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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

Gefäß, der Körper. Und wenn einer in einem Hause, einer Stadt, einem Lande oder Volke ein Freund vernünftigen Denkens wurde, muß auch jenes Haus, die Stadt, das Land und das Volk ein besseres Leben führen. 178 Denn wie der Duft der Gewürze die sich in der Nähe Aufhaltenden mit Wohlgeruch erfüllt, ebenso werden die Nachbarn und die Anwohner eines Weisen, wenn sie das von ihm sich weithin verbreitende Fluidum einatmen, in ihren Sitten gebessert.

[30] 179 Die größte Wohltat aber ist es für eine sich mühende und ringende Seele, zum Weggenossen den überall gegenwärtigen Gott zu haben; denn „siehe“, heißt es, „ich bin mit dir“ (ebd. 15). Welches Reichtums möchten wir nun wohl noch bedürfen, wenn wir dich, den allein wahren Reichtum haben, „der uns behütet auf dem Wege“ (ebd.), der zur Tugend führt, in allen seinen Teilen?[1] Denn es gibt nicht nur einen Teil des vernünftigen [648 M.] Lebens, der auf Gerechtigkeit und jede andere Tugend gerichtet ist, sondern unendlich viele, von denen aus man ausgehen kann, um zu der vernünftigen Einsicht zu gelangen. [31] 180 Sehr schön sind auch die Worte gesagt: „Ich will dich wieder herbringen in dies Land“ (ebd.). Denn es wäre ja gut, wenn der Verstand bei sich selbst bliebe und nicht zur Sinnlichkeit abwanderte. Das Zweitbeste aber ist es, wenn er wieder zu sich selbst zurückkehrt. 181 Vielleicht aber wird hiermit auch die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele angedeutet. Denn als sie den himmlischen Ort verließ, wovon ja auch kurz vorher die Rede war, kam sie in den Körper wie in ein fremdes Land. Es sagt nun der Schöpfervater, er werde sie nicht auf immer eingeschlossen in ihrem Gewahrsam unbeachtet lassen, sondern er werde Mitleid mit ihr haben, ihre Fesseln lösen und sie in Freiheit bis zu ihrer Mutterstadt sicher zurückgeleiten, und nicht eher ruhen, bis die in Worten gegebenen Verheißungen durch Taten der Wahrheit bekräftigt wurden; denn Gott ist es überhaupt eigen, nur das auszusprechen, was auf alle Fälle geschehen wird. 182 Doch warum sage ich das? Seine Worte unterscheiden sich ja nicht von seinen Taten. Als nun die ringende Seele sich regte und sich auf die Suche nach dem Seienden machte, meinte sie zuerst, das Sein befände sich an einem Orte. Nachdem sie aber eine kleine Zeit mit der Schwierigkeit des Forschens sich aufgehalten hatte, wird sie ängstlich und beginnt damit, ihre Ansicht zu ändern. 183 Es heißt nämlich: „Jakob erwachte


  1. Philo erläutert die Bibelworte: ἐν τῇ ὁδῷ πάσῃ, οὗ ἐὰν πορευθῇς.
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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/47&oldid=- (Version vom 7.10.2018)