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'Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied': Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied

war der Fall bei dem Fürsten. Lange währte der Kampf zwischen seinem Vaterherzen und dem Gefühle höherer Pflichten. Er wankte von einem Plane zu dem andern. Endlich raffte er sich zusammen, erklärte durch ein am 25sten April 1788 errichtetes Testament seinen Sohn für succeßionsunfähig, und ernannte seinen zweyten Enkel zum Nachfolger in der Regierung. Zu dieser Ausschliessung von der Regierung berechtigte ihn schon ein zwischen den Grafen von Wied 1613 geschlossener Stamm-Verein. Er fügte aber dieser Enterbungs-Akte noch wichtige Gründe bei, nemlich:

„Das düstre Wesen seines Sohnes von Jugend an, seine Sonderbarkeiten, die verkehrte Richtung seines Verstandes und überspannte Einbildungskraft, seine übeln ökonomischen Versuche und dadurch gemachten Schulden, seine unanständige Lebensart, und die schimpfliche Behandlung seiner Gemahlin.“

Dieses Testament wurde bei der neuwiedischen Regierung deponirt, und die Dienerschaft darauf verpflichtet.

Die Wirkung dieser Verfügung auf die Seele des Erbprinzen kannst du dir leicht denken, so wie seine Bemühungen, die Zurüknahme dieses ihm verhaßten Testamentes zu bewirken. Es gelang ihm, seinen ehmaligen Hofmeister, den geheimen Rath Beckmann in sein Interesse zu ziehen. Dieser ängstigte den alten Fursten durch die Versicherung, daß das Testament schwere Prozesse zur Folge haben würde, so sehr, daß er es wieder zurüknahm.

Statt dessen ließ er seinen Sohn einen eidlichen Revers ausstellen. Er hoffte, dessen Skrupulosität würde diesen Eid heilig halten. Durch diesen Revers wollte er ihm nur die traurige Macht nehmen, Dinge zu thun, welche für Haus und Land gar nachtheilig wären.