Seite:SternbachWennDieSchakaleFeiern.pdf/46

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Es gab unter ihnen auch welche – sanfte und wahrscheinlich sinnierende Gemüter –, die für die Uhrmacherei ein besonderes Interesse bekundeten. Sie sahen zu, wenn er an ihren Uhren bastelte. Und einer war, der hatte nichts zu richten, der aber fast jeden Tag zu Schulim kam und ihn so sehr an sich gewöhnte, daß er es peinlich empfand, wenn der Soldat einmal länger ausblieb. Er saß stundenlang da, war anfangs wortkarg, taute aber immer mehr auf. Seine Stimme war rauh, sein Gesicht mit den kleinen Augen unschön, aber gewinnend, und in seinem übergroßen Wuchs und seinem vorgeneigten torkelnden Gang lag Gemütlichkeit. Er war von Odessa – Odjessa sagte er – und erzählte von Menschen und Begebenheiten aus seinem Lebens- und Gedankenkreis in schlichter Bauernart, daß ihm der Uhrmacher gerne zuhörte. Der Soldat war Schuster von Beruf und sah zur Uhrmacherkunst wie zu einem heiß ersehnten, aber unerreichbaren Ideal hinauf; sie dünkte ihm der Inbegriff des Höchsten und Edelsten, wie es etwa der Dorfbriefträger dem Gemeindehirten ist. Er war eine bescheidene, stille, genügsame Natur. Aber Schulim, der in den Seelen der Uhren Bescheid wußte, war ein schlechter Menschenkenner. Er blieb paff, als der Soldat einmal ganz unvermittelt an ihn mit der Frage heranrückte, warum er keine Heiligenbilder bei ihm sehe.

„Das ist mir eine Frage –“ dachte der Uhrmacher – „wie ein unverhofft verkündetes Fasten, wenn die Suppe auf dem Tische dampft!“

Es ward ihm unbehaglich. Sein Mißtrauen

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Sternbach: Wenn die Schakale feiern. Weckruf-Verlag, Weimar 1917, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SternbachWennDieSchakaleFeiern.pdf/46&oldid=- (Version vom 1.8.2018)