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und mit einem Lächeln, wenn sie des Tages in sein Haus kamen. In der Nacht vergaß er es. Aber bei Tag war er ja – Kalvinist und Amerikaner! Er hatte sich bei Sonnenlicht in diese Rolle eingespielt und redete zu ihnen wie einer, der weiß, was ihm von Rechts wegen gebührt.... Und sie waren auch zu ihm ganz anders: sie kamen mit einem Gruß, gaben ihm von ihrem Tabak zu rauchen, ließen zuweilen ein halbes Brot bei ihm liegen und gingen mit einem gutgemeinten Gruß von dannen.

Manch einer verweilte länger und ließ sich in ein Gespräch ein. Schulim war vorsichtig. Man konnte eine unüberlegt, überrasch gesprochene Wahrheit teuer bezahlen. Drum hieß es mit aller Kraft an sich halten, die Seele aus ihrem Futteral nicht heraustreten lassen. Denn es waren unter ihnen nicht wenige, die unzufriedene Worte sprachen in der Absicht, unzufriedene, verkrochene Seelen aus ihren Verstecken, ihrem Österreichertum herauszulocken, um so entweder Geld zu ersparen oder der Ochrana sich dienstbar zu erweisen. Wenn so einer zu Schulim kam und Klagen aufzurollen begann, wehrte Schulim zuerst mit den Händen ab, hielt sich die Ohren zu und entwaffnete ihn, indem er etwa sagte: „Borge mir zwei Rubel; die täten mir eher not als dein Geschwätz.“ Oder wenn einer in ihn drängte: „Bist du zufrieden?“, erwiderte er immer ein und dasselbe: „Ich bin ein Uhrmacher.“ Das war ein kräftiges Argument und ein Köder zugleich, denn sie hatten da gleich zur Hand eine Sammlung von Uhren – sie brauchten nur in ihre Stiefelröhren zu greifen.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Sternbach: Wenn die Schakale feiern. Weckruf-Verlag, Weimar 1917, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SternbachWennDieSchakaleFeiern.pdf/45&oldid=- (Version vom 1.8.2018)