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hatte ihn beim Schopf gepackt. Er vergaß seine Prinzipien, vergaß Froim Ketzales, der sich Miroslaw nannte, und hörte in Gedanken jetzt wieder die Schreie der Gepeitschten. Als aber jener schweigend die Antwort erwartete, entgegnete er: „Ich will’s dir sagen, daß du es weißt. Ich bin ein ‚postupowy chrystyanin‘– ein fortschrittlicher Christ und scher’ mich um diese Dinge nicht. Bilder sind Werke der Menschenhand und die Menschen sind jetzt schlecht geworden. Ich kann’s nicht ausdenken, daß Gott – ja, ich kann’s eben nicht ausdenken –“.

Er hielt inne.

Darauf zog der Soldat seine Kappe vom Haupt, legte sie auf den Tisch mit dem Futter nach oben und hielt sie dem Uhrmacher hin: „Lies, was dort gedruckt steht! Kannst du es lesen? Dort steht aus gedruckt: za carja, za wieru – für den Zaren, für den Glauben! So bekommen wir es. Za familjn – steht nicht dort. Mein Weib und meine Kinder sterben wo Hungers. Odjessa ist eine große Stadt und hat viele arme Leute. Die sterben alle Hungers. Wofür? und warum? Siehst du, mein Vater hat sich auch geschlagen, ’s ist gar nicht solange her. Dort mit den Gelben. Man erzählte von ihm, daß er mit der Harmonika in den Sturm ging, als ihm beide Beine abgeschossen wurden. Die Mutter sollte dann jährlich etwa zehn Rubel für Andrij Gawrylowitsch’ Beine und Leben bekommen. Mein Vater war ein „prostak“ ein Gemeiner. Glaubst du, daß sie auch nur ein einziges Mal diese Summe ganz ausbezahlt bekommen hatte? Kein Gedanke! Zuerst mußte

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Hermann Sternbach: Wenn die Schakale feiern. Weckruf-Verlag, Weimar 1917, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SternbachWennDieSchakaleFeiern.pdf/47&oldid=- (Version vom 14.5.2018)