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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

erkühnen gegen die nicht unterjochbaren Teile der Natur; man muß sie aber auch auslachen, weil sie Unmögliches unternehmen, als wäre es möglich, in dem Glauben, auch das Wasser könnte wie ein Lebewesen gestochen, verwundet und getötet werden und andererseits Schmerzen empfinden, sich fürchten, aus Angst vor den Anstürmenden davonlaufen und alle freudigen und schmerzlichen Seelenregungen aufnehmen. [18] 123 Jüngst [675 M.] vor nicht langer Zeit, lernte ich einen Mann kennen, einen höheren Beamten,[1] der, als er die Leitung und Verwaltung Ägyptens übernommen hatte, unsere alten Gebräuche umzustoßen und besonders das heiligste und ehrfürchtigste Gesetz über den Sabbat aufzuheben gedachte und dazu zwang, ihm (an diesem Tage) knechtische Dienste zu leisten und auch anderes gegen die bestehende Sitte zu tun, in dem Glauben, das werde der Anfang anderweitiger Änderung und Überschreitung von allem sein, wenn er die von den Vätern überkommene Sitte des Sabbats abschaffen könnte. 124 Und als er sah, daß weder die, die er dazu zu zwingen versuchte, seinen Befehlen nachkamen, noch die übrige Menge sich beruhigte, sondern daß sie die Sache schwer und hart ertrug und sie wie über eine Versklavung, Zerstörung und Vernichtung des Vaterlandes trauerten und betrübt waren, glaubte er ihnen durch eine Rede das gesetzwidrige Handeln beibringen zu sollen. 125 Er sprach: Wenn plötzlich ein Angriff von Feinden geschähe oder eine Überschwemmung des Flusses, der mit seinen Fluten den Damm zerriß, oder eine Feuersbrunst, ein Blitzschlag, Hungersnot, Pest, Erdbeben oder was es sonst Schlimmes von Menschenhand oder von Gott geschickt gibt, werdet ihr da in aller Ruhe zu Hause bleiben? 126 Oder werdet ihr in der gewohnten Haltung auftreten, die rechte Hand nach innen gekehrt, die andere aber unter dem Gewand an die Hüfte gelegt,[2] damit ihr auch nicht einmal unabsichtlich etwas zur Rettung beitraget? 127 Und werdet ihr in euren Synagogen sitzen, die gewohnte Versammlung abhalten und


  1. Daß das der Statthalter A. Avillius Flaccus war, wie Mangey meinte und Ewald in seiner Geschichte des Volkes Israel VI 253, 1 bestritt, ist deshalb wenig wahrscheinlich, weil Philo in seiner Schrift „Gegen Flaccus“ nichts von einem Versuche dieses Judenfeindes, die Feier des Sabbats zu verbieten, berichtet.
  2. Dieselbe Haltung nehmen bei Philo die Therapeuten beim Gottesdienst an. Über das der Betrachtung geweihte Leben § 30: „Die Hände einwärts haltend, und zwar die rechte zwischen Brust und Kinn, die linke nach unten gestreckt an der Hüfte.“
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/84&oldid=- (Version vom 7.1.2019)