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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

Wünsche der Hörer, einen solchen vertrage ich nicht. 66|Unzählige Beschuldigungen werde ich gegen dich vorbringen bei meinem Manne, dem Pöbel, deinem Herrn; denn bis jetzt scheinst du mir zuviel Freiheit zu haben und weisst gar nicht, dass du der Sklave eines tyrannischen Herrn bist. Wenn du wüsstest, dass freies Handeln nur dem Freien zukommt, dem Sklaven aber nicht geziemt, dann hättest du gelernt, deinen Eigenwillen aufzugeben und auf mich zu blicken, sein Weib, die sinnliche Begierde, und nach meinem Wunsche zu handeln, wodurch du am meisten seine Zufriedenheit erlangen würdest“. 67s Volk despotische Macht hat, er wird aber nicht zugeben, dass er Sklave ist, er wird sich vielmehr für einen freien Mann halten, <der handeln kann>, wie es ihm im Herzen gefällt. Darum wird er freimütig sprechen: „Volksschmeichler zu sein habe ich weder gelernt noch werde ich mir je Mühe geben es zu werden; nachdem ich mit der Leitung des Staates und der Fürsorge für ihn betraut bin, werde ich vielmehr wie ein guter Vormund oder wie ein liebender Vater in Reinheit und Lauterkeit und ohne Heuchelei, die mir verhasst ist, <meines Amtes walten>. 68|In dieser Gesinnung werde ich stets verharren, ich werde nichts verbergen und verheimlichen nach Diebesart, sondern gleichsam im Sonnenlicht mein Gewissen leuchten lassen; denn die Wahrheit ist Licht; und ich werde nichts von allem fürchten, womit man mich bedroht, auch nicht den Tod, denn schlimmer als der Tod ist für mich die Heuchelei. 69|Weshalb soll ich diese anwenden? Wenn auch das Volk der Herr ist, so bin ich doch kein Sklave, ich bin ein Adliger, wie irgend einer, und habe das Verlangen, in das grösste und beste Staatswesen, in das Weltall, als Bürger aufgenommen zu werden. 70|Denn wenn weder Geschenke noch Zureden, weder Ehrgeiz noch Herrschbegierde, weder Einbildung noch Ruhmsucht, p. 52 M. weder Ziellosigkeit noch Feigheit, weder Ungerechtigkeit noch irgend eine andere Leidenschaft oder Untugend mich verleiten, wessen Tyrannei soll ich da noch fürchten? Etwa die von Menschen? 71|Diese können sich höchstens die Macht über den Körper zuschreiben, nicht über mich; denn ich nenne

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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/020&oldid=- (Version vom 3.9.2017)