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Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/64

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in seinen jüngeren Jahren eine gesellige, heitere Natur und er unterhielt sich gern mit seinen Künstlerfreunden und Landsleuten am Zechtisch. Das war für ihn fast unumgänglich notwendig, weil das russische Regime das Beisammensein mehrerer Personen nur beim Zechtisch duldete, was freilich zur Folge hatte, daß ukrainische Freiheitsschwärmer, um die Gendarmen Nikolaus' irrezuführen, sich in Vereinen zum Kultus des Bacchus organisierten.[1]

Kurz vor seinem Lebensende wurde Schewtschenko in der Kunstakademie, wo er seine Wohnung hatte, mit Iwan Turgenjeff bekannt, der ihn folgendermaßen beschrieb:[2] „Breitschultrig, untersetzt, von knorrigem Wuchs, hatte er ganz das Aussehn eines Kosaken mit deutlichen Spuren soldatischen Drills. Der kantige Schädel zeigte eine Glatze; die hohe Stirn war gefurcht, die Nase breit, ein dichter Schnurbart bedeckte die Lippen; die grauen Augen waren nicht groß; ihr zumeist finstrer und mißtrauischer Blick zeigte selten den freundlichen, fast zarten Ausdruck, dessen sie fähig waren, von einem schönen und gütigen Lächeln begleitet … Mit einer hohen Schaffellmütze auf dem Kopfe, in einem langen dunkelgrauen Pelzrock mit einem Kragen aus schwarzem Lammfell, sah er wie ein echter Kleinrusse, ein stattlicher Bauer aus …“

Von dem innern Wesen unsres Dichters schrieb Turgenjeff in der gleichen Charakteristik: „Für seine Person war er zurückhaltend, ließ nur wenig Äußerungen hören, vermied jede nähere Berührung und hielt sich zumeist abseits … das eigentliche poetische Element in ihm kam nur selten zum Vorschein; er machte vielmehr den Eindruck eines schwerfälligen, weltfernen Menschen, der seine Leidensgeschichte hinter sich hat und eine Fülle von Schmerz auf dem Grund seiner Seele birgt, die sich fremden Augen nur schwer erschließen mochte, mit einem Aufleuchten hie und


  1. Näheres darüber: Dr. Wassyl Szczurat: „Ein Toast auf die ukrainische Republik im Jahre 1848.“ Aus dem Leben und Schaffen Schewtschenkos, Lemberg 1914, ukr.
  2. In der Einleitung zur Prager Ausgabe des „Kobsar“ vom Jahre 1876.