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Sie sahen bittend zu ihm auf und weinten in sich hinein und murmelten Gebete. Aber ein Kind an der Brust war aus dem Schlaf gekommen und flennte laut, und das Wurm war nicht zu beruhigen. Alle waren sie nun giftig gegen das junge Geschöpf und dessen Mutter, und sagten ihr Bitteres, wie man es in der Not ohne Hülle zu sagen pflegt.

Die junge Mutter erwiderte nichts. Sie weinte nicht einmal mit ihren Augen. Sie wollte dem Kleinen die Brust in den Mund stecken? der nahm aber damit diesmal nicht fürlieb. Er radaute, daß man es bis in das fünfte Haus hören konnte –, meinten sie. Bis zu Chaim Bäcker.

Awrums Gattin verzweifelte, als sie die junge Mutter ansah, die ihr Kind zu beruhigen versuchte. Die pflegte es sonst wieder singend einzuschläfern. Und automatisch begann sie die ersten Worte einer üblichen Wiegenliederweise, brach aber bald ebenso automatisch in der Mitte des zweiten Wortes ab, als sie Awrums Gattin verzweifeln sah.

„Was wollt ihr von mir?“ rang diese die Hände. „Ist mein Haus eine Burg, eine Festung, wo man vor den Russen so sicher ist? Was hab ich euch getan, daß ihr mich und meine Kinder verderben wollt?“

Ihre Verzweiflung war auch nicht kleiner geworden, als sich das Kind endlich beruhigte und an der Brust seiner Mutter gierig zu saugen begann. Sie war sich mit Schrecken klar geworden, wie schön diese Mutter war und wie nahe hinter ihr das Unglück stand....

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Sternbach: Wenn die Schakale feiern. Weckruf-Verlag, Weimar 1917, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SternbachWennDieSchakaleFeiern.pdf/18&oldid=- (Version vom 1.8.2018)