne bei ihm einige Tage“ (1 Mos. 27, 43. 44). Siehst du also, daß der Ringer es nicht erträgt, im Lande der Sinne dauernd zu leben, sondern nur wenige Tage und eine kurze Zeit um der nötigen Bedürfnisse des mit ihm verbundenen Körpers willen, während ihm die lange Zeit seines Lebens vorbehalten wird in der geistigen Stadt? [183] [9] 47 Daher scheint mir auch sein Vorfahr in der Erkenntnis, mit Namen Abraham, es nicht lange ertragen zu haben, in Haran zu weilen. Es heißt nämlich: „Abraham war 75 Jahre alt, als er aus Haran auszog“ (1 Mos. 12, 4), obgleich sein Vater Tharah, der Erkundung des Geruchs bedeutet,[26] bis an sein Ende dort lebte. 48 Wörtlich wird in den heiligen Schriften [628 M.] erklärt: „Tharah starb in Haran“ (1 Mos. 11, 32); er war nämlich ein Kundschafter der Tugend, nicht ihr Bürger, und er ergab sich dem Genusse von Düften, aber nicht von Nahrungsmitteln, da er noch nicht imstande war, sich mit Einsicht zu erfüllen, ja nicht einmal von ihr zu kosten, sondern sie nur riechen konnte.[27] 49 Denn wie bekanntlich die Jagdhunde die Leichen auch der weit entfernt liegenden Tiere wittern und finden, da ihr Geruchssinn von der Natur besonders scharf ausgebildet wurde, genau so spürt der nach Bildung Strebende den von der Gerechtigkeit und jeder anderen Tugend aufsteigenden süßen Duft und sehnt sich danach, auf sie zu treffen, von denen dieser so wunderbare Reiz ausgeht; kann er es aber nicht, so dreht er den Kopf umsonst im Kreise, er riecht nur den so heiligen Duft des Schönen und Guten und der Tugenden[28]; denn er leugnet es nicht, daß er lüstern ist nach Erkenntnis und Einsicht. 50 Selig also die, denen es vergönnt wurde, die Reize der Weisheit zu genießen, mit ihren Betrachtungen und Lehren bewirtet zu werden und bei diesen Genüssen weiter zu dürsten, da sie eine unerfüllbare und unstillbare Sehnsucht nach Erkenntnis mitbrachten. 51 Den zweiten Preis aber werden die erhalten, denen es zwar nicht vergönnt war, vom heiligen Tische zu genießen, aber doch ihre Seelen mit Duft zu erfüllen. Durch die Lüfte der Tugend werden diese aufleben wie die Kranken, die dadurch, daß sie keine Nahrung aufnehmen konnten, erschlafft sind und sich die zur Besserung dienenden Gerüche zuführen, die die Ärzte als Heilmittel für die Ohnmacht zubereiten. [10] 52 Es heißt jedoch von Tharah, er habe das Chaldäerland verlassen und sei nach Haran ausgewandert in Begleitung seines Sohnes Abraham und der Blutsverwandten seines Hauses, nicht damit wir wie aus einem Geschichtsbuche [184] lernen, daß da ein paar Leute zu Auswanderern wurden, indem sie ihr väterliches Land verließen und in der Fremde wie in ihrem Vaterlande wohnten, sondern damit eine für das Leben nützliche und auf den Menschen überhaupt berechnete Lehre nicht unbeachtet bleibe. 53 Welche aber ist diese? Die Chaldäer treiben Astronomie, die Bürger Harans aber beschäftigen sich mit dem Orte der Sinne. Es sagt nun die heilige Schrift zu dem Beobachter der Naturerscheinungen: Was stellst du Untersuchungen über die Sonne an, ob sie nur einen Fuß groß,[29] ob sie größer als die ganze Erde, ob sie vielmal größer als sie ist? Was forschst du nach den Beleuchtungsarten des Mondes, ob er einen unechten[30] oder ob er nur echten Glanz hat? Was nach dem Wesen der anderen Sterne oder ihrer Bahn oder ihrer Sympathie miteinander und mit der Erdenwelt? 54 Was springst du als Erdbewohner über die Wolken? Wie kannst du behaupten, daß du, eingewurzelt ins feste Land, nach den ätherischen Wesen zu greifen vermöchtest? Wie kannst du es wagen, Schlüsse zu ziehen auf Dinge, die sich nicht erschließen lassen? Was machst du dich vorwitzig an die Himmelserscheinungen heran, an Dinge, die dich nichts angehen? Wie kommst du dazu, die in den mathematischen Wissenschaften geltende Methode bis auf den Himmel auszudehnen? Was schaust du die Sterne an und schwatzest über sie? [629 M.] Nicht das, was über dir und oben ist, mein Lieber, sondern das, was dir nahe ist, betrachte; erforsche lieber rückhaltlos dich selber. 55 Wie wirst du nun die Forschung anstellen? Gehe im Geiste nach Haran, der Grube, den Höhlungen und Löchern des Körpers, und untersuche Augen, Ohren, Nase und was sonst noch Sinnesorgane sind, und betreibe die nötigste und dem Menschen angemessenste Philosophie dadurch, daß du erforschst, was das Gesicht, das Gehör, der Geschmack, der Geruch und überhaupt die Sinneswahrnehmung ist. Und dann erforsche das Wesen und den Vorgang des Sehens, des Hörens, das Wesen des Riechens, des Schmeckens, des Fühlens und wie jedes von ihnen zustande kommt. 56 Bevor du dein eigenes Haus richtig erforscht hast, das des Weltalls zu erforschen, ist das nicht der Gipfel des Wahnsinns? Und die größere Aufgabe stelle ich dir noch gar nicht: deine Seele und deinen Geist zu sehen, auf den du dir so viel einbildest; denn du wirst ihn niemals erkennen können. 57 Nun steige nur hinauf zum Himmel und [185] schwatze über die Erscheinungen an ihm, wo du nach dem Dichterwort nicht einmal erkennen kannst, „was dir in deiner eigenen Wohnung Böses und Gutes bereitet ist“,[31] hole vielmehr den Beobachter vom Himmel herunter, ziehe ihn von der Forschung dort ab und erkenne dich selbst, dann wirst du auch fleißig daran arbeiten, daß du das den Menschen beschiedene Glück erlangst. 58 Einen Mann von solcher Gesinnung nennen die Hebräer Tharah, die Griechen Sokrates; denn auch von ihm sagen sie, er sei alt geworden über der sorgfältigsten Erforschung der Bedeutung des Spruches: „Erkenne dich selbst“,[32] und er habe über nichts philosophiert außer über die Fragen, die ihn selbst angingen.[33] Doch das war nur ein Mensch, Tharah aber ist die Lehre von der Selbsterkenntnis an sich, die vor uns steht wie ein Baum in voller Blüte, auf daß es die Tugendliebenden leicht hätten, die Frucht der Sittenlehre zu brechen und sich an heilsamer und erquickendster Nahrung zu sättigen. 59 So sind für uns die, die nach Einsicht Ausschau halten; die aber um sie ringen und kämpfen, sind vollkommenere Naturen; denn sie halten es für recht, nachdem sie die ganze Lehre über die Sinne genau gelernt haben, zu einer anderen, größeren Lehre überzugehen, und verließen die Löcher der Sinnlichkeit, die Haran heißen. 60 Zu ihnen gehört Abraham, der zur Aufnahme des höchsten Wissens Fortschritte gemacht und sich vervollkommnet hat; denn als er am meisten erkannte, da sah er am meisten von sich selbst ab, damit er zu einer gründlichen Erkenntnis des in Wahrheit Seienden käme. Und es muß so sein: wer sich selbst ganz erkannte, sieht ganz von sich selbst ab, nachdem er klar die Nichtigkeit in allem [630 M.] Irdischen im voraus eingesehen hat; wer aber von sich abgesehen hat, der erkennt den Ewigen.

[11] 61 Was also Haran ist und warum der, der den Brunnen des Eides verläßt, dorthin kommt, ist hiermit erklärt. Als Drittes und Folgendes aber ist zu untersuchen, was unter dem Ort zu verstehen [186] ist, dem er begegnet; denn es heißt: „Er begegnete einem Ort“ (1 Mos. 28, 11). 62 Der Begriff „Ort“ ist dreifach zu verstehen: einmal als vom Körper erfüllter Raum, auf die zweite Art als der göttliche Logos, den Gott selbst ganz und gar mit unkörperlichen Kräften ausgefüllt hat. Denn „sie sahen“, heißt es, „den Ort, wo der Gott Israels stand“ (2 Mos. 24, 10), an dem allein er auch den Gottesdienst zu verrichten erlaubt hat, nachdem er es an allen anderen Stellen verboten hatte; er hatte nämlich bestimmt, man solle zu dem Orte hinaufsteigen, den Gott der Herr ausgewählt hätte, und dort die Ganzopfer darbringen und die Dankopfer, dorthin die übrigen makellosen Opfertiere hinaufführen (5 Mos. 12, 5ff.). 63 Der dritten Bedeutung entsprechend aber wird Gott selbst „Ort“ genannt, weil er das All umfaßt, aber von gar nichts umfaßt wird,[34] und weil er selbst die Zuflucht aller ist, und weil er selber der Raum seiner selbst ist, der sich selbst aufgenommen hat und sich allein in sich selbst bewegt. 64 Ich nun bin nicht ein Ort, sondern an einem Orte, und ebenso jedes Ding. Das, was umfaßt wird, unterscheidet sich nämlich von dem, was umfaßt, Gott aber, der von nichts umfaßt wird, ist notwendig selbst sein eigener Ort. Zum Beweis dient mir folgender mit Bezug auf Abraham geoffenbarter Spruch: „Er kam an den Ort, den ihm Gott genannt hatte; und als er seine Augen auftat, sah er den Ort von ferne“ (1 Mos. 22, 3. 4). 65 Was soll das heißen: wer an den Ort kam, sah ihn von ferne[35]? Doch vielleicht ist hier mit [187] einem Worte von zwei verschiedenen Dingen die Rede, von denen das eine der göttliche Logos, das andere aber der dem Logos übergeordnete Gott ist. 66 Wer nämlich, von der Weisheit geleitet, an den ersten Ort kommt, findet als Gipfel und Ende seines Strebens den göttlichen Logos; ist er bei ihm angekommen, so kann er nicht bis zu dem vordringen, der seinem Wesen nach Gott ist, sondern er sieht ihn von ferne; besser gesagt: er ist nicht einmal imstande, ihn selbst von ferne zu schauen, sondern er sieht nur, daß Gott fern von der ganzen Schöpfung ist und daß seine Erkenntnis ganz ferne, jeder Menschenvernunft entzogen ist. 67 Aber vielleicht hat er hier allegorisierend auch gar nicht den Ort auf den Schöpfer bezogen, sondern was er klarmachen will, ist: „Er kam an den Ort, und als er die Augen aufschlug, sah er“, daß der Ort selbst, an den er gekommen war, weit entfernt war von dem unnennbaren, unsagbaren und in jeder Beziehung unerkennbaren Gott. [12] [631 M.] 68 Diese Vorbedingungen sind nun festgestellt; als dann der Tugendbeflissene nach Haran, der Sinnlichkeit, kam, „begegnet er einem Orte“ (1 Mos. 28, 11), weder dem von einem sterblichen Körper angefüllten – denn an ihm haben alle Irdischen teil, da sie einen Raum ausfüllen und irgendeinen Ort einnehmen müssen – noch dem dritten und vornehmsten, von dem sich kaum eine Vorstellung machen kann, wer an dem Brunnen verweilt, der da „Eid“ genannt wird, an dem Isaak, das Symbol der Menschengattung, die alles aus sich selbst lernt,[36] sich aufhält, ohne jemals den Glauben an Gott und die Ahnung des Unsichtbaren[37] preiszugeben, sondern dem mittleren, dem göttlichen Logos, der das Beste rät und das für den Augenblick Zuträgliche lehrt. 69 Denn Gott selbst hält es für unter seiner Würde, zur Sinnlichkeit zu kommen, und schickt seine Logoi den Tugendliebenden zu Hilfe; sie aber behandeln und heilen die Schwächen der Seele dadurch, daß sie heilige Warnungen wie unantastbare Gesetze aufstellen, zu ihrer Übung aufrufen und wie die Lehrer im Ringkampf Tüchtigkeit, Kraft und unwiderstehliche Stärke einflößen. 70 Notwendig also begegnet er, als er zur Sinnlichkeit kam, [188] nicht mehr Gott, sondern Gottes Logos, wie auch Abraham, der Ahn seiner Weisheit. Denn es heißt: „Der Herr ging fort, als er aufgehört hatte, mit Abraham zu reden, und Abraham kehrte zurück zu seinem Ort“ (1 Mos. 18, 33), woraus zu schließen ist, daß die auf solche heiligen Logoi treffen, von denen sich Gott, der Vater des Alls,[38] abgewendet hat, der nicht mehr die von ihm selbst, sondern die von den ihm untergeordneten Kräften ausgehenden Erscheinungen verbreitet. 71 Außergewöhnlich schön aber ist es, daß er nicht sagt, er komme nach dem Orte, sondern er begegne einem Orte. Das Kommen ist nämlich etwas Freiwilliges, das Begegnen aber oft etwas Unfreiwilliges, und dies geschieht, damit der göttliche Logos plötzlich erscheine und der einsamen Seele eine unerwartete, alle Hoffnung übertreffende Freude dadurch verheiße, daß er ihr Weggenosse werden will. Und so „führt auch Moses das Volk heraus zur Begegnung mit Gott“ (2 Mos. 19, 17), da er sehr gut wußte, daß er selbst unversehens in die Seelen kommt, die sich danach sehnen, mit ihm zusammenzutreffen.

[13] 72 Er führt aber auch den Grund dafür an, warum er einem Orte begegnete: „Es ging“, heißt es nämlich, „die Sonne unter“ (1 Mos. 28, 11), nicht diese sichtbare Sonne, sondern das ringsum erglänzende und erstrahlende Licht des unsichtbaren und mächtigsten Gottes. Sobald dies dem Geiste erglänzt, gehen die Flammen zweiten Ranges, die der Logoi, aus, und die sinnlichen Örter liegen dann um so mehr alle im Schatten; wenn aber andererseits es selbst verschwindet, so tauchen sie alsbald alle empor und gehen auf. 73 Wundere dich nicht darüber, wenn die Sonne nach den Regeln der Allegorie dem Vater und Leiter des Weltalls gleichgesetzt wird; denn Gott ist in Wahrheit nichts ähnlich; was aber dem Anschein nach für ihm ähnlich gehalten wird, sind nur zwei Dinge, ein unsichtbares und ein sichtbares, und zwar ist die Seele das unsichtbare, die Sonne aber das sichtbare. 74 Die [632 M.] Ähnlichkeit der Seele nun hat er selbst an anderer Stelle offen ausgesprochen, wo er sagt: „Gott schuf den Menschen, nach Gottes Bilde schuf er ihn“ (1 Mos. 1, 27), und in dem gegen die Mörder erlassenen Gesetz wiederum: „Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll auch vergossen werden; denn ich habe den Menschen in Gottes Bilde gemacht“ (1 Mos. 9, 6), die mit der Sonne aber hat er symbolisch kundgetan. 75 Das ist nun leicht [189] auch auf andere Weise durch eine Überlegung einzusehen, da Gott zunächst Licht ist – „Denn der Herr ist mein Licht und mein Heil“ (Ps. 27, 1) wird in den Psalmen gesungen – und nicht nur Licht, sondern jedes anderen Lichtes Vorbild, ja noch mehr: älter und höher als jedes Vorbild, weil es die Bedeutung eines Urbildes hat. Denn das Urbild ist der von ihm ganz erfüllte Logos – „Es sprach“, heißt es nämlich, „Gott: es werde Licht“ (1 Mos. 1, 3) –·, er selbst aber ist keinem Geschöpfe ähnlich. 76 Wie ferner die Sonne Tag und Nacht scheidet, so, sagt Moses, habe Gott Licht und Finsternis getrennt: „Gott schied zwischen dem Licht und der Finsternis“ (1 Mos. 1, 4); wie andererseits auch die aufgehende Sonne das Verborgene an den Körpern zeigt, so brachte auch Gott, der alles geschaffen hat, es nicht nur ans Licht, sondern er schuf auch das, was vorher nicht da war, da er nicht nur Werkmeister, sondern auch selbst ein Schöpfer ist. [14] 77 Es wird aber an vielen Stellen der heiligen Schrift als Sonne im allegorischen Sinne erstens der menschliche Geist bezeichnet, den wie eine Stadt diejenigen erbauen und herrichten, die dazu gezwungen wurden, das Gewordene anstatt des Ungewordenen zu verehren; von ihnen heißt es: „sie bauten feste Städte dem Pharao, Pithom“, das Wort, dem das Überreden zukommt, „Rameses“, die Sinnlichkeit, von der, wie von Motten, die Seele zerfressen wird – es bedeutet nämlich „Mottenerschütterung“[39] –, „und On“, den Geist, welchen er „Sonnenstadt“ nannte (2 Mos. 1, 11), weil er wie eine Sonne die Herrschaft über unsere ganze Körperlast ergriffen hat und seine Kräfte wie Strahlen in den ganzen Körper erstreckt. 78 Den Priester und Verehrer des Geistes aber erwählt sich jeder zum Schwiegervater, der sich die Verwaltung des Körpers angeeignet hat[40] und Joseph heißt. Denn es heißt: „Er gab ihm Asnath, die Tochter Potipheras, des Priesters von Sonnenstadt“ (1 Mos. 41, 45). [633 M.] 79 Zweitens nennt er Sonne die sinnliche Wahrnehmung, da sie alles Sinnliche dem Geiste zeigt. Von ihr hat er mit folgenden Worten gesprochen: „Es ging ihm die Sonne auf, als die Erscheinung Gottes vorüberging“ (1 Mos. 32, 31). Denn [190] tatsächlich, wenn wir mit den heiligsten Erscheinungen und gleichsam unkörperlichen Bildern nicht mehr umgehen können, sondern uns wo anders hin wandten und weggingen, brauchen wir ein anderes Licht, das der Sinnlichkeit, das sich für die gesunde Vernunft in gar nichts von der Finsternis unterscheidet. 80 Ging es auf, so erweckte es Gesicht und Gehör, Geschmack, Geruch und Tastsinn wie aus dem Schlafe, Einsicht und Gerechtigkeit, Wissen und Weisheit aber, die gewacht hatten versenkte es in Schlaf. 81 Deshalb sagt die heilige Schrift, es könne niemand rein sein vor dem Abend (3 Mos. 11, 24 u. ö.), da vorher der Geist von den Sinnesbewegungen noch übertroffen wird. Es gibt aber ein auch für die Priester unverbrüchliches Gesetz, in dem er zugleich eine Meinung ausspricht,[41] wenn er sagt: „Er wird (soll) von dem Heiligen nicht essen, bevor nicht sein Körper mit Wasser gewaschen, die Sonne untergegangen und er rein geworden ist“ (3 Mos. 22, 6. 7). 82 Hierdurch zeigt er sehr deutlich, daß niemand ganz unbefleckt ist, so daß er sich den heiligen und ehrwürdigen Weihen unterziehen könnte, wenn er noch soeben dem sinnlichen Glanz des sterblichen Lebens seine Ehrerbietung dargebracht hat. Wenn einer ihn aber nicht anerkennt, wird er folgerichtig vom Licht der Einsicht beleuchtet, durch das er imstande sein wird, die Flecken der eitlen Gedanken abzuspülen und abzuwaschen. 83 Oder siehst du nicht, daß die Sonne selbst bei ihrem Auf- und Untergang Entgegengesetztes bewirkt? Denn wenn sie aufgeht, wird alles auf der Erde beleuchtet, alles auf dem Himmel aber wird verborgen. Geht sie unter, so erscheinen wiederum die Sterne, und das Irdische wird umschattet. 84 Ebenso pflegen sich auch in uns, wenn das Licht der Sinne wie eine Sonne aufging, die olympischen und wahrhaft himmlischen Erkenntnisse zu verbergen, wenn es sich aber zum Untergang neigt, die den Sternen gleichenden, göttlichen Strahlen der Tugend zu erscheinen, sobald auch der Geist rein wird und sich hinter nichts Sinnlichem verbirgt. [15] 85 Der dritten Bedeutung entsprechend nennt er Sonne den göttlichen Logos,[42] der am [191] Himmel kreisenden Sonne Urbild, wie oben gesagt, von der es heißt: „Die Sonne war zur Erde gekommen, und Lot ging aus nach Zoar, und der Herr ließ Schwefel und Feuer regnen auf Sodom und Gomorrha“ (1 Mos. 19, 23. 24). 86 Denn wenn Gottes Logos zu unserem irdischen Gebäude kommt, steht er denen bei, die mit der Tugend verwandt sind und sich ihr zuneigen,[43] und hilft ihnen, so daß er ihnen vollständige Zuflucht und Rettung verschafft, ihren Gegnern aber schickt er Vernichtung und heilloses Verderben. 87 Es heißt aber in vierter Bedeutung Sonne der Lenker des Weltalls selbst, wie ich schon sagte, durch den die heillosen Sünden, die im Schatten zu sein scheinen, enthüllt werden. [634 M.] 88 Denn wie Gott alles vermag, so ist ihm auch alles bekannt. Darum führt er auch diejenigen, die, nachdem ihre seelischen Spannkräfte erschlafft waren, zügellos und allzu wollüstig mit den Töchtern des Geistes, den Sinnen, verkehrten, als wären sie Huren und Dirnen, an die Sonne, damit es an ihnen aufgezeigt werde.[44] 89 Es heißt nämlich: „Und es machte das Volk Rast in Sittim“ –· das bedeutet aber „Dornen“, das Symbol der Laster, die die Seele stechen und verwunden –, „und es entheiligte sich zu huren mit den Töchtern Moabs“ –, das aber sind die Töchter des Geistes genannten Sinne; denn Moab bedeutet „vom Vater“[45] –, und er setzt hinzu: „Nimm alle Obersten des Volkes und führe sie als Beispiel dem Herrn vor die Sonne, und es wird weichen von Israel der Zorn des Herrn“ (4 Mos. 25, 1. 4). 90 Nicht nur die verborgenen Sünden, von denen er will, daß sie offenbar werden, ließ er von Sonnenstrahlen umleuchtet sein, sondern er nannte symbolisch eine Sonne auch den Vater des Alls, dem alles sichtbar ist, auch das, was im Innersten des Geistes unsichtbar vollbracht wird. Kommt es aber ans Licht, so sagt er, es werde gnädig sein der allein Gnädige. Warum? 91 Weil der Geist, wenn er in dem Glauben, er könne unbemerkt von Gott unrecht tun, im Geheimen und im Innersten sündigt, als ob er nicht alles sehen könnte, und [192] wenn er nachher entweder aus eigener Kraft oder durch einen anderen belehrt einsieht, daß Gott unmöglich etwas unklar bleiben kann, und wenn er sich selbst und alle seine Taten enthüllt und sie an die Öffentlichkeit wie ans Sonnenlicht bringt und sie dem Wächter des Alls zeigt mit den Worten, er bereue, was er vorher mit unverständigem Herzen töricht gedacht habe – denn nichts ist ihm unklar, sondern alles bekannt und klar; nicht nur, was getan wurde, sondern auch, was beabsichtigt wird, steht, seiner großen Macht entsprechend, in seiner Gewalt –, weil er dann rein geworden und ihm geholfen ist und er den die Aufsicht führenden Rächer und Überführer besänftigt hat, der in gerechten Zorn geraten wäre, wenn er nicht[46] die Reue, die jüngere Schwester der nicht vollbrachten Sünde, empfangen hätte. [16] 92 Er scheint jedoch auch noch an anderer Stelle symbolisch für den Schöpfer die Sonne zu nehmen, wie in dem Gesetz, das über die Leute handelt, die etwas auf Pfand ausleihen. Man lese das Gesetz: „Wenn du zum Pfande nimmst das Kleid deines Nächsten, sollst du es ihm wiedergeben vor Untergang der Sonne; denn es ist seine einzige Decke, dies ist das Kleid seiner Scham. Worin soll er schlafen? Wenn er nun mich anruft, werde ich ihn erhören; denn ich bin gnädig“ (2 Mos. 22, 26. 27). 93 Man sollte doch wohl diejenigen, die glauben, der Gesetzgeber ereifere sich derartig um eines Kleides willen, wenn auch nicht gerade schelten, so doch mit folgenden Worten ermahnen: Was meint ihr, meine trefflichen Leute? der Schöpfer und Lenker des Weltalls nennt sich selbst gnädig wegen einer so billigen Sache, wegen eines Gewandes, das dem Schuldner [635 M.] von dem Gläubiger nicht zurückgegeben wurde? 94 Es ist Sache derer, die ganz und gar nicht die Erhabenheit der Gesinnung des allergrößten Gottes erkannt haben, derartiges zu glauben und der ungeschaffenen, unvergänglichen Natur voller Glück und Seligkeit die menschliche Kleinlichkeit beizulegen. 95 Denn was tun die Gläubiger Ungehöriges, die die Pfänder bei sich behalten, bis sie ihr Eigentum eingefordert haben? Die Schuldner sind arme Leute, möchte man vielleicht sagen, und man muß Mitleid mit ihnen haben. Wäre es da nicht besser gewesen, ein Gesetz zu erlassen, [193] durch das man diese eher mit Beiträgen unterstützen, als sie zu Schuldnern machen, oder am Ausleihen auf Pfänder hindern sollte? Wer es aber erlaubte, dürfte sich doch nicht über die erzürnen, die das, was sie erhielten, vor dem Termin nicht herausgeben, als ob das gottlose Leute wären. 96 Wer aber sozusagen bis an die Grenzen der Armut selbst kam, verschafft sich der mit dem einen einzigen Lumpen, den er anhat, neue Gläubiger und verzichtet auf das Mitleid derer, die ihn sehen, das Mitleid, das zu Hause, in den Tempeln, auf dem Markte und überall sich über die ergießt, die sich in solcher Not befinden? 97 Jetzt aber sollte er diese einzige Hülle der Scham, die er hatte, mit der er die Geheimnisse der Natur verdeckte, herbeibringen und anbieten! Als Pfand wofür? Für ein anderes, besseres Kleid? Denn an der nötigen Nahrung mangelt es keinem, solange die Quellen sprudeln, die Gießbäche voll sind und die Erde die alljährlichen Früchte hervorbringt. 98 So wäre denn der Gläubiger ein so geiziger oder so sehr roher Mann, daß er einem ein Vierdrachmenstück oder vielleicht noch weniger vorschießen, einem so armen[47] Menschen etwas leihen statt ihm eine Wohltat erweisen, oder ihm sein einziges Kleid als Pfand nehmen will, was man mit anderem Namen richtig „ausplündern“ nennen müßte? Denn nur Plünderer pflegen die Kleider auszuziehen und zu rauben und ihre Besitzer nackt dastehen zu lassen. 99 Warum aber dachte er nur an die Nacht und daran, daß einer ohne Kleider nicht schlafen könne, sorgt aber nicht ebenso für den Tag und dafür, daß der Wachende sich nicht nackt schämen müsse? Oder wird nicht durch die Nacht und die Dunkelheit alles verhüllt, so daß man sich weniger oder gar nicht zu schämen braucht, durch den Tag und das Licht aber enthüllt, so daß man dann um so mehr erröten muß? 100 Warum befahl er nicht, ihm das Kleid zu geben, sondern es ihm wiederzugeben? Denn die Wiedergabe geschieht bei fremdem Gut, das Pfand aber gehört eher dem Gläubiger als dem Schuldner. Und das beachtest du nicht, daß er dem Schuldner, der das Gewand zum Schlafen erhielt, nicht befahl, es bei Tagesanbruch, sobald er aufgestanden ist, auszuziehen und es dem Gläubiger zu bringen? 101 Wahrlich, durch die eigentümliche Ausdrucksweise muß auch der Trägste dazu gebracht werden, an etwas anderes als den Wortlaut zu denken. [194] [636 M.] Die Vorschrift gleicht nämlich mehr einer erläuternden Bestimmung als einer Ermahnung.[48] Als Mahnung nämlich hätte man gesagt: Gib das als Pfand genommene Gewand, wenn es das einzige ist, was der Schuldner hat, vor dem Abend wieder, damit er in der Nacht etwas habe, sich zu bekleiden, als Erläuterung aber so, wie es hier steht: „Denn dies ist seine einzige Decke, dies ist das Kleid seiner Scham; worin soll er sonst schlafen“ (2 Mos. 22, 27)? [17] 102 Dies und dergleichen sei gesagt gegen die Sophisten, die sich um den wörtlichen Sinn mühen und die allzu bedenklich die Augenbrauen hochgezogen haben; wir aber, die wir den Regeln der allegorischen Deutung folgen, wollen das Angemessene darüber sagen. Wir behaupten nun, daß das Gewand ein Symbol des Logos ist. Die Schäden nämlich, die durch Kälte und Hitze über den Körper hereinzubrechen pflegen, hält ein Kleid zurück, und es verhüllt die Geheimnisse der Natur, und ein Umhang ist außerdem ein dem Körper geziemender Schmuck. 103 Zu ähnlichem Zwecke jedoch wurde auch die Sprache (Logos) dem Menschen als schönste Gabe von Gott gegeben, erstens als Verteidigungswaffe gegen die Aufrührer gegen ihn – denn wie die Natur jedes andere Tier durch eigene Schutzvorrichtungen sicherte, durch die es den zurückweisen kann, der ihm Böses zu tun versucht, gab sie auch dem Menschen als größte Stütze und als Schutz ein unüberwindbares Wort, das er kräftig wie eine ganze Waffenrüstung ergreift und als vertrauten und von der Natur ihm verbundenen Begleiter mit sich führen soll; braucht er es als Verteidigungsmittel, so wird er den von seinen Feinden drohenden Schaden abwehren können –, 104  zweitens als nötigste Bedeckung für seine Scham und Schande – denn außerordentlich gut eignet sich das Wort dazu, die Sünden der Menschen zu verbergen und zu verhüllen –·, drittens zum Schmuck des ganzen Lebens; denn was einen jeden bessert und alles zum besseren hinausführt, ist das Wort. 105 Es gibt aber auch Schandbuben und Unglücksmenschen, die das Wort als Pfand behalten, nachdem sie es den Eigentümern weggenommen haben, und die es, obgleich sie es wachsen lassen müßten, ganz für sich abschneiden, so wie die vorgehen, die Feindesland verwüsten und das Getreide und alle andere Frucht zu vernichten versuchen, die, stehen gelassen, für alle, die sie brauchen wollten, ein großer Nutzen gewesen wäre. [195] 106 Einige führen nun einen unversöhnlichen und unerbittlichen Krieg gegen das natürliche Wachsen der Sprache; sie schneiden ihre Zweige bis auf den Stamm ab, unterdrücken ihre ersten Triebe und machen sie sozusagen völlig unfruchtbar an guten Werken. 107 Wenn sie manchmal mit unbezwinglichem Drang nach Bildung strebte und von Liebe zu philosophischen Betrachtungen ergriffen wurde, fürchteten sie aus Neid und Mißgunst, sie könnte Wut schnauben, sich hoch erheben und ihre Wortklaubereien und wider die Wahrheit erfundenen Wahrscheinlichkeiten wie ein Sturzbach hinwegspülen, lenkten durch ihre Künsteleien den Lauf anderswohin und verteilten ihn auf handwerksmäßig betriebene und [637 M.] unfreie Künste. Oft auch stumpften sie die Sprache ab, verstopften ihren Fluß und ließen das edle Gewächs in trägem Zustand, so wie schlechte Vormünder verwaisten Kindern deren fruchtbares und ertragreiches Land unbebaut lassen; und die Unbarmherzigsten von allen schämten sich nicht, das einzige Gewand des Menschen zu stehlen, seine Sprache; denn es heißt: „Dies ist seine einzige Decke“ (2 Mos. 22, 27). 108 Was kann das anderes sein als die Sprache? Denn wie es zum Wesen des Pferdes gehört zu wiehern, zu dem des Hundes zu bellen, des Ochsen zu brüllen, des Löwen zu heulen, so gehört zum Wesen des Menschen das Sprechen und die Sprache als solche. Sie hat als Schutz, als Kleid, als Rüstung, als Mauer das gottgeliebteste Wesen, der Mensch, unter allen als sein Eigentum für sich erhalten. [18] 109 Deshalb fügt er auch hinzu: „Dies ist das einzige Kleid seiner Scham“ (2 Mos. 22, 27). Denn was sonst verbirgt und verhüllt so die Scham und Schande des Lebens wie die Sprache? Ist doch Unwissenheit die einem sprachlosen Geschöpf angeborene Schande, Bildung aber die Schwester der Sprache, ein geziemender Schmuck. 110 „Worin soll er sonst schlafen“, d. h.: wo soll der Mensch ruhen und sich erholen, wenn nicht in der Sprache? Denn die Sprache erleichtert unser von schwerem Geschick so niedergedrücktes Geschlecht. Wie nun den durch Leid, Furcht und andere Übel Niedergedrückten oft die Freundlichkeit, die Geselligkeit und die Geschicklichkeit von Freunden Dienste leistete, so stößt nicht nur oft, sondern immer die dem Unglück wehrende Sprache allein die schwerste Last ab, die uns die Bedürfnisse des mit uns verbundenen Körpers und die von außen hereinbrechenden unvorhergesehenen [196] Schicksalsschläge auferlegen. 111 Denn sie ist unsere Freundin und Bekannte, unsere Vertraute und Gefährtin, an uns gebunden, ja noch mehr: uns eingefügt und eins mit uns geworden durch eine Art unauflösbaren und unsichtbaren natürlichen Kitt. Deshalb sagt sie uns auch vorher, was uns zuträglich sein wird, und wenn etwas Unerwünschtes eintritt, steht sie uns ungerufen zur Seite, um uns zu helfen, dadurch, daß sie uns nicht nur von zweierlei Hilfe eine, wie der Ratgeber, der aber nicht handelt, oder der Mitkämpfer, der aber schweigt, sondern beide bringt. 112 Denn sie betätigt nicht nur eine halbe Kraft, sondern eine in allen Teilen ganze; denn wenn sie bei dem Unternehmen scheitert, das sie beabsichtigt oder durch die Tat ausführt, kommt sie auf das dritte Hilfsmittel:[49] den Trost. Denn wie Arznei für Wunden, so ist die Sprache ein Heilmittel für Leiden der Seele, die man, wie der Gesetzgeber sagt, „vor Untergang der Sonne“ zurückgeben muß (2 Mos. 22, 26), d. h.: bevor die hellsten Strahlen des größten und sichtbarsten Gottes untergehen, die er aus Mitleid mit unserem Geschlecht vom Himmel her in den menschlichen Geist entsendet. 113 Denn wenn in der Seele das gottähnlichste und unkörperliche Licht verweilt, werden wir das als Pfand genommene Wort zurückgeben wie ein Gewand, damit es dem, der den eigentlichen Besitz des Menschen empfängt, möglich werde, die Scham seines Lebens zu verhüllen, die Gottesgabe zu genießen und in Ruhe zu schlafen in Gegenwart eines solchen Beraters [638 M.] und Behüters, der den ihm angewiesenen Posten niemals verlassen wird. 114 Solange nun Gott dir noch den heiligen Glanz erstrahlen läßt, beeile dich, dem Herrn das Pfand bei Tage wiederzugeben; ist er aber untergegangen, so wirst du wie ganz Ägyptenland (2 Mos. 10, 21) in dichter Finsternis leben in Ewigkeit und, mit Blindheit und Unwissenheit geschlagen, aller Dinge beraubt werden, die du in deiner Macht zu haben glaubtest, und von dem schauenden Israel, den du auspfändetest, obwohl er von Natur kein Sklave war, notwendig geknechtet werden. [19] 115 Ich habe diese Rede so weit ausgesponnen um keines anderen Grundes als um der Lehre willen, daß der tugendeifrige Geist, der in schwankende Bewegungen gerät, je nachdem ob er eine gute Fahrt oder das Gegenteil antritt, und gleichsam fortwährend hinauf- und herabsteigt, dann, wenn er in guter Fahrt ist und sich nach der Höhe hebt, von den urbildlichen und unkörperlichen Strahlen aus dem Vernunftquell des alles vollendenden Gottes umglänzt wird, wenn er aber hinabsteigt und schlechte Fahrt macht, [197] von deren Abbildern, den unsterblichen Logoi, die man gewöhnlich Engel nennt. 116 Deshalb heißt es jetzt auch: „Er begegnete einem Orte; denn die Sonne ging unter“ (1 Mos. 28, 11). Denn wenn die Strahlen Gottes die Seele verlassen haben, durch welche die Wahrnehmungen der Dinge am deutlichsten werden, geht der zweite und schwächere Schein der Logoi (der Begriffe), nicht mehr der Dinge, auf, wie auch in dieser unserer Welt: denn der Mond, der nach der Sonne den zweiten Rang einnimmt, sendet, wenn jene untergeht, ein matteres Licht über die Erde. 117 Und die Begegnung mit dem Orte oder Logos ist für diejenigen, die Gott, der mehr ist als Ort und Logos, nicht zu schauen vermögen, ein durchaus hinreichendes Geschenk, da sie ja keine ganz unerleuchtete Seele bekamen, sondern, als jenes unvermischte Licht vor ihnen unterging, das gemischte erhielten. „Denn den Kindern Israel war Licht an allen Orten, an die sie kamen“, heißt es im Buche Exodus (10, 23), so daß Nacht und Finsternis für immer verbannt waren, worin die leben, die mehr auf den Augen der Seele geblendet sind als auf denen des Körpers und die Strahlen der Tugend nicht kennen. 118 Einige aber vermuteten, Sonne heiße hier symbolisch[50] Sinnlichkeit und Geist, die in uns selbst gewöhnlich angenommenen Gründe der Erkenntnis, Ort aber der göttliche Logos, und faßten die Stelle so auf: Es begegnete der Tugendeifrige dem göttlichen Logos, als das sterbliche und menschliche Licht unterging. 119 Solange nämlich der Geist das Geistige und die Sinnlichkeit das Sinnliche fest zu erfassen und in der Höhe zu kreisen glaubt, steht der göttliche Logos weit weg; sobald aber beide ihre Ohnmacht eingestanden haben und, gleichsam untergehend, verschwunden sind, kommt alsbald grüßend entgegen der rechte Logos,[51] der Beistand einer tugendeifrigen Seele, die sich selbst [639 M.] aufgibt, aber den von außen unsichtbar nahenden erwartet.

[20] 120 Es heißt nun aber weiter: „Er nahm einen von den Steinen des Ortes und legte ihn sich zu Häupten, und er schlief an jenem Orte“ (1 Mos. 28, 11). Man könnte hier nicht nur die in allegorischem Sinne gemeinte Handlung und seine (des Moses) Naturlehre[52] bewundern, sondern auch den Wortsinn, der zur Übung in Anstrengung und Enthaltsamkeit anleitet. 121 Er hält es nämlich des der Tugend [198] Beflissenen nicht für würdig, ein weichliches Leben zu führen und zu schwelgen, nacheifernd den Bestrebungen und Bemühungen derer, die man zwar glücklich nennt, die in Wahrheit aber voll von Unseligkeit sind und deren ganzes Leben nach der Meinung des heiligsten Gesetzgebers ein Schlaf und ein Traum ist. 122 Diese Unglücksmenschen kommen nach Tagesende, wenn sie das in Gerichts- und Ratsversammlungen, in Theatern und überall gegen die anderen verübte Unrecht mit durchgemacht haben, nach Hause zurück, um ihr eigenes Haus umzukehren, nicht das Gebäude, sondern das mit der Seele verwachsene Haus, den Körper, dadurch daß sie unmäßige Nahrung schnell hintereinander hereinbringen und sie mit viel ungemischtem Wein begießen, bis die Überlegung in der Tiefe verschwindet, die Unterleibsgelüste aber, die Folgen der Überfüllung, aufstehen und, nachdem sie in ungebändigter Wut die ersten besten angefallen und umschlungen haben, den starken Kitzel durch Erguß zum Nachlassen bringen. 123 Nachts aber, wenn es Zeit wäre, zu Bett zu gehen, richten sie kostbare Ruhebänke und geblümte Teppiche her und legen sich recht bequem nieder, die Weichlichkeit der Weiber nachahmend, denen die Natur erlaubte, sich einer lässigeren Lebensweise hinzugeben, weshalb ihnen der Meister und Schöpfer auch einen Körper schwächeren Schlages anfertigte. 124 Kein solcher Mensch ist kundig des heiligen Logos, sondern das sind nur die Männer im wahren Sinne, die Verehrer der Mäßigung, des Anstands und der Scham, welche Selbstbeherrschung, Bedürfnislosigkeit und Enthaltsamkeit als Fundamente des ganzen Lebens festgelegt haben, sichere Zufluchtsstätten der Seele, in die sie gefahrlos und sicher einlaufen kann, besser als Schätze, Genuß und Ruhm, die Verächter von Speise und Trank und selbst des Nötigsten, soweit nicht der Hunger sie zu beunruhigen anfängt, die ganz dazu Bereiten, Hunger und Durst, Hitze und Kälte und was sonst schwer zu ertragen ist um des Besitzes der Tugend willen auf sich zu nehmen, die nur nach dem Wohlfeilsten streben, so daß sie sich niemals des einfachen Mantels schämen, sondern im Gegenteil die kostbaren Kleider für eine Schande und einen großen Schaden des Lebens halten. 125 Für sie ist ein kostbares Ruhebett der weiche Erdboden, ein Teppich Laubwerk, Gräser, Pflanzen, eine dichte Blätterstreu, Kopfkissen aber ein paar Steine oder kleine Erdhügel, die sich ein wenig über den ebenen Boden [640 M.] erheben. Ein solches Leben nennen die Weichlinge eine harte Lebensweise, die aber für das Schöne und [199] Gute leben, eine sehr erfreuliche; denn es paßt zu Menschen, die nicht nur Männer genannt werden, sondern es wirklich sind.[53] 126 Du siehst ja, daß er auch jetzt den Ringer um gute Taten, obwohl er an königlichen Stoffen und Geräten Überfluß hat, an der Erde liegen, sich eines Steines als Kopfkissen bedienen und kurz darauf bei den Gelübden (1 Mos. 28, 20) um Brot und ein Gewand, den natürlichen Reichtum, bitten läßt, da er den in leeren Einbildungen bestehenden immer verspottete und sich über seine Bewunderer lustig machte. Er ist das typische Urbild einer tugendübenden Seele, die allem Weibischen und Mannweiblichen feind ist. [21] 127 Das Lob des Mühsal- und Tugendliebenden ist nun, soweit es sich unmittelbar aus dem Wortlaut ergibt, ausgesprochen worden, aber der symbolische Sinn ist noch zu erforschen. Man muß aber jetzt wissen, daß der göttliche Ort und der heilige Raum voll von unkörperlichen Logoi ist; diese Logoi aber sind unsterbliche Seelen.[54] 128 Von diesen Logoi nimmt er nun einen, wählt den seiner Stellung nach obersten und gleichsam das Haupt eines einheitlichen Körpers, und stellt ihn dicht neben seinem Geiste auf (1 Mos. 28, 11); denn dieser ist gewissermaßen das Haupt der Seele. Das tut er aber angeblich, um zu schlafen, in Wahrheit aber, um auszuruhen bei[55] dem göttlichen Logos und ihm sein ganzes Leben als leichteste Last aufzuerlegen. 129 Der aber erhört ihn gern und nimmt den Ringer auf, zuerst, als sollte er sein Schüler werden, dann, sobald er seine natürliche Befähigung anerkannt hat, bildet er ihn wie ein Fechtmeister aus,[56] ruft ihn auf die Ringplätze, stellt sich ihm entgegen und zwingt ihn zum Kampfe, bis er in ihm eine unwiderstehliche Kraft ausgebildet hat, wobei er ihm durch göttlichen Anhauch die Ohren in Augen verwandelte[57] und ihn, den [200] umgeprägten, neuen Charakter,[58] Israel nannte, den Schauenden. 130 Dann setzt er ihm auch den Siegeskranz auf. Der Kranz aber hat einen ungewöhnlichen, fremdartigen und wohl auch unschön klingenden Namen[59]; er wird nämlich von dem Preisrichter „Lähmung“ genannt. Denn es heißt: „er lähmte die Hüftpfanne“ (1 Mos. 32, 25), von allen Preisen, Belohnungen und Ehrungen der wunderbarste Ehrenpreis. 131 Denn wenn die Seele im Besitze unüberwindlicher Kraft, vervollkommnet in Tugendkämpfen und angelangt an der Grenze des Guten selbst, weder aus Größenwahn emporgehoben wurde noch einherstolziert und prahlt, als könnte sie geraden Fußes weit ausschreiten, sondern sich die durch Überhebung angeschwollene Hüftpfanne lähmte und einengte,[60] [641 M.] sich dann freiwillig zu Boden warf und hinkt, um hinter den unkörperlichen Wesen zurückzubleiben, wird sie den Sieg davontragen, obwohl sie unterlegen zu sein scheint. 132 Denn der Verzicht auf Ehrenpreise, der mehr aus Absicht als aus Zwang erfolgt, gilt den edleren Naturen als besonders vorteilhaft, da ja auch die zweiten Preise, die für diesen Wettkampf ausgesetzt sind, die ersten Preise bei anderen Kämpfen an Größe des Wertes unendlich übertreffen.

[22] 133 Das also ist der Sinn des Vorspiels zu dem gottgesandten Traumgesicht; es ist nun aber an der Zeit, sich ihm selbst zuzuwenden und jede Einzelheit, die es enthält, genau zu untersuchen. „Er träumte“, heißt es, „und siehe, eine Leiter erhob sich auf der Erde, deren Spitze bis zum Himmel reichte, und die Engel Gottes stiegen auf ihr auf und nieder; der Herr aber stand oben darauf“ (1 Mos. 28, 12. 13). 134 Eine Leiter jedoch wird innerhalb der Welt in symbolischem Sinne die Luft genannt, deren Fuß die Erde, deren Spitze aber der Himmel ist; denn von der Mondsphäre, von der die Meteorologen erklären, sie sei der letzte Himmelskreis, aber der erste nach uns zu liegende, bis zur Erde, die die letzte ist, dringt die nach allen Seiten sich ausdehnende Luft. 135 Sie aber ist die Wohnstätte unkörperlicher Seelen, da es der Schöpfer für gut hielt, alle Teile der Welt mit lebenden Wesen zu erfüllen. Daher schuf er auf der Erde die Landtiere, im Meer und in den Flüssen die Wassertiere, im Himmel [201] aber die Sterne – denn auch jeder von diesen soll nicht nur ein Lebewesen, sondern sogar ein durch und durch ganz reiner Geist sein –; so gibt es auch in dem übrigen Teile des Alls, in der Luft, lebende Wesen. Wenn sie aber der sinnlichen Wahrnehmung nicht erkennbar sind, was hat das zu sagen? Ist doch auch die Seele etwas Unsichtbares. 136 Ja, es ist sogar wahrscheinlich, daß die Luft noch mehr als Erde und Wasser lebendige Wesen nährt, da sie ja auch die in jenen lebenden beseelt hat; denn es schuf sie der Meister als Zusammenhalt der unbewegten Körper, als Wachstumskraft der sich ohne Vorstellungsvermögen bewegenden, und schließlich als Seele derer, die sich des Willenstriebes und der Vorstellung bedienen können.[61] 137 Wäre es nun nicht sonderbar, wenn das, wodurch alles andere beseelt wurde, keine Seelen hätte? Deshalb soll niemand dem besten Element,[62] der Luft, die beste Gattung lebender Wesen rauben; denn sie ist nicht allein unter allen Elementen leer, sondern wohlbevölkert wie eine Stadt und hat zu Bürgern unvergängliche und unsterbliche Seelen, die an Zahl den Sternen gleich sind. 138 Von diesen Seelen steigen die einen hinab, um sich in sterbliche Körper einsperren zu lassen, und zwar die der Erde nächsten und dem Körper befreundetsten, die anderen wandern hinauf wieder abgeschieden nach den von der Natur festgesetzten Zahlen und Zeiten. 139 Von diesen eilen diejenigen, die sich nach der Verwandtschaft und Vertrautheit mit dem [642 M.] sterblichen Leben sehnen, wieder zurück, die aber seine ganze Eitelkeit durchschauten, nannten den Körper einen Kerker und eine Gruft, entflohen wie aus einem Gefängnis oder einem Grabe und wandeln, mit leichten Flügeln zum Äther emporgehoben, in Ewigkeit in der Höhe. 140 Es gibt aber noch andere, nämlich die reinsten und besten, die edlere und göttlichere Gesinnungen erlosten, die überhaupt niemals nach etwas Irdischem trachteten, die Statthalter des Weltlenkers, gleichsam Ohren und Augen des Großkönigs,[63] die alles sehen und hören. 141 Diese pflegen die anderen Philosophen Dämonen zu nennen, die heilige Schrift aber, die einen passenderen Namen braucht, Engel (ἄγγελοι). Denn [202] sie verkünden (διαγγέλλουσι) die Befehle des Vaters den Kindern und die Bedürfnisse der Kinder dem Vater.[64] 142 Darum läßt er sie auch hinauf- und hinabsteigen, nicht weil der überall hindringende Gott Wesen braucht, die (ihm) etwas offenbaren sollen, sondern weil es uns hinfälligen Menschen frommt, uns der vermittelnden und schlichtenden Logoi zu bedienen, weil der Allwaltende und die höchste Stärke seiner Macht Bestürzung und Entsetzen erregt. 143 Wenn wir ihn zu Gesicht bekämen, dann brauchten wir wohl einen der Mittler und würden sagen: „Sprich du für uns, und möge Gott nicht zu uns sprechen, auf daß wir nicht sterben“ (2 Mos. 20, 19). Nicht nur weil wir die Strafen, sondern weil wir auch die überschwenglichen und reinen Wohltaten nicht aufnehmen könnten, wenn er sie selbst unmittelbar darböte, ohne sich anderer als Helfer zu bedienen. 144 Sehr richtig wird die Luft unter dem Bild einer Leiter als auf die Erde gestützt vorgestellt; denn die aus der Erde aufsteigende Dünste werden immer dünner und schließlich zu Luft, so daß Fuß und Wurzel der Luft die Erde, der Himmel aber ihr Haupt ist. 145 Jedenfalls sagt man, daß der Mond keine ganz reine Verdichtung des Äthers ist wie jeder andere Stern, sondern eine Mischung aus Äther- und Luftsubstanz;[65] und das an ihm sichtbare Schwarze, was manche Leute sein Gesicht nennen, sei nichts anderes als die ihm beigemischte Luft, die ihrer Natur nach schwarz ist und sich bis zum Himmel erstreckt. [23] 146 Das ist die symbolisch so genannte Leiter in der Welt; suchen wir aber nach der in den Menschen, so werden wir die Seele finden, deren Fuß das gewissermaßen Erdige, die Sinnlichkeit, ist, deren Haupt aber das gleichsam Himmliche: der reinste Geist. 147 Die ganze Leiter auf und ab aber wandeln fortwährend [643 M.] die Logoi Gottes; wenn sie hinaufsteigen, ziehen sie sie mit in die Höhe, trennen sie vom Sterblichen und zeigen ihr den Anblick des allein Sehenswerten; wenn sie aber herunterkommen, stürzen sie sie nicht hinab – denn weder Gott noch ein göttlicher Logos ist schuld an einer Schädigung –, sondern sie steigen mit hinab aus Menschenliebe [203] und Mitleid mit unserem Geschlecht, um der Fürsorge und des Beistands willen, um auch der Seele, die im Körper wie in einem Flusse[66] hingerissen wird, Heil einzuflößen und sie wieder zu beleben. 148 Wandelt doch in den Seelen der ganz Gereinigten lautlos und unsichtbar allein der Lenker des Alls – denn es gibt ja ein dem Weisen verkündetes Gotteswort, in dem es heißt: „Ich werde in euch wandeln und ich werde euer Gott sein“ (3 Mos. 26, 12) –, in den Seelen derer, die ihr schmutziges und in den beschwerlichen Körpern beflecktes Leben erst waschen, aber noch nicht völlig gereinigt haben (aber wandeln) die Engel, die sie reinigen durch ihre Lehren vom Schönen und Guten. 149 Welche Massen schlechter Bewohner ausziehen müssen, damit der eine gute einziehen kann, ist offensichtlich. Eile darum, meine Seele, Gottes Haus zu werden, ein heiliges Heiligtum, der schönste Aufenthalt. Denn vielleicht, vielleicht wirst auch du ebenso den Hausherrn, den die ganze Welt hat, zum Hausherrn bekommen, der sich um sein eigenes Haus kümmert, daß es immer wohl verwahrt und unbeschädigt erhalten bleibe. 150 Wahrscheinlich aber stellt sich der Tugendeifrige auch sein eigenes Leben als einer Leiter gleichend vor; denn seinem Wesen nach ist das Tugendstreben ein nicht gleichmäßig fortlaufender Vorgang; bald geht es nach der Höhe vorwärts, bald kehrt es sich nach der entgegengesetzten Richtung um, und bald tritt es wie ein Schiff eine gute Fahrt durchs Leben, bald eine schlechte an. Denn wechselnd ist, wie es heißt,[67] das Leben der Strebenden, bald lebendig und wach, bald tot oder schlafend. 151 Und wahrlich, das ist wohl nicht unzutreffend gesagt; denn die Weisen erlangten den olympischen und himmlischen Raum zur Wohnung, da sie es gelernt haben, immer nach oben zu streben, die Schlechten aber die Schluchten des Hades, da sie vom Anfang bis zum Ende darauf bedacht waren zu sterben und vom Kindes- bis zum Greisenalter ans Verderben gewöhnt sind. 152 Die Tugendstrebenden aber – sie stehen nämlich zwischen den Extremen – steigen oft wie auf einer Leiter hinauf und hinab, entweder von ihrem besseren Teil hinaufgezogen oder vom schlechteren in die entgegengesetzte Richtung abgelenkt, bis der Schiedsrichter in diesem Wettkampf [204] und Streit, Gott, die Siegespreise der besseren Partei gibt, die Gegenpartei aber gänzlich vernichtet. [24] 153 Es zeigt sich darin aber auch noch folgendes Bild, das nicht mit Stillschweigen übergangen zu werden verdient. Die Geschicke der Menschen lassen sich mit einer Leiter vergleichen wegen ihres ungleichen [644 M.] Verlaufs. 154 Denn ein und derselbe Tag, heißt es,[68] riß den einen von seiner Höhe herab und hob den anderen empor, da nichts, was zu uns gehört, imstande ist, in demselben Zustand zu verharren, sondern sich in mannigfachen Wandlungen ändert. 155 Oder werden nicht fortwährend Herrscher aus Privatleuten, Privatleute aus Herrschern, Arme aus Reichen und aus Armen Besitzer von großem Vermögen, die Angesehensten aus solchen, um die man sich nicht gekümmert hat, und die Berühmtesten aus Unberühmten, Starke aus Schwachen und aus Unfähigen Fähige, Verständige aus Törichten und die Vernünftigsten aus den Unverständigen? 156 Ja, das ist eine Art Weg hinauf und hinab, den die menschlichen Geschicke nehmen,[69] die sich auf schwankende und unsichere Zufälle stützen,[70] deren Ungleichmäßigkeit die untrügerische Zeit dartut, nicht durch unklare, sondern durch deutliche Beweise.

[25] 157 Es kündete aber der Traum, daß auf der Leiter der Erzengel, der Herr[71] stand. Man muß nämlich annehmen, daß, wie der Lenker über dem Wagen, der Steuermann über dem Schiff, das Seiende oben darüber steht über Körpern, über Seelen, über Dingen, über Worten, über Engeln, über Erde, über Luft, über Himmel, über wahrnehmbaren Kräften, über unsichtbaren Wesen, wie viele ihrer erkennbar und unerkennbar sind; denn dadurch daß es die ganze Welt mit sich selbst verband und sie von sich abhängig machte, lenkt es dies so große Wesen. 158 Keiner aber, der da hört, daß er stand, möge glauben, daß etwas Gott beim Feststehen behilflich sein müsse, sondern er möge bedenken, daß die Worte der Offenbarung dasselbe bedeuten wie: ein Halt und eine Stütze, eine Festigkeit und Sicherheit für alles ist der nicht wankende Gott, der, wem er will, das Siegel der Unerschütterlichkeit aufprägt; denn wenn er stützt und mit halten hilft, bleibt das Zusammengesetzte in voller Kraft dem [205] Verderben entzogen. 159 Nun aber sagt der, der auf der Himmelsleiter steht, zu dem, der den Traum sieht: „Ich bin der Herr, der Gott Abrahams, deines Vaters, und der Gott Isaaks; fürchte dich nicht“ (1 Mos. 28,13). Dieser Spruch bezeichnete das Ziel der sich mühenden Seele und war ihr festester Halt, da er sie lehrte, daß der Herr und Gott des Alls dieses beides (nämlich Herr und Gott) seines Geschlechtes für ihn ist, für Väter und Großväter mit jedem von beiden Namen geschrieben und genannt,[72] auf daß die ganze Welt und der die Tugend Liebende dasselbe Los erhalte, da es ja auch heißt: „Der Herr selbst ist sein Los“ (5 Mos. 10, 9).

[26] 160 Man glaube aber nicht, es käme nicht darauf an, daß er hier „Herr und Gott“ des Abraham, aber nur „Gott“ des Isaak[73] genannt wird. Denn der [645 M.] ist das Symbol der auf sich selbst hörenden, selbst sich lehrenden und selbstgelernten, aus natürlicher Begabung hervorgehenden, Abraham aber das der gelehrten Erkenntnis; und jenem war es bestimmt, ein Einheimischer und Eingeborener, diesem aber, ein Umsiedler und Eingewanderter zu sein. 161 Denn nachdem er die chaldäische Sprache der Astronomen, die einem anderen Geschlechte und Stamme gehört, aufgegeben hatte,[74] kam er bei der an, die einem vernünftigen Wesen geziemt, bei der Verehrung des Allschöpfers. 162 Dieser Charakter braucht nun zwei Kräfte, die sich seiner annehmen müssen, Herrschaft und Wohltat, damit er durch die Macht des Herrschers gezwungen werde, auf die gegebenen Gesetze zu hören, durch seine Gnade aber große Förderung erfahre, jener andere aber braucht nur die (Kraft) der Gnade; denn er wurde nicht durch eine ermahnende Regierung besser gemacht, da er sich das Gute durch natürliche Anlage erworben hat, sondern er war durch die von oben her über ihn ausgegossenen Gaben von Anfang an gut und vollkommen. 163 Der Name nun für die gnadenspendende Kraft ist „Gott“, der für die königliche aber „Herr“. Welches Gut könnte [206] man nun älter[75] nennen als die Erlangung reiner und unvermischter Wohltat, und welches jünger als das aus Herrschaft und Geschenk gemischte? Im Hinblick darauf scheint mir der Tugendeiferer das so wunderbare Gebet gesprochen zu haben, es möge ihm der Herr zum Gotte werden (1 Mos. 28, 21); denn er wollte sich vor ihm nicht mehr als vor einem Herrscher fürchten, sondern ihn als einen Wohltäter in Liebe verehren. 164 Müßten nicht hierdurch und durch Ähnliches auch die Geistesblinden hellsehend werden und Augen bekommen von den heiligsten Sprüchen, so daß sie das Wesen erfassen und sich nicht nur bei dem Wortsinn beruhigen? Doch wenn auch unser Seelenauge sich geschlossen hat und wir uns nicht mehr bemühen oder nicht mehr die Kraft haben aufzublicken, dann, Hierophant, laß selbst deine Stimme ertönen, tritt heran und werde nicht müde, unsere Augen einzusalben, bis du uns wie die Mysten zur verborgenen Flamme der heiligen Worte führtest und die verschlossenen und Ungeweihten nicht sichtbaren Schönheiten zeigtest. 165 Deine Aufgabe ist es, dies zu vollbringen. Ihr Seelen aber, die ihr von der göttlichen Liebe gekostet habt, erstehet wie aus tiefem Schlafe auf, schüttelt die Finsternis von euch ab, eilet herbei zu der herrlichen Schau und laßt das bedächtig säumende Zaudern, damit ihr erkennet, welchen Augen- und Ohrenschmaus der Festgeber zu eurem Genusse hergerichtet hat.

[27] 166 Unendlich viel Bemerkenswertes gibt es, um hiervon eine Probe zu liefern, eines davon ist nun auch das kurz zuvor Gesagte; der Spruch bezeichnete nämlich den, der nach seinem Verwandtschaftsverhältnis Großvater des Tugendeifrigen ist, als seinen Vater, dem aber, der [646 M.] tatsächlich sein Vater ist, gab er die Bezeichnung des Erzeugers nicht. Es heißt nämlich: „Ich bin der Herr und Gott Abrahams, deines Vaters“ – obwohl dieser doch sein Großvater war – und ferner: „der Gott Isaaks“ (1 Mos. 28, 13) ohne den Zusatz: „deines Vaters“. 167 Ist es nicht der Mühe wert, nach dem Grunde hierfür zu fragen? Ich denke doch! Was für ein Grund vorliegt, danach möchten wir nicht nur so nebenbei Ausschau halten. Von der Tugend sagt (die heilige Schrift), sie entstehe entweder durch natürliche Begabung oder durch Übung oder durch Lernen,[76] weshalb sie auch alle drei Ahnherrn des Volkes als Weise bezeichnete, [207] da sie, wenn sie auch nicht von derselben Vorstellung (vom Wesen der Tugend) ausgingen, doch zu demselben Ziele hinstrebten. 168 Denn Abraham, der älteste von ihnen, brauchte die Belehrung als Führerin auf dem Wege, der zur Sittlichkeit führt, wie wir es in anderen Schriften so gut wie möglich zeigen werden, Isaak, der Mittlere, die nur sich selbst gehorchende und aus sich selber lernende natürliche Begabung, Jakob, der Dritte, aber die eifrigen Übungen, die die Anstrengungen im Wettstreit und Kampf mit sich bringen. 169 Da es nun drei Charakteranlagen gibt, aus denen Weisheit entsteht, so folgt daraus, daß die Extreme möglichst miteinander verbunden werden mußten. Denn die durch Übung erworbene Weisheit ist ein Nachkömmling der durch Lehre erworbenen, die durch natürliche Anlage entstandene ist mit ihr zwar verschwistert – denn sie liegt ja als Wurzel allen Dingen zugrunde –, hat aber ein unbestreitbares und entschiedenes Vorrecht erhalten. 170 Daher wird ganz richtig der durch Lehre sich vervollkommnende Abraham Vater Jakobs, des durch Übung Geschulten, genannt, nicht der Mensch Abraham Vater des Menschen Jakob, sondern vielmehr die hörende, zum Lernen ganz bereite Kraft Vater der kämpferischen Kraft, die zum Wettkampf geeignet ist. 171 Wenn nun aber dieser Kämpfer mit aller Anspannung bis zum Ziele lief und klar sah, was er vorher verschwommen im Traume schaute, wurde er mit dem besseren Siegel umgeprägt und Israel, der Gott Schauende, genannt anstatt der listige[77] Jakob, und er schreibt sich als seinen Vater nicht mehr den gelehrten Abraham zu, sondern den von Natur zum Weisen geborenen Isaak. 172 Das ist aber nicht meine Erfindung,[78] sondern so heißt ein Spruch, der auf den heiligen Tafeln geschrieben steht: „Es machte sich auf Israel selbst und mit allem, was er hatte, und er kam zu dem Brunnen des Eides, und er opferte ein Opfer dem Gotte seines Vaters Isaak“ (1 Mos. 46, 1). Merkst du nun, daß hier nicht von vergänglichen Menschen, sondern, wie gesagt, von naturgegebenen Sachverhalten die Rede ist? Denn, siehe, dieselbe Sache wird bald Jakob genannt mit Abraham als Vater, bald Israel mit Isaak als Vater aus dem Grunde, den wir ja genau erforscht haben.

[28] 173 Den Worten: „Ich bin der Herr Gott Abrahams, deines Vaters, und der Gott Isaaks“, fügt er nun ganz folgerichtig hinzu: [208] „Fürchte dich nicht“ (1 Mos. 28, 13). Denn wie sollten wir uns noch fürchten, wenn wir als die befreiende Waffe von der Furcht und von allem Leid dich haben, unseren Schutzschild? der du auch [647 M.] die unsichtbaren Vorbilder unserer Erziehung Gestalt gewinnen ließest, damit sie in die Erscheinung traten, dadurch daß du Abraham belehrtest und Isaak zeugtest. Denn du ließest es geschehen, daß du des einen Lehrer, des anderen Vater[79] genannt wurdest, weil du jenem den Rang eines Schülers, diesem den eines Sohnes einräumtest. 174 Deshalb versprichst du auch, du werdest das Land geben, ich meine die an Ertrag reichste und fruchtbarste Tugend, auf dem der Tugendkämpfer schläft (1 Mos. 28, 13) und sich ausruht, dadurch daß er im Leben der Sinnlichkeit schläft, in dem der Seele aber wacht; du billigst damit seine friedliche Ruhe, die er nicht ohne Kampf und Kampfesmühen erwählte, nicht als Waffenträger und Menschentöter, nein, sondern als Vernichter der der Tugend feindlichen Scharen von Leidenschaften und Schlechtigkeiten. 175 Das Geschlecht der Weisheit aber wird mit dem „Sande der Erde“ (ebd. 14) verglichen wegen seiner unbeschreiblichen Menge, und weil die vorspringende Sandbank die Anstürme des Meeres hemmt, die auf Bildung beruhende Vernunft aber die der Sünden und Verbrechen. Denn diese breitet sich, den göttlichen Verheißungen entsprechend, bis zu den Grenzen des Weltalls aus und erklärt ihren Träger als den, der die Teile der Welt als sein Erbteil erloste, da er überall hin vordringt, nach Osten und Westen, Süden und Norden. Es heißt nämlich: „Du sollst ausgebreitet werden gegen Norden und Süden, Mitternacht und Morgen“ (ebd. 14). 176 Es ist aber der Weise nicht nur sein eigenes, sondern auch das allgemeine Gut für alle, und bereitwillig reicht er den von ihm ausgehenden Vorteil dar. Denn wie die Sonne Licht ist für alle, die Augen haben, so auch der Weise für alle, die an der vernünftigen Natur teilhaben; [29] „denn es sollen gesegnet werden in dir“, heißt es, „alle Völker“ (ebd. 14). 177 Dieser Spruch bezieht sich sowohl auf jeden einzelnen in seinem Verhältnis zu sich selbst wie auf den Menschen im Verhältnis zu seinem Nebenmenschen. Denn wenn der Geist in mir durch vollkommene Tugend geläutert wurde, werden auch die „Völker“[80] des Irdischen um mich her mitgeläutert, die die Sinne sich erlost haben und das größte [209] Gefäß, der Körper. Und wenn einer in einem Hause, einer Stadt, einem Lande oder Volke ein Freund vernünftigen Denkens wurde, muß auch jenes Haus, die Stadt, das Land und das Volk ein besseres Leben führen. 178 Denn wie der Duft der Gewürze die sich in der Nähe Aufhaltenden mit Wohlgeruch erfüllt, ebenso werden die Nachbarn und die Anwohner eines Weisen, wenn sie das von ihm sich weithin verbreitende Fluidum einatmen, in ihren Sitten gebessert.

[30] 179 Die größte Wohltat aber ist es für eine sich mühende und ringende Seele, zum Weggenossen den überall gegenwärtigen Gott zu haben; denn „siehe“, heißt es, „ich bin mit dir“ (ebd. 15). Welches Reichtums möchten wir nun wohl noch bedürfen, wenn wir dich, den allein wahren Reichtum haben, „der uns behütet auf dem Wege“ (ebd.), der zur Tugend führt, in allen seinen Teilen?[81] Denn es gibt nicht nur einen Teil des vernünftigen [648 M.] Lebens, der auf Gerechtigkeit und jede andere Tugend gerichtet ist, sondern unendlich viele, von denen aus man ausgehen kann, um zu der vernünftigen Einsicht zu gelangen. [31] 180 Sehr schön sind auch die Worte gesagt: „Ich will dich wieder herbringen in dies Land“ (ebd.). Denn es wäre ja gut, wenn der Verstand bei sich selbst bliebe und nicht zur Sinnlichkeit abwanderte. Das Zweitbeste aber ist es, wenn er wieder zu sich selbst zurückkehrt. 181 Vielleicht aber wird hiermit auch die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele angedeutet. Denn als sie den himmlischen Ort verließ, wovon ja auch kurz vorher die Rede war, kam sie in den Körper wie in ein fremdes Land. Es sagt nun der Schöpfervater, er werde sie nicht auf immer eingeschlossen in ihrem Gewahrsam unbeachtet lassen, sondern er werde Mitleid mit ihr haben, ihre Fesseln lösen und sie in Freiheit bis zu ihrer Mutterstadt sicher zurückgeleiten, und nicht eher ruhen, bis die in Worten gegebenen Verheißungen durch Taten der Wahrheit bekräftigt wurden; denn Gott ist es überhaupt eigen, nur das auszusprechen, was auf alle Fälle geschehen wird. 182 Doch warum sage ich das? Seine Worte unterscheiden sich ja nicht von seinen Taten. Als nun die ringende Seele sich regte und sich auf die Suche nach dem Seienden machte, meinte sie zuerst, das Sein befände sich an einem Orte. Nachdem sie aber eine kleine Zeit mit der Schwierigkeit des Forschens sich aufgehalten hatte, wird sie ängstlich und beginnt damit, ihre Ansicht zu ändern. 183 Es heißt nämlich: „Jakob erwachte [210] und sprach: Gewiß ist der Herr an diesem Ort, ich aber wußte es nicht“ (ebd. 16). Und es war besser, möchte ich hinzufügen, das nicht zu wissen, als zu glauben, Gott sei an irgendeinem Orte, der doch selbst alles im Umkreise umfaßt.

[32] 184 Mit Recht fürchtete er sich nun und sprach mit Entsetzen: „Wie furchtbar ist dieser Ort“ (ebd. 17). Denn in der Tat ist von allem, was in der Naturforschung behandelt wird, die Stelle die schwierigste, an der untersucht wird, wo und ob überhaupt das Seiende an einem Orte ist, da die einen sagen, daß alles, was existiert, einen Raum einnimmt, und die einen ihm diesen, die anderen ihm jenen zuerteilen, entweder einen innerhalb der Welt oder eine Art zwischenweltlichen[82] außerhalb der Welt, während die anderen erklären, daß das Ungewordene keinem Dinge innerhalb der Schöpfung ähnlich sei, sondern sie in allem überrage, so daß auch der schnellste Geist weit hinter seiner Erfassung zurückbleibe und seine Ohnmacht eingestehe. 185 Deshalb rief er auch alsbald aus: „Es ist nicht so“ (ebd. 17) wie ich glaubte, „daß der Herr an irgendeinem Orte ist“ (ebd. 16);[83] denn er umfaßt alles, wird aber nach der wahren Lehre nicht umfaßt. Das aber, was ihm gezeigt wird und was sichtbar ist, diese unsere sinnlich wahrnehmbare Welt, ist also „nichts anderes als das Haus Gottes“ (ebd.), nämlich das Haus einer der Kräfte des Seienden, durch die er gut ist.[84] 186 Die Welt aber nannte er ein Haus und eine Pforte des wahren Himmels (ebd. 17). Was soll das heißen? Die aus den Ideen bestehende geistige Welt, die in die sinnliche eingeprägt wurde durch Gnade,[85] [649 M.] kann nicht anders erkannt werden als durch Ausgehen von dieser sinnlich wahrnehmbaren und sichtbaren. 187 Denn man kann sich auch nichts anderes Unkörperliches vorstellen, wenn man nicht von den Körpern ausgeht. Dadurch daß man von ruhenden (Körpern) ausging, kam man zum Begriff des Raumes, von bewegten zu dem der Zeit, zu Punkten, Linien, Flächen und überhaupt Grenzen dadurch, daß man von der äußersten Schicht ausging, die wie ein Kleid um sie herum liegt. 188 Dementsprechend wurde nun auch die geistige Welt von der sinnlich wahrnehmbaren [211] aus begriffen, die eine Art Pforte zu jener ist. Denn wie die Leute, die Städte besichtigen wollen, durch Pforten in sie hineingehen, so werden alle, die die unsichtbare Welt erkennen wollen, durch die Vorstellung der sichtbaren geleitet.[86]

[33] 189 Hierüber nun genug. Es gehört aber zu derselben Gattung noch ein anderer Traum, nämlich der von der bunten Herde, den der Träumer, als er sich wieder erhoben hatte, mit folgenden Worten schildert: „Und der Engel Gottes sprach zu mir im Traum: Jakob! Ich aber antwortete: Was ist? Und er sprach: Blicke auf mit deinen Augen und sieh die Böcke und die Widder, die die Schafe bespringen und die Ziegen; sie sind durch und durch weiß[87] und bunt und graugesprenkelt. Denn ich habe alles gesehen, was Laban dir tut. Ich bin der Gott, der dir am Orte Gottes erschien, da du mir eine Säule gesalbt und mir ein Gelübde gelobt hast. Jetzt nun stehe auf und ziehe aus diesem Lande und gehe davon in das Land deiner Geburt, und ich werde mit dir sein“ (1 Mos. 31, 11–13). 190 Man sieht, daß Gottes Wort als gottgesandte Träume nicht nur solche anführt, die von dem ältesten Urgrund, sondern auch solche, die durch seine Verkünder und die Engel in seinem Gefolge hervorgerufen werden, die von dem Schöpfervater eines göttlichen und seligen Loses gewürdigt wurden. Doch achte auch auf folgendes: 191 Die heilige Schrift teilt den einen wie ein König durch Gebot das mit, was sie tun sollen, die anderen leitet sie wie ein Lehrer seine Schüler zu dem an, was zu ihrem Nutzen dient, wieder andere bringt sie wie ein Ratgeber auf die besten Gedanken und nützt ihnen viel, die aus sich heraus das ihnen Zuträgliche nicht erkennen, und wieder anderen trägt sie wie ein Freund mit Milde und Überredung vieles zu, auch Unsagbares, das kein Ungeweihter hören darf. 192 Manchmal [650 M.] fragt sie einen auch wie den Adam: „Wo bist du?“ (1 Mos. 3, 9), worauf man eigentlich hätte antworten müssen: „Nirgends“,[88] da alles Menschliche nicht in dem gleichen Zustande verharrt, sondern sich bewegt, und zwar die Seele ebenso wie der Körper und die äußeren Güter. Denn unstät sind die Gedanken, da wir von denselben Dingen nicht dieselben, sondern entgegengesetzte Vorstellungen haben; unstät ist [212] auch der Körper, wie es seine Wandlungen in allen Lebensaltern vom Säugling bis zum Greisenalter zeigen; unstät sind auch die äußeren Güter, die in der Schwebe bleiben durch den Lauf des immer schwankenden Geschicks. [34] 193 Wenn sie (die heilige Schrift) jedoch in die Versammlung der Freunde kommt, fängt sie nicht eher an zu sprechen, ehe sie einen jeden von ihnen aufgerufen und mit Namen angeredet hat, damit sie die Ohren spitzen, sich ruhig und aufmerksam verhalten und auf die Gesetzesverkündigung hören zum unvergeßlichen Gedächtnis. Deshalb heißt es auch an einer anderen Stelle: „Schweig und höre“ (5 Mos. 27, 9). 194 Derart wird auch Moses an dem Busch angerufen – „denn da er sah“, heißt es, „daß er hinging, um zu sehen, rief ihn der Herr aus dem Busch und sprach: Moses, Moses! Er aber antwortete: Was ist?“ (2 Mos. 3, 4) –, Abraham aber bei der Opferung seines geliebten und einzigen Sohnes, als er den heiligen Dienst zu verrichten begann und als er, da er eine Probe seiner Frömmigkeit abgelegt hatte, daran gehindert wurde, die Gattung, die alles aus sich selbst lernt und die da Isaak heißt,[89] aus der Welt zu tilgen; denn als er anfing, heißt es, 195 „versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham, Abraham! Der aber antwortete: Siehe, hier bin ich. Und er sprach: Nimm deinen geliebten Sohn Isaak, den du mit Freuden begrüßtest, und führe ihn herauf“, und als er das Opfer schon auf den Altar hinaufgeführt hatte, da „rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel und sprach: Abraham, Abraham! Er aber antwortete: Siehe, hier bin ich. Und er sagte: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tue ihm nichts“ (1 Mos. 22, 1. 2. 11–12). 196 Da nun der Tugendkämpfer auch einer aus der geliebten Schar ist, wird er mit Recht desselben Vorzugs gewürdigt und angerufen: „Denn es sprach zu mir“, heißt es, „der Engel Gottes im Traum: Jakob! Ich aber antwortete: Was ist?“ (1 Mos. 31, 11)? 197 Nachdem er aber angerufen war, verhält er sich aufmerksam und versucht es, die sichtbar gewordenen Zeichen genau zu verstehen. Die Zeichen der Logoi aber sind Tieren vergleichbar, die sich bespringen und zeugen; denn es heißt: „Blicke auf mit deinen Augen und sieh die Böcke und die Widder, die die Schafe und die Ziegen bespringen“ (1 Mos. 31, 12). 198 Nun ist der Bock der Ziegenherde, der Widder der Schafherde Führer; aber diese Tiere sind die Symbole zweier vollkommener Logoi, deren einer die Seele [213] von Sünden reinigt und entleert,[90] der andere sie nährt und sie mit den rechten Pflichten erfüllt. Solche Führer sind die Hirten-Logoi in uns; die Herden aber, die durch die Worte „Schafe und Ziegen“ bezeichnet werden, springen und schreiten vorwärts[91] mit Eifer auf die Gerechtigkeit zu. 199 Als nun das bis dahin geschlossene Auge des Geistes aufblickte, [651 M.] sah es die den Böcken und Widdern entsprechenden vollendeten Logoi, die nach der Verminderung des Unrechten und nach der Vermehrung der rechten Taten streben, wie sie die Schafe und die Ziegen besteigen, das heißt: die noch jungen und zarten, soeben herangereiften und mit der Jugendblüte gezierten Seelen; sie besteigen[92] sie aber nicht, weil sie unvernünftiger Lust nachjagen, sondern um sich des unsichtbaren Samens verständiger Lehren zu bedienen. 200 Guten Kindersegen nämlich bringt solche Hochzeit, die nicht Körper verbindet, sondern mit wohlgewachsenen Seelen vollkommene Tugenden vereint. Besteiget also, bespringet und zeuget, all ihr rechten Logoi der Weisheit, und wenn ihr eine tiefe, fruchtbare, jungfräuliche Seele seht, geht nicht vorüber, ruft sie zum Verkehr und zum Zusammensein mit euch, bringt sie zur Vollendung und macht sie schwanger; denn sie wird lauter Edles gebären, ein männliches Geschlecht von „durch und durch weißen, bunten, graugesprenkelten“ (1 Mos. 31, 10).

[35] 201 Man muß aber erforschen, was für eine Bedeutung jedes dieser Geschöpfe hat. Die durch und durch weißen sind nun wohl die weithin Leuchtendsten und Klarsten, da das „durch“ oft zur Bezeichnung des überaus Großen gesetzt wird, weshalb man mit „durch und durch klar“ und „durch und durch deutlich“ das überaus Klare und überaus Deutliche zu bezeichnen pflegt. 202 Er will also, daß die erstgeborenen Geschöpfe der Seele, die den heiligen Samen empfing, durch und durch weiß sind, nicht einem schwachen Lichte, sondern einer fernhin leuchtenden Flamme vergleichbar, so wie etwa der von den Sonnenstrahlen bei wolkenlosem Himmel zur Mittagszeit ausgehende Glanz schattenlos ist. Er will aber auch, daß sie bunt sind, nicht nach Art des vielgestaltigen und mannigfaltigen [214] unreinen Aussatzes,[93] als ob sie wegen der Unbeständigkeit ihrer Gesinnung ein unstät dahingetragenes Leben führen sollten, sondern wie Geschöpfe, in die Striche eingezeichnet und denen verschiedene, aber lauter echte Siegel aufgeprägt sind, deren Eigentümlichkeiten, wenn sie miteinander vermischt und vermengt sind, eine musikalische Harmonie hervorbringen werden. 203 Denn die Kunst, bunte Gewebe herzustellen, halten manche Leute für eine so der Beachtung unwerte und unbedeutende Sache, daß sie sie den Webern überlassen haben. Ich bewundere aber nicht nur sie, sondern auch ihren Erfinder,[94] und besonders wenn ich hinblicke auf die Erdteile, die Sphären am Himmel, die Verschiedenheiten der Tiere und Pflanzen und das ganze bunte Gewebe, diese unsere Welt. 204 Denn ich werde alsbald dazu gezwungen, den Verfertiger dieses ganzen Geflechts als den Erfinder der Wissenschaft bunter Weberei zu denken, und ich verehre den Erfinder, ehre aber auch seine Erfindung; vor dem Werke aber erfaßt mich Bewunderung, und obgleich ich nur den kleinsten Teil davon sehen kann, so suche ich durch Vergleiche, ausgehend von dem mir offenbarten Teil, soweit er überhaupt offenbar wurde, sorgfältig das Ganze zu erschließen nach den Regeln der Analogie.[95] 205 Ich bewundere aber auch [652 M.] den Verehrer der Weisheit, weil er dieselbe Kunst betrieben hat und es für richtig hält, Vieles und Verschiedenes aus Verschiedenem zu ein und demselben zusammenzufügen und zusammenzuweben. Denn er nahm von der Grammatik, wie sie die Kinder treiben, die beiden ersten Teile, das Schreiben und das Lesen, von der vollkommeneren (Grammatik) aber die Bekanntschaft mit den Dichtern und die Kenntnis der alten Geschichtsschreibung, von der Arithmetik und Geometrie das untrügliche Verfahren, Proportionen aufzustellen und zu rechnen, von der Musik die Rhythmen, die Versmaße und die enharmonischen, chromatischen und diatonischen, die verbundenen und die getrennten Harmonien,[96] von der Rhetorik die Erfindung, den Ausdruck, die Gedankenordnung, die Disposition, das Memorieren und die Vortragskunst,[97] von der Philosophie aber das, was in diesen Gegenständen [215] ausgelassen ist, und alles andere, woraus das ganze Menschenleben besteht, und er fügte es harmonisch zu einem einzigen bunten Werk zusammen, wobei er das Leichtlernen mit dem Viellernen verband. 206 Und den Verfertiger dieses Geflechts nannte die heilige Schrift Beseleel (2 Mos. 31, 2ff.), was übersetzt bedeutet „im Schatten Gottes“; denn dieser stellt nur die Nachahmungen, Moses aber die Muster her. Daher zeichnete jener nur gleichsam Schatten nach, dieser aber verfertigte keine Schatten, sondern die urbildlichen Wesen selbst. 207 Wenn nun auch das Heiligtum durch die Webekunst ausgestattet wurde, wenn es in den durch den Hierophanten verkündeten Offenbarungen heißt, der Weise allein sei ein Weber, [36] und wenn das schöne Gewebe Gottes, diese unsere Welt, durch allweises Wissen vollendet wurde, sollte es da nicht richtig sein, die Webekunst als eine Großtat[98] der Wissenschaft aufzufassen? 208 Ihr heiligstes Bild wird jedes Haus der Weisheit im Himmel und auf Erden in sich darstellen, deren aus bunten Logoi sich zusammensetzende Ideen der Ringer ausarbeitet; denn nach den durch und durch weißen sieht er alsbald die bunten, durch den Stempel der Bildung geprägten. 209 Die dritten aber sind die graugesprenkelten. Welcher vernünftige Mensch aber würde nicht sagen, daß auch diese ihrem Wesen nach bunt sind? Doch nicht über den Unterschied von Tieren ereifert er (der Gesetzgeber) sich so, sondern über den Weg, der zum Schönen und Guten führt.[99] 210 Er will nämlich, daß der auf diesem Wege dahinschreitende mit Asche und Wasser besprengt werde, weil, wie es heißt, Erde und Wasser gemischt und geformt wurden von dem Menschenbildner, um unseren Körper auszuscheiden, nicht als ein von Händen gemachtes, sondern als ein Werk eines unsichtbaren Wesens. 211 Nun ist es der Anfang der Weisheit, sich selbst nicht zu vergessen, sondern das, woraus man zusammengesetzt wurde, immer vor Augen zu haben; denn nur so kann man sich von Hochmut rein halten, dem [653 M.] gottverhaßtesten Übel. Denn wer könnte bei dem Gedanken, daß Asche und Wasser die Ursprünge seiner Entstehung sind, vom Größenwahn befallen werden und sich überheben? 212 Deshalb verlangt er auch, daß diejenigen, die opfern wollen, mit den angeführten [216] Stoffen besprengt werden, da er keinen der Opfer für würdig hielt, der sich nicht zuerst selbst erkannte und die menschliche Nichtigkeit begriff, dadurch daß er von den Elementen, aus denen er zusammengesetzt wurde, darauf schloß, daß er nichts wert sei. [37] 213 Diese drei Bezeichnungen, das durch und durch Weiße, das Bunte und das Graugesprenkelte, erscheinen bei dem Ringer, da er noch nicht vollkommen ist, unvollkommen, bei dem Vollkommenen aber auch selbst vollkommen. 214 In welcher Weise aber, das wollen wir sehen: Als der Hohepriester die durch das Gesetz vorgeschriebenen gottesdienstlichen Handlungen vollziehen will, befahl ihm die heilige Schrift, zuerst sich mit Wasser und Asche[100] zu sprengen (2 Mos. 29, 4), um ihn an sich selbst zu erinnern – als nämlich der weise Abraham mit Gott zusammentraf, sagte er, er sei Erde und Asche (1 Mos. 18, 27)[101] – , dann das bis zu den Füßen reichende Gewand anzulegen[102] und das sogenannte bunte Brustschild darüber (2 Mos. 29, 5)[103] , der leuchtenden Sterne am Himmel Abbild und Nachahmung. 215 Zwei Tempel Gottes gibt es nämlich offenbar: der eine ist diese unsere Welt, in der es auch einen Hohenpriester gibt, seinen erstgeborenen göttlichen Logos,[104] der andere ist die vernünftige Seele, deren Priester der wahre Mensch,[105] dessen sinnlich wahrnehmbares Abbild jener Priester ist, der die von den Vätern überkommenen Gebete und Opfer vollzieht und dem befohlen ist, das erwähnte Gewand anzuziehen, [217] welches das Abbild des ganzen Himmels ist, auf daß mitfeiere die ganze Welt mit dem Menschen und der Mensch mit dem All. 216 Damit ist nun schon gezeigt, daß er beide typischen Kennzeichen besitzt, das gesprenkelte und das bunte. Das dritte und vollkommenste aber, das das durch und durch weiße genannt wird, werden wir sogleich verdeutlichen. Sobald dieser selbe Hohepriester in das Innerste des Heiligtums hineingeht, zieht er das bunte Kleid aus und legt ein anderes, leinenes, aus reinstem Flachs gefertigtes an (3 Mos. 16, 4). 217 Das ist das Sinnbild der Spannkraft, der Unvergänglichkeit und des strahlendsten Lichtes; denn unzerreißbar ist die feine Leinwand, und sie entsteht aus nichts Sterblichem,[106] und sie hat noch dazu, wenn sie nicht nachlässig gereinigt ist, die glänzendste und lichteste Farbe. 218 Hiermit ist ferner gemeint, daß unter denen, die ohne Falsch und mit reiner Gesinnung dem Sein dienen, keiner ist, der nicht erstens festen Sinnes ist und die menschlichen Angelegenheiten verachtet, die ihn anlocken, ins Unglück bringen und schwach machen, [654 M.] zweitens nach Unvergänglichkeit strebt, alles verlachend, was die Sterblichen in ihrer Eitelkeit erdichten, schließlich aber von dem schattenlosen und ringsum strahlenden Lichte der Wahrheit umleuchtet wird und an nichts mehr Gefallen findet, was zum trügerischen Wahn gehört und der Finsternis vertraut zu sein pflegt. [38] 219 So möge denn der große Hohepriester von uns so beschrieben sein als einer, der gekennzeichnet ist durch die drei genannten Siegel: das durch und durch weiße, das bunte und das graugesprenkelte; doch an dem nach dem menschlichen Staatswesen Strebenden, Joseph mit Namen, kann man sehen, daß er nicht zum Besitz der beiden äußersten Charaktereigenschaften kommt, sondern allein in den der mittleren, der bunten. 220 Es heißt nämlich, er hatte einen bunten Rock (1 Mos. 37, 3), da er weder mit heiligen Reinigungsmitteln sich besprengte, aus denen er sich selbst als ein Gemisch von Asche und Wasser hätte erkennen können, noch mit dem ganz weißen und hellstrahlenden Gewande, mit der Tugend, in Berührung kommen konnte, sondern das ganze bunte Gewebe der Staatskunst anlegte, dem nur ein sehr geringer Teil Wahrheit beigemischt ist, wohl aber viele und große Teile Lügen, Wahrscheinlichkeiten, Überredungen und Mutmaßungen, aus denen alle Sophisten Ägyptens[107] entsprossen sind: die Propheten, die aus [218] dem Vogelflug weissagen, die Bauchwahrsager,[108] die Zeichendeuter, furchtbar geschickt im Verlocken, Überlisten und Beschwatzen, Leute, deren tückischen Künsten zu entschlüpfen sehr schwer ist. 221 Deshalb läßt Moses auch diesen Rock in symbolischem Sinne mit Blut beschmutzt sein (1 Mos. 37, 31), da ja eines jeden Politikers Leben beschmutzt ist, der kämpft und bekämpft wird und von den zufälligen, unvorhergesehenen Ereignissen betroffen und bestürmt wird. 222 Forsche nun den Mann aus, der ganz der Öffentlichkeit lebt und auf dem die Staatsgeschäfte beruhen, ohne dich von denen einschüchtern zu lassen, die ihn bewundern, und du wirst viele in ihm versteckte Krankheiten finden, viele Verderbnisse, die an ihm haften, und zwar ein jedes gewaltsam die Seele erdrosselnd, im Verborgenen mit ihr ringend und versuchend, sie zu Fall zu bringen und niederzuwerfen, entweder weil die große Menge mit seiner Leitung unzufrieden ist oder in Rücksicht auf die Gegnerschaft eines mächtigeren Mannes.[109] 223 Es ist aber auch der Neid ein starker und schwer abzuwehrender Feind, der immer mit dem sogenannten Glück zugleich heranwächst und dem man nicht leicht entgehen kann. [39] 224 Was haben wir nun für einen Grund, übermütig zu werden, wenn wir wie ein köstliches Gewand die bunt gewirkte Politik angezogen haben, getäuscht durch die Stattlichkeit des äußeren Ansehens und ohne ihre heimliche und verborgene, tückische und schlüpferige Schändlichkeit zu bemerken? 225 Ziehen wir also diesen bunten Rock aus und legen den heiligen an, in den die bunten Muster der Tugenden hineingewoben sind; denn so werden wir auch dem Hinterhalt entgehen, den uns Unkenntnis, Unwissenheit und Unbildung legen, deren Genosse Laban ist.[110] 226 Denn nachdem uns die heilige Schrift[111] [219] gereinigt hatte durch die zur Heiligung [655 M.] wohl vorbereiteten Besprengungen, uns bunt gefärbt hatte durch die unaussprechlichen Worte einer wahrhaften Philosophie, dadurch daß sie uns zur Prüfung führte und uns klar, leuchtend und strahlend gemacht hatte, beschuldigt sie den hinterhältigen Charakter, der sich hatte hinreißen lassen zur Beschimpfung des geschilderten Vorgangs. 227 Es heißt nämlich: „Ich habe gesehen, was Laban dir tut“ (1 Mos. 31, 12), doch wohl das Gegenteil von dem, womit ich selbst dich beschenkt habe: das Unsaubere und Unerprobte, das gänzlich Finstere. Doch der braucht sich nicht zu fürchten, der in der Hoffnung auf göttliche Bundesgenossenschaft ruht und zu dem ja auch gesagt wird: „Ich bin der Gott, der dir an dem Orte Gottes erschien“ (1 Mos. 31, 13). 228 Ist es doch für eine Seele der schönste Ruhm, wenn Gott sie für würdig hält, ihr zu erscheinen und mit ihr zu verkehren. Aber gehe an dem, was hier gesagt wird, nicht vorüber, sondern untersuche genau, ob tatsächlich von zwei Göttern die Rede ist; denn es heißt: „Ich bin der Gott, der von dir gesehen wurde“, nicht an meinem Orte, sondern „am Orte Gottes“, wie wenn es sich um einen anderen handelte.[112] 229 Was soll man nun sagen? Der wahrhafte Gott ist nur einer; die Götter aber, von denen man in uneigentlicher Redeweise spricht, sind mehrere. Deshalb hat auch die heilige Schrift an der vorliegenden Stelle den in Wahrheit existierenden Gott durch (das Wort „Gott“ mit) Artikel bezeichnet und gesagt: „Ich bin der Gott“, den in uneigentlichem Sprachgebrauch aber (Gott genannten durch das Wort „Gott“) ohne Artikel mit den Worten: „der von dir gesehen wurde an dem Orte“, nicht des Gottes, sondern nur „Gottes“. 230 Sie (die heilige Schrift) nennt aber Gott (ohne Artikel) hier seinen ältesten Logos,[113] ohne sich abergläubisch mit dem Gebrauch von Wörtern in acht zu nehmen, sondern nur das eine Ziel verfolgend, den Sachverhalt auszudrücken. Denn auch an anderen Stellen, wo sie danach forscht, ob es einen Namen des Seienden gibt, erkannte sie deutlich, daß er keinen Eigennamen hat (2 Mos. 6, 3);[114] [220] wenn aber einer einen solchen nennt, so tut er es in uneigentlicher Bedeutung; denn das Sein kann nicht genannt werden, sondern es ist nur.[115] [40] 231 Hierfür zeugt auch der Spruch, der dem geoffenbart wurde, der danach fragte, ob es einen Namen habe: „Ich bin der Seiende“ (2 Mos. 3, 14),[116] damit der Mensch das, was er allein von dem, was Gott betrifft, erfassen kann, erkenne, nämlich seine Existenz.[117] 232 Nun ist es wahrscheinlich, daß er den unkörperlichen und in seinem Dienste stehenden Seelen so erscheint, wie er ist, und sich mit ihnen bespricht wie ein Freund mit seinen Freundinnen, den noch im Körper weilenden aber in der Gestalt von Engeln erscheint, ohne dabei sein Wesen zu verändern – denn er ist ja unveränderlich –, sondern dadurch, daß er den (Seelen), die sich ein Bild von ihm machen, eine Vorstellung von anderer Gestalt eingibt, so daß sie wähnen, das Bild sei nicht eine Nachahmung, sondern jene urbildliche Gestalt selbst. 233 Nun heißt es in einer alten Sage,[118] daß Gott jedesmal in anderer Menschengestalt in den Städten ringsumher umgehe, prüfend, ob etwas Ungerechtes und Gesetzwidriges geschehe. Und wenn das auch nicht gerade wahr geredet ist, so doch sehr nützlich und zuträglich. 234 Die heilige Schrift aber, die in ernsterer und heiligerer Weise von den Vorstellungen über den Seienden Gebrauch macht und zugleich darauf ausgeht, auf den Lebenswandel der Toren [656 M.] einen erzieherischen Einfluß auszuüben, verglich ihn wohl mit einem Menschen, aber mit keinem Einzelwesen.[119] 235 Deshalb hat sie ihm ein Gesicht zugeschrieben, Hände, Füße, einen Mund und eine Stimme, Zorn und Erregung, dazu auch Abwehrwaffen,[120] [221] Kommen und Gehen und die Bewegungen hinauf und hinab und überall hin, wobei sie diese ganze Übersicht von Ausdrücken nicht gibt, um der Wahrheit zu dienen, sondern zum Nutzen der Lernenden. 236 Denn es gibt Leute, deren ganze Naturanlagen so stumpf sind, daß sie Gott ohne einen Körper sich überhaupt nicht denken können. Auf ihren Geist kann man unmöglich anders als auf die Art und Weise wirken, daß man sagt: Gott kommt und geht wie ein Mensch, kommt herab und geht wieder hinauf, bedient sich einer Stimme, hat einen Widerwillen gegen die Sünder, ist unerbittlich in seinem Zorn und hält Pfeile, Schwerter und alle anderen zur Bestrafung geeigneten Werkzeuge bereit gegen die Frevler. 237 Man muß nämlich schon damit zufrieden sein, wenn sie durch die hiermit über sie verhängte Furcht zur Vernunft gebracht werden können. Und es gibt fast nur diese beiden Wege in der ganzen Gesetzgebung, den einen, der sich der Wahrheit zuneigt und durch den bekräftigt wird, „daß Gott nicht wie ein Mensch ist“ (4 Mos. 23, 19), und der andern, der sich den Vorstellungen der schwer Begreifenden zuneigt, zu denen gesagt wird: „Gott der Herr wird dich erziehen, wie ein Mensch seinen Sohn erziehen würde“ (5 Mos. 8, 5).[121] [41] 238 Was wundern wir uns also noch, wenn er Engeln gleicht, da er doch auch menschenähnlich erscheint um der Unterstützung derer willen, die welche brauchen? Wenn er daher sagt: „Ich bin der Gott, der von dir gesehen wurde am Orte Gottes“ (1 Mos. 31, 13), so bedenke dann, daß er den Platz eines Engels einnahm, wenigstens dem Anschein nach, ohne sich zu verwandeln,[122] zum Nutzen dessen, der den wahren Gott noch nicht erblicken kann. 239 Denn wie diejenigen, die die Sonne nicht sehen können, den reflektierten Sonnenstrahl als Sonne ansehen und den Hof um den Mond, als wäre es dieser selbst, so nehmen sie auch das Abbild Gottes wahr, seinen Engel-Logos, als wäre es er selbst. 240 Merkst du nicht, daß Hagar, die Allgemeinbildung,[123] zu dem Engel sagt: „Bist du Gott, der mich sieht“ (1 Mos. 16, 13)?[124] Sie war nämlich nicht imstande, den ältesten Urgrund [222] zu sehen, da sie zu dem von Ägypten abstammenden Geschlecht gehörte. Nun aber fängt der Geist, der besser geworden ist, an, den Führer aller solcher Kräfte sich vorzustellen. 241 Deshalb sagt er auch selbst: „Ich bin der Gott“, dessen Bild du, als wäre ich es, vorhin gesehen hast und dem du eine Säule mit eingeschnittener hochheiliger Inschrift geweiht hast (1 Mos. 31, 13). Die Inschrift aber besagte, daß ich allein feststehe (2 Mos. 17, 6) und aller Dinge Wesen begründet habe, dadurch daß ich die Verwirrung und Unordnung zur Ordnung und Gliederung brachte und das All festigte, damit es fest sich stützte auf den starken und mir untergebenen [657 M.] Logos.[125] [42] 242 Die Säule ist nämlich das Symbol dreier Dinge: des Feststehens, der Weihe und der Inschrift. Das Feststehen und die Inschrift sind nun schon erklärt, die Weihe muß aber noch erwähnt werden. 243 Der ganze Himmel und die ganze Welt ist ein Weihgeschenk Gottes,[126] der das Geschenk geschaffen hat; und alle Seelen, die Weltbürgerinnen und gottgeliebt sind, weihen sich selbst, von nichts Sterblichem davon abgehalten, und nimmer werden sie müde, ihr unvergängliches Leben als Weihgeschenk und Opfer darzubringen. 244 Ein Tor, wer nicht Gott eine Säule weiht, sondern sich selbst; er stellt das auf, was zum überall schwankenden Werden gehört und hält der Inschriften und Lobsprüche für wert, was voller Tadel und Vorwurf ist und das gut wäre, überhaupt nicht aufgeschrieben oder, wenn schon geschrieben, rasch wieder ausgelöscht zu werden. 245 Darum sagt auch die heilige Schrift ausdrücklich: „Du sollst dir keine Säule aufstellen“ (5 Mos. 16, 22); denn in Wahrheit bleibt nichts Menschliches stehen, und wenn auch manche Lügner sich darüber zum Zerspringen[127] ärgern sollten. 246 Aber freilich: sie glauben nicht nur fest gegründet zu sein, sondern sie halten sich auch der Ehren und Inschriften für würdig, da sie den vergessen haben, der allein der Ehre wert ist und wirklich feststeht. Wenn sie nämlich von dem zur Tugend führenden Wege abwichen und ausbogen, [223] brachte sie die Sinnlichkeit, das mit ihnen aufgewachsene Weib, noch mehr ab und zwang sie dazu, zu scheitern. 247 Wenn dann die ganze Seele wie ein Schiff völlig zerschmettert war, wurde sie wie eine Säule aufgestellt. Von Lots Weibe nämlich, die sich nach hinten umkehrte, sagen die Sprüche, sie sei eine Salzsäule geworden (1 Mos. 19, 26), richtig und zutreffend.[128] 248 Denn wenn einer nicht das vor ihm Liegende, das des Anschauens und Anhörens Werte, betrachtet – das aber sind die Tugenden und die tugendhaften Taten –, sondern sich nach hinten und nach dem im Rücken Liegenden umblickt auf der Jagd nach taubem Ruhm, blindem Reichtum,[129] gefühlloser Wohlbeleibtheit und geistloser Wohlgebildetheit und dem, was sonst hiermit verwandt ist, der wird als leblose Säule stehenbleiben, die in sich selber zerfließt; denn Salz ist nichts Festes.

[43] 249 Nachdem nun der Ringer durch dauernde Übung gelernt hat, daß die Schöpfung aus sich selbst bewegt, das Ungeschaffene aber unveränderlich und unbewegt ist, errichtet er sehr treffend Gott eine Säule und, als er sie errichtet hat, salbt er sie. Es heißt nämlich: „Du salbtest mir eine Säule“ (1 Mos. 31, 13). 250 Doch darfst du nicht glauben, ein Stein sei mit Öl gesalbt worden, sondern die Lehre über die alleinige Beständigkeit Gottes wurde in der Seele eingeübt und zugleich mitgeübt von der Wissenschaft des Einsalbens, nicht von der, durch die die Körper eingefettet werden, sondern von der, durch welche der Geist Kraft und unwiderstehliche Stärke bekommt. 251 Denn es liebt den Wettkampf und die Ringkunst, wer sich zur Jagd nach guten Taten aufgemacht hat. [658 M.] Wer daher die Kunst des Einsalbens, die Schwester der Heilkunst, erarbeitet hat, wer alle Lehren über Tugend und Frömmigkeit salbte und mit einübte, der wird wirklich Gott das schönste und haltbarste Weihgeschenk aufstellen. 252 Deshalb sagt er auch nach der Aufstellung der Säule: „Du tatest mir ein Gelübde“ (ebd.). Ein Gelübde aber ist in eigentlichem Sinne eine Weihegabe, sobald von einem, der nicht nur seine eigenen Besitztümer, sondern auch ihren Besitzer zurückgegeben hat, gesagt wird, daß er Gott ein Geschenk gibt. 253 „Heilig“, heißt es nämlich, „ist, wer das Haar des Hauptes wachsen läßt“ (4 Mos. 6, 5),[130] das er gelobt hat. Ist er aber heilig, so ist er ganz ein Weihgeschenk, [224] da er nichts Unheiliges und Ungeweihtes mehr berührt. 254 Es bürgt aber für mein Wort die Prophetin und Prophetengebärerin Anna, deren Name in Übersetzung „Gnade“ bedeutet.[131] Denn es heißt, sie gebe dem Heiligen als Geschenk ihren Sohn Samuel (1 Sam. 1, 28), nicht so sehr einen Menschen als vielmehr den in Begeisterung geratenen und von gottgetragenem Wahnsinn erfaßten Typus.[132] 255 Samuel aber bedeutet: zugeordnet zu Gott. Was tust du nun, liebe Seele, noch Törichtes und bemühst dich um eitle Dinge, gehst aber nicht zu dem Ringer, um von ihm zu lernen, wie man gegen das Laster und den leeren Wahn die Waffen und die Kunstgriffe handhabt? Sobald du das nämlich gelernt hast, wirst du bald ein Führer einer Herde werden, nicht der unansehnlichen unvernünftigen und ungebildeten, sondern der angesehenen, vernünftigen und bunten Herde. 256 Wenn du deren Führer geworden bist, wirst du das elende Menschengeschlecht beklagen und nicht aufhören, dich dem Göttlichen zuzuwenden, Gott aber wirst du nicht verlassen in deinem Glück, sondern du wirst ihm auch heilige Lobgesänge in Säulen einmeißeln, auf daß du nicht nur von den Tugenden des Seienden geläufig sprichst, sondern sie auch wohlklingend besingst. Denn so wirst du hinauf zurückkehren können in deines Vaters Haus, entflohen dem langen und unaufhörlichen Sturm in der Fremde.



  1. Plato lehrte Tim. 42 C, daß das, was im Menschen ewig ist, sich in ihm in einem geschlossenen Kreis bewege, und daß der Mensch diesem Umschwung des ewig Gleichen in sich selbst folgen solle, wenn er zur Form seiner ersten und edelsten Beschaffenheit zurückkehren wolle. Tim. 47 Β heißt es dann: „Gott erfand für uns und schenkte uns das Augenlicht, damit wir aus der Betrachtung der Kreisbewegungen des Geistes am Himmel Nutzen zögen für die Gestaltung der Umläufe in unserem eigenen Gedankenreiche; denn diese Umläufe sind mit jenen verwandt, nur daß sie in ihrer Ordnung gestört, jene dagegen jeder Störung enthoben sind. Sie sollten wir verstehen lernen und uns die Gedanken an ihre natürliche Richtigkeit zu eigen machen, um durch Nachahmung der göttlichen, unfehlbar richtigen Umläufe den in unserem eigenen Innern sich vollziehenden schwankenden Umläufen einen festen Halt zu geben.“
  2. Zu dieser Einteilung und Charakterisierung der Träume vgl. Cicero, De divin. 1, 63f. u. 115, zur Zurückführung dieses Motivs auf Posidonius WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt vgl. Hirzel, Untersuchungen zu Ciceros philos. Schriften II 1, 1882, 533; Schmekel, Die Philosophie der mittleren Stoa, 1892, 246; Leisegang, Der Heilige Geist, 1919, 177ff.; Reinhardt, Kosmos und Sympathie, 1926, 259ff.; I. Heinemann, Poseidonios’ metaphysische Schriften II 355ff.
  3. κύριος muß hier eingesetzt werden, da §§ 159f., 166, 175 diesen Wortlaut voraussetzen.
  4. So muß ἀπήντησε hier wörtlich übersetzt werden wegen der Folgerungen, die Philo später hieraus zieht.
  5. Ich folge Wendlands Konjektur: οὐ τῇ ῥᾳστώνῃ für οὐ θήρᾳ ληπτόν.
  6. Ich lese mit Wendland ἐπιδόσεις statt ἐπιτάσεις.
  7. Hippokrates, Aph. I, 1.
  8. Vgl. Aristo Chius bei v. Arnim, Stoic. vet. fr. I 399.
  9. Vgl. hierzu Elter, Gnomica 149.
  10. Im allgemeinen soll man nach Philo den Eid vermeiden: vgl. namentlich Über den Dekalog 84.
  11. Anaximenes, Diels Vorsokratiker 3 A 14 und Empedokles 21 A 54. Philo hat die folgende Zusammenstellung einer Doxographie entnommen, vgl. hierüber P. Wendland, Eine doxographische Quelle Philons (Sitzungsberichte der Berliner Akademie XXIII, 1897, S. 1074 ff.).
  12. Parmenides, Heraklit, Strato, Zeno nach Aetius II, 11, 4 bei Diels 18 A 38.
  13. Nach der Lehre des Aristoteles.
  14. De aetern. mundi 47 wird die Theorie, daß die Sterne μύδροι διάπυροι seien, einigen zugeschrieben τῶν οἷα περὶ δεσμωτηρίου φλυαρούντων τοῦ σύμπαντος WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt οὐρανοῦ. Ob Philo an unserer Stelle auf die δόξα solcher Naturphilosophen anspielt, oder auf sein eigenes Zitat, ist so wenig auszumachen wie die Frage, ob zu seiner Zeit über Gefangene Strafarbeit in der Mühle oder Folterung verhängt wurde. Vielleicht dachte Philo an die Verurteilung des Anaxagoras διότι τὸν ἥλιον μύδρον ἔλεγε διάπυρον.
  15. Vgl. hierzu Über die Weltschöpfung § 48 Anmerkung. Über die Nachkommen Kains § 103 Anmerkung.
  16. Vgl. Über die Unveränderlichkeit Gottes § 84 und die Anmerkung dazu.
  17. Die Bezeichnung der Seele als Grenze ist spätplatonisch, als Idee peripatetisch, vielleicht auch posidonianisch, als Zahl und Harmonie pythagoreisch, als Entelechie aristotelisch. Nachweise der Stellen bei Wendland a. a. O. 1077.
  18. Diese Theorie ist stoisch, vgl. Plutarch, Stoic. rep. cap. 41, 1053. Hippol. I 21, dazu Stein, Psychologie der Stoa I 114.
  19. Diese von den Stoikern übernommene Etymologie stammt aus Platons Kratylos 399 E.
  20. Mit Mangey ist wohl αὐτός zu lesen.
  21. Nach Wendland ist τίνα ἄρα οἶκον der Übersetzung zugrunde gelegt.
  22. Zur pythagoreischen Sphärenharmonie bei Philo vgl. die in Leisegangs Index unter ἁρμονία Nr. 1 angeführten Stellen.
  23. Vgl. Leben Mosis II § 69ff., dazu Leisegang, Der Heilige Geist 157f.
  24. Vgl. All. Erkl. I § 80 und die Anmerkung dazu.
  25. In Wahrheit ergeben sich beide Deutungen, von denen sich die erste nur hier, die zweite sonst häufig findet, aus der Gleichsetzung חרן‎ = חור‎ „Loch“.
  26. תרח‎ von תור‎ „auskundschaften“ und רוח‎ „Duft, Geruch“.
  27. γεύεσθαι bedeutet sowohl „kosten“ wie „schmecken“. Philo spielt hier mit dem Doppelsinn, indem er es zunächst als Gegensatz zu ἐμπίπλασθαι auffaßt, dann aber auch als Tätigkeit des Geschmacksinnes, um so die Verbindung zu ὀσφραίνεσθαι herzustellen.
  28. Der Übersetzung liegt ἀρετῶν statt σιτίων zugrunde nach Wendlands Konjektur.
  29. Vgl. Cumont, Mémoires prés. à l'acad. des inscr. 1913, 450.
  30. Dies lehrte Heraklit, Diels Vors. 12 B 3.
  31. Homer, Od. IV 392.
  32. Vgl. Plato, Apologie 28 Εff.
  33. Vgl. § 212ff., Einzelges. I § 10. 263 und Über die Pflanzung Noahs § 80ff.; wo Philo die Worte des Sokrates: „Ich weiß, daß ich nichts weiß“, (Plato, Apol. 21 D), für seinen Zweck ausnutzt. Die ganze Forderung Philos entstammt der Philosophie Platos, der Phädo 83 Α der Philosophie die Aufgabe zuweist, die Seele dadurch zu erlösen, daß ihr gezeigt wird, die Erkenntnis durch Augen, Ohren und alle Sinne sei voller Betrug und sie habe sich von ihr zurückzuziehen und sich in sich selbst zu sammeln.
  34. Was Philo hier von Gott sagt, daß er umfasse, ohne umfaßt zu werden, sagt Aristoteles mit denselben Ausdrücken vom Himmel, Phys. IV, 5 S. 212 b; dabei hält sich Philo durchaus an die Definition des Raumbegriffs durch Aristoteles. Vgl. über diese H. Diels, Zur Textgeschichte der Aristotelischen Physik in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1882 und Leisegang, Die Raumtheorie im späteren Platonismus, insbesondere bei Philon und den Neuplatonikern, Diss. Straßburg 1911, 44.
    [Während Philon nur den biblischen Ausdruck „Ort“ auf Gott anwendet, findet sich מקום‎ (= Ort oder Raum) als Bezeichnung Gottes, also auch außerhalb der Exegese, in rabbinischen Aussprüchen seit dem 3. vorchristlichen Jahrhundert (Marmorstein, The old rabbinic doctrine of God 1925, 92; 109ff.). Auch nach Spanier, MGWJ. 1922, 314 ist der Ausdruck „das Rudiment einer durch das Vorwalten höchster religionsphilosophischer Abstraktion gekennzeichneten (frühmischnischen) Epoche“, wie Memra in den Targumen. Beachtenswert ist, daß auch Gen. R. 68, 9 (zu unserer Stelle!) sich die Wendung findet: Gott ist der Ort der Welt, aber nicht die Welt sein Ort“ (Freudenthal, Hell. Stud. 73). I. H.]
  35. Der scheinbare Widersinn ergibt sich nur daraus, daß Philo ἦλθεν = וילך‎ im Sinne von „er kam“ statt „er ging“ versteht.
  36. Zu dieser Bezeichnung Isaaks vgl. Über Abrah. § 52. Über den Ursprung der Deutung Abrahams als dessen, der die Tugend durch μάθησις, Jakobs als dessen, der sie durch ἄσκησις erwirbt, und Isaak, der sie φύσει besitzt, vgl. Leisegang, Der Heilige Geist 147ff.
  37. [Den handschriftlichen Text möchte ich durch die Lesung: καὶ <τοῦ> ἀφανοῦς ὑπολήψεως verständlicher machen. M. A.]
  38. Nach L. Cohns Konjektur, der ὁ πατὴρ τῶν ὅλων θεός liest.
  39. Vgl. zu diesen Allegorien Über die Nachkommen Kains § 55f. Die Gleichsetzung des bibl. On mit Heliopolis steht in LXX.
  40. Joseph, ὁ πολιτικὸς (All. Erkl. III 179), ὁ πολιτευόμενος τρόπος (Wanderung Abr. 159) regiert als Verwaltungsbeamter Ägypten, das mit dem Körper gleichgesetzt wird; deshalb wird er selbst auch ὁ ἐν σώματι νοῦς genannt (Erbe d. Göttl. 256).
  41. In einem Gesetze würde im Griechischen ein Verbot durch μὴ mit dem Imperativ oder dem Coni. aoristi ausgedrückt werden; hier aber sagen die LXX: οὐκ ἔδεται in der Form eines Aussagesatzes. Diesen Unterschied hebt Philo öfter hervor, z. B. Über die Flucht § 171; Ü. d. Trunkenheit 138; s. daselbst die Erklärung Bd. V S. 53, Anm. 1.
  42. Die Gleichsetzung des Logos mit dem Lichte findet sich auch bei Gabirol; vgl. Jacob Guttmann, Die Philosophie des Salomon Ibn Gabirol, WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt 254, 5. Die Gleichsetzung des Christus-Logos mit der Sonne und dem Licht ist in der ganzen christlichen Literatur üblich.
  43. ἀποκλίνουσιν, eine Anspielung auf ἀπόκλισις, die Bedeutung des Namens Lots: Über Abrahams Wanderung § 148 u. ö.
  44. ἐνδεικνύναι = aufzeigen heißt in der attischen Gerichtssprache auch anzeigen, anklagen. Denselben Doppelsinn legt Philo § 89 in das Verbum παραδειγματίξειν zum Beispiel vorführen und bestrafen.
  45. Und „Vater“ ist Symbol des Geistes: s. zur Deutung von Moab: Über die Einzelges. I 334.
  46. μὴ zu ergänzen nach Wendland. [Diese Ergänzung ist abzulehnen; ich lasse den mit εἰ eingeleiteten Bedingungssatz von ἡμέρωκεν abhängen und schlage folgende Übersetzung vor: weil er... den beaufsichtigenden Züchtiger, den gerecht strafenden Prüfer besänftigt hat, wenn er die Reue, die jüngere Schwester völliger Sündhaftigkeit, bei sich aufnimmt. M. A.]
  47. πενιχρῷ und § 99 ἀνείμονα sind eine Reminiszenz aus Homers Odyssee 3, 348–350.
  48. Die genaue Beachtung der syntaktischen Form ἀποδώσεις wie in § 81; vgl. die Anmerkung. – Hier dient die syntaktische Unterscheidung dem Philo dazu, den Wortsinn der Bibelstelle abzulehnen.
  49. Der λόγος ist also 1. σύμβουλος, 2. συναγωνιστής und 3. παρήγορος. Auf die erste Funktion weist hier διανοεῖται, auf die zweite ἔργῳ ἐπεξέρχεται hin.
  50. Hier deutet Philo auf Vorgänger in der allegorischen Exegese hin.
  51. Der ὀρθὸς λόγος ist hier nicht die menschliche Vernunft, sondern mit dem ὀρθὸς λόγος τῆς φύσεως oder dem θεῖος λόγος identisch.
  52. Vgl. zur φυσιολογία Über die Nachkommen Kains § 7 Anm., IV S. 6, 2.
  53. Die §§ 122–125 sind im Stile einer kynischen Diatribe gehalten; freilich ist ja Philon nicht immer mit den Kynikern eines Sinnes, vgl. Heinemann, Philons griech. u. jüd. Bildung, S. 433 und S. 437. Aber gerade zu Jakob, dem Vertreter der Askesis (§ 126), paßt der Wortsinn gut; daher läßt Philo hier, wie All. Erkl. II § 14, im allegorischen Kommentar auch die wörtliche Bedeutung gelten.
  54. Über die Logoi als Seelen im Luftraum vgl. Über die Riesen § 7ff.
  55. Wörtlich: „auf“, wie das folgende ἐπαναθήσων zeigt.
  56. Hier wird mit Mangey συγκροτεῖ zu lesen sein, da weder χειροδοτεῖ noch das von Wyttenbach vorgeschlagene χειροδετεῖ einen der Sache, um die es sich handelt, entsprechenden Sinn gibt.
  57. Über dieses Motiv der antiken Mystik vgl. H. Leisegang, Der heilige Geist 215ff.
  58. Man kann auch übersetzen: „den zu einem neuen Charakter Umgeprägten“.
  59. Die Lähmung erfolgt bekanntlich unmittelbar vor der Änderung des Namens Jakob in Israel, auf welche das Vorhergehende anspielt.
  60. Vgl. hierzu die Anmerkung zu Über Belohnungen und Strafen § 47.
  61. Über diese stoische Teilung der Wesen nach ἕξις, φύσις, ψυχή vgl. Über die Unveränderlichkeit Gottes § 35ff., Alleg. Erkl. II § 22. Was aber in der Stoa vom πνεῦμα gilt, überträgt hier Philo auf den ἀήρ.
  62. So nach Cohns Konjektur.
  63. Denselben Ausdruck braucht Xenophon Cyrup. VIII 2, 10.
  64. Zur Engellehre Philos s. die Anmerkungen zu Über die Riesen § 7ff. 12ff.
  65. Daß der Mond eine Mischung aus Äther oder Feuer und Luft sei, war die Lehre des Parmenides (Diels 18 A 37) und des Empedokles (Diels 21 A 30), die dann allgemein von den griechischen Meteorologen übernommen wurde. Über das Mondgesicht hat Plutarch einen Dialog geschrieben, in dessen 5. Kapitel die von Philo erwähnte Ansicht als stoische bekämpft wird.
  66. Das Bild hat Philo nach dem platonischen Timaeus 43 Α anschaulich ausgeführt in der Schrift: Über d. Riesen § 13.
  67. Vgl. Über den Dekalog 56 und die Anm. Bei Homer Od. XI 303f. heißt es von Kastor und Polydeukes: ἄλλοτε μὲν ζώουσ' ἑτερήμεροι, ἄλλοτε δ' αὖτε τεθνᾶσιν.
  68. Eurip. frg. 420 Nauck vgl. Leben Mos. I 31.
  69. Anspielung auf Heraklit 12 Β 60 (Diels); über den Logos (= Schicksal), der sich im Kreise dreht, vgl. Über die Unveränderlichkeit Gottes § 176.
  70. χρωμένων nach Wendlands Konjektur.
  71. D. h. Gott in Gestalt eines Erzengels: § 228ff.
  72. Was in Athen amtlich als Besitz von Großvater und Vater eingetragen war, ging auf Sohn und Enkel als den natürlichen Erben über; so auf Jakob der κλῆρος Abrahams und Isaaks, daß Gott ihr κύριος und θεός war.
  73. Nach dem Urtext wäre zu übersetzen: „ich bin Ihoh, der Gott Abrahams und der Gott Isaaks.“ LXX gibt das Tetragramm bekanntlich durch κύριος wieder; Philo bezieht dies Wort irrig nur auf Abraham, sodaß Gott im Verhältnis zu diesem doppelt, im Verhältnis zu Isaak einfach bezeichnet wird.
  74. Vgl. hierzu Über Abraham § 69ff.
  75. Wegen des Nebensinnes von πρέσβυς und νέος vgl. Ü. d. Nüchternheit 7ff. und Anm. 2.
  76. Vgl. hierzu Leisegang, Der heilige Geist 147ff.
  77. Vgl. All. Erkl. I § 61 Anm.
  78. Ähnlich wie Ü. d. Namensänderung 152 zitiert hier Philo ein „geflügeltes Wort“ aus Euripides (Frg. 484 N.).
  79. Vgl. All. Erkl. III 219.
  80. Gemeint sind mit den „Völkern“ die körperlichen Dinge, die auf die Sinne wirken und vom Körper wie von einem Gefäß aufgenommen werden.
  81. Philo erläutert die Bibelworte: ἐν τῇ ὁδῷ πάσῃ, οὗ ἐὰν πορευθῇς.
  82. Die Epikureer lehrten, daß die Götter sich in den Intermundien, den Räumen zwischen den Welten, aufhielten, vgl. Usener, Epicurea 240, 33.
  83. Philo verbindet die Worte, mit denen Vers 17 beginnt, mit dem vorausgehenden Vers und liest hier statt ἐν τῷ τόπῳ jetzt: ἔν τῳ τόπῳ.
  84. Vgl. oben § 163.
  85. Der Text ist unsicher; ich folge Wendlands Konjektur.
  86. Die im Text eingeklammerten Sätze wurden in die Übersetzung nicht aufgenommen.
  87. So muß διάλευκοι hier übersetzt werden in Rücksicht auf § 201, wo Philo dem διά diese Bedeutung zuschreibt.
  88. Anders erklärt All. Erkl. III 53.
  89. Siehe oben Anm. zu § 65.
  90. Gemeint ist der Bock, der am Versöhnungstage von Aron in die Wüste geschickt wird, Lev. 16, 8ff., vgl. All. Erkl. II 52.
  91. Die Verba ᾄττειν (ἀίσσειν) und προβαίνειν gebraucht Philo zur etymologischen Interpretation der Substantiva αἴξ und πρόβατον.
  92. Übersetzt nach Wendlands Konjektur.
  93. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 47.
  94. Nach Mangeys Konjektur.
  95. Nach Wendlands Konjektur.
  96. Siehe oben § 28.
  97. Abgesehen davon, daß wir hier τάξις neben οἰκονομία zur Bezeichnung der Komposition und Disposition des Stoffes finden, gibt Philo die gewöhnliche Fünfteilung der Rhetorik wieder.
  98. Die Übersetzung folgt den codd., die μεγαλεῖον überliefern.
  99. Nimmt man σποδοειδεῖς ῥαντοί im Wortsinne als aschgrau gesprenkelt, dann bezeichnet es nichts anderes als ποικίλοι bunt; erst die allegorische Deutung, die jeden der beiden Begriffe verselbständigt: σποδός und ῥαίνειν, ergibt für Philo einen befriedigenden Sinn.
  100. Philo wirft Ex. 29, 4, wonach Moses den Aron mit Wasser waschen soll, zusammen mit Num. 19, 5ff., wonach die Reinigung eines Unreinen durch Besprengung mit einem aus Wasser und Asche (der Roten Kuh) bestehenden Sühnemittel erfolgt, und zwar nach Philo Über die Einzelges. I 264, um uns an unseren Ursprung zu erinnern. Nach ebd. 268 (und Jos. Alt. IV 79) vollzieht der Hohepriester diese Sprengung: daher besprengt Aron nach unserer Stelle sich selbst.
  101. Vgl. Über die Unveränderlichkeit Gottes § 161. Der Erbe des Göttlichen § 29f.
  102. Siehe über dieses und seine symbolische Bedeutung All. Erkl. II § 56.
  103. Siehe hierüber Über die Einzelgesetze I § 94.
  104. Über den Logos als Priester vgl. Über die Cherubim § 17, Über die Nachstellungen § 132, als Hohenpriester Über die Riesen § 52, Über die Flucht und das Finden §§ 108, 117, als Priester, Sohn Gottes und Paraklet Leben Mosis II § 134. Über die Beziehungen dieser Stellen zur Bezeichnung Jesu als Hohenpriester im Hebräerbrief 6, 20ff. vgl. Leisegangs Artikel „Logos“ in Pauly-Wissowas Realenzyklopädie XIII, 1079.
  105. Über das Motiv des „wahren Menschen“ bei Philo vgl. Leisegang, Der heilige Geist 79 und die Anmerkung zu Über die Nachstellungen § 10.
  106. Vgl. Ü. d. Trunkenheit 86 Anm. 4.
  107. Vgl. zu den ägyptischen Sophisten Über Abrahams Wanderung § 76.
  108. Der in der Septuaginta gebräuchliche Ausdruck ἐγγαστρίμυθοι wird von Philo nur an dieser Stelle übernommen. Über seine Bedeutung vgl. Leisegang, Pneuma hagion 36ff.
  109. Zu Joseph als Vertreter der Politik und einer „bunten“ Meinung vgl. Über die Nachstellungen § 6 und die Anmerkung zu § 7.
  110. Auch Laban ist Symbol des Bunten, der Farben und Formen und der Sinnlichkeit, und wird deshalb hier mit Joseph zusammengestellt. Vgl. über ihn All. Erkl. III § 22. Über die Flucht usw. § 7. Über die Landwirtschaft § 42. Durch seine Heranziehung greift Philo auf die Erklärung des § 189 angeführten Verses zurück; vgl. § 227.
  111. Der Ausdruck ἱερὸς λόγος kann hier sowohl die heilige Schrift als auch Moses selbst bedeuten, der als Hoherpriester der Logos ist. Siehe oben § 241f.
  112. Die Schwierigkeit entsteht durch die LXX, welche den Ortsnamen Betel etymologisch durch ἐν τόπῳ θεοῦ wiedergibt.
  113. Es ist schon oft darauf hingewiesen worden, daß im Anfang des Johannesevangeliums offenbar derselbe Gebrauch des Wortes θεός mit und ohne Artikel vorliegt: Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος, καὶ ὁ λόγος ἦν πρὸς τὸν θεόν, καὶ θεὸς ἦν ὁ λόγος.
  114. Philos Text lautet nach Über die Namensänderung § 13: καὶ τό ὄνομά μου κύριον οὐκ ἐδήλωσα. Er faßt κύριον als Adjektiv zu ὄνομα auf.
  115. Vgl. Cohns Einleitung zum 1. Band S. 15.
  116. Vgl. zu Philos Deutung dieses Wortes Über die Nachstellungen § 160. Über die Namensänderung § 11.
  117. Nach Wendlands Vorschlag.
  118. Homer, Od. XVII, 485ff.
  119. Das heißt wohl: es werden Gott zwar menschliche Eigenschaften zugeschrieben, aber nie gelehrt, daß er die Gestalt eines bestimmten Menschen (etwa eines Kaisers!) angenommen habe. Durch diese etwas gewundene Einschränkung sucht Philo dem Gegensatz des Judentums zu der § 233 erwähnten heidnischen Anschauung gerecht zu werden.
  120. Über die Waffen Gottes und diesen ganzen Gedankengang vgl. Über die Unveränderlichkeit Gottes §§ 60ff. Beachtenswert ist aber die genaue Übereinstimmung mit Seneca Natur. quaest. II 42, 3 ad coercendos imperitorum animos sapientissimi viri iudicaverunt inevitabilem metum, ut aliquid supra nos timeremus; …ad conterrendos itaque eos, quibus innocentia sine metu non placet, posuerunt supra caput vindicem et quidem armatum.
  121. Vgl. hierzu Über die Unveränderlichkeit Gottes §§ 53ff.
  122. Auch die Worte οὐ μεταβάλλων enthalten eine Einschränkung der jüdischen Ablehnung jedes Anthropomorphismus (s. zu § 234). Vielleicht wenden sie sich gegen die Definition des Posidonius (Dox. 302 b 22), Gott sei denkendes, feuriges Pneuma, gestaltlos, aber sich beliebig wandelnd (μεταβάλλον εἰς ὃ βούλεται).
  123. Vgl. Über die Cherubim §§ 3 und 6. All. Erkl. III § 244.
  124. Vgl. Über die Flucht usw. § 211.
  125. Über den Logos als Stütze vgl. Über die Pflanzung Noahs § 8. Dasselbe wird auch von Gott selbst gesagt, vgl. oben § 158. Über die Wanderung Abrahams § 156f.
  126. Vgl. hierzu und zum folgenden Über die Einzelgesetze I § 66ff.
  127. Wie im Deutschen ist διαρραγῆναι = „vor Neid, Ärger, Bosheit platzen“ eine volkstümliche Redensart, die wir im lateinischen rumpi wiederfinden. οὐδ' ἂν σὺ διαρραγῇς ψευδόμενος, genau wie hier, gebraucht Demosthenes, Kranzrede 21.
  128. Über Lots Weib vgl. All. Erkl. III § 213. Über die Flucht usw. § 121ff.
  129. Über den blinden Reichtum im Unterschied vom sehenden vgl. Über Abraham § 25 Anmerkung. Über die Landwirtschaft § 54 Anmerkung.
  130. Vgl. hierzu Über die Unveränderlichkeit Gottes § 88.
  131. Siehe über die allegorische Bedeutung des Namens Anna Über die Unveränderlichkeit Gottes § 5 und die dort in der Anmerkung angeführten Stellen, dazu Über die Trunkenheit § 145. Über die Wanderung Abrahams § 196. Hier wohl eher: „Gnadengeschenk, Dank, Dankbarkeit“.
  132. Vgl. Über die Unveränderlichkeit Gottes § 5.
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Über die Träume
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