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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

Körper und Seele ist, spricht: „Ich glaubte zu stehen“, und nicht bedachte, daß allein Gott die Unbeweglichkeit und die Festigkeit eigen ist und dem, der zu seinen Freunden gehört.[1] 220 Der klarste Beweis für die an ihm wirksame unbewegbare Kraft ist diese unsere Welt, die immer in derselben Weise und auf dieselbe Art besteht – wenn aber die Welt unveränderlich ist, warum sollte da ihr Schöpfer nicht feststehend sein? –, und dann auch die heilige Schrift, der untrüglichste Zeuge. 221 Es wird nämlich von Gott gesagt: „Hier stehe ich vor dir auf dem Fels am Horeb“ (2 Mos. 17, 6)[2], das heißt soviel wie: [688 M.] ich, der ich sichtbar und hier bin, ich bin auch dort und überall, da ich das All ausgefüllt habe, in demselben Zustand verharrend und bleibend, da ich unwandelbar bin, bevor du oder irgendein Ding in das Werden eintratest, gegründet auf die höchste und älteste Macht der Herrschaft, von der das Werden der Dinge strömte und der Quell der Weisheit ausfloß.[3] 222 Ich nämlich bin es, „der dir aus dem hochzackigen Felsen eine Wasserquelle hervorsprudeln ließ“ (5 Mos. 8, 15),[4] heißt es an anderer Stelle. Es zeugt aber auch Moses für die Unwandelbarkeit des Göttlichen mit den Worten: „Ich sah den Ort, wo der Gott Israels stand“ (2 Mos. 24, 10),[5] womit er seine Unwandelbarkeit durch sein Stillstehen und seine Gegründetheit andeutet. [33] 223 Aber das Göttliche besitzt ja ein solches Übermaß an Festigkeit, daß es auch noch den auserwählten Naturen von seiner Sicherheit, wie von seinem besten Besitz, etwas mitteilt. Ja, gleich seine gnadenreiche Wesensart[6] – es ist das aber


  1. Vgl. Über die Unveränderlichkeit Gottes § 22ff.
  2. Vgl. Über die Wanderung Abrahams § 183 Anm.
  3. Vgl. Ü. d. Opfer Ab. u. K. § 67.
  4. Vgl. All. Erkl. II § 84.
  5. Siehe oben I § 62 und vgl. Über die Verwirrung der Sprachen § 96 mit Anmerkung.
  6. Διαθήκη gibt in der LXX בְּרִית‎ wieder, das etwa „Bund“ entspricht (doch vgl. G. Kittels Theol. Wörterbuch zum N. T. II 109). Demgemäß ist an der im folgenden angeführten Bibelstelle gemeint „ich werde meinen Bund mit dir errichten“. Philo faßt aber diesen überaus wichtigen Begriff nie richtig im Sinne des A. T.: Heinemann Philons Bildung 483; Theol. Wörterbuch II 131. Die ihm hier vorschwebende Auffassung ist durch den Gebrauch von διάθεσις bestimmt, das nach stoischer Terminologie die geistige Verfassung bezeichnet (Bonhöffer, Epiktet und das N. T. 239; Adlers Index zu SVFr.); zu § 224 ist zu beachten, daß nach SVFr. II 393; III 104 auch die Tugenden als διαθέσεις gelten.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/101&oldid=- (Version vom 7.1.2019)