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'Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied': Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied

größesten Widerwärtigkeiten sonst so tapfern Manne aus! Nur einen Sohn haben, und einen solchen Sohn! Man mußte das gefühlvolle Herz des alten Fürsten kennen, um sich einen Begriff von seinen Leiden zu machen. Er hatte alle Heilungsmittel angewandt, die ihm sein fruchtbarer Geist darboth, Vorstellungen, Belehrungen, sanfte, rührende Bitten, Aerzte, aber alles vergeblich! Was seinen Jammer vermehrte, war der Gedanke, daß die Geisteskrankheit seines Sohnes eine unausrottbare Wurzel habe, daß sie in einer Art von Idiosynkrasie gegründet seyn, welche von alten Zeiten her seiner Familie eigen ist, und Kraft welcher in vielen Gliedern derselben Genie und Narrheit als gleichzeitiger Urstoff dicht neben einander liegen.

Sein Bruder, ein preußischer General, und, nach dem Zeugnisse des kompetentesten Richters, des Großen Friedrichs, ein vortreflicher Offizier wurde ein Narr[1], und erschoß sich. Sein Enkel, Prinz Clemens, dessen Jugend zu den schönsten Hoffnungen berechtigte, kam in dem Alter, in welchem der Geist des Menschen gewöhnlich in der schönsten Blüthe steht, aus östreichischen Diensten zurük, mit den ersten Kennzeichen der Verwirrung, die unter den Augen seines gebeugten Großvaters von Tag zu Tage zunahm, und schnell zu Narrheit reifte. Zwar schienen bey jenem Geiz, und bey diesen Ausschweifungen, den unglüklichen Urstoff praedominant gemacht zu haben. Allein mit desto größerer Wehmuth mußte sich dem alten Fürsten der Gedanke aufdrängen, daß für seinen Sohn auch nicht die mindeste

  1. Zur Entschuldigung dieses Ausdrukkes, wenn er anders einer Entschuldigung bedarf, folgendes: Le Duc de Bourgogne demanda à l’Abbé de Choisy, comment il feroit pour dire, dans son histoire de Charles VI, que Charles VI etoit fou? Monseigneur, répondit l’Abbé, je dirai, qu’il étoit fou!