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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

Wahns gesetzt, um die sich die Salbenköche bemühen und zu denen große Länder Beiträge liefern, Syrien, Babylon, die Inder, die Skythen, bei denen die Gewürzkräuter wachsen. [9] 60 Was braucht man zum Trinken mehr als den von der Natur mit vollendeter Kunst hergestellten Becher? Der Becher aber sind unsere Hände;[1] [667 M.] wer sie zusammenfaltet und hohl macht, sie richtig an den Mund legt, während ein anderer den Trank hineingießt, schafft sich nicht nur ein Mittel gegen den Durst, sondern auch eine unsagbare Freude. 61 Wenn aber überhaupt etwas anderes nötig war, genügte dann nicht der ländliche Holzbecher, und mußte man nach den Künsten anderer berühmter Männer suchen? Wozu muß die unendliche Menge silberner und goldener Becher hergestellt werden, wenn nicht um der sich so mächtig brüstenden Hoffahrt willen und wegen des überheblichen eitlen Wahns? 62 Wenn aber manche Leute sich zu bekränzen für nötig halten, nicht mit einem duftenden Kranze aus Lorbeer oder Efeu, Veilchen oder Lilien oder einer Rose oder überhaupt einem Zweige oder irgendeiner Blume, sondern Gottes Gaben verschmähend, die er zu allen Jahreszeiten (als Geschenk) wachsen läßt, goldene Kränze, eine recht schwere Last, hoch auf dem Kopf tragen auf offenem und belebtem Markte ohne Schamgefühl, kann man da an etwas anderes denken, als daß sie Sklaven des eitlen Wahnes sind, obwohl sie sagen, daß sie nicht nur Freie, sondern auch vieler anderer Herren sind?[2] 63 Der ganze Tag würde mir darüber vergehen, die Verderbnisse des menschlichen Lebens aufzuzählen. Doch was soll man noch lange reden? Denn wer hat von ihnen nicht gehört, wer sie nicht gesehen? Wer ist nicht darin geübt und daran gewöhnt? Daher hat die heilige Schrift ganz treffend den, der Feind der Anspruchslosigkeit, aber Genosse des eitlen Dunstes ist, eine Zugabe[3] genannt. 64 Wie nämlich an den Bäumen überflüssige Zweige als große Schädlinge der edlen (Reiser) wachsen, die die Gärtner entfernen und abschneiden aus Vorsorge für das


  1. Nach der von Diogenes erzählten Anekdote (Diog. Laert. VI 37), vgl. Gnomol. Vatic. ed. Sternbach Nr. 161; Seneca, Epist. 119, 3. Daß Philo an diesem Radikalismus nicht immer festhält, zeigt Heinemann, Philons Bildung 437.
  2. Über diese einer kynischen Diatribe nachgebildete Verurteilung des Luxus in allen seinen Formen vgl. die Parallelen bei P. Wendland, Philo und die kynisch-stoische Diatribe 1895, S. 8ff.
  3. Gemeint ist Joseph, vgl. über seine Deutung als „Zugabe“ Über Joseph § 28.
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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/73&oldid=- (Version vom 7.10.2018)