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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

daran durch Trug oder Gewalt, treiben sie in den lichtlosen Raum der Gottlosen, den tiefe Nacht, endlose Finsternis und ungezählte Scharen von Trugbildern, Gespenstern und Traumgestalten erfüllen, und zwingen sie, nachdem sie sie dort untergetaucht haben, sie wie Despoten zu verehren. 134 Den nämlich, der sich in der Einsicht übt, deuten wir als Sonne, da sie den Körpern, er aber den seelischen Dingen Licht verleiht, die Bildung aber, die er besitzt, als Mond – denn in der Nacht macht man von beiden den reinsten und nützlichsten Gebrauch –, als Brüder aber die edlen Gedanken, gleichsam Söhne der Bildung und der sich übenden Seele. Ihnen allen, die den Pfad des Lebens in gerader Richtung führen, möchten die Leute, die nichts Gesundes zu sagen und zu denken entschlossen sind, durch gewandte und künstliche Griffe den Hals brechen, sie köpflings ins Verderben stürzen und sie zu Boden reißen, indem sie ihnen ein Bein stellen. 135 Deshalb tadelt auch einen solchen der Vater, aber nur milde, d. h. nicht Jakob, sondern der rechte Logos, der älter ist als dieser, mit den Worten: „Was war das für ein Traum, den du da geträumt hast“? (1 Mos. 37, 10). Es war doch wohl nur ein Traum, den du sahst?[1] 136 Oder meintest du, daß das, was von Natur frei ist, durch Zwang dem Menschen versklavt, und was herrschend ist, untertan werden müßte, und, was noch unsinniger ist, nicht Untertan anderer, sondern Untertan der Beherrschten, nicht Sklaven anderer, sondern Sklaven der Versklavten? Es müßte denn durch Gottes des allein Allmächtigen Kraft, dem es gebührt, auch das Unbewegte zu bewegen und das Dahinfahrende zu befestigen, eine Verwandlung des Bestehenden in sein Gegenteil erfolgen. [677 M.] 137 Denn[2] was soll das Zürnen und Schelten auf einen, der im Traum ein Gesicht sah, für einen Sinn haben? Er wird sagen: Habe ich es etwa nach meinem Willen gesehen? Was führst du gegen mich die Vorwürfe ins Feld, die für die gelten, die mit Vorbedacht sündigten? Was mich von außen her befiel und mir gegen meinen Willen plötzlich den Verstand erschütterte, das habe ich erzählt. 138 Doch hier ist ja nicht vom Traume die Rede, sondern von Dingen, die Träumen gleichen. Was den nicht allzu Geläuterten groß und glänzend und erstrebenswert zu sein scheint, ist klein


  1. Die Übersetzung folgt der Konjektur ἆρ` οὐκ statt ἀλλ` οὐκ.
  2. Hier erst begründet Philo den markanten Zusatz τιθασῶς in § 135, den wir deshalb oben übersetzten: „aber nur milde“.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/86&oldid=- (Version vom 7.1.2019)