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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

und dunkel und der Verspottung würdig vor unbestechlichen Richtern der Wahrheit.

[20] 139 Soll ich nun, sagt er, der ich der rechte Logos bin, hingehen, und soll auch kommen die Mutter und zugleich die Erzieherin der wißbegierigen Schar, die tugendhafte Bildung, und sollen dahereilen auch unser beider Söhne und dir gegenübertreten, so der Reihe nach in einer Ordnung die Hände emporheben und den Dünkel anbeten, den wir zuvor ausgestoßen haben? 140 Sollen wir dann uns auf den Boden niederwerfen und anfangen, zu dir zu flehen und dich zu verehren? Doch niemals möge zu solchem Geschehen die Sonne leuchten, da zum Übel tiefe Finsternis, zum Guten aber fernher strahlendes Licht gehört. Welch größeres Übel aber könnte geschehen, als den falschen und lügnerischen Dünkel statt der ungekünstelten und untrüglichen Bescheidenheit zu verherrlichen und zu bewundern? 141 Sehr richtig aber ist noch hinzugefügt: „Es bewahrte der Vater das Wort“ (1 Mos. 37, 11). Es ist nämlich die Sache, nicht einer jüngeren, unfruchtbaren und sterilen Seele, sondern einer wahrhaft erwachsenen und das Zeugen verstehenden, mit der Bedachtsamkeit zusammen zu leben und nichts völlig zu verachten, sondern sich vor der unentrinnbaren und unbesiegbaren Macht Gottes zu beugen und ringsumher danach zu spähen, was ihr als das Ende noch zustoßen wird. 142 Deshalb heißt es in der heiligen Schrift auch von der Schwester des Moses – sie wird aber von uns Allegorikern „Hoffnung“ genannt –, sie schaute hin von ferne (2 Mos. 2, 4), doch wohl auf das Ende des Lebens hinblickend, damit es sie zur rechten Stunde treffe, wenn es ihr der Vollender von oben vom Himmel herabsendet. 143 Denn viele, die oftmals unschiffbare Meere durchkreuzten und eine weite Fahrt bei günstigen Winden ungefährdet mitmachten, scheiterten plötzlich in den Häfen selbst, als sie gerade landen wollten. 144 Und Unzählige, die schwere und lange Kriege mit aller Kraft unternahmen und unverwundet zu Ende führten, so daß sie nicht einmal an der äußersten Haut geritzt wurden, sondern wie von [678 M.] einer öffentlichen Versammlung und von einem Volksfest mit unversehrten Körpern und wohlerhaltenen Gliedern zurückkamen, wurden, als sie in fröhlicher Heiterkeit heimkehrten, in ihren eigenen Häusern von solchen, von denen es am wenigsten hätte geschehen sollen, hinterlistig angefallen und, wie das Sprichwort sagt, „wie Ochsen an der Krippe“[1] geschlachtet.


  1. Homer, Odyssee IV, 535.
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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/87&oldid=- (Version vom 7.1.2019)