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Awrum gehörte zu den Starken. Er war ein hoher, breitschulteriger und unerschrockener Jude. Es gab solcher in der Gasse nicht drei.

In der Tat: Awrum fürchtete nicht. In seinem mageren Gesicht waren Entschlossenheit und Bereitschaft. Sein langer grauender Bart lag wie ein Schild über seiner Brust und hob sich bei jedem Atmen. Er konnte wohl von den Kosaken niedergemacht werden. Da gabs keinen Starken. Doch dann starb er für Gott. Aber er fürchtete für die Weiber, für die Kinder, die in seinem Haus Schutz und Zuflucht suchten. Er selbst war sich jetzt der Gleichgültigste von allen.

Er warf einen Blick auf die Versammelten. Zag und bewegungslos wie Zaunpflöcke saßen sie da. Und die Kinder im Winkel zitterten und flatterten wie gewirbeltes Laub.

„Ihr könnet reden miteinander –“ ermunterte er sie.

„Die Fenster sind dicht verhängt –“ fügte er bekräftigend hinzu.

Weib und Kind atmeten erleichtert auf. Alle sahen sie zu ihm hin. Aber ans Reden kamen sie nicht. Denn was sie auf den Lippen hatten, war nur Würze für das Gruseln.

Im Zimmer war’s eng und schwül. Ein lichtsatter, heißer Septembertag war es gewesen.

„Daß die Septembertage so heiß sind –“ sagte Awrum, in der Absicht, die Kauernden aus ihrem sinnenden Schweigen herauszureißen und ein Gespräch zu erzwingen.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Sternbach: Wenn die Schakale feiern. Weckruf-Verlag, Weimar 1917, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SternbachWennDieSchakaleFeiern.pdf/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)