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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

Mund und Händen, das heißt: aus Gedanken, Wort und Taten, da man das Gute denken, sagen und tun muß, erfüllt[1] von guter Absicht, gutem Handeln und gutem Reden.

[27] 181 Wir wollen demnach zu dem Obermundschenk, der die eine Art der Völlerei, die Vieltrinkerei, betreibt, sagen: Warum bist du so übel dran, Unvernünftiger? Du scheinst zwar das herzustellen, was zum Frohsinn führt, in Wahrheit aber entfachst du die Flamme des Unverstandes und der Zügellosigkeit und trägst ihr vielen und reichlichen Stoff zu. 182 Doch vielleicht könnte er antworten: Beschuldige mich nicht voreilig, bevor du mich kennen gelernt hat. Zum Einschenken ward ich bestellt, aber wahrlich nicht einem Manne, der mit Besonnenheit, Frömmigkeit und den andern Tugenden ausgestattet ist, sondern einem gefräßigen, [683 M.] unbeherrschten, ungerechten und mit seiner Gottlosigkeit prahlenden, der einmal zu sagen sich erkühnte: „Ich kenne den Herrn nicht“ (2 Mos. 5, 2)[2]. So betreibe ich selbst begreiflicherweise das, was jenem eine Lust ist. 183 Wundere dich aber nicht, daß Gott und der widergöttliche Geist, nämlich Pharao, an Entgegengesetztem ihre Freude haben. Wer ist nun Gottes Mundschenk? Der die Trankopfer darbringende, der wahrhaft große Hohepriester, der den Zutrunk der ewig strömenden Gnadengaben annimmt und als Gegenleistung, indem er die ganze Schale des berauschenden Trankes vollgießt, sich selbst darbringt. Du siehst, daß es Unterschiede unter den Mundschenken gibt, die denen entsprechen, die durch sie bedient werden. 184 Deshalb bin ich (der Mundschenk) des seinen eigensinnigen und in allem ohnmächtigen Verstand auf die Ausschweifungen richtenden Pharao ein Eunuch (1 Mos. 40, 1. 2), dem die Zeugungsorgane der Seele ausgeschnitten sind, ausgetreten aus der Männergesellschaft, geflohen auch aus der Gesellschaft der Weiber, weder ein männliches noch ein weibliches Wesen, ohne Samen spenden, noch empfangen zu können, von beiden Seiten angefeindet, zu keiner von beiden gehörend, eine Fehlprägung der Münze Mensch[3], ohne Anteil an der Unsterblichkeit, die durch die Aufeinanderfolge von Kindern oder Nachkommen für immer lebendig erhalten wird, ausgeschlossen aus der Versammlung und der heiligen Gemeinde; denn es wird


  1. Die Übersetzung legt Mangeys Konjektur: συμπληρούμενον zugrunde.
  2. Vgl. I § 90 und die Anmerkung dazu.
  3. Die Gleichsetzung des Pharao der Josefsgeschichte mit dem der Auszugserzählung findet sich auch im Midrasch.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/94&oldid=- (Version vom 7.1.2019)