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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

Männer weiterhin zu schmähen, als ob sie ein Beispiel für die menschen- und bruderfeindliche Gesinnung darstellten, sondern er soll begreifen, daß der, über den hier geurteilt wird, kein Mensch ist, sondern von den Charakterzügen, die sich in eines jeden Seele finden, die Ruhmsucht und die Hoffahrt; er billige die, die gegen [672 M.] diese eine unversöhnliche Feindschaft und einen untilgbaren Haß hegen, und niemals schenke er seine Liebe dem, der von jenen gehaßt wurde, in der klaren Erkenntnis, 99 daß dergleichen Richter wohl niemals von der gesunden Überzeugung abwichen, sondern da sie von Anfang an gelernt haben und dazu erzogen wurden, den wahren König, den Herrn, anzubeten und zu verehren, entrüstet sind, wenn einer die Ehrung Gottes für sich beansprucht und dessen Anbeter zu seinem eignen Dienst ruft. [15] 100 Deshalb werden sie kühn sagen: „Du willst doch nicht etwa König werden und über uns König sein?“ Oder weißt du nicht, daß wir nicht nach eigenem Gesetz leben, sondern von dem unsterblichen König, von dem einzigen Gotte, regiert werden? Wie denn? „Du willst Herr sein und über uns herrschen?“ (1 Mos. 37, 8). Werden wir denn nicht schon beherrscht und haben und werden behalten auf alle Zeit denselben Herrn? In seinem Dienste sind wir so froh wie kein anderer über seine Freiheit. Ist doch der Gottesdienst von allem, was in der Welt in Ehren steht, das beste. 101 So möchte nun auch ich selbst wünschen, ich könnte bei ihren Erkenntnissen fest verbleiben; denn sie sind Späher und Kundschafter und streng gerechte Aufseher von Tatsachen, nicht von Körpern, nüchtern in alle Ewigkeit, so daß sie durch nichts mehr, was den Menschen zu verlocken pflegt, getäuscht werden. 102 Ich aber bin bis jetzt noch im Zustand des Rausches, befinde mich in großer Unklarheit und brauche Krücken und Führer wie die Blinden; denn wenn ich gestützt werde, werde ich vielleicht nicht anstoßen und ausgleiten. 103 Wenn aber Menschen, die sich ihrer Unüberlegtheit und Unbesonnenheit bewußt sind, sich nicht bemühen, denen zu folgen, die genau und umsichtig alles Nötige erforscht haben – sie die Unwissenden denen, die den Weg kennen –, so mögen sie wissen, daß sie in unpassierbare Abgründe hineingestoßen sind und trotz ihres Drängens nicht mehr werden vorwärts kommen können. 104 Ich aber fühle mich mit ihnen, wenn ich mich auch nur wenig vom Rausche freigemacht habe, derart verbunden, daß ich ihre Ansicht über Freund und Feind teile. Dann aber werde ich um nichts weniger den Träumer, ebenso

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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/80&oldid=- (Version vom 7.10.2018)